VNW-Magazin Sonderausgabe 2022
Das VNW-Sondermagazin 2022 enthält neben Fachartikeln Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten. Das VNW-Sondermagazin 2022 enthält neben Fachartikeln Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.
VNW magazin Wohnen im Norden Sonderausgabe_2022 Lösungen Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen
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- Seite 44 und 45: 42 Dörfliche Idylle mitten in der
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- Seite 48 und 49: 46 VNW Für Rosa Thoneick war der S
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<strong>VNW</strong> magazin<br />
Wohnen<br />
im Norden<br />
<strong>Sonderausgabe</strong>_<strong>2022</strong><br />
Lösungen<br />
Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen
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Wenn E-Mobilität<br />
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dann Ökostrom
1<br />
Inhalt <strong>Sonderausgabe</strong>_<strong>2022</strong><br />
Editorial 02<br />
Bilanz 2021/<strong>2022</strong> 05<br />
Retten wir wieder die Wale? 10<br />
Interview Dr. Ulrik Schlenz 12<br />
Biodiversität beim BVE 16<br />
Weiterbildung SPRINT break 18<br />
Läuft wie gedruckt 24<br />
Wie bei einer Dating-App 28<br />
INITIATIVE WOHNEN 2050 32<br />
So bin ich erzogen worden 36<br />
Versuch mit Vorbildcharakter? 40<br />
Dörfliche Idylle mitten in der Stadt 42<br />
Die unsichtbare Gefahr im Boden 50<br />
Digitale Gebäudeakte 52<br />
Dankbar für ein Zuhause auf Zeit 58<br />
Greifswalder Südstadt 64<br />
Eine Erfolgsgeschichte 66<br />
In der Nachbarschaft der Trave 70<br />
Raus aus Gas und Öl 72<br />
Solidarische Gesellschaft 76<br />
Genossenschaftsgedanke 80<br />
Blaupause für andere Unternehmen? 84<br />
Viele stecken schon im Berufsleben 88<br />
Impressum 92<br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung<br />
der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet.<br />
Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.<br />
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Papier: Circle Offset Premium White – FSC zertifiziert.<br />
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Erfüllt die Vorgaben von EU Eco-Label, Nordic Swan und dem Blauen Engel.<br />
Lösungen<br />
Blütenträume werden platzen und in<br />
der Politik werden sich pragmatische<br />
Lösungen durchsetzen.
2<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
Der Autor Nassim Taleb, der viele Jahre an<br />
der Wall Street als erfolgreicher Analyst<br />
arbeitete, hat in einem seiner Bücher geschrieben,<br />
dass die Zukunft sich mit aller<br />
Wahrscheinlichkeit von der Vergangenheit<br />
unterscheiden werde.<br />
Das mag auf den ersten Blick wie eine Binse klingen. Aber<br />
üblicherweise versuchen Menschen, die Zukunft auf der<br />
Basis ihrer Erfahrungen „vorherzusagen“, sich also auf<br />
das zu verlassen, was sie gelernt haben. Nassim Taleb hingegen<br />
geht davon aus, dass das nicht funktioniert. Die<br />
Welt würde sich viel zu schnell verändern, meint er zur<br />
Begründung.<br />
Wir erleben in diesen Tagen schmerzhaft, wie recht<br />
Nassim Taleb hat. Schienen vor ein paar Wochen – auch<br />
angesichts der sommerlichen Temperaturen – die Auswirkungen<br />
der für den Herbst zu erwartenden Gaspreissteigerungen<br />
als eine Erzählung aus einer anderen Welt,<br />
so erleben in diesen Tagen viele Menschen einen Schock,<br />
wenn sie Post von ihrem Gasversorger erhalten. In Leipzig<br />
beispielsweise wurde einer Hausbesitzerin verkündet, dass<br />
ihre monatliche Vorauszahlung von rund 200 auf 1200<br />
Euro erhöht wird – und zwar von September an.<br />
Viele Mieterinnen und Mieter von <strong>VNW</strong>-Unternehmen<br />
können sich derzeit noch in (trügerischer) Sicherheit wiegen,<br />
aber das auch nur, weil die Vermieter in Vorleistung<br />
gehen und die höheren Abschläge zunächst übernehmen<br />
müssen. Der Tag, an dem die Heizkostenabrechnung im<br />
Briefkasten liegt, wird dann um so heftiger. Nicht nur, dass<br />
eine kräftige Nachzahlung droht. Auch die Höhe der Vorauszahlung<br />
wird deutlich steigen.<br />
Das Problem für unsere Unternehmen besteht darin,<br />
dass sie eine unterschiedliche Ausgangslage haben. Größere<br />
Betriebe, die in nachgefragten Regionen mit kostendeckenden<br />
Mieten agieren, werden diese finanziellen<br />
Zusatzlasten leichter schultern können als jene, die kleiner<br />
und in Regionen aktiv sind, wo die Wohnung den Mieter<br />
sucht und die Leerstandsquote über dem Durchschnitt<br />
liegt.<br />
In der Politik ist, auch dank unserer Warnungen, die<br />
Dramatik der Lage zwar inzwischen angekommen, aber<br />
an konkretem Gegensteuern fehlt es. Dabei ist die Sache<br />
einfach. Benötigt wird finanzielle Hilfe für in Liquiditätsnot<br />
geratene Unternehmen. Das Ganze ist zudem nicht einmal<br />
kostspielig, da die Unternehmen die „Zwischenfinanzierung“<br />
ja zurückzahlen, wenn die Mieterinnen und Mieter<br />
ihre Heizungskosten beglichen haben.<br />
Die Hartleibigkeit, mit der Teile der Politik inzwischen auf<br />
die Belange der Wohnungswirtschaft reagieren, ist ärgerlich.<br />
Der Höhepunkt dürfte das Hin und Her bei der KfW-<br />
Förderung zu Beginn dieses Jahres gewesen sein. Doch<br />
anstatt daraus zu lernen, setzt das Bundeswirtschaftsministerium<br />
seinen von Ideologie getriebenen Kurs fort, mit<br />
der Folge, dass die Neubauzahlen demnächst dramatisch<br />
einbrechen werden.<br />
Das, was gerade im Bau oder in der Planung weit vorangeschritten<br />
sei, werde noch umgesetzt, heißt es aus<br />
den meisten <strong>VNW</strong>-Unternehmen. Wohin die künftigen<br />
Investitionen jedoch fließen werden, darüber tüfteln die<br />
Experten in den Unternehmen derzeit. Klar ist, dass der<br />
Großteil der Fördermittel für die (energetische) Sanierung<br />
von Bestandsgebäuden zur Verfügung steht.<br />
Ob das den (von Bundeswirtschaftsminister Robert<br />
Habeck) gewünschten Effekt haben wird, darf bezweifelt<br />
werden. Abgesehen davon, dass die Förderung für die einzelnen<br />
Maßnahmen gesenkt wurde und Vorschläge aus<br />
der Wohnungswirtschaft kaum Gehör fanden, mangelt<br />
es an allem, das zur Umsetzung notwendig ist: Wärmepumpen,<br />
Baumaterial, Fachkräfte. Am Ende wird sich die<br />
Realität durch die Ideologie „fressen“.<br />
Garanten des sozialen Friedens<br />
Auch wenn sich seit dem Regierungswechsel in Berlin die<br />
Bedingungen für die sozialen Vermieter noch einmal verschlechtert<br />
haben, bleiben <strong>VNW</strong>-Unternehmen Garanten<br />
des sozialen Friedens. Derzeit liegt bei ihnen die monatliche<br />
Nettokaltmiete im Durchschnitt bei 6,26 Euro pro<br />
Quadratmeter – lediglich sechs Cent mehr als ein Jahr zuvor.<br />
2021 investierten die <strong>VNW</strong>-Unternehmen rund 2,31<br />
Milliarden Euro in den Neubau, die Instandhaltung und<br />
die Modernisierung. 2020 waren es zwei Milliarden Euro<br />
gewesen.<br />
Auch in Krisenzeiten lassen Vermieter mit Werten nicht<br />
nach, Menschen, vor allem jenen, die über wenig Einkommen<br />
verfügen, ein sicheres Zuhause zu garantieren. Natürlich<br />
wird niemand, der bei einem <strong>VNW</strong>-Unternehmen<br />
Mieterin oder Mieter ist, sein Dach über dem Kopf verlieren,<br />
weil sie oder er die Heizungsrechnung nicht begleichen<br />
kann. Allerdings machen es sich Mietervereine und<br />
Teile der Politik leicht, wenn sie auf die Verantwortung der<br />
Vermieter verweisen, aber eigene Pflichten nur teilweise<br />
erfüllen.
Gerade jetzt wäre es angemessen, wenn Mietervereine<br />
ihre Mitglieder sachlich informierten und nicht gegen die<br />
Vermieter aufhetzten. Dass zu wenige Mieterinnen und<br />
Mieter auf Bitten von <strong>VNW</strong>-Unternehmen, die Heizkostenvorauszahlung<br />
zu erhöhen, positiv reagierten, hat auch<br />
damit zu tun, dass Mietervereine Wohnungsunternehmen<br />
unterstellten, sie wollten sich unrechtmäßig ein Finanzpolster<br />
schaffen. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch<br />
fahrlässig.<br />
Die Diskussion über mehr Wohngeld für mehr Menschen<br />
und höhere staatliche Zahlungen für die „Kosten<br />
der Unterkunft“ führen wir nun schon seit Jahren. Dennoch<br />
tun sich politisch Verantwortliche in Regierungen,<br />
aber auch auf lokaler Ebene schwer, wenn es an „ihre“<br />
Steuereinnahmen geht. Der Hinweis, dass das Geld dann<br />
an anderer Stelle fehlen würde, mag richtig sein. Das geht<br />
aber den sozialen Vermietern ebenso.<br />
Grundsätzlich gilt, und das nicht erst seit der Energiekrise,<br />
dass betriebswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten<br />
sich nicht „par ordre du mufti“ außer Kraft setzen lassen.<br />
Ein großer Teil unserer Mitgliedsunternehmen ist seit vielen<br />
Jahrzehnten aktiv und hat dunkle Zeiten erlebt. Dass<br />
diese immer noch existieren, hat auch damit zu tun, dass<br />
sie solide wirtschafteten, klug investierten und auf Heller<br />
und Pfennig achteten.<br />
Im Mittelpunkt der Tätigkeit von <strong>VNW</strong>-Unternehmen<br />
steht nicht das Erwirtschaften einer Maximalrendite. Das<br />
ist klar. Dennoch müssen auch sie am Ende eines Geschäftsjahres<br />
mindestens eine schwarz Null bzw. einen<br />
angemessenen Gewinn vorweisen. Steigende Baukosten<br />
und höhere Materialpreise sowie Mehraufwand beim Personal<br />
gehen auch an <strong>VNW</strong>-Unternehmen nicht spurlos<br />
vorüber.<br />
Eine starke Interessenvertretung ist unverzichtbar<br />
Der <strong>VNW</strong> hat in den vergangenen zwölf Monaten unter<br />
Beweis gestellt, dass in unsicheren Zeiten eine starke Interessenvertretung<br />
unverzichtbar ist. Wir verstehen uns als<br />
Lobbyisten für eine gute Sache. Nicht nur die Wohnungsunternehmen,<br />
sondern auch viele ihrer Mieterinnen und<br />
Mieter zählen auf den <strong>VNW</strong>, wenn es darum geht, das<br />
bezahlbare Wohnen im Norden Deutschlands zu sichern.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein<br />
haben sich nach Landtagswahlen Regierungen in neuen<br />
Konstellationen gebildet. Dort wie in Hamburg gilt es, die<br />
Stimme der wohnungspolitischen Vernunft zu bleiben.<br />
Wohnen ist eine der wichtigsten sozialen Fragen unserer<br />
Zeit. Das müssen auch jene verstehen, die glauben, eigene<br />
politische Ziele auf Kosten der Mieterinnen und Mieter<br />
umsetzen zu können.<br />
Die jüngsten Präsenzveranstaltungen wie die Digitalisierungstagung,<br />
das Managementforum, der Betriebskostentag<br />
oder die vielen Seminare haben eindringlich<br />
gezeigt, wie wichtig der Austausch „von Angesicht zu<br />
Angesicht“ ist. Auch wenn derzeit kaum jemand über Corona<br />
