Leichtathletik INFORMationen 03/2022
Inhalt: Die FREUNDE in Berlin 2022 + Jugend-DM in Ulm + Rückblick: U16-DM + Rückblick: U23-DM + Förderprojekt: FREUNDE-Camp Hochsprung + Rückblick: U18-Europameisterschaften in Jerusalem + WM in Eugene: Ernüchternde Pleite
Inhalt: Die FREUNDE in Berlin 2022 + Jugend-DM in Ulm + Rückblick: U16-DM + Rückblick: U23-DM + Förderprojekt: FREUNDE-Camp Hochsprung + Rückblick: U18-Europameisterschaften in Jerusalem + WM in Eugene: Ernüchternde Pleite
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Heft <strong>03</strong>/<strong>2022</strong><br />
<strong>Leichtathletik</strong><br />
<strong>INFORMationen</strong><br />
FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong> e. V. – Wir fördern die <strong>Leichtathletik</strong>-Jugend
Liebe Mitglieder, liebe FREUNDE,<br />
Corona machte es möglich: Weltmeisterschaften und Europameisterschaften der<br />
Leichtathleten nur im Abstand eines Monats. Während die WM in Eugene nur die<br />
eingefleischten <strong>Leichtathletik</strong>-Fans in nächtlichen Stunden zur Live-Zeit im Fernsehen<br />
verfolgt haben dürften, wird München zur Prime-Time in die europäischen<br />
Wohnzimmer geliefert. Die große Chance für unsere Sportart und insbesondere für<br />
die heimischen Athletinnen und Athleten, sich gut zu präsentieren.<br />
Wieder eine „Heim-EM“. München <strong>2022</strong> folgt direkt auf Berlin 2018, nachdem Paris<br />
pandemiebedingt die kontinentalen Titelkämpfe 2020 kurzfristig absagen musste.<br />
50 Jahre nach den „heiteren“ Spielen und 20 Jahre nach den Europameisterschaften<br />
war „die Motivation“ der Stadt München, sich für die European Championships zu<br />
bewerben, um neben der Kernsportart <strong>Leichtathletik</strong> noch weitere acht Sportarten,<br />
in denen um Medaillen gekämpft wird, in der bayrischen Landeshauptstadt zu<br />
begrüßen.<br />
Nicht wenige der deutschen Athletinnen und Athleten geben der EM in München<br />
den Vorzug gegenüber der Metropolregion in Oregon, um mit Unterstützung des<br />
Heimpublikums den größtmöglichen Erfolg zu erzielen.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Förderverein FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong> e.V.<br />
Geschäftsstelle:<br />
Alfred Maasz<br />
Am Steinlein 2b, 97753 Karlstadt<br />
Telefon: 0 93 53 / 9 98 86, Fax / 99888<br />
E-Mail: geschaeftsstelle@fdlsport.de<br />
Internet: www.fdlsport.de<br />
FB: www.facebook.com/freundederleichtathletik<br />
Instagram: www.instagram.com/fdlsport<br />
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IBAN: DE25 7905 0000 0047 4317 21<br />
Erscheint viermal jährlich. Der Bezug dieser<br />
Zeitung ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
Redaktion (V.i.S.d.P.):<br />
Peter Busse<br />
Dr.-Gemmert-Str. 24<br />
40882 Ratingen<br />
E-Mail: busse-ratingen@t-online.de<br />
Für mit Namen oder Initialen gekennzeichnete<br />
Beiträge sind die Verfasser verantwortlich.<br />
Die FREUNDE sind bemüht alle Artikel in einer<br />
gendergerechten Sprache zu verfassen. Trotzdem<br />
kann auch die Redaktion eine solche Textpassage<br />
übersehen. Sollte das geschehen, bitten<br />
wir dies zu entschuldigen. Wenn bei Artikeln<br />
keine gendergerechte Anpassung vorgenommen<br />
wurde, so geschah dies auf ausdrücklichen<br />
Wunsch des Autors.<br />
Gestaltung und Druck:<br />
color-offset-wälter GmbH & Co. KG<br />
Oberste-Wilms-Straße 18, 44309 Dortmund<br />
Telefon: 02 31 / 97 67 64 - 0<br />
E-Mail: kontakt@color-offset-waelter.de<br />
Internet: www.color-offset-waelter.de<br />
Titelseite:<br />
Für das Titelfoto kam nur eine infrage:<br />
Weltmeisterin Malaika Mihambo<br />
Es ist auch davon auszugehen, dass in deutschen Stadien aufgrund des kurzen<br />
zeitlichen Abstands von zwei Europameisterschaften in absehbarer Zeit keine<br />
internationalen Großveranstaltungen der <strong>Leichtathletik</strong> stattfinden werden.<br />
Das FdL-Hotelangebot im Olympischen Dorf war in kürzester Zeit vergriffen. Ein<br />
Zimmer im Olympischen Dorf, für viele ein weiteres Erlebnis schlechthin.<br />
Wie schon in Berlin 2018 haben die Organisatoren von München, bei der der Deutsche<br />
<strong>Leichtathletik</strong>verband im Übrigen nicht eingebunden ist, den FREUNDEN<br />
einen Rabatt bei Käufen von Tickets angeboten. Über 200 FdL-Mitglieder haben sich<br />
mittlerweile mit Dauerkarten versorgt. Rechnet man die Käufe von Einzeltickets und<br />
in anderen Blöcken dazu, werden die FREUNDE bei den sechs Wettkampftagen wieder<br />
in großer Anzahl im Olympiastadion vertreten sein.<br />
Eingebunden, wie schon in Berlin 2018 und sonst bei deutschen Meisterschaften<br />
der Aktiven, ist das Jugendlager, das auch von den FREUNDEN der <strong>Leichtathletik</strong><br />
mit einer größeren Geldsumme unterstützt wird. Die circa 100 Jugendlichen plus<br />
Betreuungsteam werden als Stimmungsmacher im Olympiastadion nicht zu überhören<br />
sein.<br />
Die Blicke der Leichtathleten richten sich auch in München wieder nach vorne.<br />
Während den Wettkampftagen trifft sich die European Athletics mit den Vertretern<br />
der internationalen Fangruppen, um die kontinentalen Meisterschaften der nächsten<br />
Jahre vorzustellen und Wege des Ticketkaufs aufzuzeigen. Wir werden darüber<br />
berichten.<br />
Wilfried Walter, unser Ressortleiter für Internationales, hat wie bereits in Berlin<br />
wieder ein „Meet and Greet“ für die internationalen Fangruppen organisiert, wo<br />
auch 40 FdL-Mitglieder plus FdL-Vorstand nach erfolgter Voranmeldung dabei sein<br />
können.<br />
Freuen wir uns auf spannende Wettkämpfe und auch auf schöne Erfolge unseres<br />
Teams.<br />
Roland Frey<br />
Vorsitzender<br />
Titelfoto:<br />
Gladys Chai von der Laage<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 2
Die Trauben hängen hoch<br />
Die Deutschen Meisterschaften im Rahmen der Finals waren für die <strong>Leichtathletik</strong> vor allem<br />
eine Standortbestimmung für die bevorstehenden Welt- und Europameisterschaften. Vor dem<br />
Berliner Olympiastadion sorgten penible Einlasskontrollen allerdings für Ärger und Frust.<br />
Die allermeisten <strong>Leichtathletik</strong>fans haben noch die Bilder des<br />
Sommermärchens der <strong>Leichtathletik</strong> anlässlich der Europameisterschaft<br />
(EM) 2018 sowie von vielen ISTAF-Veranstaltungen<br />
im Berliner Olympiastadion im Kopf. Ein pickepacke volles Stadion<br />
und tolle Leistungen der deutschen Athletinnen und Athleten<br />
sind im Gedächtnis geblieben – verbunden mit vielen<br />
emotionalen Momenten.<br />
Die Deutschen Meisterschaften (DM) waren in diesem Jahr wie<br />
2019 Teil der Veranstaltung „Die Finals“. Nach Angaben der<br />
Veranstalter kamen über 200.000 Besucher zu den einzelnen<br />
Veranstaltungen der Finals sowie zum Familiensportfest des<br />
Landesportbundes Berlin. Davon fanden leider nur wenige den<br />
Weg ins Olympiastadion. Zahlreiche Besucher*innen waren von<br />
dem penibel durchgesetzten Sicherheitskonzept im Hinblick<br />
auf mitgeführte Rücksäcke und Taschen betroffen, was zu vielfachem<br />
Unverständnis und Unmut führte. Auch das lästige Ausund<br />
Einchecken zwischen den beiden Tagesveranstaltungen<br />
war umständlich und führte zu Kopfschütteln. Trotzdem schafften<br />
es die wenigen Fans, davon ein großer Anteil der FREUNDE<br />
der <strong>Leichtathletik</strong>, eine positive Wettkampfstimmung zu schaffen.<br />
Ein volles Berliner Olympiastadion bei einer <strong>Leichtathletik</strong>veranstaltung<br />
ist in naher Zukunft eher unwahrscheinlich.<br />
Der große Knall blieb aus<br />
Anlässlich einer amtlichen Unwetterwarnung am Samstagnachmittag<br />
musste die Veranstaltung kurzfristig unterbrochen<br />
werden. Der Veranstalter verhielt sich vorbildlich, aber es war<br />
irgendwie sonderbar, denn der große Knall blieb aus. Damit<br />
wären diese 122. Deutschen <strong>Leichtathletik</strong>-Meisterschaften in<br />
Berlin auch gar nicht so schlecht beschrieben.<br />
Idriss Gonschinska hatte im Vorfeld der Meisterschaften vom<br />
absoluten Zugpferd der Veranstaltung und Annett Stein von<br />
einer wichtigen Standortbestimmung gesprochen. Erst in<br />
Berlin, das hatten die DLV-Verantwortlichen betont, werde sich<br />
die wahre Stärke des deutschen <strong>Leichtathletik</strong>teams in diesem<br />
Sommer erstmals zeigen.<br />
Ja, wir haben gute Leistungen mit Gütesiegel gesehen.<br />
Dabei waren auch Auftritte, die im internationalen Vergleich<br />
etwas hermachen, aber viele Ergebnisse waren doch eher<br />
durchschnittlich. Reicht dieses Leistungsbild der deutschen<br />
<strong>Leichtathletik</strong> für die Erfüllung der Erwartungen der<br />
Verantwortlichen und der Fans für die zwei kommenden Großveranstaltungen<br />
in Eugene und München? Man darf gespannt<br />
3 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
sein. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewannen die<br />
deutschen Athletinnen und Athleten nur drei Medaillen, bei den<br />
letzten Weltmeisterschaften 2019 in Doha waren es sechs und<br />
bei den letzten Europameisterschaften in Berlin vor vier Jahren<br />
