Wir über uns – Geburtstage <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 20
Olympische Spiele 1972 Die Bitte der Redaktion um Beiträge von FREUNDE-Mitgliedern über ihre Erinnerungen von vor 50 Jahren hat ein lebhaftes Echo gefunden. Jede der übermittelten Geschichten hat einen völlig anderen persönlichen Aufhänger. Allen Einsendern gemeinsam ist die große Vorfreude auf ein Wiedersehen in München <strong>2022</strong>. Akii-Buas Hinterlassenschaft Der große schwarze Mann aus dem von der internationalen <strong>Leichtathletik</strong> noch unentdeckten Uganda, lange Beine, breite Schultern, befürchtet, dass die Nacht vor dem Finale über 400 m Hürden für ihn wenig erholsam sein könnte, wie häufig vor Großereignissen. Zu viel Nachdenkenswertes hatte sich zuletzt im Kopf von John Akii-Bua aufgestaut: die noch nicht überwundenen Folgen einer Zahnoperation kurz vor Beginn der Spiele – ein seinem Trainer Malcolm Arnold verschwiegenes dickes Knie, Resultat einer Kollision mit der ersten Hürde im Semifinale – die latent vorhandene Sorge, sein linkes (!) Nachziehbein könnte verbotenerweise an den Hürden vorbei in fremden „Luftraum eindringen“ (was im Endlauf an den Hindernissen eins und zwei tatsächlich der Fall war, von Kampfrichtern aber unbemerkt blieb, in einem Video des deutschen Bundesausschusses Leistungssport jedoch nachgewiesen wurde) – das Pech mit der fürs Finale gelosten Innenbahn, ausgerechnet für ihn, der doch der Schnellste im Semifinale war (dem heutzutage ein Platz zwischen den Bahnen vier bis sechs zusteht). Eine Vision, die er oft als potenziell schlafstörend empfunden hatte, verfolgt den 22‐jährigen Polizisten aus Ugandas Metropole Kampala nach den Semifinalläufen allerdings nicht länger: die scheinbare Unbesiegbarkeit des britischen Konkurrenten Dave Hemery, Weltrekordler und Sieger von Mexiko City. Ihn und Ralph Mann, den Meister der USA, beobachtete Akii-Bua in den ersten Runden und beschied sich dann selbstbewusst: Der Goldfavorit im Münchner Olympiastadion bin ich. Was dem Afrikaner am Vorabend des 2. September durch den Kopf gegangen war, erfuhr Coach Arnold erst Mitte der 1980er Jahre aus zwölf Notizbüchern seines besten Mannes mit täglichen Aufzeichnungen. Ob der Hürdenmann den Schlaftrunk, eine Flasche Champagner, die ihm Arnold für die Nacht vorm Finale zur Beruhigung seiner Nervosität aufs Zimmer gebracht hatte, auch den Tagebüchern anvertraute, ist nicht bekannt … Anderntags staunen wir, in welcher Verfassung sich Arnolds „Bua“ dem Olympiastarter Sepp Friesinger zum Finalstart stellt: hellwach, offenbar ziemlich ausgeschlafen. Während die Kontrahenten sich ausdruckslos vor ihren Blöcken konzentrieren, tänzelt Akii-Bua auf seiner Bahn herum, dabei lachend Freunden im Publikum zuwinkend. Will er so seinen Respekt vor dem Handicap Innenbahn verdrängen, auf der erst einmal ein Athlet zum Olympiasieg lief (2000, Taylor, USA)? Will er die Mitbewerber irritieren? Dann geht die Post ab, Hemery hat zunächst einen Vorsprung, kurz vor Hürde acht geht der verloren: John A-B zieht vorbei. Und auf der Zielgeraden läuft er Hemery und Co. schließlich auf und davon. Weltrekord (47,82 s), erste Zeit unter 48 Sekunden, Goldpremiere für sein Heimatland. Und dann das: 21 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>