spricht: Die Pandemie bleibt eine Herausforderung<br />
– vor allem für den Veranstaltungsbereich des <strong>VNW</strong>.<br />
Besonders erfolgreich war in den vergangenen Monaten<br />
die juristische Beratung durch den Verband. Pandemie<br />
und Heizkostenkrise stellten unsere Mitgliedsunternehmen<br />
vor zahlreiche rechtliche Probleme; entsprechend<br />
hohen Beratungsbedarf gab es. Auch im Bereich der Verwaltung<br />
stärkte der <strong>VNW</strong> seine Rolle als Dienstleister, beispielsweise<br />
bei der Übernahme der Personalabrechnung<br />
für Mitgliedsunternehmen.<br />
Die Durchführung der umfangreichen Prüfungs-,<br />
Steuer- und betriebswirtschaftlichen Beratungsleistungen<br />
wurde im Jahr 2021 mit insgesamt 32 Mitarbeitern im<br />
Prüfungsdienst einschließlich des Innendienstes und vier<br />
Mitarbeitern der Steuerabteilung erbracht.<br />
Die Durchführung von Prüfungen nach § 53 GenG<br />
für die im <strong>VNW</strong> organisierten Genossenschaften ist die<br />
gesetzliche Kernaufgabe des Prüfungsbereiches und war<br />
auch in den vergangenen zwölf Monaten Schwerpunkt<br />
der Tätigkeit. Es wurden 154 Prüfungen für Genossenschaften<br />
und 21 Prüfungen für Unternehmen in anderer<br />
Rechtsform durchgeführt.<br />
Wir freuen uns natürlich, dass wir in diesem Jahr –<br />
dieses Mal in Lübeck – erneut unsere Arbeitstagung „vor<br />
Ort“ durchführen können. Das werden zwei Tage mit interessanten<br />
Vorträgen und guten Gesprächen. Das Ihnen<br />
vorliegende Sondermagazin, das aus Anlass der Arbeitstagung<br />
erscheint, ist gefüllt mit spannenden Beiträgen aus<br />
dem Alltag der <strong>VNW</strong>-Unternehmen und Ihres <strong>VNW</strong>. Sie<br />
belegen, wie lebendig und innovativ die sozialen Vermieter<br />
Norddeutschlands sind.<br />
Zwei Interviews zum aktuellen Selbstverständnis von<br />
Genossenschaften wollen wir Ihnen besonders ans Herz<br />
legen. Auch im vergangenen Jahr wurden die sozialen<br />
Vermieter, zu denen neben den Genossenschaften die<br />
am Gemeinwohl orientierten Wohnungsgesellschaften<br />
gehören, immer wieder mit gierigen Managern in einen<br />
Topf geworfen. Das schmerzt, ist aber auch immer wieder<br />
Antrieb für uns, unter Beweis zu stellen, dass beides geht:<br />
bezahlbares Wohnen und gesundes Wirtschaften.<br />
Lassen Sie uns am Ende dieses Editorials auf Nassim Taleb<br />
zurückkommen. In seinem Buch „Antifragilität: Anleitung<br />
für eine Welt, die wir nicht verstehen“ schreibt er, dass<br />
manche Dinge in Folge von Krisen besser werden. Blütenträume<br />
werden platzen und in der Politik werden sich<br />
pragmatische Lösungen durchsetzen. Das ist doch eine<br />
hoffnungsfrohe Aussicht.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.<br />
Andreas Breitner, <strong>VNW</strong>-Vorstand und Verbandsdirektor<br />
WP/StB Gerhard Viemann, Direktor für den Prüfungsdienst
4
5<br />
<strong>VNW</strong> ALLGEMEIN<br />
<strong>VNW</strong>-Mitgliedsunternehmen<br />
Gesamt Genossenschaften andere Fördermitglieder<br />
Hamburg 142 52 17 73<br />
Mecklenburg-Vorpommern 169 69 82 18<br />
Schleswig-Holstein 95 48 30 17<br />
<strong>VNW</strong> Gesamt 406 169 129 108<br />
Wohnungsbestand der <strong>VNW</strong>-Mitgliedsunternehmen<br />
Gesamt Eigener Bestand davon Anteil<br />
geförderter WE<br />
Verwalteter<br />
Bestand<br />
Prozentanteil am<br />
Mietwohnungsbestand<br />
der Länder<br />
Hamburg 309.167 302.064 73.097 7.103 41 %<br />
Mecklenburg-Vorpommern 270.982 245.217 6.404 25.765 50 %<br />
Schleswig-Holstein 168.397 138.000 24.696 30.397 24 %<br />
<strong>VNW</strong> Gesamt 748.546 685.281 104.197 63.265 37 %<br />
BESTANDSMIETEN<br />
∙ HH ∙ MV ∙ SH ∙ <strong>VNW</strong> LEERSTAND / FLUKTUATION ∙ HH ∙ MV ∙ SH<br />
9,1<br />
6,2<br />
6,0<br />
6,2<br />
Durchschnittlicher<br />
Leerstand in Prozent<br />
1,1<br />
1,4<br />
Durchschnittliche<br />
Fluktuation in Prozent<br />
7,03<br />
6,30 6,26<br />
BETRIEBSKOSTEN / HEIZKOSTEN<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
5,44<br />
Durchschnittliche<br />
Nettokaltmiete<br />
pro Quadratmeter<br />
in Euro<br />
1,52<br />
0,98<br />
1,43<br />
1,10<br />
1,70<br />
1,19<br />
Durchschnittliche<br />
Betriebskosten -<br />
vorauszahlungen kalt<br />
pro Quadratmeter<br />
in Euro<br />
Durchschnittliche<br />
Heizkostenvorauszahlungen<br />
pro Quadratmeter<br />
in Euro
367<br />
BAUTÄTIGKEIT DER <strong>VNW</strong>-MITGLIEDSUNTERNEHMEN<br />
Beschäftigte der <strong>VNW</strong>-Mitgliedsunternehmen<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
∙ <strong>VNW</strong><br />
Gesamt<br />
Azubis<br />
841<br />
Hamburg 4.031 185<br />
Mecklenburg-Vorpommern 2.668 105<br />
Baufertigstellungen<br />
2021<br />
3.371<br />
287<br />
Schleswig-Holstein 2.144 92<br />
<strong>VNW</strong> Gesamt 8.843 382<br />
2.243<br />
Mitgliederbestand der Wohnungsbaugenossenschaften im <strong>VNW</strong><br />
1.046<br />
Gesamt<br />
Hamburg 245.393<br />
Mecklenburg-Vorpommern 100.029<br />
4.829<br />
2.781<br />
Baufertigstellungen<br />
<strong>2022</strong> (geplant)<br />
1.002<br />
Schleswig-Holstein 126.539<br />
<strong>VNW</strong> Gesamt 471.961<br />
INVESTITIONEN DER <strong>VNW</strong>-MITGLIEDSUNTERNEHMEN IN MIO. EURO<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
∙ <strong>VNW</strong><br />
347<br />
105<br />
120<br />
108<br />
Gesamt<br />
Neubau 1.032<br />
180<br />
2021<br />
1.446<br />
gesamt<br />
732<br />
445<br />
gesamt<br />
423<br />
gesamt<br />
Instandhaltung 722<br />
Modernisierung 560<br />
220<br />
135<br />
Insgesamt 2.314<br />
290<br />
120<br />
88<br />
Gesamt<br />
Neubau 1.155<br />
228<br />
<strong>2022</strong><br />
(Plan)<br />
1.376<br />
gesamt<br />
730<br />
598<br />
gesamt<br />
423<br />
gesamt<br />
197<br />
Instandhaltung 744<br />
356<br />
138<br />
Modernisierung 498<br />
250<br />
Insgesamt 2.397
WOHNUNGSBESTAND DER LÄNDER<br />
7<br />
Wohnungsbestand gesamt<br />
Hamburg 983.891<br />
Mecklenburg-Vorpommern 921.785<br />
Schleswig-Holstein 1.529.774<br />
Stand 2021<br />
WOHNFLÄCHE<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
WOHNUNGSGRÖSSE<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
39,4<br />
45,9 49<br />
Durchschnittliche<br />
Wohnfläche<br />
je Einwohner<br />
in Quadratmeter<br />
76,3<br />
80,1<br />
93,6<br />
Durchschnittliche<br />
Wohnungsgröße<br />
in Quadratmeter<br />
Stand 2021<br />
Stand 2021<br />
ALLGEMEINE STATISTISCHE DATEN DER LANDESÄMTER<br />
12.000<br />
Baufertigstellungen der Länder (insgesamt)<br />
2017 2018 2019 2020 2021<br />
9.000<br />
Hamburg 7.920 10.674 9.805 11.269 7.461<br />
Mecklenburg-Vorpommern 5.1 52 5.435 5.272 7.493 4.293<br />
6.000<br />
Schleswig-Holstein 11.972 12.025 13.668 14.07 7 12.636<br />
3.000<br />
2017<br />
2018<br />
2019<br />
2020<br />
2021<br />
Baugenehmigungen der Länder (insgesamt)<br />
15.000<br />
2017 2018 2019 2020 2021<br />
Hamburg 12.465 11.087 11.632 10.140 9.852<br />
10.000<br />
5.000<br />
Mecklenburg-Vorpommern 6.645 6.384 6.275 6.7 24 6.915<br />
Schleswig-Holstein 14.168 14.846 15.435 16.558 16.565<br />
0<br />
2017<br />
2018<br />
2019<br />
2020<br />
2021
∙<br />
∙<br />
1.610.900<br />
8<br />
BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG DER LÄNDER<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
Bevölkerungsentwicklung<br />
3.000.000<br />
Hamburg<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
Schleswig-<br />
Holstein<br />
2013 1.740.307 1.598.400 2.8 1 1 .243<br />
2.500.000<br />
2014 1.754.567 1.597.800 2.823.410<br />
2015 1.7 75.100 1.605.800 2.844.789<br />
2.000.000<br />
2016 1.798.923 1.61 1 .500 2.870.320<br />
1.500.000<br />
2017 1.820.51 1 .<br />
2.885.874<br />
2018 1.835.882 1.610.400 2.893.267<br />
1.000.000<br />
2019 1.844.216 1.608.1 38 2.900.243<br />
2020 1.849.866 1.610.7 74 2.907.324<br />
500.000<br />
2021 1.850.246 1.6 1 1 .000 2.9 1 4 .746<br />
0<br />
2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021<br />
*Stand Juni 2021<br />
HAUSHALTSSTRUKTUR DER LÄNDER IN TAUSEND<br />
∙ HH<br />
∙ MV ∙ SH<br />
331<br />
580<br />
52 %<br />
506<br />
gesamt<br />
980 private<br />
Haushalte<br />
474<br />
48 %<br />
60 %<br />
∙<br />
489<br />
gesamt<br />
820 private<br />
Haushalte<br />
∙<br />
40 %<br />
60 %<br />
∙<br />
864<br />
gesamt<br />
1.444 private<br />
Haushalte<br />
∙<br />
40 %<br />
Einzelpersonenhaushalte<br />
in Tausend<br />
Mehrpersonenhaushalte<br />
in Tausend<br />
Stand 2021<br />
Haushaltsgröße / Durchschnittsalter<br />
durchschnittliche<br />
Haushaltsgröße 2021<br />
durchschnittliches Alter<br />
der Bevölkerung 2020<br />
Hamburg 1,87 42,1 .<br />
Mecklenburg-Vorpommern 1,94 47,7<br />
Schleswig-Holstein 1,99 45,6
9 <strong>VNW</strong><br />
„Bekanntlich ist man auf nichts<br />
so stolz wie auf das, was man<br />
seit zwei Minuten weiß.“<br />
Kurt Tucholsky,<br />
deutscher Journalist und Schriftsteller<br />
(1890-1935)
10<br />
<strong>VNW</strong><br />
„Na, Frau Marquardt:<br />
Retten wir wieder die<br />
Wale? ”<br />
Klara Marquardt hat beim Bauverein der Elbgemeinden das Nachhaltigkeitsmanagement<br />
aufgebaut. Jetzt berichtete sie vor dem Fachausschuss Marketing<br />
und Kommunikation über ihre Erfahrungen.<br />
VON OLIVER SCHIRG<br />
KLARA MARQUARDT<br />
ist seit 2016 mit viel Herz und Verstand Nachhaltigkeitsmanagerin<br />
des Bauvereins der Elbgemeinden eG und Teil des Teams Klima 2045.<br />
f
11<br />
„Natürlich hilft Leidenschaft, Menschen<br />
zu überzeugen. Auch zu akzeptieren,<br />
dass es Widerstände gibt, ist hilfreich.“<br />
Hamburg. Vor fünf Jahren hat Klara Marquardt beim Bauverein<br />
der Elbgemeinden eG (BVE) als Nachhaltigkeitsmanagerin angefangen.<br />
Mit einem „weißen Blatt Papier“ sei das gewesen, erzählt<br />
die 32-Jährige beim Besuch des Fachausschusses Marketing und<br />
Kommunikation. Das Gute: „Ich konnte von Grund auf ein Nachhaltigkeitskonzept<br />
aufbauen, das zum BVE passt, das ganzheitlich<br />
und authentisch ist.“<br />
Inzwischen gilt der BVE unter den Genossenschaften als Vorbild<br />
in Sachen Nachhaltigkeit und der entsprechenden Berichterstattung.<br />
Doch dahin zu kommen, sei nicht einfach gewesen, sagt<br />
Klara Marquardt. „Entscheidend war, dass ich mich zu 100 Prozent<br />
auf den Vorstand und seine Unterstützung verlassen konnte.<br />
Das ist unverzichtbar, wenn man in Sachen Nachhaltigkeit erfolgreich<br />
sein will.“<br />
Ist-Analyse als Ausgangspunkt<br />
Zunächst habe sie sich schlaugemacht. „Ich habe mir die Praxis<br />
anderer Wohnungsunternehmen angeschaut und viel gelesen.<br />
Besonders gute Projekte nahm ich als Vorbild und nutzte sie<br />
zum Vergleich, wo wir stehen.“ Die „Stakeholderanalyse“ sei die<br />