waren es noch 20 Medaillen. Andere Nationen wie die Schweiz<br />
oder die Niederlande haben im Bereich der internationalen<br />
Spitzenleichtathletik aufgeholt; bei uns ist, bis auf einige Ausnahmen,<br />
eher ein Stillstand zu beobachten.<br />
Für besondere Glanzlichter sorgten Gina Lückenkemper,<br />
Bo Kanda Lita Baehre sowie die Hochspringer<br />
Die Berlinerin blieb im Finale über 100 m mit 10,99 s erstmals<br />
seit vier Jahren wieder unter der 11-Sekunden-Marke. In der Vormittagssession<br />
katapultierte sich Stabhochspringer Bo Kanda<br />
Lita Baehre mit 5,90 m auf Platz drei in der aktuellen Weltbestenliste.<br />
Tobias Potye und Mateusz Przybylko trieben sich im<br />
Hochsprung zu 2,30 m und dem geteilten Titel.<br />
europäische Vergleich der Zeiten, Weiten und Höhen deutscher<br />
Leichtathlet*innen lässt jedoch für die EM in München auf ein<br />
gutes Abschneiden hoffen.<br />
Ehrungen<br />
Im Rahmen der Deutschen Meisterschaften wurden die<br />
Leichtathleten und Jugend-Leichtathleten des Jahres 2021 in<br />
Anwesenheit von Vertreter*innen des DLV und der FREUNDE<br />
geehrt. Ende 2021 hatten Malaika Mihambo und Johannes<br />
Vetter bei den Aktiven sowie Sarah Vogel und Oliver Koletzko<br />
bei den Jugendlichen die Wahlen zu den Leichtathleten des<br />
Jahres 2021 für sich entschieden. An der Ehrung nahmen die<br />
FREUNDE-Vorstände Christiane Offel und Roland Frey teil.<br />
Julian Weber festigte seine momentane Stellung als nationaler<br />
Speerwerfer Nummer eins mit 86,61 m, Malaika Mihambo untermauerte<br />
mit ihrem nächsten Sieg mit einer Weite von 6,85 m<br />
eindrucksvoll ihre derzeitige Dominanz, beim Männersprint<br />
dominierte Owen Ansah mit einem Doppelsieg und Carolin<br />
Schwab lief im Vorlauf als erste Deutsche seit 2002 die 400 m<br />
unter 51 Sekunden, in 50,91 s.<br />
Die Königin auf den Langstrecken ist in diesem Jahr, zumindest<br />
bei nationalen Titelkämpfen, Alina Reh. Die Schwäbin, die im Trikot<br />
des SCC Berlin unterwegs ist, hatte im Mai schon DM-Gold<br />
über 10.000 Meter gewonnen, im Olympiastadion fügte sie ihrer<br />
Sammlung die Goldmedaille über 5.000 Meter hinzu.<br />
Unter anderem mit Hürdensprinterin Marlene Meier, der Speerwerferin<br />
Lea Wipper und dem 800-m-Läufer Tim Holzapfel hat<br />
es neben den bewährten Kräften auch einige neue Gesichter<br />
gegeben, die die große Bühne des Olympiastadions zu nutzen<br />
wussten.<br />
Den besten Wettkampf der Meisterschaften boten die Diskuswerferinnen.<br />
Die Olympiazweite Kristin Pudenz steigerte sich<br />
in einem hochklassigen Finale auf 67,10 m und bestätigte damit<br />
ihren derzeitigen Platz drei in der Welt. „Meine Familie war hier<br />
und es war wirklich ein emotionaler Moment für mich“, sagte<br />
Kristin Pudenz, für die es der vierte DM-Titel in Serie war. In<br />
ihrem Schatten lieferten sich Shanice Craft und Julia Harting ein<br />
Duell auf Weltniveau mit Weiten von 64,64 m sowie 64,34 m.<br />
Sarah Vogel und Oliver Koletzko gewannen bei der Jugend die<br />
Athletenwahl des Jahres 2021 und erhielten auf den Stufen des<br />
Olympiastadions ihre Auszeichnungen.<br />
Zum Abschluss der DM wurde zudem unserem FREUNDE-Mitglied<br />
Alina Reh nachträglich die Medaille ihres bisher größten<br />
Triumphs übergeben. Nachdem bei der Heim-EM 2018 über<br />
10.000 Meter die ursprünglich Drittplatzierte Meraf Bahta<br />
(Schweden) wegen Dopingverstößen disqualifiziert worden<br />
war, erklärte European Athletics die Deutsche nachträglich zur<br />
Gewinnerin der Bronzemedaille.<br />
<br />
<br />
Text: Joachim Höller<br />
Fotos: Torben Flatemersch<br />
In einer vorläufigen Bilanz zeigte sich Annett Stein zufrieden.<br />
„Insgesamt konnten unsere Athlet*innen genau 100 Bestleistungen<br />
und 96 Saisonbestleistungen aufstellen. Das ist<br />
eine ordentliche Ausbeute“, analysierte sie. Gleichzeitig blickte<br />
sie auch kritisch auf die Leistungen in einigen Disziplinen. Die<br />
Bilanz wurde jedoch getrübt durch die vielen Krankmeldungen<br />
deutscher Spitzenathlet*innen wie Gesa Krause, Konstanze<br />
Klosterhalfen, Christin Hussong und Johannes Vetter.<br />
Die Trauben für den internationalen Vergleich bei der WM in<br />
Eugene hängen, bis auf wenige Ausnahmen, sehr hoch. Der<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 4
Die FREUNDE in Berlin <strong>2022</strong><br />
Nach den Wettkämpfen am Samstagvormittag fand die gut besuchte Mitgliederversammlung<br />
statt, in der sich DLV-Präsident Jürgen Kessing bei den FREUNDEN für die Unterstützung bei der<br />
Talentförderung bedankte. Im Anschluss an die Nachmittagsveranstaltung folgte unter Bäumen<br />
der FREUNDE-Abend.<br />
„Anlässlich der Deutschen Meisterschaften führe ich heute<br />
viele Gespräche mit unseren Sponsoren. Der Besuch bei den<br />
FREUNDEN der <strong>Leichtathletik</strong> steht bei mir ganz oben auf dem<br />
Terminkalender, Ihre Unterstützung ist unwahrscheinlich wichtig<br />
für uns“, sagte Jürgen Kessing.<br />
Vorsitzender Roland Frey warf bereits einen Blick auf das kommende<br />
Jahr. So werden auf nationaler Ebene die Deutschen<br />
Hallenmeisterschaften am 18./19. Februar 2023 in Dortmund<br />
und die Freiluftmeisterschaften am 29./30. Juli in Kassel im<br />
Fokus stehen. Er wies zudem darauf hin, dass der Förderverein<br />
im kommenden Jahr seinen 60. Geburtstag feiern wird. „Wir<br />
planen nicht einen so großen Festakt wie anlässlich unseres<br />
Goldjubiläums 2013 in Ulm. Trotzdem werden wir versuchen,<br />
unseren runden Geburtstag in einem würdevollen Rahmen<br />
durchzuführen“, kündigte Roland Frey an.<br />
Ihre Mitgliederversammlung nahmen die FREUNDE zum Anlass,<br />
sich bei Michael Gernandt für seine langjährige Tätigkeit beim<br />
Mitglieder-Magazin zu bedanken. Der frühere Sportchef der<br />
Süddeutschen Zeitung (SZ) engagierte sich seit 20<strong>03</strong> als <strong>Leichtathletik</strong>-Fachmann.<br />
Seine hochgeschätzten Kolumnen gingen<br />
weit über das Tagesgeschehen hinaus. So beschäftigte er sich in<br />
seinem ersten Beitrag, den er für die FREUNDE schrieb, mit dem<br />
Verhältnis von <strong>Leichtathletik</strong> und Journalismus. Dabei verriet<br />
Michael Gernandt, der 42 Jahre für die SZ tätig war, dass er sich<br />
während seiner langjährigen journalistischen Tätigkeit nur mit<br />
fünf Sportler*innen geduzt hat. So wollte er seine Unabhängigkeit<br />
und seine Objektivität wahren.<br />
Peter Busse, Mitglied des Medienteams, würdigte die langjährigen<br />
Verdienste von Michael Gernandt. „Es hat mir<br />
unwahrscheinlich viel Freude bereitet, mit ihm zusammenzuarbeiten.<br />
Er hat professionell wie kaum ein anderer gearbeitet.<br />
Seine Artikel konnte man eins zu eins übernehmen, und auch<br />
die Zeilenzahl passte bei ihm immer“, berichtete Peter Busse.<br />
„Ich möchte endlich auf der Tribüne sitzen, das <strong>Leichtathletik</strong>geschehen<br />
genießen und nicht ständig darüber nachdenken<br />
müssen, welches Leitthema mein nächster Artikel haben wird“,<br />
nannte Michael Gernandt den Grund, weshalb er nicht mehr für<br />
die Zeitschrift schreiben wird.<br />
Die Stemweder hielten es am längsten aus<br />
Die Erleichterung war allen anzumerken. Nach zwei Jahren<br />
Corona-Pause konnten die FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong> in Berlin<br />
endlich wieder einmal gemeinsam ein Bier im Freien trinken.<br />
Der Treffpunkt hatte eine optimale Lage. Das Preußische Landwirtshaus<br />
war fußläufig vom Olympiastadion zu erreichen, und<br />
es waren nur wenige Schritte bis zur S-Bahn-Station, sodass<br />
niemand Angst um seinen Führerschein haben brauchte. Das<br />
urige Restaurant, das vielen FREUNDEN bestens bekannt war,<br />
sorgte mit seinem rustikalen Ambiente und seinem großzügig<br />
gestalteten Biergarten sofort für eine Wohlfühlstimmung,<br />
sodass es unsere FREUNDE aus Stemwede bis weit nach Mitternacht<br />
dort aushielten.<br />
Gäste des Abends waren unter anderem FREUNDE-Mitglied<br />
Axel Schäfer, der Mitglied im Sportausschuss des Bundestages<br />
ist, die frühere Vize-Europameisterin Pamela Dutkiewicz-Emmerich,<br />
die wenige Stunden zuvor nach ihrem Rücktritt<br />
im vergangenen Jahr nun auch offiziell aus dem Kreise der<br />
Nationalmannschaft verabschiedet wurde, die Chef-Trainerin<br />
des DLV, Annett Stein, und das komplette Medien-Team von<br />
leichtathletik.de, das sich nach einem arbeitsreichen Tag entsprechend<br />
stärken musste.<br />
<br />
Text und Fotos: Peter Middel<br />
5 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Foto: Dirk Gantenberg<br />
Die Jugend-DM in Ulm<br />
Nach der U 18-EM und vor der U 20-WM standen an drei Tagen die nationalen Jugend-<br />
Meisterschaften im Ulmer Donaustadion an. 1.500 Athletinnen und Athleten waren bei<br />
den Titelkämpfen am Start; bei der U 20 ging es um heißumkämpfte Plätze für die WM,<br />
die Anfang August in Cali stattfindet.<br />
Die Nominierung erfolgte in Form von „Trials“, das heißt, die<br />
Erst- und Zweitplatzierten der DM waren damit gesetzt. Das<br />
erste Drama um diese Neuerung spielte sich gleich am ersten<br />
