19.09.2022 Aufrufe

CHECK Magazin - Gesundheitsmagazin für Männer No.5

Beratungs- und Anlaufstellen für Drogennutzer*innen und Abhängige sehen sich einem besonderen Dilemma ausgesetzt. Die meisten Fachkräfte aus dem Bereich der Drogenprävention wissen, dass die Ansage: „Nehmt keine Drogen, weil sie illegal und ungesund sind“, die Menschen nicht vom Konsum abhält. Die Kunst ist hier, Konsum-Strategien zu vermitteln und bei Drogenmissbrauch individuelle Schadensbegrenzung vorzunehmen, etwa in Form von Safer Use.

Beratungs- und Anlaufstellen für Drogennutzer*innen und Abhängige sehen sich einem besonderen Dilemma ausgesetzt. Die meisten Fachkräfte aus dem Bereich der Drogenprävention wissen, dass die Ansage: „Nehmt keine Drogen, weil sie illegal und ungesund sind“, die Menschen nicht vom Konsum abhält. Die Kunst ist hier, Konsum-Strategien zu vermitteln und bei Drogenmissbrauch individuelle Schadensbegrenzung vorzunehmen, etwa in Form von Safer Use.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BERATUNG<br />

TRAUMAHILFE<br />

<strong>für</strong> <strong>Männer</strong>*<br />

Interview: Torsten Schwick<br />

Den Verein HILFE-FÜR-JUNGS e.V. gibt es seit 1994. Mittlerweile werden durch den<br />

Träger drei verschiedene Projekte organisiert. Eines davon ist MUT - Traumahilfe <strong>für</strong><br />

<strong>Männer</strong>*. Wir sprachen mit Lukas Weber, Geschäftsführer des HILFE-FÜR-JUNGS e.V.<br />

Was kann man sich unter Traumahilfe konkret<br />

vorstellen? In welchen Situationen kommen<br />

<strong>Männer</strong>* zu euch und brauchen Hilfe?<br />

Letztendlich geht es immer um das Thema<br />

sexualisierte Gewalt, was allerdings ein sehr<br />

weiter Begriff ist. Willkommen ist bei uns jeder,<br />

der in der Kindheit oder im Erwachsenenalter<br />

sexualisierte Gewalt erlebt hat. Bei unseren<br />

Gesprächen muss das aber nicht unbedingt<br />

Thema sein. Wir sind keine Therapeuten, die<br />

in das Trauma einsteigen, sondern wir helfen<br />

dabei, zu stabilisieren. Das bedeutet, dass die<br />

Menschen selbst das Tempo entscheiden, in<br />

dem sie arbeiten möchten. In den meisten<br />

Fällen geht es um Orientierung, Stressabbau<br />

und Selbstwahrnehmung. Unsere Klient*innen<br />

haben häufig mit Alltagsproblemen zu<br />

kämpfen, die aus den belastenden Erlebnissen<br />

resultieren. Den meisten geht es eher darum,<br />

herauszufinden, warum etwa die Partnerschaft<br />

nicht funktioniert, warum sie so viel Stress auf<br />

der Arbeit haben und wie das vielleicht alles<br />

durch die Gewaltaspekte ausgelöst wurde, die<br />

sie erlebt haben.<br />

In unserer Beratungsarbeit ist es egal, in<br />

welcher Form die sexualisierte Gewalt stattgefunden<br />

hat. Wenn ein Mann* zu uns kommt,<br />

und sagt, ich erlebe sexistische Sprüche am<br />

Arbeitsplatz, ist er herzlich willkommen. Wenn<br />

jemand sagt, ich habe in der Kindheit von<br />

meiner Stiefmutter schwerste Misshandlungen<br />

erlebt, dann ist er auch willkommen. Bei uns<br />

gibt es keine Mindestanforderungen an Gewalt.<br />

Sexualisierte Gewalt an Jungen oder <strong>Männer</strong>n<br />

ist immer noch ein Tabuthema. Wo genau,<br />

denkst du, liegt hier das Problem?<br />

Was das Tabu angeht, ist das Problem in erster<br />

Linie unsere Gesellschaft. Es hat viel mit Männlichkeitsattributen<br />

zu tun. <strong>Männer</strong>* leben oft mit<br />

dem Eindruck, dass, wenn sie sich Hilfe holen,<br />

schwach oder nicht männlich genug sind.<br />

Wie verändert es einen Mann*, wenn er<br />

sexualisierte Gewalt erlebt hat?<br />

Es kann massive Auswirkungen auf den Alltag<br />

haben: Man fühlt sich nicht der Gesellschaft<br />

zugehörig, nicht männlich. Man unterliegt<br />

zwar diesen Attributen, kann sie aber nicht<br />

erfüllen. Es ist im Prinzip natürlich völlig egal,<br />

ob man diese Anforderungen erfüllt. Aber <strong>für</strong><br />

viele Menschen ist es eine große Schwierigkeit.<br />

Auch weil sie das soziale Umfeld haben, das<br />

teilweise sehr abwehrend reagiert und denkt,<br />

<strong>Männer</strong>* können keine sexualisierte Gewalt<br />

erlebt haben. Viele leiden darunter, dass sie<br />

eigentlich keinen Ansprechpartner*innen in<br />

ihrem sozialen Umfeld haben, weil es niemand<br />

ernst nimmt oder sehen will. Oder weil sie es<br />

einfach abtun und sagen, das passiere ja nur<br />

Frauen. <strong>Männer</strong>* haben Angst davor, als Opfer<br />

dargestellt zu werden. Manche haben Angst,<br />

dass sie als schwul gelten, obwohl sie vielleicht<br />

heterosexuell sind. Auch das sollte ja in unserer<br />

heutigen Gesellschaft kein abwertender Begriff<br />

mehr sein, ist es aber teilweise trotzdem noch<br />

in einigen Kreisen. Ein weiteres Problem kann<br />

der Verrat des eigenen Körpers sein, wenn etwa<br />

der Penis während des Übergriffes steif geworden<br />

ist. Das ist aber eine normale körperliche<br />

Reaktion, die nicht unbedingt mit dem eigenen<br />

Sexualempfinden zu tun hat.<br />

80 <strong>CHECK</strong> BERLIN/BRANDENBURG #5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!