Basis für die „Wesentlichkeitsanalyse“ gewesen, erzählt Klara<br />
Marquardt weiter. Dabei habe man herausgefunden, was die wesentlichen<br />
Aufgaben seien, die der BVE in Sachen Nachhaltigkeit<br />
zu erfüllen habe. „Das war sehr aufwendig, weil wir mehr als<br />
500 Personen befragten und uns jetzt darauf berufen können. Im<br />
Kern ging es darum, herauszufinden, was wir vordringlich bearbeiten<br />
wollen.“<br />
Zudem wurde ein Grundgerüst für ein Nachhaltigkeitscontrolling<br />
entwickelt: „Also: Welche Zahlen sollten wir kennen<br />
und welche Zahlen wollen wir berichten? Dazu stellten wir uns<br />
die Frage, nach welchen Kriterien wir berichten wollten.“ Anfangs<br />
habe man sehr wenig Kennzahlen gehabt, erinnert sich die<br />
Nachhaltigkeitsmanagerin. „Wir mussten uns alles mithilfe der<br />
Kolleginnen und Kollegen in den unterschiedlichen Abteilungen<br />
zusammensuchen.“ Das einzufordern sei oft nicht einfach gewesen.<br />
„Schließlich bedeutete es ja Mehrarbeit.“<br />
Klara Marquardt listet ein paar Herausforderungen auf, die sie<br />
in diesem Zusammenhang zu bewältigen hatte:<br />
• Wie viel Kohlendioxid stößt Wohnungsbestand aus?<br />
• Wie viel Kohlendioxid stoßen die Fahrzeuge des<br />
BVE-Fuhrparks aus?<br />
• Wie viel Energie verbraucht die Verwaltung?<br />
• Wie viel Energie verbrauchen die Handwerker?<br />
„Am Ende besaßen wir eine große Excel-Tabelle mit der jeweiligen<br />
Zahl und den Kriterien, die dahinter stehen.“ Entscheidend sei,<br />
nie zu vergessen, dass der Nachhaltigkeitsbericht für Genossenschaftsmitglieder<br />
erarbeitet werde. „Transparenz halte ich für unverzichtbar:<br />
Die Mitglieder sollen die Kennzahlen verstehen, um<br />
mitreden zu können.“<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „mitnehmen“<br />
Zugleich versuchte Klara Marquardt, die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter des BVE einzubeziehen. „Das fing damit an, dass wir<br />
alle darüber informierten, was wir machen. Bei einer zusätzlichen<br />
Stelle, die geschaffen wird, gibt es natürlich Fragen, warum der<br />
BVE das braucht.“ Zugleich sei es darum gegangen, am praktischen<br />
Beispiel die Wirkung der Arbeit aufzuzeigen. „Wir haben<br />
ein neues Abfallmanagement eingeführt, was sicher nicht gleich<br />
bei jedem gut ankam. Aber wir konnten zeigen, dass es manchmal<br />
Kleinigkeiten sind, die eine große Wirkung entfalten.“<br />
Als die ersten Kennzahlen vorlagen, führte der BVE das Umweltmanagementsystem<br />
Ökoprofit ein. Der Clou: Man etabliert<br />
das System gemeinsam mit anderen Unternehmen in Hamburg,<br />
die vor den gleichen Herausforderungen stehen. „In Hamburg<br />
bestand unsere Gruppe zunächst aus zwölf Unternehmen, die<br />
das System gemeinsam eingeführt haben. Ein Jahr lang erarbeiteten<br />
wir uns Monat für Monat ein Thema – Wasser, Verbräuche,<br />
Kohlen dioxid – und tauschten uns darüber aus, was wir verbessern<br />
können. Das hat sehr geholfen.“<br />
Ein Nebeneffekt der Einführung dieses Systems: „Man lernt<br />
die Gebäude des Unternehmens in Sachen Verbrauch kennen:<br />
Verwaltungsgebäude, Werkstätten und Werkhallen – einfach<br />
alles“, sagt Klara Marquardt. Zudem gebe es bundesweit einen<br />
„Ökoprofit Club“ mit mehreren Hundert Mitgliedern. „Man kann<br />
dort viel lernen, auch wenn die Branchen der beteiligten Unternehmen<br />
unterschiedlich sind. Aber gerade beim Thema Nachhaltigkeit<br />
ist es sinnvoll, über den Tellerrand zu schauen.“<br />
Enge Bindung an den Vorstand ist unverzichtbar<br />
Entscheidend für den Erfolg als Nachhaltigkeitsmanagerin sei die<br />
enge Bindung an den Vorstand – da ist sich Klara Marquardt sicher.<br />
„Natürlich muss ich auch durchsetzungsstark sein und benötige<br />
‚freie Hand‘ bei meinen Aufgaben. Aber wenn der Vorstand das<br />
nicht pusht und keine eigene Stelle hat, wird das Ganze nichts.“<br />
Natürlich helfe Leidenschaft, Menschen zu überzeugen. Auch<br />
zu akzeptieren, dass es auch Widerstände gibt, ist hilfreich. „Man<br />
benötigt eine hohe Frustrationsgrenze, wenn man manche Diskussionen<br />
immer und immer wieder führt oder mit dem Satz begrüßt<br />
wird: ‚Na, Frau Marquardt: Retten wir wieder die Wale?‘.<br />
Aber der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit ist von grundsätzlicher<br />
Natur, und das braucht seine Zeit.“<br />
Zudem gibt es beim BVE einen externen Nachhaltigkeitsbeirat,<br />
in dem freiwillig Mitglieder der Genossenschaft, Vertreterinnen<br />
und Vertreter und Aufsichtsratsmitglieder mitarbeiten. Die Gruppe<br />
von zehn Leuten trifft sich zweimal im Jahr. „Es gibt kritische<br />
Fragen, aber, und das ist mir wichtig, auch den Blick von außen.“h
12<br />
<strong>VNW</strong><br />
„Kern war, ist und bleibt die<br />
Mitgliederförderung“<br />
Dr. Ulrik Schlenz, Vorstand der Wankendorfer Baugenossenschaft für Schleswig-Holstein eG, spricht<br />
im Interview über die Aktualität von Genossenschaften, über bezahlbares Wohnen und darüber, ob<br />
sich der Staat zu sehr in den Bau von Wohnungen einmischt.<br />
VON OLIVER SCHIRG
13<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Die Baukosten steigen seit vielen Monaten.<br />
Kann eine Wohnungsgenossenschaft heute noch mit dem<br />
Bau von Wohnungen beginnen, ohne gegen den eigenen<br />
Satzungsauftrag zu verstoßen?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Dazu ein grundsätzliches „Ja“ von<br />
meiner Seite. Die Frage richtet sich ja auf die in den genossenschaftlichen<br />
Satzungen gewählte Formulierung<br />
der „sozial verantwortbaren Wohnraumversorgung“.<br />
Wenn wir uns als Gesellschaft auf bestimmte Standards<br />
der Bauvorschriften und des Klimaschutzes im Gebäude<br />
verständigt haben, so sind die daraus entstehenden Mieten<br />
offenbar ein gesellschaftlicher Konsens, der uns allen<br />
zugemutet wird. Und damit sind dieser Standard und die<br />
sich daraus ergebende Miete – zumindest im Durchschnitt<br />
– auch sozial verantwortbar für unsere Gesellschaft. Dass<br />
wir in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen damit zunehmend<br />
eine Herausforderung haben, steht auf einem<br />
anderen Blatt.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: In vielen Satzungen von Genossenschaften<br />
steht geschrieben, sie sollen bezahlbaren Wohnraum für<br />
ihre Mitglieder schaffen. Wer heute mit dem Bau startet,<br />
muss am Ende zwischen 16 und 17 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter<br />
nehmen, um wenigstens eine „schwarze Null“ zu<br />
schreiben. Sind das noch bezahlbare Mieten?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Bezahlbar ist ein ziemlich willkürlicher<br />
Begriff, da er auf die individuellen Einkommensverhältnisse<br />
abhebt – und deshalb steht er glaube ich auch so in<br />
keiner Satzung. Dort wird in der Regel von guter, sicherer<br />
und sozial verantwortbarer Wohnraumversorgung gesprochen.<br />
Es gibt zweifellos einen zunehmenden Teil der<br />
Bevölkerung, bei dem mit der genannten Mietbelastung<br />
ein häufig politisch adressiertes „Drittel der Ausgaben für<br />
die Wohnung“ überschritten würde. Da besteht bei derart<br />
hohen Einstandsmieten aufgrund gestiegener Gestehungskosten<br />
dann auch mehr Handlungsbedarf für soziale<br />
Wohnraumförderung, damit dieser Zielgruppe geholfen<br />
werden kann.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Wie sollte eine Genossenschaft mit den<br />
hohen Baukosten umgehen? Gar nicht mehr bauen?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Meines Erachtens nicht. Einerseits<br />
müssen wir für nicht sanierungswürdige Altbauten einen<br />
Ersatzneubau umsetzen. Andererseits sind Genossenschaften<br />
ein vitaler Baustein bei der Schaffung zusätzlich<br />
benötigten Wohnraums. Vielmehr wird es – jenseits konjunktureller<br />
oder krisenbedingter Marktschwankungen –<br />
darum gehen, mit dem Ziel eines guten Mieten-Mix sich<br />
für den Erhalt und Ausbau geeigneter Förderprogramme<br />
einzusetzen.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Genossenschaften wurden vor mehr als 120<br />
Jahren – meist als das Zusammengehen von Gleichgesinnten<br />
und mit dem Anspruch der Hilfe zur Selbsthilfe – gegründet.<br />
Inzwischen hat sich unsere Gesellschaft verändert.<br />
Sind die „alten“ Satzungsaufträge der Genossenschaften<br />
noch zeitgemäß?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Mehr denn je. Wir müssen die Satzungsaufträge<br />
aber in der jeweiligen gesellschaftlichen<br />
Realität leben. Das ist möglich und wird von vielen Genossenschaften<br />
auch gut umgesetzt. Letztlich geht es dabei<br />
um die nachhaltige Interpretation des Förderauftrages –<br />
die Balance zwischen dem Nutzen der Mitglieder heute<br />
einerseits und dem Vermögenserhalt und dem Nutzen<br />
zukünftiger Generationen andererseits. Wenn Mitglieder<br />
und Gremien der Genossenschaften dies gut austarieren,<br />
dann ist dies nach meiner Überzeugung in vielen Belangen<br />
eine sehr nachhaltige – und im besten Sinne demokratische<br />
Unternehmensform.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Sind Genossenschaften heute nicht mehr<br />
das, was sie mal waren? Müssen sie sich wandeln? Und<br />
wenn ja: wohin?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Wandeln einzig im Sinne der Realisierung<br />
ihrer Nachhaltigkeitserfordernisse. Viele Genossenschaften<br />
machen das auch bereits. Aber ich habe in<br />
meiner beruflichen Laufbahn leider auch einige Beispiele<br />
erlebt, bei denen die Nutzenmaximierung der Mitglieder<br />
von Genossenschaften im „Hier und Heute“ die mittelund<br />
langfristige Stabilität der Genossenschaft gefährdete<br />
und die Unternehmen verschwanden. In der richtigen<br />
Balance bietet die genossenschaftliche Unternehmensverfassung<br />
aber einen unschätzbaren Vorteil, indem sie<br />
sich nur an den Interessen ihrer Mitglieder ausrichtet. Es<br />
gibt weder Renditeerwartungen von externen Anteilseignern<br />
oder kurzfristige Notwendigkeiten zur Kurspflege<br />
an Aktienmärkten, noch ist sie politisch motivierten Unternehmensentscheidungen<br />
von Gremien der öffentlichen<br />
Hand unterworfen.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Welche Kernelemente sollte die Satzung<br />
einer (heute) modernen Genossenschaft enthalten?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Der Satzungskern war, ist und bleibt die<br />
Mitgliederförderung. Das gilt auch für moderne Genossenschaften.<br />
Die notwendigen Elemente und Regelungen<br />
dazu finden sich in den an den veränderten Rahmenbedingungen<br />
orientierten Mustersatzungen der Verbände.<br />
f
14 <strong>VNW</strong><br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Teile der Politik sehen in Genossenschaften<br />