Meisterschaftstag im Kugelstoßen ab. Sechs Athleten hatten<br />
im Vorfeld die Norm von 18,50 m für die U 20-WM überboten.<br />
Tizian Lauria (VfL Sindelfingen) reiste sogar mit der Weltjahresbestleistung<br />
von 21,15 m an. Er stieß auch in Ulm mit 20,51 m<br />
die größte Weite, gewann aber weder Titel, noch wurde er für<br />
die WM nominiert. Wegen einer vierstündigen Vollsperrung<br />
der Autobahn kam seine Meldung im Callroom 18 min. zu spät.<br />
Lukas Schober (SG Weißig 1861) und Steven Richter (LV 90 Erzgebirge)<br />
werden nun die deutschen Farben vertreten.<br />
(Mit Redaktionsschluss erfuhren wir, dass - vier Tage später -<br />
auf Grund einer Ausnahmeklausel die Entscheidung getroffen<br />
wurde, in diesem Fall doch Tizian Lauria zu nominieren.)<br />
Hochkarätig besetzt war auch der Diskuswurf. U 20-Weltrekordler<br />
Mika Sosna (TSG Bergedorf) konnte sich erst mit<br />
dem sechsten Wurf Titel und Ticket sichern. Im Hammerwurf<br />
hingegen hätte Kai Hurych (KSV Fürth 09) jeder seiner fünf gül-<br />
So leer sah es am FREUNDE-Stand erfreulicherweise selten aus, aber Christiane Offel und Roland Frey waren bei der stimmungsvollen JDM<br />
zeitweise auch als Kampfrichterin bzw. bei Siegerehrungen eingesetzt. Fotos: FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong><br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 6
tigen Versuche für den Sieg gereicht. Hawa Jalloh (Wiesbadener<br />
LV) bot eine Glanzleistung über 100 m Hürden. Die 19-Jährige<br />
verbesserte ihre PB auf 13,23 s, war zunächst sprachlos und<br />
freute sich dann umso mehr (Foto links). Im Weitsprung erfüllte<br />
U 20-Europameister und Jugendathlet des Jahres 2021 Oliver<br />
Koletzko mit 7,62 m die Erwartungen; seine PB steht bei 7,98 m.<br />
Direkt mit dem ersten Versuch sprang Anna Gräfin Keyserlingk<br />
(LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) im Dreisprung mit 13,21 m zu<br />
neuer PB und damit zur U 20-WM in Cali.<br />
Bei der U 18 gewann im Dreisprung Josie Krone (Hamburger SV)<br />
mit starken 12,82 m und einen Tag später im Weitsprung mit<br />
5,94 m. Gleich drei Titel sammelte Thomas Wallstein (Gothaer<br />
<strong>Leichtathletik</strong>centrum). Der Dritte der U 18-EM über 100 m<br />
siegte über beide Sprintstrecken sowie im Weitsprung mit<br />
7,30 m. Beim weiblichen Nachwuchs sprintete Chelsea Kadiri<br />
(Sportclub Magdeburg) in 11,53 s zum U 18-Titel. Zweite wurde<br />
Holly Okuku (GSV Eintracht Baunatal), die über 200 m in 24,11 s<br />
einen deutlichen Sieg errang.<br />
Johanna Göring (SV Salamander Kornwestheim), die Vize-<br />
Europameisterin von Jerusalem im Hochsprung, meisterte bis<br />
1,87 m jede Höhe im ersten Versuch. Erst bei 1,90 m blieb die<br />
Latte nicht mehr liegen. Friedrich Schulze (TV Gelnhausen) hatte<br />
in Israel seinen Zehnkampf als Fünfter beendet. Der 17-Jährige<br />
bewies in Ulm als deutscher Meister im Hochsprung Extraklasse<br />
in seiner Paradedisziplin; er siegte mit PB von 2,09 m.<br />
Text: zusammengetragen aus etlichen Mails unserer Mitglieder, die<br />
in Ulm dabei waren und leichtathletik.de.<br />
Fotos: Torben Flatemersch<br />
7 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Stimmungsvolle U 16-DM<br />
Bremen war erneut Austragungsort der Meisterschaften der 14- und 15-jährigen Nachwuchstalente.<br />
850 Athleten, Trainer und Betreuer, knapp 100 Kampfrichter und Helfer und mehr als<br />
tausend Zuschauer sorgten für ein tolles <strong>Leichtathletik</strong>fest.<br />
Trotz unbeständigem Wetter mit Regen, Wind und Sonnenschein<br />
erbrachten die jungen Talente auf der Sportanlage<br />
Obervieland in Bremen hervorragende Leistungen. Für den<br />
sportlichen Höhepunkt sorgte Kiara Hanisch (LAC Erdgas<br />
Chemnitz, Foto oben) mit dem Gewinn von drei Goldmedaillen<br />
– über 100 m in 11,96 s, im Weitsprung mit 5,78 m und mit der<br />
4 x 100-m-Staffel.<br />
Der 15-jährige Johannes Böcher (USC Mainz) siegte im Hochsprung<br />
mit 1,96 m. Damit bestätigte er seine gute Form vom<br />
Tag der Überflieger in Essen am 12. Juni <strong>2022</strong>, wo er den<br />
Hochsprung mit neuer persönlicher Bestleistung von 2,00 m<br />
gewann. FREUNDE-Mitglied Thomas Kuntke unterhielt sich während<br />
der Veranstaltung mit seinem Trainer, Helmut Hurst. Dieser<br />
verriet ihm, dass Johannes mit dem Zehnkampf liebäugelt.<br />
So war es nicht verwunderlich, dass Johannes dann auch am<br />
Speerwurf-Wettbewerb teilnahm und mit 54,48 m den vierten<br />
Platz belegte. Nachdem er am Sonntagmittag Sieger im Hochsprung<br />
geworden war, gewann er nachmittags noch mit der<br />
4 x 100-m-Staffel des USC Mainz die deutsche Meisterschaft.<br />
Karla Schymura (Hamburger SV), eine weitere Athletin, die<br />
ebenfalls am Hochsprung-Camp der FREUNDE in Essen teilnahm,<br />
wurde mit 1,71 m Vizemeisterin. Merle Weber (LT DSHS<br />
Köln) wurde höhengleich deutsche Meisterin. Der anwesende<br />
DLV-Nachwuchstrainer Hochsprung, Jan Pablo Oehl, war mit<br />
den Leistungen auch der anderen, von ihm betreuten Nachwuchsathleten,<br />
sehr zufrieden.<br />
Anna Hiesinger (LAZ Ludwigsburg) reiste mit einer Bestleistung<br />
von 3,30 m im Stabhochsprung an und siegte mit einer<br />
bemerkenswerten Steigerung auf 3,65 m. Jan Emanuel Merheim<br />
(TuS Köln) siegte in 2:01,33 min über 800 m und Abie Hensgen<br />
(LC Rehlingen) gewann die 3.000 m in der Zeit von 9:26,05 min.<br />
Nicht ganz glücklich gewählt war der Ort der Siegerehrung<br />
abseits der vollbesetzten Tribüne. Ein zentralerer Platz wäre für<br />
die Besucher angenehmer und für die Erstplatzierten würdiger<br />
gewesen. Insgesamt betrachtet berichteten mehrere FREUNDE<br />
der <strong>Leichtathletik</strong> von einer tollen Stimmung auf den Tribünen<br />
und von vielen Besuchern, die alle Nachwuchstalente bei den<br />
Wettkämpfen lautstark anfeuerten.<br />
<br />
<br />
Text: FREUNDE-Team aus Bremen<br />
Fotos: Iris Hensel, Claus Habermann und Reinhard Wagner<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 8
Eine U 23-DM im WM-Schatten<br />
Auch in normalen Jahren ist das Zuschauerinteresse an den Junioren-Meisterschaften nicht<br />
gerade berauschend. Wenn allerdings gleichzeitig die Weltmeisterschaft stattfindet und das<br />
deutsche U 20-Team zur WM nach Cali bereits abgereist ist, wird es auf der Tribüne so übersichtlich,<br />
dass sich die wenigen FREUNDE regelmäßig in Zielnähe treffen mussten.<br />
Die FREUNDE konnten miterleben, wie eine frühzeitig aus<br />
den USA heimgekehrte Athletin im Lohrheidestadion antrat.<br />
Samantha Borutta (Eintracht Frankfurt) warf den Hammer mit<br />
69,42 m deutlich weiter als bei der WM, wo sie in der Qualifikation<br />
hängen geblieben war. Das reichte zum Titel, hätte<br />
jedoch in Eugene auch nicht für das Finale gereicht.<br />
Spaß machten die Dreispringer*innen. Kira Wittmann (LG Göttingen)<br />
näherte sich mit ihrer Siegesweite von 13,90 m der<br />
magischen 14-m-Marke. Bei den Männern puschten sich Pascal<br />
Lehmann (SC Potsdam), Benedikt von Hardenberg (LG Telis<br />
Finanz Regensburg) und Jaron Boateng (TV Wattenscheid) von<br />
Bestleistung zu Bestleistung. Mit seinem letzten Satz steigerte<br />
sich Pascal Lehmann um satte 70 cm auf 15,51 m.<br />
Sprintkönig*in wurden Tabea Prepens (TV Cloppenburg) und<br />
Robin Ganter (MTG Mannheim), die jeweils beide Sprintstrecken<br />
souverän gewannen. Für die größte Überraschung sorgte<br />
Carolina Schäfer über 5.000 m. Es gelang ihr, auf der langen Zielgeraden<br />
die hoch favorisierte Emma Heckel zu übersprinten.<br />
Ähnliches vollbrachte Lennart Roos (LG Rhein-Wied) über die<br />
viel kürzeren 400 m Hürden. Jordan Gordon (OTB Osnabrück)<br />
führte zunächst, musste sich dann Henri Schlund (TSV Bayer<br />
Leverkusen) erwehren, bevor auf Bahn 8 Roos noch wie ein<br />
geölter Blitz an ihnen vorbeizog.<br />
Auch die Läufer über 3.000 m Hindernis hatten sich ihr Rennen<br />
höchst unterschiedlich eingeteilt. Robin Müller (LC Top<br />
Team Thüringen) war zunächst vor Marco Sietmann (LG Brillux<br />
Münster) deutlich in Führung gegangen. Weit dahinter lief<br />
Florian Zittel (LG Region Karlsruhe) sein eigenes Tempo, das<br />
mit einer famosen Aufholjagd auf den letzten beiden Runden<br />
und dem Titelgewinn endete. Zunächst hatte er Sietmann einkassiert,<br />
bevor er auch noch Müller am Wassergraben locker<br />
abhängte.<br />
Steven Richter (Foto oben), zweifacher Ersatzmann für die<br />
U 20-WM in Cali (Kugel und Diskus) steigerte sich mit dem Diskus<br />
auf 61,13 m und übertraf damit erstmals die 60-m-Marke.<br />
Mit drei weiteren Würfen über 58 m gelang ihm in Bochum mit<br />
dem schwereren Wurfgerät ein wenig Wiedergutmachung.<br />
<br />
Text und Fotos: Peter Busse<br />
9 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
FREUNDE-Camp Hochsprung<br />
In der Vor-Corona-Zeit befürwortete der FREUNDE-Vorstand einen Antrag des DLV, den<br />
Hochsprungnachwuchs zu fördern. Angedacht waren ein Camp zur Talentsichtung und eine<br />
Trainerfortbildungsoffensive. Jetzt ging es endlich zur Sache!<br />
