19.09.2022 Aufrufe

CHECK Magazin - Gesundheitsmagazin für Männer No.9

Alkoholmissbrauch und dessen Folgen sind die zweithäufigste Ursache für Krankenhausbehandlungen in Deutschland. Mehr als 150 internistische, neurologische und psychiatrische Diagnosen werden mit Alkoholmissbrauch assoziiert. Doch eine Gruppe fällt beim Thema Alkoholkonsum besonders auf: Queere Menschen, darunter insbesondere schwule und bisexuelle Männer.

Alkoholmissbrauch und dessen Folgen sind die zweithäufigste Ursache für Krankenhausbehandlungen in Deutschland. Mehr als 150 internistische, neurologische und psychiatrische Diagnosen werden mit Alkoholmissbrauch assoziiert. Doch eine Gruppe fällt beim Thema Alkoholkonsum besonders auf: Queere Menschen, darunter insbesondere schwule und bisexuelle Männer.

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Community<br />

Zurückgeführt werden die gesundheitlichen<br />

Disparitäten auf immer noch herrschende<br />

Stigmatisierungs-, Ausgrenzungs- und<br />

Diskriminierungserfahrungen. Alltägliche<br />

Mikroaggressionen gehören immer noch<br />

zum Leben von LGBTI*-Personen. Die eigene<br />

Identität muss oft oder lange verheimlicht<br />

werden und Ablehnung wird bereits erwartet.<br />

Die negativen gesellschaftlichen Einstellungen<br />

zur eigenen Sexualität können so stark<br />

verinnerlicht sein, dass es sich gravierend<br />

auf die Gesundheit auswirkt. Konversionsbehandlungen<br />

zur „Umpolung von Homosexuellen“<br />

sind hierzulande erst seit 2020 <strong>für</strong> Kinder<br />

und Erwachsene, die dem nicht freiwillig zustimmen,<br />

verboten. Wer heute erwachsen und<br />

homosexuell ist, wuchs in einem homophoben<br />

Klima ohne positive LGBTI*-Vorbilder auf, in<br />

dem der Begriff „schwul“ noch weitläufig als<br />

Schimpfwort benutzt wurde und Mobbing in<br />

der Schulzeit fast unausweichlich war. Noch<br />

immer sind Hassverbrechen gegen LGBTI*-<br />

Personen europaweit verbreitet und die Zahl<br />

an Gewaltdelikten an queeren Menschen<br />

steigt in Deutschland, sodass von einem<br />

freien Leben keine Rede sein kann. Bereits<br />

frühzeitig internalisierte Homophobie, Scham<br />

und (Selbst-)Abwertung können langfristige<br />

Schäden hinterlassen und Alkoholmissbrauch<br />

begünstigen. So ist es nicht verwunderlich,<br />

dass psychische und Suchtprobleme<br />

allgemein in der LGBTI*Community häufiger<br />

auftreten. Trotzdem hören wir kaum etwas<br />

davon. Die britische Zeitung The Guardian<br />

spricht gar von einer „stillen Gesundheitskrise“<br />

und einer toxischen Kombination aus<br />

psychischem Stress, Alkohol und Drogen, die<br />

nicht adressiert wird.<br />

Klassische Rollenvorstellungen<br />

von Stärke,<br />

Dominanz, Gefühlsunter-<br />

drückung sowie Unachtsamkeit<br />

und Härte begünstigen<br />

Suchterkrankungen.<br />

ESKAPISMUS UND ESKALATION<br />

Wer in der Szene unterwegs ist, dem fällt<br />

schnell jemand ein, der ein Problem nicht nur<br />

mit Alkohol haben könnte. Alkohol und Drogen<br />

sind weit verbreitet und <strong>für</strong> manche Teil des<br />

schwulen Lebensstils geworden. Einsamkeit,<br />

soziale Ängste und der Wunsch nach Zugehörigkeit<br />

befördern dies. Wir haben ein Problem<br />

– aber warum spricht niemand darüber?<br />

Nicht nur die internalisierte Scham ist groß,<br />

sondern auch die Gefahr von weiterer Stigmatisierung.<br />

Hinzu kommt, dass <strong>Männer</strong> generell<br />

seltener psychiatrische, psychotherapeutische<br />

und ambulante ärztliche Leistungen in Anspruch<br />

nehmen und zu mangelnder Selbst<strong>für</strong>sorge<br />

neigen. Netzwerkstudien zeigen, dass<br />

sie zudem weniger Ansprechpartner*innen<br />

<strong>für</strong> Probleme haben als Frauen, die eher in<br />

größeren, diverseren sozialen Netzwerken<br />

leben.<br />

Psychische Erkrankungen werden häufig<br />

immer noch als Schwäche gewertet, weshalb<br />

gerade <strong>Männer</strong> noch oft versuchen seelische<br />

Probleme zu verstecken. So werden großteils<br />

auch nur die körperlichen Symptome<br />

wie eine Leberzirrhose oder Krebs behandelt,<br />

aber nicht das psychische Leiden. Klassische<br />

Rollenvorstellungen von Stärke, Dominanz,<br />

Gefühlsunterdrückung sowie Unachtsamkeit<br />

und Härte nicht nur gegenüber anderen,<br />

sondern auch sich selbst und seinem Körper<br />

gegenüber, können bei <strong>Männer</strong>n zu einem<br />

hohen Leidensdruck sowie gesundheitlichen<br />

Problemen führen und begünstigen Suchterkrankungen.<br />

Hinzu kommt die höhere<br />

Risikobereitschaft bereits im Jugendalter<br />

und die höhere Gefahr, abhängig zu werden,<br />

je früher mit dem Trinken begonnen wird.<br />

Peer-Druck hinsichtlich des Substanzkonsums<br />

ist nicht nur bei heterosexuellen Jungs ein<br />

Problem. Jugendliche, die zusätzlich unter<br />

Unsicherheiten und ggf. Selbstwertproblemen<br />

aufgrund ihrer Sexualität leiden und keine<br />

Unterstützung <strong>für</strong> einen gesunden Umgang<br />

mit negativen Emotionen oder traumatischen<br />

Erfahrungen erhalten, sind besonders anfällig<br />

<strong>für</strong> den Versuch, Emotionen und Erlebnisse zu<br />

betäuben.<br />

FOTO: Lumos sp / ADOBE STOCK<br />

<strong>CHECK</strong> BERLIN #9<br />

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