ein normales, gewinnorientiert wirtschaftendes Wohnungsunternehmen<br />
und plädieren deshalb für eine sogenannte<br />
„neue Gemeinnützigkeit“. Brauchen wir eine „neue<br />
Gemeinnützigkeit“?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Nein. Man hat auch manchmal den<br />
Eindruck, dass Menschen, die sich an der Gewinnorientierung<br />
von Unternehmen reiben, sich mit elementaren<br />
betriebswirtschaftlichen Grundlagen nicht wirklich auseinandergesetzt<br />
haben. Gewinnerzielung ist nichts Böses,<br />
sondern gleichsam Ergebnis und Voraussetzung einer erfolgreichen<br />
und nachhaltigen Unternehmensentwicklung.<br />
Gerade in Zeiten, in der die Wohnungswirtschaft neuen,<br />
zusätzlichen Wohnraum schaffen soll und Klimaschutz in<br />
den Gebäuden umsetzen muss, wird zusätzliches Eigenkapital<br />
für die notwendigen Investitionen benötigt. Genossenschaften<br />
ist aber eine Gewinnmaximierung und<br />
ein Abfluss des erwirtschafteten Kapitals aus dem Unternehmen<br />
durch hohe Renditen an die Anteilseigner oder<br />
Abführungen an andere öffentliche Haushalte fremd.<br />
Überschüsse werden in die Modernisierung des Bestandes<br />
und den Neubau gesteckt. Darüber hinaus sind Genossenschaften<br />
in einem hohen Maße in gemeinwohlorientierten<br />
Projekten in ihrem Wohnumfeld aktiv.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Hinter der Forderung nach einer „neuen<br />
Gemeinnützigkeit“ steckt auch die politische Absicht, Wohnungsunternehmen<br />
zu haben, die in Teilen nach engen Vorgaben<br />
des Staats bzw. der Politik agieren (müssen)? Genossenschaftsvorstände<br />
hingegen sind nur ihren Mitgliedern<br />
verpflichtet und deshalb deutlich unabhängiger gegenüber<br />
der Politik. Ist deshalb die „neue Gemeinnützigkeit“ auch ein<br />
„Angriff“ auf die Unabhängigkeit von Genossenschaften?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Das kann man schon so sehen. Zumindest<br />
war und ist die „Gemeinnützigkeit“ sicherlich sehr<br />
stark von normativ subjektiven Kriterien abhängig, die<br />
starken gesellschaftlichen und politischen Schwankungen<br />
unterliegen.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Genossenschaften stehen für ein hohes Maß<br />
an „innerer Demokratie“. Sie sind ein unabhängiges, überschaubares<br />
Gemeinwesen; jedes Mitglied hat eine Stimme;<br />
jeder kann mitbestimmen, wenn er will. Genossenschaften<br />
entziehen sich deshalb zentralistischen Versuchungen. In<br />
Diktaturen wurde dieser „demokratische Wesenskern“ als<br />
erstes eliminiert. Brauchen wir mehr „genossenschaftliches<br />
Denken“ in einer Welt (und Wirtschaft), die immer zentralisierter<br />
wird?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Fakt ist, dass es in allen Unternehmensformen<br />
verantwortlich und erfolgreich geführte<br />
Unternehmen gibt, die sich auch ihrer gesellschaftlichen<br />
Verantwortung bewusst sind. Das heißt, ein verantwortliches<br />
Handeln gibt es nicht nur im „genossenschaftlichen<br />
Denken“. Dennoch kann man sicherlich sagen, dass die<br />
Gesellschaftsform der Genossenschaft mit unseren demokratischen<br />
Werten sehr kompatibel ist. Wenn es also<br />
um die Beteiligung der Menschen an der Gestaltung ihrer<br />
eigenen Belange geht, dann kann man diese Frage durchaus<br />
mit „Ja“ beantworten.
15<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Gehört zur Ehrlichkeit die Feststellung, dass<br />
Genossenschaften nicht nur Wohnungen für den ärmeren<br />
Teil der Gesellschaft anbieten sollen, sondern auch für jene,<br />
die gut verdienen?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Zweifellos. Aber was ist daran falsch?<br />
Denn erstens spiegelt sich darin ja auch eine grundsätzlich<br />
sehr erfreuliche Entwicklung in unserem Land wider,<br />
nämlich, dass unser aller Wohlstand in den vergangenen<br />
Jahrzehnten gewachsen ist. Zweitens<br />
kommt das unserer Philosophie zugute,<br />
dass wir Wohnungsbestände bewirtschaften<br />
möchten, die in sozialen<br />
Schichten und Milieus durchmischt<br />
sind und es nicht zur Segregation<br />
und Ghettoisierung in Quartieren und<br />
Stadtteilen kommt. Und drittens gehört<br />
auch zur Ehrlichkeit, dass Neubauprojekte<br />
häufig nur dann wirtschaftlich<br />
sind, wenn wir einen guten<br />
Mix an gefördertem Wohnraum für<br />
den hierfür nutzungsberechtigten Teil<br />
der Gesellschaft und frei finanziertem<br />
Wohnraum für die Besserverdienenden<br />
anbieten können.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Mischt sich der Staat zu<br />
sehr in die Schaffung von Wohnraum ein?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Das kann man pauschal,<br />
glaube ich, nicht mit einem einfachen<br />
Ja oder Nein beantworten. Es<br />
gibt Bereiche, in denen staatliche Rahmenbedingungen<br />
und Eingriffe gut und wichtig sind und andere, bei denen<br />
es Überregulierungen gibt oder mit dem Eingriff durch bestimmte<br />
Maßnahmen wiederum Zielkonflikte entstehen.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Wo sollte der Staat im Wohnungsbereich<br />
agieren – und wo nicht?<br />
Dr. Ulrik Schlenz: Er sollte gute Bedingungen für das unternehmerische<br />
Handeln schaffen. Das gilt für den Rechtsrahmen<br />
ebenso wie für eine auf gesellschaftliche Ziele<br />
abgestimmte Förderpolitik. Insbesondere Investitionen<br />
für den Klimaschutz werden, ob in Modernisierung oder<br />
Neubau, in den kommenden zwei Jahrzehnten eine große<br />
Herausforderung, wenn die Wohnung auch für Menschen<br />
mit geringem Einkommen bezahlbar bleiben soll. Im Bereich<br />
der Rechtsvorschriften und bei Verfahrensabläufen<br />
gibt es vom Planungsrecht bis hin zum Baurecht viele<br />
Möglichkeiten, bei denen aus Zeit- und Kostengründen<br />
die Sinnhaftigkeit von Regelungen hinterfragt werden<br />
sollte – sich der Staat weiter zurückziehen kann. Wir leiden<br />
hierzulande darunter, dass wir mit dem Hang zur Detaillierung<br />
in einigen Bereichen überzogen haben. Und vor<br />
allem sollte der Staat sich im Wohnungsbereich nicht als<br />
Unternehmer engagieren. Es gibt in der Geschichte der<br />
Bundesrepublik einige Beispiele, dass dieses Engagement<br />
alles andere als nachhaltig ist.<br />
DR. ULRIK SCHLENZ ist Mitglied des Vorstands<br />
der Wankendorfer Baugenossenschaft<br />
für Schleswig-Holstein eG. Nach Schule und<br />
Dienstzeit bei der Marine in Kiel Studium<br />
der Agrarwissenschaften mit Schwerpunkt<br />
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an<br />
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel<br />
mit anschließender Promotion, mehrjährige<br />
Tätigkeit als Unternehmensberater für Unternehmen<br />
der europäischen Agrar- und Ernährungswirtschaft.<br />
Von 1998 bis 2015 in verschiedenen<br />
Leitungsfunktionen eines Agrarhandelskonzerns,<br />
u. a. als Finanzvorstand und<br />
Mitglied des Konzernvorstands der dänischen<br />
Muttergesellschaft. Seit 2016 Mitglied des<br />
Vorstands der wankendorfer. Nebenberufliches<br />
Engagement für den Betrieb einer<br />
Jugendfreizeiteinrichtung und in verschiedenen<br />
branchenbezogenen und branchenübergreifenden<br />
Ehrenämtern.<br />
Die Fragen stellte Oliver Schirg. h
16<br />
<strong>VNW</strong><br />
Das Ampelkonzept<br />
des BVE<br />
Biodiversität soll in den Außenanlagen des Bauvereins der Elbgemeinden<br />
(BVE) künftig eine noch größere Rolle spielen. Dafür hat<br />
Hamburgs größte Wohnungsbaugenossenschaft ein Ampel konzept<br />
entwickeln lassen.<br />
VON KLARA MARQUARDT<br />
Hamburg. Tiere wie Insekten, kleine Reptilien, Vögel und Fledermäuse<br />
sind auf Orte angewiesen, wo sie ausreichend Schutz und<br />
Nahrung vorfinden. In der Stadt sind diese Räume allerdings selten<br />
geworden. Biodiversität hat das Ziel, die Artenvielfalt wiederherzustellen<br />
und zu fördern. Das bedeutet, nicht jede Grünfläche<br />
als Parkwiese mit Rasen und Zierblumen zu planen, sondern zum<br />
Beispiel auch wild wachsende und für die Menschen unzugängliche<br />
Bereiche anzulegen. Dort summt und schwirrt es dann, was<br />
wiederum dem gesamten Ökokreislauf zugutekommt.<br />
Um ein Konzept für mehr biologische Vielfalt in seinen Grünanlagen<br />
zu entwickeln, engagierte der BVE den Landschaftsarchitekten<br />
Daniel Lichtenstein. Das daraus entstandene Ampelkonzept<br />
des BVE unterscheidet zwischen drei Raumtypen. Diese sollen<br />
nebeneinander in der Gestaltung der Außenanlagen umgesetzt<br />
werden, sodass einerseits die Menschen eine gute Aufenthaltsqualität<br />
haben und andererseits gesunde Ökosysteme entstehen.<br />
• Rot sind hochwertig gestaltete Freiflächen, in denen die<br />
Artenvielfalt nicht das Hauptziel ist. Das können Wiesen sein, auf<br />
denen Menschen sitzen und Sport treiben, mit Bänken versehen<br />
und umgeben von Zierblumen.<br />
• Gelb sind Flächen, in denen Menschen und Tiere zusammenleben,<br />
die also von beiden genutzt werden.<br />
• Grün sind Wildflächen, in denen der Mensch möglichst<br />
wenig in die Natur eingreift. Sie zeichnen sich durch eine dichte<br />
Vegetation aus. Diese Flächen bieten einen sehr guten Lebensraum<br />
für Tiere: Sie sind reich an Nahrung und bieten den notwendigen<br />
Schutz, um zu nisten und zu brüten.<br />
Jeder Raumtyp erfüllt eine spezielle Funktion<br />
In der Praxis werden die Raumtypen entsprechend unterschiedlich<br />
gestaltet. „Jede Farbe und damit jeder Raumtyp erfüllt dabei<br />
eine spezielle Funktion. Nur im Dreiklang ergeben sie ein lebenswertes<br />
und ökologisches Quartier für Mensch und Tier“, erklärt<br />
BVE-Vorstand Michael Wulf.<br />
Rote, also hochwertig gestaltete Flächen können in Teilen mit<br />
Wildblumenwiesen und Blühpflanzen versehen werden. So finden<br />
Insekten und Vögel auch hier Nahrung, ohne die Funktion als<br />
Erholungsraum für die Menschen zu beschneiden.<br />
Auf gelben Flächen, die von Menschen und Tieren gemeinsam<br />
genutzt werden, können beispielsweise Sandflächen, Grünbrücken<br />
und eine insektenfreundliche Beleuchtung zum Einsatz<br />
kommen. So wird nach dem Motto „Spielen und Lernen“ ein<br />
Raum geschaffen, in dem Kinder Natur vor der eigenen Haustür<br />
erleben können.<br />
In den grünen, naturnahen Räumen will der BVE zum Beispiel<br />
Nist- und Brutkästen für Vögel sowie Totholzbereiche für kleine<br />
Insekten und Reptilien anlegen. Eine dichte Vegetation soll den<br />
Tieren Schutz und Ruhe bieten.<br />
Hoch hinaus: vertikale Biodiversität<br />
Neben der Einteilung in verschiedene Zonen gibt es noch eine Art,<br />
das Ampelkonzept zu denken: in die Höhe. Während unten intensive<br />
Pflanzflächen Nahrung für Vögel und Insekten bieten, können<br />
auf Kopfhöhe Fledermausbrutkästen aufgehängt werden.