Zweimal musste das von den FREUNDEN der <strong>Leichtathletik</strong><br />
geförderte Nachwuchsprojekt zur Entwicklung neuer Hochsprungtalente<br />
und ihrer Trainer*innen Coronabedingt abgesagt<br />
werden. Geplant waren ursprünglich Lehrgänge in Hannover<br />
und Frankfurt. Aber aller guten Dinge sind bekanntlich Drei und<br />
so konnte das Talentcamp im neuerlichen Anlauf in Essen/Überruhr<br />
im Vorfeld des Tages der Überflieger im Juni nun endlich<br />
stattfinden. Drei Tage lang bestand für die 19 jungen Talente<br />
der Jahrgänge 2007 bis 2009 die Möglichkeit, mit ihren Coaches<br />
gemeinsam in die Geheimnisse des Hochspringens eingeweiht<br />
zu werden.<br />
Unter der organisatorischen Gesamtleitung von Nachwuchsbundestrainer<br />
männlich Jan-Pablo Oehl führte das Trainerteam<br />
um Bundesstützpunkttrainerin Brigitte Kurschilgen und Nachwuchsbundestrainer<br />
weiblich Jan-Gerrit Keil die Sportler*innen<br />
an die Kernelemente des Hochsprungtrainings im Nachwuchs<br />
heran. Auf dem Programm standen hochsprungspezifische<br />
Turn- und Aufwärmübungen, viele Varianten kleiner Sprünge,<br />
Seilspringen, Kurvenläufe, aber auch Staffelspiele und spielerisch-freudbetonte<br />
Inhalte.<br />
Ein besonderes Augenmerk lag in der begleitenden abendlichen<br />
Fortbildung der Trainer*innen, wobei mit kurzen Technik-<br />
Videos jeweils die Inhalte des Tages noch einmal nachvollzogen<br />
und in den thematischen „Sprungbaum“ zur Entwicklung junger<br />
Nachwuchstalente im Hochsprung eingeordnet wurden.<br />
Themenschwerpunkt waren dabei vor allem die verschiedenen<br />
Möglichkeiten der Steigesprünge und Steigehopser mit den<br />
diversen hochsprungtypischen Armeinsätzen zur Entwicklung<br />
der vertikalen Sprungkraft.<br />
Highlight am Samstag war ein Meet & Greet mit der ehemaligen<br />
Weltklassehochspringerin und Inhaberin des deutschen Rekordes<br />
Ariane Friedrich, die mit ihrer Tochter als Schirmherrin<br />
des Camps sehr gerne zu Besuch kam. Ariane berichtete über<br />
mentale Wettkampfstrategien sowie ihren Umgang mit Zielen<br />
und Konkurrentinnen im Wettkampf. Dazu gab sie auch praktische<br />
Trainingstipps, für die sich natürlich auch die ebenfalls<br />
anwesende Trainerschaft besonders interessierte.<br />
Am Sonntag stieg für alle die Aufregung, weil im Vorprogramm<br />
des Tages der Überflieger ein eigener kleiner Wettkampf der<br />
Talente stattfand, der trotz des vollgepackten Programms<br />
gute Ergebnisse brachte. Zum Ende ließen dann alle bei einer<br />
Stadion-Bratwurst und Popcorn das lange Wochenende ausklingen,<br />
indem sie sich noch die Meeting-Wettbewerbe der<br />
Männer und Frauen mit der versammelten deutschen und internationalen<br />
Hochsprungelite aus nächster Nähe anschauten.<br />
Der einer oder andere ist dabei hoffentlich ins Träumen<br />
gekommen und hat Ziele für die Zukunft gefasst. Das Trainerteam<br />
und FREUNDE-Betreuer Thomas Kuntke zogen nach<br />
Betrachtung der Feedbackbögen ein erstes positives Fazit und<br />
überlegen schon jetzt, wie der begonnene Dialog mit dem<br />
Hochsprungnachwuchs im kommenden Jahr fortgeführt werden<br />
kann.<br />
<br />
Text und Fotos: Jan-Gerrit Keil<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 10
Dank an drei starke Frauen<br />
Kurz vor Toresschluss der Antragstellung für eine Förderung<br />
durch die FREUNDE wurden 2019 für dieses Projekt Finanzmittel<br />
erbeten:<br />
Die sinkenden Teilnehmerzahlen im Hochsprung und die<br />
nachlassende Qualität bei den Ergebnissen der Nachwuchsmeisterschaften<br />
in den letzten 3 bis 4 Jahren sollen für die Zukunft wieder<br />
in Masse und Klasse verbessert werden, indem Hochsprungtalente<br />
frühzeitig gesichtet sowie deren Trainer*innen fortgebildet werden<br />
(notwendige Impulse für das Training und die Betreuung vermitteln).<br />
Darüber hinaus gilt es, Kontakte im U 16 Bereich zu knüpfen<br />
und ein Informationsnetzwerk aufzubauen.<br />
Dieses Ziel fand umgehend die Unterstützung der FREUNDE.<br />
Der Antrag kam von Bundestrainerin Brigitte Kurschilgen; die<br />
Organisation wurde Sophia Sagonas übertragen, die mit Elan<br />
die Aufgabe anging. Ihr früher Tod im Mai 2021 und auch Corona<br />
stoppten zunächst alle Anstrengungen. Umso mehr sind die<br />
FREUNDE nach dem überaus gelungenen Camp-Auftakt diesen<br />
beiden Frauen zu Dank verpflichtet.<br />
Indirekt am Projekt beteiligt ist auch die im September 2021<br />
verstorbene Erika Gernandt (geb. Strößenreuther), der vor<br />
62 Jahren ein außergewöhnlicher „Seitensprung“ gelungen<br />
war: Die junge Hochspringerin (1956 Zweite bei der Jugend-<br />
DM) wurde 1960 in Berlin deutsche Meisterin – im Speerwurf.<br />
Dafür erhielt sie das Ticket zu den Olympischen Spiele 1960<br />
in Rom. Zwei Jahre später wiederholte sie den Streich – nur in<br />
seitenverkehrter Ausrichtung: Inzwischen etabliert im Speerwurf,<br />
aber bei der DM überraschend gescheitert, nahm sie kurz<br />
entschlossen ihre Anmeldung für den Hochsprung wahr. Das<br />
Ergebnis der Blitzaktion: Bronze und ein Platz im Flugzeug nach<br />
Malmö. Dort fanden Qualifikationswettkämpfe statt zwischen<br />
deutschen Athleten und Athletinnen aus Ost und West (DVfL vs.<br />
DLV) zur Bildung einer gesamtdeutschen Mannschaft für die EM<br />
1962 in Belgrad. Das große Münchner Sporttalent (später, 1966,<br />
auch noch Topscorer der Basketball-Bundesliga) besiegte dabei<br />
alle fünf Athletinnen aus der DDR. Aus Anlass ihres Todes hatte<br />
ihre Familie um Spenden (statt Blumen und Kränzen) gebeten<br />
und mit Gewissheit im Sinne der Verstorbenen entschieden, das<br />
Geld den FREUNDEN zu überweisen. Mit FREUNDE-Chef Roland<br />
Frey wurde vereinbart, die Spenden in beachtlicher Höhe in das<br />
Hochsprung-Projekt fließen zu lassen.<br />
11 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Highlights in Jerusalem<br />
Die U 18-Europameisterschaften <strong>2022</strong> in Jerusalem sind vorbei. Das deutsche Team reiste<br />
mit 14 Medaillen im Gepäck zurück nach Hause. Damit belegt die Mannschaft Platz zwei im<br />
Medaillenspiegel hinter Großbritannien. FREUNDE-Mitglied Holger Menne war in Jerusalem<br />
dabei.<br />
Es war eine Reise ins Ungewisse, die 50 <strong>Leichtathletik</strong>-Talente<br />
mit ihren Betreuern antraten. Denn statt bereits am Freitag zu<br />
den U 18-Europameisterschaften (EM) nach Israel zu fliegen,<br />
konnte das Team erst am Samstag bzw. Sonntag anreisen. Aufgrund<br />
eines kurzfristig gestrichenen Fluges hatten sie die Zeit<br />
ab Freitag in der Sportschule Frankfurt verbringen müssen.<br />
Die Mannschaft, die nach der verletzungsbedingten Absage<br />
von Dreispringerin Masha-Sol Gelitz (GSV Eintracht Baunatal)<br />
mit 50 Athletinnen und Athleten sowie rund 30 Betreuerinnen<br />
und Betreuern antrat, saß am Frankfurter Flughafen bereits<br />
startklar im Flugzeug – doch da Bodenpersonal fehlte, konnte<br />
die Maschine nicht abheben.<br />
Diese Probleme konnten die Nachwuchskräfte, von denen<br />
die meisten 16 oder 17 und einige noch 15 Jahre alt sind, gut<br />
wegstecken. Nach vier Wettkampftagen in Jerusalem stand<br />
am Ende Platz zwei im Medaillenspiegel mit vier Gold-, sieben<br />
Silber- und drei Bronzemedaillen. Bei den ersten beiden Ausgaben<br />
der U 18-EM 2016 in Tiflis (Georgien) und 2018 in Györ<br />
(Ungarn) gab es zehn beziehungsweise sieben Medaillen.<br />
„Wir blicken auf eine sehr erfolgreiche U 18-EM zurück“, resümierte<br />
die Chef-Bundestrainerin Nachwuchs Elke Bartschat,<br />
die in Jerusalem die Mannschaftsleitung innehatte. „Sie war<br />
sportlich sehr erfolgreich: Neben den Medaillen, elf persönliche<br />
Bestleistungen, drei davon gleichzeitig Meisterschaftsrekorde<br />
und viele Finalteilnahmen. Sie war erfolgreich, weil sie gezeigt<br />
hat, dass man gemeinsam im Team schwierige Situationen<br />
meistern und Erfolge feiern kann. Sie war erfolgreich, weil wir<br />
hier in einem sehr schönen Stadion eine sehr gut organisierte<br />
EM erleben durften.“<br />
Die Top-Athletin von FREUNDE-Mitglied und Trainer Holger<br />
Menne, Holly Okuku, gewinnt Silber<br />
Holger Menne (Trainer bei GSV Eintracht Baunatal) begleitete<br />
Holly zur EM in Jerusalem. Mit der europäischen Jahresbestzeit<br />
über 200 m war die 17-jährige Athletin angereist. Im fast vollen<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 12
Givat-Ram-Stadion kam es im Finale zum Showdown mit der<br />
Britin Faith Akinbileje, die im Vorlauf eine neue europäische<br />
Jahresbestzeit gelaufen war und somit schärfste Konkurrentin<br />
für Holly war. Das Finale gewann die Britin in 23,36 s vor Holly<br />
Okuku in 24,<strong>03</strong> s.<br />
„Holly und ich haben uns riesig über die Silbermedaille gefreut.<br />
Bei einer internationalen Meisterschaft bei der Siegerehrung<br />
auf dem Treppchen zu stehen, ist schon ganz toll“, resümierte<br />
Holger Menne das Ergebnis seiner Athletin. „Die Anreise war<br />
sehr beschwerlich und durch die Verzögerungen waren auch die<br />
geplanten Trainingseinheiten vor dem Wettkampf hinfällig. So<br />
erfolgte mehr oder weniger ein Kaltstart im Vorlauf. Im Endlauf<br />
