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8 Jubiläums-Kolumne<br />
Ein Theater der Träume<br />
für den ZSC<br />
Eine<br />
historisch<br />
witzige Stadiongeschichte<br />
In der Stadt Zürich werden öfter Luftschlösser gebaut als Stadien.<br />
Vor diesem Hintergrund ist der Einzug der ZSC Lions in die topmoderne<br />
Swiss Life Arena in Altstetten eine Sensation.<br />
Am 18. November 1950 feierte der ZSC seine Premiere im damals<br />
hochmodernen Hallenstadion mit einem 5:5 gegen Arosa. In Zeitungsberichten<br />
von damals heisst es, vor dem Spiel habe der Vorstand aufgeregt<br />
vor der Halle gewartet, weil er gezweifelt habe, ob die Zuschauer<br />
tatsächlich zu einem Indoor-Spiel kommen würden. Es kamen 8 000.<br />
Der ZSC war mit dem Hallenstadion ein Trendsetter im Schweizer<br />
Eishockey. Meister wurden – mit Ausnahme von 1961 – trotzdem stets<br />
die anderen. Irgendwann begann man vom Hallenstadion-Geist zu reden.<br />
Vielleicht waren für die Spieler die Verlockungen in der Grossstadt zu<br />
gross. Bis zum 1. April 2000 musste sich der Klub gedulden, ehe er den<br />
nächsten Titel holte.<br />
Meistercoach Kent Ruhnke erlebte als Spieler, wie während des Trainings<br />
im Hallenstadion Motorräder über die Radrennbahn brausten.<br />
Der Geruch von Benzin lag in der Luft. Während der Spiele war es<br />
Zigarettenrauch. Legendär, wie sich der deutsche Coach Hans Zach<br />
einmal ereiferte, wie respektlos das sei – und ein rauchender Journalist<br />
zum Gespräch dazustiess. Zachs Kopf wurde rot wie eine Tomate.<br />
Der schönste Moment? Wahrscheinlich Spiel 4 im Viertelfinal 1992,<br />
in dem der ZSC das «Grande Lugano» stürzte. 15000, 16 000 drängten<br />
sich in die Halle. «Hallenstadion-Direktor Sepp Voegeli liess alle rein»,<br />
sagt Trainerlegende Arno Del Curto und schwelgt: «Noch heute werde<br />
ich auf der Strasse auf jenen Abend angesprochen. So schön werde es<br />
nie mehr, sagen viele.» Vielleicht irrt sich Del Curto aber. Ab 18. Oktober<br />
spielen die ZSC Lions in ihrer neuen Heimat in Zürich-Altstetten.<br />
Wer schon während der Bauphase das Vergnügen hatte, die neue Heimstätte<br />
des städtischen Eishockeys zu besichtigen, blickt der neuen Ära<br />
mit grossen Erwartungen entgegen.<br />
Die Swiss Life Arena, die in ihrer Planungsphase den Namen «Theater<br />
of Dreams» («Theater der Träume») trug, ist ein kühner Wurf und<br />
eine architektonische Meisterleistung: Die gewellte Betonfassade simuliert<br />
einen Vorhang, die runden Fenster symbolisieren Eishockey-<br />
Pucks – und die monumentale Terrasse wirkt ein wenig wie der Vorbau<br />
einer römischen Arena. Der Blick geht von der Zürcher Stadtgrenze bis<br />
weit in den Kanton Aargau. Im Innern beeindrucken der hochmoderne<br />
Videowürfel und vor allem die steilen Tribünenrampen, die im Maximalfall<br />
Platz für 12 000 Zuschauerinnen und Zuschauer bieten. Die<br />
Schalensitze sehen aus wie Tausende von Muscheln, die auf die ersten<br />
Wellen von Besuchern warten. Der Parkettboden im VIP-Bereich wirkt<br />
edel und trotzdem schlicht.<br />
Das Stadion soll – neben den Heimspielen der ZSC Lions - multifunktionell<br />
genutzt werden. So findet hier im November <strong>2022</strong> die Unihockey-WM<br />
der Männer statt – und 2026 die Eishockey-WM. Auch<br />
als Austragungsort für die Handball-EM 2028 kommt die Arena infrage.<br />
Vor Neid erblassen werden die Fussballer. Sie sind zwar ähnlich<br />
erfolgreich wie ihre eishockeyspielenden Sportkameraden, doch infrastrukturell<br />
stehen sie seit Jahrzehnten im Abseits. 2003 sagte das Volk<br />
Ja zum fünfeckigen Hardturm, aber der Schattenwurf war länger. 2013<br />
kam die redimensionierte Version vors Volk. Doch das Projekt war den<br />
Stimmbürgern zu teuer. Dazwischen war vom Duplex-Stadion die<br />
Rede, davor unter anderem von einem schwimmenden Fussballplatz auf<br />
dem Zürichsee. Leider waren die Limmat-Nixen schon da. Und nachdem<br />
das Volk das aktuelle Projekt – «Ensemble» auf dem Hardturm-<br />
Areal – zweimal durchgewinkt hat, blockiert nun ein einsamer Stimmbürger<br />
den Baubeginn. Gewisse Politiker rufen erfreut «Ein Hoch auf<br />
die Demokratie», die Fussballklubs (und mit ihnen die schweigende<br />
Mehrheit) verstehen die Welt nicht mehr – und blicken perplex in die<br />
westliche Nachbarschaft. Die Swiss Life Arena ist nur einen Steinwurf<br />
von der Hardturm-Brache entfernt. Und trotzdem trennen die beiden<br />
Orte ganze Welten.<br />
Thomas Renggli