17<br />
Auf diese Weise<br />
erhalten Kinder<br />
und Erwachsene<br />
auch in der Stadt die<br />
Möglichkeit, Fledermäuse<br />
zu beobachten<br />
und kennenzulernen. Vögel<br />
freuen sich über Brutkästen<br />
in einigen Metern Höhe – unerreichbar<br />
für Menschen und Raubtiere<br />
wie Katzen. Die Bepflanzung<br />
von Dächern bietet neue Nahrungsquellen<br />
für Insekten.<br />
„Mit dem Ampelkonzept<br />
haben wir ein wirksames<br />
und praktikables Instrument,<br />
um die Biodiversität in unseren<br />
Beständen zu fördern“,<br />
sagt Michael Wulf aus dem Vorstand des BVE. „Wir<br />
setzen es bereits in zwei Quartieren um: am Heidrehmen<br />
in Iserbrook und in der Ückerstraße in Lurup. Künftig<br />
werden wir die Ampel auch bei Neubauten sowie größeren<br />
baulichen Maßnahmen berücksichtigen. Denn wir müssen<br />
im Sinne der Nachhaltigkeit Bauen und Natur in der Stadt<br />
noch stärker in Einklang bringen.“ h
18 <strong>VNW</strong>
19<br />
Die Wohnungswirtschaft ist<br />
„reif“ für neue Formen der<br />
Zusammenarbeit<br />
Ende August dieses Jahres hatte das neue<br />
Weiterbildungsformat „SPRINT break“ in<br />
Heiligenhafen Premiere. Das <strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
sprach mit Thorsten Gleitz, Mitglied des<br />
Vorstands der Wankendorfer Baugenossenschaft<br />
für Schleswig-Holstein eG, über die<br />
Veranstaltung.<br />
VON OLIVER SCHIRG<br />
f
20 <strong>VNW</strong><br />
Thorsten Gleitz<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Können Sie mit ein<br />
paar Worten „SPRINT break“ erklären?<br />
Thorsten Gleitz: SPRINT break ist ein<br />
Weiterbildungsformat des <strong>VNW</strong> in Kooperation<br />
mit Vodafone, das sich an<br />
Wohnungsunternehmen richtet. Als Zielgruppe<br />
werden neugierige Ideentreiber<br />
und engagierte Macher angesprochen. In<br />
fünf Tagen wird den Teilnehmern die agile<br />
Arbeitsmethode „SPRINT“ nähergebracht,<br />
die von Jake Knapp (Google Ventures)<br />
entwickelt und perfektioniert wurde. Die<br />
Methode folgt einem zeitlich strengen<br />
Ablauf und verspricht, innerhalb von fünf<br />
Tagen Lösungsansätze effizient zu entwickeln,<br />
mit Experten zu verproben, einen<br />
ersten rudimentären Prototyp zu bauen,<br />
der im Anschluss an Kunden getestet und<br />
bewertet wird.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Was ist das Besondere<br />
an „SPRINT break“?<br />
Gleitz: Es ist mehr als ein reiner Workshop<br />
über eine agile Methode. Wir haben<br />
es scherzhaft das „Boot-Camp der Wohnungswirtschaft“<br />
genannt, allerdings mit<br />
Duz-Kultur und Candybar. Uns war es<br />
sehr wichtig, eine Wohlfühlatmosphäre<br />
für die 18 Teilnehmer zu schaffen, um sie<br />
motiviert durch die zeitlich ausgelasteten<br />
Tage zu führen. Jeder Morgen begann um<br />
sechs Uhr mit einem (zugegebenermaßen<br />
freiwilligen) Yoga-Kurs zur seelischen Einstimmung<br />
auf den Tag. Alternativ dazu<br />
gingen einige Teilnehmer in der Ostsee baden.<br />
Bis zum Mittagessen wurden anhand<br />
der SPRINT-Methode in drei Gruppen à<br />
sechs Personen aktuelle wohnungswirtschaftliche<br />
Fragen bearbeitet und konkrete<br />
Lösungen entwickelt.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Und am Nachmittag?<br />
Gleitz: Am Nachmittag haben wir mit<br />
dem „break“ weitergemacht und den Tag<br />
mit einem sportlichen Segel-Event abgerundet.<br />
Besonders war, dass wir 15 hochkarätige<br />
Unternehmensvertreter dazu<br />
bringen konnten, am Vorabend der Abschlussveranstaltung<br />
gemeinsam mit den<br />
Teilnehmern ein Barbecue zu veranstalten.<br />
Am letzten Tag wurden die Arbeitsergebnisse<br />
der drei Gruppen vorgestellt, und neben<br />
viel Lob wurden kritische Nachfragen<br />
aus den jeweiligen Chefetagen von den<br />
Teilnehmern beantwortet. Die Erkenntnis:<br />
Projektarbeit kann und darf Spaß machen,<br />
und es ist tatsächlich möglich, in sehr kurzer<br />
Zeit nach einem streng geplanten Ablauf<br />
Lösungen zu erarbeiten.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Welche Themen wurden<br />
bearbeitet?<br />
Gleitz: Was gibt unserer Arbeit Sinn? Was<br />
können wir dafür tun, dass Mitarbeiter die<br />
Bedeutung unserer Arbeit im Wohnungsunternehmen<br />
stärker erleben? Es gibt<br />
keinen Planeten B. Eine weitergehende<br />
CO 2<br />
-Reduzierung ist nur durch eine Verhaltensänderung<br />
der Mieter möglich. Wir<br />
suchen den besten Weg, um die Mieter zu<br />
unseren Verbündeten beim Thema CO 2<br />
-<br />
Einsparung zu machen. Wohnungen nach<br />
Corona. Corona hat gezeigt, wie wichtig<br />
unser Zuhause ist. Wie würde eine Wohnung<br />
aussehen, die den Anforderungen<br />
zum Beispiel nach mehr mobilem Arbeiten<br />
entspricht?<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer machen im Rahmen<br />
von „SPRINT break“ einen Segelkurs.<br />
Was wird damit bezweckt?<br />
Gleitz: An drei Tagen wurde nachmittags<br />
gesegelt. Wir wollten ein Teamsportevent<br />
integrieren, bei dem die Gruppen erneut<br />
durchmischt wurden, sodass eine maximale<br />
Vernetzung möglich wurde. Wir haben<br />
die Veranstaltung an die Ostsee gelegt,<br />
um fußläufig Zugang zum Wasser zu ermöglichen.<br />
Unsere Wahl fiel auf das Segeln,<br />
da wir gehofft haben, dass wir dort<br />
eine für viele Teilnehmer neue Erfahrung<br />
ermög lichen und es keine gravierenden<br />
Leistungsunterschiede gibt. Die Arbeit im<br />
Team und die Erfahrung, sich gemeinsam<br />
einer neuen Herausforderung zu stellen,<br />
hat unsere SPRINT-Methode vom Vormittag<br />
am Nachmittag durch das für viele unbekannte<br />
Segeln gut fortgesetzt.<br />
f<br />
CARSTEN JESCHKA,<br />
Vodafone, Direktor Vertrieb Großkunden und Mittelstand Immobilienwirtschaft<br />
„Als Partner der Immobilienwirtschaft leben wir den Netzwerkgedanken ganzheitlich.<br />
Das Format SPRINT break unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Bildungs- und<br />
Netzwerkformaten. Relevante Zukunftsthemen werden innerhalb von fünf Tagen zu<br />
gut überlegten Lösungen und Prototypen. Fach- und Führungskräfte aus verschiedenen<br />
Unternehmensbereichen arbeiten intensiv zusammen. Die Diversität in den Teams<br />
wird dabei von allen geschätzt. Die vertrauensvolle Atmosphäre inspiriert die Gruppenmitglieder.<br />
Mit Teamgeist und fachlichem Background werden aus den kreativen Ansätzen<br />
belastbare Konzepte. Am Ende werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu<br />
Botschaftern für agile Arbeitsmethoden.“
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Investitionsbank Schleswig-Holstein<br />
Zur Helling 5-6 · 24143 Kiel<br />
Tel. 0431 9905-5003<br />
E-Mail: mietwohnungsbau@ib-sh.de<br />
www.ib-sh.de<br />
www.ib-sh.de/infoseite/<br />
so-funktioniert-die-sozialewohnraumfoerderung/
22<br />
<strong>VNW</strong><br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Warum engagieren Sie<br />
sich so sehr für „SPRINT break“?<br />
Gleitz: Ich fühle mich sehr wohl in unserer<br />
Branche und bin seit mehr als 23 Jahren<br />
in der Wohnungswirtschaft beheimatet.<br />
Wir geben Menschen ein Zuhause. Diese<br />
Aufgabe geht mit einer hohen sozialen,<br />
ökologischen und ökonomischen Verantwortung<br />
einher. Zugleich stehen der<br />
Wohnungswirtschaft große Veränderungen<br />
bevor, und die Gesellschaft zählt auf<br />
uns. Die globale und digitalisierte Welt<br />
von heute führt zu einer gestiegenen Erwartung<br />
unserer Kunden in Bezug auf<br />
schnelleren Service, mehr Transparenz und<br />
ein zeitgemäßes Wohnprodukt bei gleichzeitig<br />
bezahlbaren Mieten. Um diesen<br />
Herausforderungen zu begegnen, muss<br />
die Wohnungswirtschaft umdenken und<br />
Bewährtes infrage stellen.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Wie hilft dabei die<br />
agile Arbeitsmethode „SPRINT“?<br />
Gleitz: Die Veränderung betrifft nicht nur<br />
unsere Produkte und Prozesse, sondern<br />
auch unsere Arbeitsweise. Diese Methode<br />
ist kurz, prägnant und liefert Ergebnisse,<br />
die nur noch am Kunden getestet werden<br />
müssen. Es fällt vielen Entscheidungsträgern<br />
leicht, Projekte zu initiieren, ein<br />
Budget freizugeben, eine Arbeitsgruppe<br />
auszuwählen und damit zu leben, dass<br />
nach einigen Monaten (vielleicht) erste<br />
Ergebnisse geliefert werden. Die bewusste<br />
Entscheidung, eine kleine Gruppe von<br />
Projektteilnehmern fokussiert fünf Tage<br />
am Stück an einem konkreten Problem<br />
arbeiten zu lassen, halten manche für<br />
undenkbar und im beruflichen Alltag für<br />
nicht umsetzbar.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Was waren die wichtigsten<br />
Erkenntnisse der Veranstaltung<br />
Ende August in Heiligenhafen?<br />
Gleitz: Die Wohnungswirtschaft ist „reif“<br />
für neue Formen der Zusammenarbeit.<br />
Diese Arbeitsweise ist effizient und effektiv.<br />
Ferner ist die SPRINT-Methode ein<br />
„Kreativitätsbooster“. Sie fördert die besten<br />
Ideen an die Oberfläche und ist daher<br />
effektiver als jedes Brainstorming. Die Methode<br />
hilft, unnötige Diskussionen zu vermeiden<br />
und hilft, unnötige Diskussionen<br />
zu vermeiden und ein Problem aus Kundensicht<br />
zu verstehen. Zum Ende werden<br />
eine Lösung entwickelt und ein Prototyp<br />
gebaut. Zudem minimiert diese Methode<br />
die Projektrisiken maximal.<br />
<strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong>: Warum sollten Wohnungsunternehmen<br />
junge Menschen<br />
zu dieser Veranstaltung schicken?<br />
Gleitz: Wohnungsunternehmen sollten<br />
nicht nur, aber auch junge Menschen zu<br />
diesem Format schicken. Bei unserer Premiere<br />
war das jüngste Mitglied 23 Jahre<br />
alt, das älteste 50 Jahre jung. Wir hatten<br />
ein interdisziplinäres Team unterschiedlicher<br />
Rollen (IT, Marketing, Verwaltung,<br />
Rechnungswesen, Handwerk, Unternehmensentwicklung<br />
usw.). Als Wohnungsunternehmen<br />
haben sie die Gewissheit,<br />
dass die Teilnehmer außerordentlich engagiert<br />
sind. Neben dem Networking der<br />
Teilnehmer lebt die Veranstaltung davon,<br />
dass die Entscheidungsträger die Arbeitsergebnisse<br />
und die Erfahrungen über die<br />
Methode erleben und bewerten können.<br />
Damit haben wir einen Grundstein gelegt<br />
für die Arbeit mit innovativen Methoden.<br />
h
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24 <strong>VNW</strong><br />
Läuft wie<br />
gedruckt<br />
Noch steht der Hausbau aus dem dem 3D-Drucker am Anfang.<br />
Die ersten zwei Gebäude – in Nordrhein-Westfalen und Bayern –<br />
sind aber fertig.<br />
VON YURIKO WAHL-IMMEL