musste sie auf der ungünstigen Bahn drei starten, die bei ihren<br />
langen Beinen bereits nachteilig ist. Trotz Rückstand hat sie bis<br />
zum Ziel bravourös gekämpft. Holly hat Silber gewonnen, die<br />
Silbermedaille bei Europameisterschaften ist grandios“, jubelte<br />
Holger nach dem Zieleinlauf.<br />
„Ich bin einfach happy“, sagte die Hessin nach dem Finale und<br />
betonte: „Ich habe Silber gewonnen, nicht Gold verloren.“<br />
Sie sei sehr gut vorbereitet in ihr erstes internationales Finale<br />
gegangen und habe „echt Bock gehabt zu rennen“. Ihre Zeit<br />
fand sie zwar „nicht so prickelnd“, aber angesichts der Medaille<br />
sei das nicht schlimm. Nach dem Erfolg war die 17-Jährige erst<br />
einmal in Feierlaune: „Ich werde jetzt mit dem Team noch ein<br />
bisschen feiern.“<br />
Ganz besonders viel Freude hat ihr das gegenseitige Anfeuern<br />
und das Gemeinschaftsgefühl in der Mannschaft gemacht.<br />
Jubel über Medaillen<br />
Vier Athletinnen und Athleten waren besonders erfolgreich<br />
und gewannen Goldmedaillen. Den Anfang machte Jolanda<br />
Kallabis (FT 1844 Freiburg), die über 2.000 m Hindernis die Konkurrenz<br />
auf den letzten anderthalb Runden fast nach Belieben<br />
dominierte. Geher Frederick Weigel (SC Potsdam), der in seinem<br />
ersten Bahn-Wettkampf über 10.000 m mutig von vorne<br />
loslegte, durfte am Ende einen souveränen Start-Ziel-Sieg feiern.<br />
Curly Brown (Eintracht Frankfurt) gewann im Diskuswerfen<br />
Gold mit ihrem ersten Wurf über 50 m. Und dann war da noch<br />
Zehnkämpfer Amadeus Gräber (SV Leonardo-da-Vinci Nauen),<br />
der nach einem herausragenden ersten Tag in den letzten Disziplinen<br />
mehrere Rückschläge hinnehmen musste, sich im Speerwurf<br />
am Fuß verletzte und trotzdem nach dem 1.500-m-Rennen<br />
zum einzigen Mal überhaupt während der beiden Zehnkampftage<br />
auf Position eins rangierte.<br />
Neben den Sprinterinnen Chelsea Kadiri (SC Magdeburg) über<br />
100 Meter und Holly Okuku über 200 Meter gewannen fünf<br />
weitere Athletinnen und Athleten eine Silbermedaille. Ebenfalls<br />
Rang zwei belegten im Kugelstoßen Chantal Rimke (LC<br />
Jena) und Georg Harpf (LG Stadtwerke München), die sich<br />
jeweils nur einer überragenden Konkurrentin beziehungsweise<br />
einem Konkurrenten geschlagen geben mussten. Ebenso verhielt<br />
es sich bei Hochspringerin Johanna Göring (SV Salamander<br />
Kornwestheim), die Top-Favoritin Angelina Topic (Serbien)<br />
lange die Stirn bieten konnte. Die erst 16 Jahre alte Jana Marie<br />
Becker (LG Wettenberg) rannte über 800 Meter trotz Rempeleien<br />
und Rangeleien mit einer famosen Schlussrunde ebenfalls<br />
auf den Silberrang. Adia Budde (TV Altenholz) unterlag<br />
im Hindernisrennen nur ihrer überragenden Teamkameradin<br />
Jolanda Kallabis.<br />
Bronze ergatterten Hürdensprinter Nils Leifert (LAC Quelle<br />
Fürth), 100-Meter-Sprinter Benedikt Thomas Wallstein (Gothaer<br />
<strong>Leichtathletik</strong> Centrum) in einer Tausendstel-Entscheidung und<br />
Siebenkämpferin Pia Meßing (TV Gladbeck), alle mit neuen<br />
persönlichen Bestleistungen.<br />
Zerplatzte Träume als wertvolle Lektionen<br />
Nicht alle Träume erfüllten sich in Jerusalem. Stabhochspringerin<br />
Lilly Samanski (TSV Gräfelfing) etwa, als Beste der<br />
Meldeliste angereist, blieb am Ende Rang fünf. Die gleiche Platzierung<br />
nahm ihr Disziplinkollege Hendrik Müller (TSV Bayer 04<br />
Leverkusen) ein. Diskuswerferin Milina Wepiwé (TSG Wehrheim)<br />
und Speerwerferin Lorena Frühn (LG Offenburg), als Nummer<br />
eins und zwei Europas angereist, verabschiedeten sich bereits<br />
in der Qualifikation.<br />
Doch auch für sie hat sich die Reise nach Jerusalem zweifellos<br />
gelohnt. „Für die meisten Athletinnen und Athleten waren<br />
es die ersten internationalen Meisterschaften. Sie haben viel<br />
gelernt und können viele neue Erfahrungen mitnehmen“, resümierte<br />
FREUNDE-Mitglied Elke Bartschat.<br />
Die nächste U 18-EM findet 2024 (18. – 21. Juli) in Bánska Bystrica<br />
(Slowakei) statt. Die Stadt war in diesem Jahr Ende Juli bereits<br />
Ausrichter des Europäischen Olympischen Jugendfestivals<br />
(EYOF).<br />
<br />
<br />
Text: Joachim Höller<br />
Fotos: Iris Hensel<br />
13 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Ernüchternde Pleite<br />
Ein Dutzend Weltmeisterschaften hat der Redakteur als Zuschauer live erlebt, in Eugene die<br />
erste ausschließlich im Livestream am Monitor. Allerdings wäre er gerne in das US-Mekka der<br />
<strong>Leichtathletik</strong> gereist; das war ihm allerdings diesmal zu teuer und zu kompliziert. Zu diesem<br />
Schluss kamen offensichtlich viele Fans in Europa.<br />
Obwohl ... einmal in so einem fantastischen Stadion zu sitzen<br />
und <strong>Leichtathletik</strong> der Spitzenklasse zu genießen – das bleibt<br />
ein Traum. „Diplom-Zuschauer“ wie unser FREUNDE-Mitglied<br />
Stefan waren natürlich auch schon in Oregon, aber selbst er hat<br />
diesmal vor dem Bildschirm gehockt. Das Hayward Field hat<br />
er kaum wiedererkannt. Es ist großzügig renoviert und für die<br />
WM auf geforderte 25.000 Plätze erweitert worden, die alten<br />
Holzbänke und umliegende Anlagen sind verschwunden. Es<br />
entstand ein bemerkenswertes kleines Schmuckkästchen für<br />
die <strong>Leichtathletik</strong>. Aus rein sportlicher Sicht eines deutschen<br />
Zuschauers mit nationaler Brille hätte sich allerdings die weite<br />
Reise kaum gelohnt.<br />
Bereits nach den ersten WM-Tagen zirkulierten in FREUNDE-Kreisen<br />
per E-Mail aus den Fernsehsesseln zunehmend Forderungen<br />
nach Konsequenzen. Die Rede war von beständiger Schönfärberei<br />
und das Hauptaugenmerk sei fatalerweise auf die<br />
EM gerichtet worden, wo man die drohende Pleite nicht wieder<br />
ausbügeln könne. Zudem nähme damit das Zuschauerinteresse<br />
weiter ab; im weiten Rund des Münchener Olympiastadions<br />
könnten sich vergleichbare Lücken auftun wie bei der<br />
DM in Berlin. Während von den FREUNDEN der <strong>Leichtathletik</strong><br />
diesmal offenbar kein einziger Fan den Weg auf die Tribüne<br />
des Hayward Field fand, um unsere Athletinnen und Athleten<br />
anzufeuern, hofft die kleine deutsche <strong>Leichtathletik</strong>welt Mitte<br />
August auf München.<br />
Übrigens: Unsere Freunde aus dem Vereinigten Königreich<br />
waren in Eugene mit einer organisierten Fan-Gruppe wieder<br />
stark vertreten. Sie trauten ihrem Team was zu und hatten<br />
recht damit! Dabei zelebrieren sie direkt nach der WM noch die<br />
Commonwealth Games im heimischen Birmingham. Aber nicht<br />
jeder Zuschauer im Nationaltrikot war aus der fernen Heimat<br />
angereist, viele waren Amerikaner mit stolzem Migrations-<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 14
hintergrund. Überwiegend galt „America first!“. Das heimische<br />
Publikum verhielt sich hörbar patriotisch, auch weil ihnen die<br />
Athletinnen und Athleten fremder Kontinente weitestgehend<br />
unbekannt sind. Gute Leistungen wurden jedoch fair gefeiert.<br />
Die Stimmung war da.<br />
Die Bronzemedaille der deutschen Sprint-Frauen und ein großartiger<br />
Abschlusstag, der das ersehnte Gold für eine nervenstarke<br />
Malaika Mihambo brachte, können nicht verhindern, dass man<br />
hierzulande der Münchener EM mit freudigen Erwartungen,<br />
aber auch einer erheblichen Portion Skepsis entgegensieht.<br />
Das gilt sowohl in sportlicher Hinsicht, aber auch was die Organisatoren<br />
angeht, denen die <strong>Leichtathletik</strong> nicht sehr vertraut<br />
zu sein scheint. Der Trend zum Event ist jedoch ein Fakt, es<br />
erwarten uns bestimmt viel laute Dudelmusik und aufgeregte<br />
Stadionsprecher. Die Zeit der spannenden und genussvoll dargebotenen<br />
Länderkämpfe ist eben lange vorbei.<br />
Schließlich noch einige Zahlen: An den 49 Wettbewerben nahmen<br />
mehr als 1.700 Athleten*innen aus 179 Ländern teil, davon<br />
80 aus Deutschland. 29 Länder gewannen Goldmedaillen und<br />
81 erreichten Endkampfplatzierungen – so viele wie noch nie.<br />
Dieser Trend setzt sich also fort.<br />
Mit zwei Medaillen und insgesamt lediglich sieben Plätzen<br />
unter den besten Acht, erzielte das deutsche Team die bisher<br />
schlechteste Bilanz bei den 18 seit 1983 durchgeführten<br />
Weltmeisterschaften.<br />
Es gab drei spektakuläre Weltrekorde. Sydney McLaughlin<br />
(USA) gewann die 400 m Hürden in phänomenalen 50,68 s, Tobi<br />
Amusan (Nigeria) stürmte in 12,12 s über die 100 m Hürden und<br />
Mondo Duplantis (Schweden) segelte in Bubka-Manier über die<br />
neue Weltrekordhöhe im Stabhochsprung von 6,21 m.<br />
<br />
<br />
Text: Peter Busse<br />
Fotos: Gladys Chai von der Laage<br />
15 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Foto: picture alliance/DBS<br />
Perspektivwechsel<br />
FREUNDE-Mitglied Wolfgang Killing, bis 2018 Direktor der DLV-Trainer-Akademie, seit 2021<br />
Koordinator Rahmentrainingskonzepte Para <strong>Leichtathletik</strong>, betrachtet die Integration von<br />
Sportlern mit Behinderung in Trainingsgruppen als folgerichtig und sieht sie als Chance für alle<br />
Sporttreibenden. Dabei spielen die Medien eine entscheidende Rolle.<br />
Der Sprinter Oscar Pistorius und der Weitspringer Markus Rehm<br />
haben die Wahrnehmung von Sportlern mit Behinderung in<br />
der Öffentlichkeit nachhaltig geändert, haben sie doch in ihren<br />
Disziplinen mit Sportlern ohne Behinderung leistungsmäßig<br />
gleichgezogen, sind sozusagen „in Konkurrenz“ getreten.<br />
Herrschte zuvor in der Sportwelt ein von Mitleid getragener<br />
Respekt gegenüber Leistungssportlern mit Behinderung, den<br />
sogenannten Para Athleten, vor, „toll, dass die überhaupt Sport<br />
machen“ oder „ich weiß nicht, ob ich das könnte“, ist seither die<br />
eigene Leistung gefährdet und werden die von Para Athleten<br />
erbrachten Spitzenleistungen hinterfragt.<br />
Dass etwa Sportler mit Prothesen auch Nachteile haben, wird<br />
nur noch selten thematisiert. Ein offenbarer Nachteil ist der<br />
Verlust von Fuß, Unter- oder Oberschenkel mit ihrer Vielfalt<br />
von Funktionen, der erst die Versorgung mit einer Prothese<br />
begründet. An der Verbindung von Beinstumpf und Prothese,<br />
dem sogenannten Schaft, werden große Verformungs- und<br />
Stauchungskräfte wirksam, die zu Schmerzen, Entzündungen,<br />
Trainingsausfällen und Leistungsrückschritten führen. Angesichts<br />
solch gravierender Einschränkungen könnten die Para<br />
Sportler die Kritik an ihren Leistungen als ungerecht empfinden.<br />
Sie können sie aber auch als Indikator dafür sehen, dass sie<br />
auf der großen Bühne des Sports angekommen sind.<br />
Die Frage stellt sich allgemein, wer oder was verdient<br />
öffentliches Interesse? Im Sport sind es in der Regel überragende<br />
Leistungen, Rekorde und Siege internationalen<br />
Meisterschaften. Die Olympischen Spiele haben sich wie die<br />
Paralympics durch ihre seltene, vierjährige Austragung ein<br />
Alleinstellungsmerkmal erarbeitet, so dass Olympiasieger<br />
schon an sich große Aufmerksamkeit erfahren. Etwas abgestuft<br />
davon, weil sie häufiger stattfinden, werden Erfolge bei Weltund<br />
Europameisterschaften gewürdigt. Daneben würdigt die<br />
Öffentlichkeit jedoch auch Sekundärkriterien, dass z. B. ein<br />
besonders kleiner Mensch sehr hoch springt oder eine Athletin<br />
nach langer Verletzungspause ein erfolgreiches Comeback<br />
gelingt.<br />
Medienwirksam ist auch, wenn ein Sportler in seiner Sportart/<br />
Disziplin ein Exot ist, wie der Brite „Eddie the Eagle“ im Skispringen<br />
oder Julius Yego als Speerwurf-Olympiasieger aus<br />
Kenia, einem Land, das man ansonsten mit Ausdauerdisziplinen<br />
in Verbindung bringt. Umgekehrt wurde der deutsche<br />
5.000 m-Olympiasieger Dieter Baumann zeitweise als „weißer<br />
Kenianer“ bezeichnet.<br />
Generell räumt man besonders jungen und sehr alten Athleten<br />
und Athletinnen (Senioren) einen Schonraum mit eigener<br />
Meisterschafts- und Rekordstruktur ein. Auch der Para Sport-<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 16
ler, der eine relevante Behinderung hat (mindestens 20 GdB 1 ),<br />
bewegt sich in einem eigenen Wettkampfsystem, das ihm internationale<br />
Erfolge ermöglicht und entsprechende Anerkennung<br />
zuteilwerden lässt. Durch die Material- und Technikentwicklung<br />
wurde die Lücke zwischen den Leistungen von Sportlern ohne<br />
bzw. mit Behinderung immer kleiner. So unterbieten Rennrollstuhlfahrer<br />
trotz Querschnittslähmung auf den Mittel- und<br />
Langstrecken die Bestzeiten der Läufer ohne Behinderung deutlich.<br />
Neben professionellem Training und physiotherapeutischer<br />
Unterstützung tragen u.a. verbesserte Aerodynamik des Rollstuhl-Athlet-Systems,<br />
widerstandsfähige Handschuhe und<br />
darauf abgestimmte Schubtechnik von Armen und Schultern<br />
zu diesen hohen Leistungen bei. So wurde Ende 2021 der<br />
Marathon-Weltrekord durch Marcel Hug auf 1:17:47 h verbessert.<br />
Dadurch sind Rennrollstuhlrennen selber zu einem Ereignis für<br />
die Sport-Öffentlichkeit, Medien und Sponsoren geworden.<br />
Spektakuläre Leistungen sind für den gesamten Para Sport<br />
Türöffner zu den Medien und damit zur sportinteressierten<br />
Öffentlichkeit. Dies hat eine Reihe von Para Sportlern für eine<br />
Profikarriere und anschließende attraktive Berufstätigkeiten<br />
im Bereich Leistungssport, Medien und einschlägige Industrie<br />
genutzt. Eine stärkere öffentliche Förderung ermöglicht es auch<br />
immer mehr Trainer*innen, hauptamtlich im Para Sport tätig zu<br />
werden.<br />
Über diese Einblicke in schwierige, von Rückschlägen begleitete<br />
Werdegänge bis zum Erfolg sind die Para Sportler im öffentlichen<br />
Bewusstsein nicht mehr als „Behinderte“, vom öffentlichen<br />
Leben weitgehend Ausgeschlossene, sondern als Experten,<br />
ja Meister der Krisenbewältigung verankert. Para Athleten<br />
sind zugleich Vorbild nach innen wie nach außen. Nach innen,<br />
indem sie sich der Behinderung stellen und das Beste daraus<br />
machen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die<br />
Wahrnehmung der Sportler selber, ihr (amputiertes) Bein<br />
sei nicht verletzt oder krank, sondern gesund, nur eben kürzer!<br />
Para Athleten eignen sich auch als Vorbilder nach außen<br />
bzw. für die, die zwar keinen gesundheitlichen, „motorischen“<br />
Einschränkungen unterliegen, aber Hindernisse anderer Art<br />
überwinden bzw. sie sich erst einmal eingestehen müssen.<br />
Denn durch ihr erfolgreiches Agieren wird die Behinderung<br />
nicht mehr als alles dominierendes Defizit, sondern als Herausforderung<br />
verstanden, das Beste für sich anzustreben und zu<br />
erreichen. Beides, sportlicher Erfolg und erfolgreiches Krisenmanagement,<br />
trägt zur Entstigmatisierung bei, was wiederum<br />
das Selbstbewusstsein von allen Menschen mit Behinderung<br />
stärkt.<br />
Daher ist die Integration von Sportlern mit Behinderung in<br />
Trainingsgruppen mit Athleten ohne Behinderung keine Pflichtübung,<br />
sondern ein folgerichtiger Schritt zu einem besseren<br />
Miteinander. Jeder kann von jedem lernen, so dass ein Mehrwert<br />
für jeden Einzelnen, die Gruppe und die Gesellschaft entsteht.<br />
Dafür steht der Begriff „Inklusion“ als Chance für alle!<br />
Insbesondere durch die täglich mehrstündige Berichterstattung<br />
über die Paralympischen Spiele hat sich das öffentliche Bewusstsein<br />
für den Para Sport geweitet. Denn mehr oder weniger<br />
alle Wettkämpfe und Teilnehmer erfahren dabei eine mediale<br />
Würdigung. Nicht mehr nur die absoluten, sondern auch die<br />
relativen Leistungen werden erläutert und wertgeschätzt.<br />
Moderatoren und insbesondere Experten setzen die Leistungen<br />
ins Verhältnis zur Art und zum Grad der Behinderung. Durch die<br />
Einteilung in die Startklassen wird eine gewisse Homogenität<br />
und fairer Wettkampf hergestellt, so dass sich die Teilnehmer<br />
miteinander messen können. Die Zuschauer erkennen und<br />
wertschätzen das, ohne dass sie die Feinabstufungen der Startklassen<br />
zu kennen brauchen.<br />
<br />
<br />
Text und Fotos: Wolfgang Killing<br />
Mehr Informationen: www.parasport.de<br />
Als eine weitere Säule medialen Interesses werden die Werdegänge,<br />
die „Geschichten“ der Menschen mit Behinderung<br />
aufgebaut. Die Sportlerbiographien werden in der Regel durch<br />
einzelne oder sogar eine Folge kritischer Situationen, die erfolgreich<br />
gemeistert wurden, dargestellt:<br />
wie die Sportlerin, die durch einen Unfall querschnittsgelähmt<br />
ist, über das Reha-Training den Weg zum<br />
Leistungssport gefunden hat<br />
dass ein Sportler mit einer angeborenen Dysmelie<br />
(Fehlbildung) von Füßen und Beinen sich zu einer Amputation<br />
durchgerungen hat, was erst seine Sportkarriere als<br />
Prothesensprinter ermöglicht hat<br />
wie eingeschränkt das Sehfeld von sehbehinderten Läufer*innen<br />
ist und wie man den optimalen Partner (Guide) für<br />
den eigenen Laufstil findet<br />
1<br />
GdB steht für „Grad der Behinderung“ und zeigt an, wie stark ein Mensch durch eine Behinderung beeinträchtigt ist. Ab 50 GdB gelten Personen als schwerbehindert.<br />
17 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
→ Mit uns beginnt Begeisterung.<br />
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Telefon: +49 (25 34) 62 17 - 10<br />
Telefax: +49 (25 34) 62 17 - 20<br />
E-Mail: info@sportschaeper.de<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 18
Meldungen<br />
Antragsfrist auf FREUNDE-Förderung: 15. Oktober <strong>2022</strong><br />
Jährlich fördern die mehr als tausend FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong><br />
Nachwuchsprojekte mit rund 50.000 Euro. Die Förderanträge für 2023<br />
müssen bis zum 15. Oktober vorliegen, damit der Vorstand in seiner<br />
Herbstsitzung darüber entscheiden kann. Antragsberechtigt sind Vereine,<br />
Schulen und Verbände. Satzungsgemäß werden gefördert:<br />
1.1 Maßnahmen zur Auffindung von für die <strong>Leichtathletik</strong> besonders<br />
talentierten Jugendlichen,<br />
1.2 junge Leichtathleten und Leichtathletinnen in ihrem<br />
leistungssportlichen Streben, z. B. durch Erstattung von<br />