25<br />
Mit 3D-Druck könnte „der gesamte<br />
Wohnungsbau vom Einfamilienhaus über<br />
dreigeschossige Bürobauten bis hin zu<br />
Zwölf-Parteien-Mehrfamilienhäusern<br />
könnten gebaut werden.“<br />
„Weltweit gibt es die<br />
Vision und die Hoffnung,<br />
damit Häuser in<br />
Katastrophenregionen<br />
schnell wieder<br />
aufzubauen.“<br />
Beckum. Druckzeit statt Bauzeit, Zweierteam<br />
statt Baukolonne, Betonschichten<br />
aus einer Riesenpumpe statt Stein-auf-<br />
Stein. Hierzulande stehen in Nordrhein-<br />
Westfalen (NRW) und Bayern seit Kurzem<br />
die ersten beiden Wohnhäuser, die mit<br />
einem 3D-Betondrucker errichtet wurden.<br />
Als bundesweite Premiere präsentierte<br />
der Bauzulieferer Peri ein zweigeschossiges<br />
Einfamilienhaus im westfälischen<br />
Beckum. Zur Eröffnung Ende Juli sprach<br />
NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach von<br />
einer weitreichenden Vorbildfunktion. Das<br />
neue Bauverfahren verspreche Zeitgewinn<br />
und eine Verschlankung der Bauabläufe.<br />
Beim sogenannten Hausdruck trägt<br />
ein 3D-Drucker digital gesteuert aus einer<br />
gewaltigen Düse Beton und Spezialmörtel<br />
in zentimeterdicken Schichten auf. Das<br />
Haus in Beckum hatte das Architekturund<br />
Ingenieurbüro Mense-Korte in monatelanger<br />
Arbeit entworfen. Gedruckt wurde<br />
es dann aber in nur 100 Stunden. Noch<br />
ist es ein Ausstellungsprojekt, aber später<br />
soll eine Familie einziehen.<br />
Europas größtes gedrucktes<br />
Mehrfamilienhaus<br />
Als zweites Projekt gestartet, aber nun<br />
schon bewohnt, ist das laut Peri größte<br />
gedruckte Mehrfamilienhaus in Europa.<br />
Im bayerischen Weißenhorn-Wallenhausen<br />
brauchte es für das Fünfparteienhaus<br />
mit drei Stockwerken nur etwa fünf Minuten<br />
pro Quadratmeter doppelschalige<br />
Wand, schildert Peri. Bedient werde der<br />
Drucker in dem Verfahren von zwei Personen.<br />
Aussparungen etwa für Anschlüsse<br />
und Leitungen seien eingeplant.<br />
Architekt Waldemar Korte geht davon<br />
aus, dass der 3D-Druck weite Verbreitung<br />
finden wird. Damit könne „der gesamte<br />
Wohnungsbau vom Einfamilienhaus über<br />
dreigeschossige Bürobauten bis hin zu<br />
Zwölf-Parteien-Mehrfamilienhäusern gebaut<br />
werden“. Die Stabilität sei groß. Im<br />
Vergleich zu anderen massiven Bauweisen<br />
gehe er zudem von einer Zeitersparnis von<br />
rund 30 Prozent aus.<br />
Vor allem für den Wiederaufbau<br />
nach Katastrophen geeignet<br />
Martin Krause vom Institut für Baubetriebswesen<br />
an der TU Dresden forscht<br />
seit dem Jahr 2014 zum Beton-3D-Druck<br />
– zusammen mit Experten für Baustoffe<br />
und der Stiftungsprofessur für Baumaschinen.<br />
„Weltweit gibt es die Vision und die<br />
Hoffnung, damit Häuser in Katastrophenregionen<br />
schnell wieder aufzubauen.“<br />
Der Wissenschaftler sieht zudem „sehr<br />
erfolgversprechende Anwendungspotenziale<br />
für langfristige Schutzmauern gegen<br />
Hochwasser“. Allerdings eigneten sich<br />
solche massiven Mauern nicht für einen<br />
temporären Einsatz – also nicht für mobile<br />
Schutzwände, sondern für nachhaltigen<br />
Schutz vor Wassermassen.<br />
Beim Hausbau gebe es sehr große Vorteile,<br />
sagt der Wissenschaftler. „Mit unserem<br />
vollwandigen Verfahren CONPrint3D<br />
können wir im Vergleich zum herkömmlichen<br />
Mauerwerksbau etwa dreimal so<br />
schnell bauen – und wir sind fünf- bis<br />
sechsmal schneller als der Stahlbetonbau.<br />
f
Bei der Stabilität sieht Krause keine Unterschiede.<br />
Derzeit entwickle man zudem<br />
druckfähige Betonrezepturen, die einen<br />
möglichst geringen C0 2<br />
-Fußabdruck haben.<br />
Bei der Technologie CONPrint3D<br />
rechnet er mit einer Marktreife innerhalb<br />
der kommenden fünf bis zehn Jahre.<br />
Modernes Containergebäude<br />
derzeit im Bau<br />
Bis Jahresende solle so ein ganzes Bauwerk<br />
errichtet werden, eine Art modernes<br />
Containergebäude – zunächst zu<br />
Demonstrationszwecken, kündigt der<br />
Wissenschaftler an. Die Branche steuere<br />
auf große Veränderungen zu. „Den Umbruch<br />
hin zu Digitalisierung und Automatisierung<br />
von Bauverfahren brauchen wir<br />
auch, um trotz des Fachkräftemangels auf<br />
den Baustellen effizient zu sein.“<br />
Der Zentralverband des Deutschen<br />
Baugewerbes hatte kürzlich von einer<br />
Chance gesprochen, die angespannte<br />
Baubranche zu entlasten. Der Vorsitzende<br />
der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Robert<br />
Feiger, wiederum meinte: „Gerade in den<br />
Sektoren bezahlbares Wohnen und sozialer<br />
Wohnungsbau haben wir ein großes<br />
Defizit in Deutschland, da könnte der<br />
3D-Drucker hilfreich sein.“ Es müsse aber<br />
sichergestellt werden, dass die Beschäftigten<br />
bei der Qualifizierung mitgenommen<br />
würden. „Der Maurer von heute muss<br />
morgen den Computer bedienen können,<br />
um das Haus zu bauen.“<br />
Und wie wohnt es sich nun in einem<br />
gedruckten Haus? In Wallenhausen ist<br />
Mieterin Annika vor einigen Wochen in<br />
eine 60-Quadratmeter-Wohnung eingezogen.<br />
„Es riecht etwas stärker nach<br />
Beton als sonst in noch neuen Häusern.<br />
Und es hallt auch ein bisschen“, erzählt<br />
die 27-Jährige. Der Mietpreis sei normal.<br />
Ihr gefalle die Rillen-Optik an den Außenwänden.<br />
„Innen ist alles verputzt.“<br />
Das erste Wohngefühl sei positiv. „Es ist<br />
etwas ganz Neues. Und ich habe großes<br />
Ver trauen, dass die Wände genauso stabil<br />
sind wie in einem normalen Haus.“ h
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28<br />
<strong>VNW</strong><br />
Wie bei einer Dating-App<br />
Die Digitalisierung bestimmt zunehmend die wohnungswirtschaftlichen<br />
Kernprozesse – von der Bewerbung über den Vertragsabschluss bis zum<br />
Auszug. Zwei große Player in der Branche sind die Hamburger Unternehmen<br />
Immomio und DIT. Seit September firmieren sie gemeinsam.<br />
VON FRAUKE MAASS
29<br />
Kiel. Anzug, Schlips und Kragen? Nicht so bei Nicolas Jacobi und<br />
Kai Teute. Die beiden 34 und 40 Jahre alten Unternehmer begrüßen<br />
uns lässig in Jeans und Pulli. Vom ersten Moment an scheint<br />
in ihren Räumlichkeiten am Grimm 12 in Hamburg so etwas wie<br />
eine Start-up-Atmosphäre zu herrschen.<br />
Das mag an der noch nicht komplettierten Einrichtung<br />
liegen oder an den vielen jungen Mitarbeitern. Doch der Eindruck<br />
täuscht: Nicolas Jacobi und Kai Teute sind seit September die<br />
Geschäftsführer von – nach eigener Aussage – Deutschlands<br />
größtem Proptech in der Wohnungswirtschaft mit rund 70 Mitarbeitern<br />
und mehr als 1,5 Millionen verwalteten Mieteinheiten<br />
– und damit von einem Start-up weit entfernt.<br />
Ende August haben sie die Fusion ihrer Softwareunternehmen<br />
Immomio GmbH und Deutsche Immobilien IT & Marketing GmbH<br />
(DIT) besiegelt und sind gerade dabei, die gemeinsamen Büroräume<br />
zu beziehen. Ihr Ziel: Synergien bündeln, gemeinsam neue<br />
digitale Produkte für die Wohnungswirtschaft entwickeln und<br />
weitere Prozesse digitalisieren.<br />
Kennengelernt haben sich die beiden jungen Unternehmer<br />
zufällig vor einigen Jahren. Sie kamen ins Gespräch, stellten fest,<br />
dass sich ihre Produkte wunderbar ergänzten und entwickelten<br />
nach und nach die Idee, zusammen zu arbeiten.<br />
Digitale Kommunikation über eine Oberfläche<br />
Während Immomio die Prozesse von der Wohnungsbewerbung<br />
bis zum Mietvertragsabschluss sowohl für Mieter als auch für die<br />
Vermieter digitalisiert anbietet, geht es in der Mieter-App, dem<br />
Kernprodukt von DIT, um die Kommunikation zwischen Mieter<br />
und Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses. Durch<br />
den Zusammenschluss sind Mieter und Vermieter nun in der Lage,<br />
ihre gesamte Kommunikation digital nur über eine einzige Oberfläche<br />
durchzuführen.<br />
Und so funktioniert es: Der Mieter registriert sich auf der<br />
Plattform Immomio und erstellt ein Suchprofil mit der Angabe der<br />
Kriterien für seine Wunschwohnung. Er hinterlegt seine Selbstauskunft,<br />
wobei die Daten verschlüsselt und nur für den Mieter<br />
sichtbar gespeichert werden. Das Suchprofil wird mit freien Wohnungen<br />
abgeglichen, die auf der Plattform eingestellt sind.<br />
„Sobald es ein Match gibt, können Vermieter dem passenden<br />
Bewerber die Wohnung anbieten”, sagt Nicolas Jacobi. Zusätzlich<br />
können die Wohnungen auf der Homepage oder einem Immobilienportal<br />
veröffentlicht werden. Auch das Bewerben geht schnell<br />
und unkompliziert: Mit einem Klick wird ein Besichtigungstermin<br />
vereinbart. Danach kann der Mieter digital sein Feedback geben<br />
und – wenn er den Zuschlag erhält – den Mietvertrag digital unterzeichnen.<br />
Vermietungsprozess wird vereinfacht<br />
Aber in erster Linie vereinfacht Immomio den Vermietungsprozess.<br />
„Die drei wesentlichen Vorteile für Vermieter sind Effizienz,<br />
Datenschutz und Transparenz für die Mietinteressenten”, erläutert<br />
Jacobi. Durch die Digitalisierung der Prozesse werde das<br />
Bewerbungsverfahren verkürzt und vereinfacht. Müssen die Vermieter<br />
üblicherweise auf Bewerbungen telefonisch oder per Mail<br />
reagieren, ist das nun automatisiert. Ein zeitaufwendiges Auswählen<br />
muss nicht mehr sein. Dank Mieter-Matching sind die auf die<br />
jeweilige Wohnung passenden Interessenten sofort erkennbar.<br />
„Auch um den Datenschutz muss sich der Vermieter keine Gedanken<br />
mehr machen. Wir schützen die Daten der Interessenten<br />
und unterstützen auf diese Weise die Vermieter bei der Erfüllung<br />
ihrer datenschutzrechtlichen Pflicht”, betont Nicolas Jacobi. So<br />
werden sensible Daten wie das Einkommen und die Schufa-Auskunft<br />
erst freigeschaltet, wenn der Mieter nach der Besichtigung<br />
sein Interesse bekundet. Die Mieter kriegen über die Plattform<br />
permanent ein Feedback und ein Status-Update, wo sie im Mietprozess<br />
stehen, „und fühlen sich dadurch fair behandelt”.<br />
Sobald der Mieter den Mietvertrag unterschrieben hat, übernimmt<br />
die Mieter-App von DIT die Kommunikation zwischen<br />
Mieter und Vermieter. Dabei können Wohnungsunternehmen<br />
zwischen zwei Varianten wählen: „Wir bieten eine Standard-App<br />
f<br />
FRAUKE MAASS<br />
ist Journalistin in Hamburg. Während ihrer Tätigkeit als Reiseredakteurin hat sie<br />
viele Länder bereist und dabei ihr Interesse für die unterschiedlichsten Wohnformen<br />
entdeckt. Heute gehören Themen aus der Wohnungsbaubranche und Architektur<br />
zu ihren inhaltlichen Schwerpunkten.