Kostenaufwand für Training, Wettkampf und Gerätebeschaffung,<br />
1.3 Vereine, Schulen, Verbände bei der Durchführung von sportlichen<br />
und damit verbundenen Rahmenveranstaltungen,<br />
1.4 die Entwicklung neuer Formen der <strong>Leichtathletik</strong>,<br />
1.5 internationale Kontakte und Begegnungen auf dem Gebiet<br />
der <strong>Leichtathletik</strong>,<br />
1.6 Maßnahmen zur Gewinnung neuer Mitarbeiter/innen für<br />
die <strong>Leichtathletik</strong>.<br />
Zuwendungsfähig sind grundsätzlich die folgenden Kostenarten:<br />
Reisekosten, Unterkunft, Verpflegung, Miete für Sportstätten/-geräte,<br />
Startgelder und Sportkleidung (nur nach spezieller Genehmigung).<br />
Für den Antrag ist das Antragsformular der FREUNDE zu verwenden.<br />
Das Antragsformular kann aus dem Downloadbereich unserer Webseite<br />
runtergeladen werden. https://fdlsport.de/download/<br />
Wir fördern den Nachwuchs: Beispiel Stabhochsprung<br />
Es gibt nicht nur die auf längere Sicht angelegten FREUNDE-Projekte,<br />
mit denen einzelnen Disziplinen auf die Sprünge geholfen werden<br />
soll, wie zum Beispiel mit dem auf den Seiten 10/11 vorgestellten<br />
Hochsprung-Camp. Auch in besonderen Notlagen, bei Engpässen<br />
in Vereinen oder wenn es galt, neue Ideen umzusetzen, haben die<br />
FREUNDE in vielen Fällen recht unbürokratisch geholfen.<br />
Beim Stabhochsprung finanzieren die FREUNDE nicht nur seit 2017<br />
ein Nachwuchs-Camp des DLV, sondern bewilligten im vergangenen<br />
Jahr der LG Lippe-Süd auch Mittel für den Kauf einer neuen Matte. Um<br />
die teure Anschaffung bestmöglich zu schützen, wurde mit vereinten<br />
Kräften in Eigenleistung jetzt noch eine Abdeckung gebaut.<br />
Der Stabhochsprung ist seit Jahren ein erfolgreicher Bestandteil des<br />
Vereins. Der U 18-Weltmeistertitel von Desiree Singh, die U 20-Vize<br />
Europameisterschaft von Lilli Schnitzerling oder der Sieg beim<br />
Ländervergleichskampf in Italien von Tina Rother sind die bisher erfolgreichsten<br />
Leistungen der Lipper Stabis im Nationalmannschaftstrikot.<br />
Nachdem Desiree Singh und Tina Rother 2019 ihre Karrieren beendet<br />
haben, sind sie inzwischen als Trainerinnen aktiv. Mit A- bzw. C-Lizenz<br />
ausgestattet, geben sie ihre Erfahrungen an den Nachwuchs weiter<br />
und betreuen zurzeit rund 20 Athlet*innen. In einer Kindergruppe<br />
werden unter Leitung von Desiree Singh aktuell sieben 9- bis 12-Jährige<br />
betreut. Die Jugendlichen im Alter von 15 bis 20 Jahren werden<br />
von beiden gemeinsam trainiert. Dazu gehören mit Michel Böger<br />
(Jahrgang 2004) und Peer Bornefeld (2005) zwei Athleten aus dem<br />
Landeskader Westfalen. Auch der Nachwuchs konnte glänzen. Die<br />
9-Jährige Emma übersprang in diesem Jahr 2,50 m und auch die ein<br />
Jahr ältere Lale überzeugte mit 2,12 m.<br />
Internationales: Die EM in München<br />
Während der Deutsche <strong>Leichtathletik</strong>-Verband mit der EM in München<br />
ein wenig fremdelt, weil er im eigenen Land nur zu Gast ist (Ausrichter<br />
der EM in Deutschland ist nicht der DLV, sondern die Münchner<br />
Olympiapark GmbH zusammen mit der EA), wächst bei den deutschen<br />
<strong>Leichtathletik</strong>-Fans die Vorfreude auf die EM „dahoam“.<br />
Dies auch, weil die FREUNDE mit dem „Meet & Greet“ trotz schwierigem<br />
und teurem Umfeld wieder eine hochkarätige Veranstaltung im<br />
Sinne der Völkerverständigung auf die Beine stellen konnten. Und<br />
so wird nicht nur die DLV-Spitze zu unserer Veranstaltung erwartet,<br />
sondern auch EA-Präsident Dobromir Karamarinov (Bulgarien) und<br />
EA-Vizepräsidentin Cherry Alexander (Großbritannien) haben bereits<br />
ihr Kommen fest zugesagt.<br />
Bei unseren Freunden vom BASC in Großbritannien waren die<br />
zugesagten 25 Plätze bereits wenige Stunden nach Ankündigung vergriffen,<br />
die FREUNDE werden mit 40 Mitgliedern vertreten sein.<br />
19 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Wir über uns – Geburtstage<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 20
Olympische Spiele 1972<br />
Die Bitte der Redaktion um Beiträge von FREUNDE-Mitgliedern über ihre Erinnerungen von<br />
vor 50 Jahren hat ein lebhaftes Echo gefunden. Jede der übermittelten Geschichten hat einen<br />
völlig anderen persönlichen Aufhänger. Allen Einsendern gemeinsam ist die große Vorfreude<br />
auf ein Wiedersehen in München <strong>2022</strong>.<br />
Akii-Buas Hinterlassenschaft<br />
Der große schwarze Mann aus dem von der internationalen<br />
<strong>Leichtathletik</strong> noch unentdeckten Uganda, lange Beine, breite<br />
Schultern, befürchtet, dass die Nacht vor dem Finale über<br />
400 m Hürden für ihn wenig erholsam sein könnte, wie häufig<br />
vor Großereignissen. Zu viel Nachdenkenswertes hatte sich<br />
zuletzt im Kopf von John Akii-Bua aufgestaut: die noch nicht<br />
überwundenen Folgen einer Zahnoperation kurz vor Beginn<br />
der Spiele – ein seinem Trainer Malcolm Arnold verschwiegenes<br />
dickes Knie, Resultat einer Kollision mit der ersten Hürde im<br />
Semifinale – die latent vorhandene Sorge, sein linkes (!) Nachziehbein<br />
könnte verbotenerweise an den Hürden vorbei in<br />
fremden „Luftraum eindringen“ (was im Endlauf an den Hindernissen<br />
eins und zwei tatsächlich der Fall war, von Kampfrichtern<br />
aber unbemerkt blieb, in einem Video des deutschen Bundesausschusses<br />
Leistungssport jedoch nachgewiesen wurde) – das<br />
Pech mit der fürs Finale gelosten Innenbahn, ausgerechnet für<br />
ihn, der doch der Schnellste im Semifinale war (dem heutzutage<br />
ein Platz zwischen den Bahnen vier bis sechs zusteht).<br />
Eine Vision, die er oft als potenziell schlafstörend empfunden<br />
hatte, verfolgt den 22‐jährigen Polizisten aus Ugandas Metropole<br />
Kampala nach den Semifinalläufen allerdings nicht länger:<br />
die scheinbare Unbesiegbarkeit des britischen Konkurrenten<br />
Dave Hemery, Weltrekordler und Sieger von Mexiko City. Ihn<br />
und Ralph Mann, den Meister der USA, beobachtete Akii-Bua<br />
in den ersten Runden und beschied sich dann selbstbewusst:<br />
Der Goldfavorit im Münchner Olympiastadion bin ich. Was<br />
dem Afrikaner am Vorabend des 2. September durch den Kopf<br />
gegangen war, erfuhr Coach Arnold erst Mitte der 1980er Jahre<br />
aus zwölf Notizbüchern seines besten Mannes mit täglichen<br />
Aufzeichnungen. Ob der Hürdenmann den Schlaftrunk, eine<br />
Flasche Champagner, die ihm Arnold für die Nacht vorm Finale<br />
zur Beruhigung seiner Nervosität aufs Zimmer gebracht hatte,<br />
auch den Tagebüchern anvertraute, ist nicht bekannt …<br />
Anderntags staunen wir, in welcher Verfassung sich Arnolds<br />
„Bua“ dem Olympiastarter Sepp Friesinger zum Finalstart stellt:<br />
hellwach, offenbar ziemlich ausgeschlafen. Während die Kontrahenten<br />
sich ausdruckslos vor ihren Blöcken konzentrieren,<br />
tänzelt Akii-Bua auf seiner Bahn herum, dabei lachend Freunden<br />
im Publikum zuwinkend. Will er so seinen Respekt vor dem<br />
Handicap Innenbahn verdrängen, auf der erst einmal ein Athlet<br />
zum Olympiasieg lief (2000, Taylor, USA)? Will er die Mitbewerber<br />
irritieren? Dann geht die Post ab, Hemery hat zunächst einen<br />
Vorsprung, kurz vor Hürde acht geht der verloren: John A-B<br />
zieht vorbei. Und auf der Zielgeraden läuft er Hemery und Co.<br />
schließlich auf und davon. Weltrekord (47,82 s), erste Zeit unter<br />
48 Sekunden, Goldpremiere für sein Heimatland. Und dann das:<br />
21 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Überwältigt nicht von den Mühen eines Rekordlaufs, gleichwohl<br />
von explodierenden Gefühlen und ermutigt vom Beifallsrausch<br />
der Achtzigtausend – macht der Sieger im Ziel nicht einfach Halt<br />
wie die erschöpften Geschlagenen. Nein, ohne Stopp beginnt<br />
Akii-Bua, das 400-m-Oval noch einmal abzulaufen, überspringt<br />
die Hindernisse zum zweiten Mal, selbst dort, wo gar keine stehen,<br />
deutet er seine Hürdentechnik an, lässt sich unterwegs die<br />
Ugandaflagge mit der doppelten Farbkombination schwarzgold-rot<br />
reichen und passiert mit ihr erneut das Ziel.<br />
Welche Errungenschaft Akii-Buas Triumphzug über seine Via<br />
Triumphalis gewesen ist, erschließt sich der <strong>Leichtathletik</strong><br />
im Münchner Spätsommer 1972 nicht auf Anhieb. Erst als die<br />
Zugabe des Ugandasportlers im Nachgang der Spiele Nachahmer<br />
fand, wurde zur Gewissheit: Wir waren, ganz unbewusst,<br />
Augenzeugen der ersten Ehrenrunde im olympischen Sport.<br />
Dessen Markenkern, die <strong>Leichtathletik</strong>, ein Quell der Emotionen,<br />
ist heute ohne die Dreingabe einer Tour d`honneur, Zeugnis der<br />
glücklichen Befreiung der Athleten und Athletinnen von der<br />
zwanghaften Anspannung des Wettkampfs, undenkbar. Und<br />
sie wäre ohne sie ärmer. Sie ist, daran sollte die <strong>Leichtathletik</strong><br />
stets erinnern, die Hinterlassenschaft eines afrikanischen Sportlers,<br />
dem ein auf ihn eifersüchtiger Gewaltherrscher in Uganda,<br />
Staatschef Idi Amin, eine zweite Ehrenrunde missgönnte. John<br />
Akii-Bua lief auf hohem Niveau nur drei Jahre. Er starb 1997 im<br />
48. Lebensjahr.<br />
<br />