30 <strong>VNW</strong><br />
an, die vorrangig für kleinere Wohnungsunternehmen sinnvoll<br />
ist. Für größere Unternehmen und Genossenschaften mit vielen<br />
Wohnungen entwickeln wir eine individuelle Lösung, je nach Anforderungen”,<br />
sagt Kai Teute.<br />
Mietbescheinigungen innerhalb von Sekunden<br />
In der App gibt es je nach Wunsch des Kunden verschiedene Bereiche<br />
wie zum Beispiel Neuigkeiten, in denen über Aktuelles im<br />
Haus informiert werden kann, E-Mobilität oder auch den Bereich<br />
Prozesse. „Hier können zum Beispiel Mietbescheinigungen automatisch<br />
binnen weniger Sekunden erstellt werden. Das hat für<br />
beide Seiten Vorteile: Der Mieter wird schnell bedient und der<br />
Vermieter durch Automatisierung erleichtert”, sagt Teute. „Durch<br />
die Registrierung bei Immomio sind bereits alle Daten des Mieters<br />
hinterlegt, sodass Bescheinigungen und Formulare ohne Zeit- und<br />
Personalaufwand erstellt werden können. Daneben schließen die<br />
beiden Lösungen heute alle ERP-Systeme an, die es in der Wohnungswirtschaft<br />
gibt.<br />
Weitere Vorteile der Mieter-App: Verbrauchsdaten, die ab Januar<br />
<strong>2022</strong> monatlich vom Vermieter mitgeteilt werden müssen,<br />
können dort eingestellt werden und sind permanent einsehbar.<br />
Auch Schadensmeldungen und Mängel können unbürokratisch<br />
und mit wenig Aufwand an den Vermieter gemeldet werden –<br />
alles ohne ausuferndem Schriftverkehr. „Geplant ist, dass auch<br />
Handwerkeraufträge durch die App vergeben werden können.<br />
Ebenso bieten wir bereits Smart Home-Technologien wie die Regulierung<br />
der Heizung oder das Aufschließen der Wohnungstür<br />
durch die App”, sagt Kai Teute.<br />
Angebote auch für Menschen, die nicht online sind<br />
Beide betonen, dass die Angebote auch für Menschen, die nicht<br />
online sind oder ein Smartphone besitzen, gelten, was viele der<br />
älteren Mieter betrifft. „Niemand wird ausgegrenzt. In dem Fall<br />
kann entweder das Wohnungsunternehmen ein Profil erstellen<br />
oder ein Angehöriger”, erläutern sie.<br />
Auch die Wohnungsvergabe über Immomio verlaufe fair und gerecht.<br />
„Vermieter haben immer Wunschmieter – und Mieter ihre<br />
Wunschwohnung. Wie bei einer Dating-App werden die Daten<br />
durch einen Algorithmus abgeglichen und es entsteht ein Match<br />
– oder eben nicht”.<br />
Das Modell ist erfolgreich, 1,5 Millionen verwaltete Mieteinheiten<br />
und „hochzufriedene Kunden”, wie Jacobi und Teute<br />
berichten, sprechen eine klare Sprache. „Die Nachfrage nach digitalen<br />
Lösungen ist in der Pandemie gestiegen. Die Wohnungswirtschaft<br />
muss den digitalen Weg stringent weitergehen”, sind<br />
sich beide einig. h<br />
Die Unternehmen<br />
Die Immomio GmbH wurde 2014 von Geschäftsführer<br />
und ehemaligem Hockey-Nationaltorwart Nicolas<br />
Jacobi und seinen beiden Partnern gegründet. Das<br />
anfangs neun Mann starke Start-up entwickelt eine<br />
Vermietungssoftware für die Wohnungswirtschaft.<br />
Immomio zählt sowohl Immobilienbestandshalter<br />
und -verwalter als auch Makler zu seinen Kunden.<br />
DIT Deutsche Immobilien IT & Marketing GmbH wurde<br />
2015 von Kai Teute als Teil der Equity Seven Unternehmensgruppe<br />
gegründet. Neben mobilen Applikationen<br />
für die Wohnungswirtschaft wie der Mieter-App<br />
bietet DIT ein Reporting Tool zur Analyse des Immobilienbestands<br />
sowie Beratungsleistungen im Bereich<br />
des Property Managements an.<br />
Die DIT wird als 100prozentiges Tochterunternehmen<br />
der Immomio GmbH unter eigener Marke und Führung<br />
des Gründers Kai Teute weiter am Markt agieren.<br />
Kai Teute ist gleichzeitig Beiratsmitglied und<br />
Gesellschafter des Immomio-Gemeinschaftsunternehmen.<br />
Noch firmieren sie unter Immomio und DIT.<br />
Künftig wollen sie jedoch unter einer gemeinsamen<br />
Marke auftreten.
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32<br />
Zukunft des Wohnens<br />
… noch immer auf<br />
einem gefährlichen<br />
Pfad!<br />
VON FELIX LÜTER
33<br />
Ende Oktober haben fast 200 Staaten die konkrete Umsetzung<br />
des Pariser Klimaabkommens verhandelt. Im „Klimapakt von<br />
Glasgow” einigten sich die Beteiligten unter anderem darauf, das<br />
Maximalziel des Pariser Abkommens, eine Begrenzung der Erderwärmung<br />
auf 1,5 Grad, zu stärken. Die bisher noch unzureichenden<br />
nationalen Klimaziele einzelner Länder sollen nun bereits bis<br />
Ende <strong>2022</strong> – drei Jahre früher als bislang geplant – auf den Prüfstand<br />
kommen. Klimaforscher wie der renommierte Direktor des<br />
Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, der Schwede Prof.<br />
Dr. Johan Rockström, haben nach den Beschlüssen der Weltklima-<br />
Konferenz in Glasgow eine schnelle Umsetzung diesbezüglicher<br />
Maßnahmen angemahnt: „Vor Glasgow war die Welt auf einem<br />
Desaster-Pfad, nach Glasgow sind wir noch immer auf einem gefährlichen<br />
Pfad.” Denn selbst, wenn alle Ankündigungen umgesetzt<br />
würden, so der Experte, zeigten aktuelle Berechnungen nur<br />
eine 50-prozentige Chance, dass die Erderwärmung unter zwei<br />
Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu halten sei. Einzige<br />
Möglichkeit, um weitere katastrophale Folgen zu vermeiden, sei<br />
die Verwirklichung des 1,5-Grad-Ziels der Weltklima-Konferenz.<br />
Laut dem aktuellen Bericht des IPCC (Weltklimarats) aus diesem<br />
Jahr führt alles, was deutlich über 1,5 Grad liegt, auch bereits zwei<br />
Grad, zu desaströsen Konsequenzen: Die Zunahme der extremen<br />
Wetterereignisse würden sich auch hier in Europa beschleunigen.<br />
Wichtige Kipp-Punkte des Weltklima-Systems würden unumkehrbar<br />
überschritten.<br />
Klimaneutralität:<br />
Herkulesaufgabe für die Wohnungswirtschaft<br />
Auch in der Wohnungswirtschaft steht Klimaschutz ganz oben<br />
auf der Agenda! Zusammengenommen wurden zwar seit 1990<br />
in den deutschen Beständen der Wohnungsunternehmen schon<br />
rund 60 Prozent an Treibhausgas-Emissionen und rund ein Drittel<br />
an Energie eingespart. Bis zum Jahr 2045 soll allerdings der Gebäudebestand<br />
komplett klimaneutral werden! Ein Patentrezept,<br />
wie Wohnungsunternehmen diese Aufgabe bewältigen sollen,<br />
gibt es nicht – zumal besonders den kleineren Marktteilnehmern<br />
personelle und finanzielle Ressourcen fehlen. Ein zielführender<br />
Weg: Wohnungsunternehmen sollten sich zu diesem Thema positionieren,<br />
anstehende Fragen beantworten und einen konkreten<br />
Zeit-Maßnahmen-Kostenplan bis 2045 in Form einer eigenen<br />
Klima strategie entwickeln. Politische Entscheider lassen noch<br />
immer viele Fragen offen. Auch wenn mit der neuen „Bundesförderung<br />
Energieeffiziente Gebäude” (BEG) investive Zuschüsse<br />
größeren Umfangs für die Branche Mitte 2021 zunächst bereitgestellt,<br />
nun aber bereits partiell wieder zurückgenommen wurden.<br />
Eine relevante Förderung über Zuschüsse ist aber eine wesentliche<br />
Voraussetzung dafür, dass Wohnungsunternehmen neben dem<br />
Sozialauftrag, preisgünstigen Wohnraum bereitzustellen, dieser<br />
Aufgabe überhaupt gerecht werden können. Nach wie vor besteht<br />
in der Branche große Unsicherheit, wie das Thema zeitnah<br />
und zielführend angegangen werden kann. Denn: Auch die Klimakonferenz<br />
in Glasgow hat zwar seitens der Politik erneut Zielforderungen<br />
manifestiert und neu aufgestellt – die praktischen<br />
Lösungsansätze zu deren Umsetzung bleiben jedoch nach wie vor<br />
den Unternehmen überlassen.<br />
Wohlbekannte und allerorts erprobte Grundvoraussetzungen<br />
auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität sind etwa energetische<br />
Modernisierungen mit Fassadendämmung, dem Einbau<br />
neuer Fenster und Lüftungssysteme oder dem Wechsel von Heizungsanlagen<br />
und Energieträgern. Unter dem Zeitdruck muss der<br />
Fokus ab sofort viel stärker auf der Defossilisierung liegen: Weg<br />
von Öl, Kohle und Gas, hin zu erneuerbarer Wärmeversorgung<br />
mit „grüner” Fernwärme, mit grünem Strom betriebenen Wärmepumpen<br />
oder Solarthermie. Ein ebenfalls ganz wesentlicher<br />
Faktor ist die Problematik der CO 2<br />
-Bepreisung, die wie ein Damoklesschwert<br />
über den Köpfen deutscher Wohnungsunternehmen<br />
schwebt: Der Preis pro ausgestoßener Tonne CO 2<br />
von aktuell<br />
25 Euro wird sich bis zum Jahr 2025 mindestens verdoppeln, so<br />
die Prognose. Wie die Aufteilung zwischen Vermieter und Mieter<br />
schlussendlich erfolgen wird, ist immer wieder Gegenstand der<br />
politischen Situation.<br />
Netzwerk mit Lösungen: Initiative Wohnen.2050<br />
Genau diesen Sachlagen widmet sich seit über einem Jahr erfolgreich<br />
die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050). Ihr Ansatz: Mit und<br />
für Wohnungsunternehmen individuelle Strategien zur Erreichung<br />
der Pariser Klimaziele entwickeln. Der unabhängige Zusammenschluss<br />
umfasst mittlerweile 125 Unternehmenspartner in 14<br />
Bundesländern mit aktuell knapp zwei Millionen Wohneinheiten<br />
sowie elf institutionelle Partner wie den Spitzenverband GdW,<br />
neun Regionalverbände und das EBZ als Bildungseinrichtung der<br />
Branche. Die Initiative versteht sich als Unterstützer-Netzwerk von<br />
Wohnungsunternehmen und deren Verbänden zur Erreichung<br />
der Klimaziele. Ihre Intention ist es, aus der Umsetzungsperspektive<br />
der Unternehmen heraus Handlungsbedarfe und Forderungen<br />
für die politische Arbeit des GdW auf Bundesebene und für<br />
die Arbeit der Regionalverbände auf Länderebene bereitzustellen.<br />
Alle Partner profitieren vom umfassenden Know-how. Sie erhalf<br />
FELIX LÜTER<br />
Geschäftsführender Vorstand der Initiative Wohnen.2050 e. V. (IW.2050) und<br />
Leiter Kompetenzcenter Nachhaltigkeitsmanagement der Unternehmensgruppe<br />
Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW)<br />
Kontakt:<br />
felix.lueter@iw2050.de, +49 (69) 678674-1280, www.iw2050.de