Michael Gernandt (München)<br />
Rundstücke? Brötchen? Semmeln!<br />
Foto: Peter Busse<br />
Seit ich 1958 an einer Rundreise zu Wettkämpfen in Finnland<br />
teilgenommen hatte, verbringe ich den Sommer dort. Speer,<br />
Kugel und Diskus sind vorhanden, laufen und springen geht<br />
sowieso immer. Es gab allerdings Ausnahmen. Zum Beispiel<br />
den Sommer 1972, denn da war der Besuch der Olympischen<br />
Sommerspiele ein Muss. Einquartiert bei gastfreundlichen<br />
Freunden in Großinzemoos, 25 km vor den Toren Münchens,<br />
wurde im Olympiagelände alles besucht, wofür man Eintrittskarten<br />
ergattern konnte. Die Prioritäten lagen natürlich bei der<br />
<strong>Leichtathletik</strong>. Alles wurde aufgesogen, was jedem Zuschauer<br />
noch nach 50 Jahren sofort in den Sinn kommt. Ein Detail abseits<br />
des Sports ist bei mir allerdings ebenfalls hängengeblieben:<br />
Früh am Morgen wurde reihum jemand unausgeschlafen zum<br />
Bäcker in Großinzemoos geschickt, um eine sehr hungrige<br />
Schar mit Proviant zu versorgen. Irgendwann war die Reihe<br />
an mir. Mein Begehr als Hamburger waren 30 Rundstücke. Die<br />
erstaunte Frage des Bäckers: „30 Brötchen?!“ Alles hellte sich<br />
auf. „Mei, Semmeln moant er!“<br />
Natürlich bin ich dieses Jahr wieder im Sommerhaus. Das Training<br />
fiel allerdings erstmals flach, denn das rechte Bein macht<br />
Kummer. Sogar mit einem Start bei der Masters-WM im nahe<br />
gelegenen Tampere hatte ich im Frühjahr noch kurz geliebäugelt.<br />
So aber hoffe ich, es zumindest als Zuschauer zur EM in<br />
München zu schaffen.<br />
<br />
Paul Busse (Hamburg)<br />
Münchener Gedankensplitter<br />
Es begann im Frühjahr 1972 damit, dass eine gute Freundin in<br />
einer Lotterie die Berechtigung für Eintrittskarten (für mich)<br />
gewann. Sie hat sonst nie etwas gewonnen. So kam ich an<br />
Eintrittskarten für die komplette <strong>Leichtathletik</strong>, Haupttribüne<br />
Mitte, exzellent! Außerdem Basketball - und Fußballfinale.<br />
Es gab keine bezahlbaren Hotelzimmer – also wurde eine Wohnung<br />
von Münchner Bürgern gemietet, die für die Olympia-<br />
Gäste Urlaub machten.<br />
Generell: unglaubliche Begeisterung bei allen Veranstaltungen,<br />
auch auf dem überfüllten Marienplatz beim abendlichen<br />
Ticket-Schwarzmarkt.<br />
Die Spiele wurden durch das Olympia-Attentat am 5. September<br />
unterbrochen, der ohnehin LA-Ruhetag war. Am folgenden<br />
Tag war die würdige Gedenkfeier und es fiel die Entscheidung,<br />
die Spiele fortzusetzen. Der deutsche Goldregen hatte mit<br />
Heide Rosendahl begonnen, die mit einem Zentimeter Vorsprung<br />
gewann. Am 4. Tag erst Gold für Bernd Kannenberg,<br />
dann besiegte Klaus Wolfermann knapp seinen Freund Janis<br />
Lusis (die elektronische Messung dauerte mehrere Minuten).<br />
Danach gewann sensationell Mary Peters (GBR) den Fünfkampf<br />
mit nur 10 Punkten vor Heide Rosendahl. Zum Abschluss das<br />
Finale über 800 m der Frauen: Hildegard Falck siegte in sehr<br />
guten 1:58,6 min.<br />
Am nächsten Tag die größte Sensation – Ulrike Meyfarth wird<br />
mit 16 Jahren Olympiasiegerin im Hochsprung. Respektvoll war<br />
anzuerkennen, dass Ellen Tittel wegen des Attentats trotz guter<br />
Chancen auf ihr Finale über 1.500 m verzichtete. Am Schlusstag<br />
ein weiterer Höhepunkt, als über 4x100 m der Frauen die DLV-<br />
Staffel vor der favorisierten DDR ins Ziel kam; ein grandioser<br />
Kurvenlauf von Annegret Richter und ein beherzter Kampf von<br />
Heide Rosendahl gegen Renate Stecher.<br />
Pünktlich nach Ende der <strong>Leichtathletik</strong> regnete es in Strömen.<br />
Das Fußballfinale, auf der nicht überdachten Gegenseite sitzend,<br />
gewann Polen mit späteren Weltstars wie Deyna, Gadocha<br />
und Lato verdient 2 : 1 gegen Ungarn.<br />
Tags zuvor das aufreibende Basketballfinale: 5 Sekunden<br />
vor Schluss gingen die USA mit 50 : 48 in Führung und trotzdem<br />
schaffte die UdSSR in letzter Sekunde noch einen Korb<br />
und gewann mit 51 : 50. Man hätte die Eintrittskarte für über<br />
150 Dollar verkaufen können.<br />
Letztlich führte die Münchener Begeisterung zum Besuch der<br />
Olympischen Spiele in Montreal, Los Angeles, Seoul, Barcelona<br />
und Atlanta, aber auch 1975 zur Mitgliedschaft bei den<br />
FREUNDEN.<br />
<br />
Henning Wedderkop (Essen)<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 22
Bei den Einlasskontrollen am Olympiastadion Berlin bereiteten zuletzt mitgebrachte Gegenstände<br />
zahlreiche Probleme. Der Veranstalter der European Championships Munich <strong>2022</strong> (EC)<br />
hat auf seiner Website viele Fragen zu Tickets, Einlasskontrollen, Hausrecht und anderen Themen<br />
beantwortet: www.munich<strong>2022</strong>.com<br />
Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
Alle Tickets beinhalten die kostenlose Nutzung der öffentlichen<br />
Verkehrsmittel im MVG-Bereich.<br />
Ermäßigte Tickets<br />
Ein entsprechender Berechtigungsnachweis (Personalausweis,<br />
Rentnerausweis o.a.) muss am Einlass auf Verlangen vorgezeigt<br />
werden.<br />
Mitnahme von Gegenständen auf das Veranstaltungsgelände<br />
(Olympiastadion und Olympiapark)<br />
Die Auflistung von verbotenen Gegenständen sowie die geltende<br />
Hausordnung kann auf www.munich<strong>2022</strong>.com/de/ticketfaq<br />
nachgelesen werden.<br />
Unter anderem sind nachfolgende Gegenstände verboten, mit<br />
Kontrollen ist auf jeden Fall zu rechnen:<br />
Taschen und Rucksäcke mit mehr als 5 Litern Inhalt. Der<br />
Ordnungsdienst kann Taschen- und Rucksackkontrollen<br />
nach eigenem Ermessen vornehmen.<br />
Bei Rucksäcken mit einem Fassungsvermögen von bis<br />
zu 5 Litern handelt es sich zumeist um kleine Fahrrad- oder<br />
Kinderrucksäcke.<br />
Glasbehälter und -flaschen, Dosen oder sonstige Gegenstände,<br />
die aus Glas oder einem anderen zerbrechlichen,<br />
splitternden oder besonders harten Material hergestellt<br />
sind und wegen ihrer Beschaffenheit zu Verletzungen führen<br />
können.<br />
Jegliche Getränkebehälter über einer maximalen Menge<br />
von 1 Liter pro Person. Getränke für den persönlichen Bedarf<br />
dürfen in Tetra Paks oder Plastikflaschen mit einem maximalen<br />
Volumen von 1 Liter pro Person mitgeführt werden.<br />
Lebensmittel in einem Umfang, der bei objektiver<br />
Bewertung einem unmittelbaren persönlichen Verzehr<br />
nicht angemessen ist.<br />
Fotos und Videoaufnahmen, Mitnahme von Geräten<br />
Aufnahmen zu privaten Zwecken sind erlaubt. Es ist jedoch<br />
verboten, zu kommerziellen oder öffentlichen Zwecken Ton,<br />
Fotos, Videos, Beschreibungen oder Ergebnisse der Veranstaltung<br />
aufzunehmen und/oder zu übertragen. In keinem<br />
Fall ist die Verbreitung und/oder Wiedergabe von Ton-, Foto-,<br />
Film- oder Videoaufnahmen der Veranstaltung oder Teilen der<br />
Veranstaltung über Internet, Radio, Fernsehen, Datenträger<br />
oder andere Wege gestattet.<br />
Dies gilt auch für Veröffentlichungen von Fotos, Videos oder<br />
Ergebnissen der Veranstaltung in den sozialen Medien der FdL<br />
(Zeitung, Internet, Facebook und Instagram). Textbeiträge des<br />
DLV (leichtathletik.de) dürfen wie bisher verwendet werden.<br />
Das Mitbringen und Gebrauchen von professionellen Fotound<br />
Filmkameras für öffentliche und kommerzielle Zwecke ist<br />
grundsätzlich nicht erlaubt.<br />
Verlassen des Olympiastadions<br />
Grundsätzlich verlieren Tickets beim Verlassen des Veranstaltungsgeländes<br />
ihre Gültigkeit. Im Gegensatz zu den<br />
Deutschen Meisterschaften in Berlin sind die Vormittagssession<br />
und Abendsession bei der <strong>Leichtathletik</strong>-EM jeweils<br />
eigene Veranstaltungen. Zwischen den beiden Sessions wird<br />
das Olympiastadion vollständig geräumt. Auch Inhaberinnen<br />
und Inhaber von Tagestickets oder Kombitickets müssen das<br />
Stadion in dieser Zeit verlassen. Sie können es zu Beginn der<br />
zweiten Session mit ihren Tickets erneut betreten. Ein Auschecken<br />
ist nur dann erforderlich, wenn man innerhalb einer<br />
Session das Stadion verlässt und anschließend zurückkommen<br />
will. Beim Wiedereinlass gelten weiterhin die jeweiligen Einlassbestimmungen<br />
und es erfolgt unter anderem erneut eine<br />
Sicherheits-, Personen- und Taschenkontrolle.<br />
Programmheft<br />
Die offizielle Munich <strong>2022</strong> Event Handy-App ist das Programmheft<br />
für die Hosentasche. Die App wird ständig aktualisiert. Hier<br />
gibt es alle Infos zu den aktuellen Zeitplänen der neun Europameisterschaften<br />
mit Startzeiten und Startlisten aller Sessions<br />
sowie den Programmpunkten des Festival „The Roofs“ mit<br />
Details zu auftretenden Künstlern.<br />
23 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Kann man<br />
das Gedankenkarussell<br />
stoppen?<br />
Einfach entspannen: 7Mind –<br />
die Meditations-App für weniger Stress.<br />
Die 7Mind-App hilft, das innere Wohlbefinden zu fördern und stressbedingten Krankheiten<br />
vorzubeugen. Das digitale Achtsamkeitstraining im Wert von rund 75 Euro ist für BARMER-Versicherte<br />
12 Monate kostenlos nutzbar. Mehr Infos unter: www.barmer.de/7mind-testen