34<br />
ten konkrete Hilfestellungen, um ihre individuellen Lösungswege<br />
für einen klimaneutralen Wohnungsbestand zu definieren und<br />
festzulegen. Seit Gründung hat sich die Zahl der IW.2050-Partner<br />
– Wohnungsunternehmen und Institutionen – fast verfünffacht.<br />
Ein deutliches Indiz dafür, dass die Arbeit, die Ergebnisse – und<br />
vor allem die praktischen Hilfestellungen – Anklang finden und in<br />
der individuellen Realisierung gut angenommen werden.<br />
Mit welchen technischen, organisatorischen und finanziellen<br />
Ansätzen Wohnungsunternehmen die Herausforderung eines<br />
komplett klimaneutralen Gebäudebestands bis 2045 meistern<br />
können, ist Gegenstand zahlreicher Fachveranstaltungen der<br />
IW.2050. Bereits im Gründungsjahr 2020 wurden für – und mit –<br />
Wohnungsunternehmen Instrumente für individuelle Klimastrategien<br />
erarbeitet und deren praktische Umsetzung vorangetrieben:<br />
Bilanzierungsregeln, drei Werkzeuge zu Bilanzierung, Technik und<br />
Finanzierung wurden erstellt, ebenso Websites, Lehrvideos und<br />
ein Glossar. Allein im Jahr 2020 fanden über 30 Web-Veranstaltungen<br />
mit bis zu jeweils 90 Teilnehmer*innen statt. Das spiegelt<br />
das große bundesweite Interesse der Branche am Thema wider.<br />
Viele Partnerunternehmen nutzen die von der IW.2050 entwickelten<br />
Instrumente, um zunächst ihren Treibhausgas-Ausstoß zahlenmäßig<br />
überhaupt zu erfassen. Auf dieser Basis werden dann<br />
zukünftige Maßnahmen und Investitionen geplant. Auch die<br />
vom GdW publizierte Arbeitshilfe zum CO 2<br />
-Monitoring war ein<br />
Meilenstein für die Wohnungswirtschaft hinsichtlich einheitlicher<br />
Bilanzierungsregeln. Aufgrund der engen Zusammenarbeit zwischen<br />
GdW und Initiative Wohnen.2050 ist auch sie eine wichtige<br />
Grundlage für die gemeinsame Arbeit.<br />
Die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) ist ein bundesweiter<br />
Branchen-Zusammenschluss. Das Ziel: Die CO 2<br />
-Emissionen der<br />
teilnehmenden Unternehmen gemäß Pariser Klimaschutzabkommen<br />
so zu minimieren, dass das globale Kleiner-Zwei-Grad-Ziel<br />
eingehalten wird. Die Initiative versteht sich als Unterstützer der<br />
Wohnungsunternehmen und ihrer Verbände zur Erreichung der<br />
Klimaziele – aus der Branche für die Branche. Unter den bislang<br />
125 Unternehmenspartnern sind acht der zehn größten Wohnungsunternehmen<br />
in Deutschland. Insgesamt vereinen die Gesellschaften<br />
knapp zwei Millionen Wohneinheiten, die bis 2045<br />
klimaneutral entwickelt werden sollen. Weitere elf institutionelle<br />
Partner sind die Hochschule EBZ Business School, der Spitzenverband<br />
GdW – Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen<br />
sowie die Regionalverbände VdW südwest,<br />
VdW Rheinland-Westfalen, VSWG – Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften,<br />
vdw Sachsen, VdW Bayern, vdw – Verband<br />
der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen<br />
und Bremen, vbw Verband baden-württembergischer Wohnungsund<br />
Immobilienunternehmen, der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen<br />
(<strong>VNW</strong>) und der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer<br />
Wohnungsunternehmen.<br />
Mehr Informationen zur Initiative Wohnen.2050 unter:<br />
www.iw2050.de, twitter.com/Wohnen2050 und im<br />
eigenen YouTube-Kanal: www.youtube.com/channel/<br />
UCd9Amq_dwa53i9xXFEJK8BA<br />
Umfassender erster Praxisbericht veröffentlicht<br />
Auf der Basis intensiver Recherchen und interner Umfragen entstand<br />
2021 der erste Praxisbericht der IW.2050 mit dem Titel<br />
„Gemeinsam. Handeln. Jetzt. – Praxisfakten einer Branche auf<br />
dem steilen Weg zur Klimaneutralität”. Die Dokumentation mit<br />
Statements, Pilotprojekten und ersten Klimastrategien soll Politikern<br />
auf Länder- und Bundesebene verdeutlichen, welche vielfältigen<br />
Aufgaben und hohen Investitionen Wohnungsunternehmen<br />
in den nächsten Jahrzehnten bevorstehen. Der Bericht wurde auf<br />
der Expo Real 2021 in München von GdW und IW.2050 vorgestellt<br />
und mittlerweile an mehrere Hundert Bundestagsabgeordnete<br />
verteilt. Parallel wird an einer Datenbank mit Zahlen und<br />
Fakten aus der Praxis gearbeitet, die von allen Partnerunternehmen<br />
stetig erweitert wird. Sie kann im Zuge der Erstellung einer<br />
eigenen Klimastrategie ebenso genutzt werden wie die drei erarbeiteten<br />
Instrumente.<br />
In enger Kooperation Erreichtes ausbauen<br />
Mit dem Ziel, die Herkulesaufgabe Klimaneutralität bis 2045 anzugehen,<br />
haben sich der vdw – Verband der Wohnungs- und<br />
Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V. sowie<br />
der <strong>VNW</strong> – Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.<br />
sowie bereits 30 ihrer Mitgliedsunternehmen der IW.2050 angeschlossen.<br />
Alle nutzen die Plattform zum Erfahrungsaustausch<br />
sowie zum Abruf von Erkenntnissen, Wissen und Werkzeugen,<br />
um Lösungen für die Klimaneutralität im eigenen Unternehmen<br />
zu erarbeiten. Schließlich stecken viele derzeit noch mitten in der<br />
Entwicklung einer auf sie zugeschnittenen Klimastrategie. Unterstützung<br />
ist hierbei sehr willkommen. h
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ZUM WS <strong>2022</strong>/23
36<br />
„So bin ich<br />
erzogen worden“<br />
Heidi Möller ist Aufsichtsrätin bei der Neuen Lübecker und nahm<br />
Ende Januar an einem Seminar zur Qualifizierung teil. Ein Porträt.<br />
VON PETER WENIG<br />
diskutiert, wie Wohnungsunternehmen<br />
Klimarisiken begegnen können.<br />
Willkommen zum Seminar „Qualifizierter<br />
Aufsichtsrat <strong>VNW</strong>“. Drei Tage haben<br />
sich in Lübeck 19 Aufsichtsräte von<br />
Wohnungsbaugenossenschaften aus dem<br />
Norden versammelt. Das dichte Programm<br />
reicht von rechtlichen Grundlagen der<br />
Aufsichtsratstätigkeit über Controlling bis<br />
zur Jahresabschlussprüfung.<br />
Im Interesse der Mieterinnen<br />
und Mieter<br />
Lübeck. Auf dem Bildschirm erscheint eine Risikomatrix. Die Felder,<br />
jeweils farblich unterlegt, zeigen die Wahrscheinlichkeit eines<br />
Schadens („häufig bis unvorstellbar“) sowie dessen mögliche Auswirkungen<br />
(„unwesentlich bis katastrophal“). Lothar Klein, Wirtschaftsprüfer<br />
und Steuerberater in Diensten des Verbands <strong>VNW</strong><br />
spricht über Risiken der Branche – von möglichen Leerständen über<br />
massiv erhöhte Baukosten bis zu Flutkatastrophen.<br />
An diesem schönen Freitag im Januar lugt die Sonne durch<br />
die bodentiefen Fenster des Konferenzraums Pier im Lübecker Radisson-Hotel<br />
Park Inn. Doch niemand im Raum hat einen Blick für<br />
die Parkanlagen am Stadtgraben. Und obwohl laut Plan längst die<br />
nächste Kaffeepause ansteht, wird weiter munter über die Frage<br />
Die Teilnehmenden sitzen Corona-Konform<br />
an getrennten Tischen. Unter ihnen<br />
Heidi Möller, Aufsichtsrätin der Neuen Lübecker,<br />
mit mehr als 15500 Wohnungen<br />
eine der größten Wohnungsgenossenschaften<br />
des Nordens. Die gelernte Bürokauffrau<br />
gehört seit 2021 dem Gremium<br />
an, das den Vorstand kontrolliert und berät.<br />
„Mich interessiert alles, was mit Bau zu tun hat“, sagt die<br />
55-Jährige. In ihrem Job beschäftigt sie sich für ein großes Hamburger<br />
Unternehmen mit Gewerbeimmobilien. Und wer sich mit<br />
Heidi Möller unterhält, spürt sofort, wie sehr sie für ihre Aufgabe<br />
bei der Genossenschaft brennt: „Als Vertreterin durfte ich mir die-<br />
Modernisierung einer Anlage genau anschauen. Die neue Technik<br />
ist faszinierend. Mitteilungen für Mieter werden dort auf kleine<br />
Bildschirme neben den Fahrstühlen gespielt.“<br />
Eingesetzt für die Interessen der Mitglieder hat sie sich schon<br />
immer – auch ohne Amt. Seit 2003 wohnt sie nun in einer Wohnung<br />
der Genossenschaft in Elmshorn. „Wenn ein Licht über dem<br />
Eingang defekt ist, rufe ich den Hausmeister an“, sagt Heidi Möller.<br />
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I<br />
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38<br />
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand<br />
Und wenn der Winterdienst bei plötzlich einsetzendem Schneefall<br />
nicht rechtzeitig anrückt, greift sie eben selbst mit Nachbarinnen<br />
und Nachbarn zu Schneeschieber und Besen. Oder hebt das Papier<br />
auf, das jemand achtlos hat fallen lassen. „So bin ich erzogen<br />
worden“, sagt Heidi Möller. Und 2019, sagt sie dann, habe sie<br />
sich überlegt, dass sie auch offiziell für das Amt einer Vertreterin<br />
kandidieren könne, wenn sie sich so kümmert.<br />
Jetzt gehört sie dem höchsten Gremium der Genossenschaft<br />
an. Gewählt per Briefwahl, anders ging es nicht in Zeiten der Pandemie.<br />
Mit acht weiteren Rätinnen und Räten dreht Heidi Möller<br />
nun das große Rad. Mit dem Vorstand berät sie über Investitionen<br />
in Millionenhöhe, über Neubauten, Sanierungen und Modernisierungen.<br />
Und damit zugleich über eine der wichtigsten<br />
gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit: Wie lassen sich die Ziele<br />
verbesserter Klimaschutz und bezahlbares Wohnen versöhnen?<br />
Heidi Möller schätzt, dass die Vorstände Marcel Sonntag und<br />
Dr. Uwe Heimbürge ihre Fragen ausführlich beantworten. Etwa<br />
als sie jüngst in einer Aufsichtsratssitzung wissen wollte, wie Mitglieder<br />
angesichts einer extrem niedrigen Leerstandsquote noch<br />
eine Ausweichwohnung bei Sanierungen finden.<br />
In diesem Jahr organisiert der <strong>VNW</strong> gleich drei Seminare für<br />
Aufsichtsräte. „Das Interesse ist groß, nachdem wir 2021<br />
durch Corona alle Seminare leider absagen mussten“, sagt<br />
Lothar Klein, der gemeinsam mit seinem <strong>VNW</strong>-Kollegen Diplom-Kaufmann<br />
Frank Nolte sowie Rechtsanwalt Rainer Maaß<br />
das Programm verantwortet.<br />
Seit 2011 macht der <strong>VNW</strong> Aufsichtsräte in Drei-Tages-Seminaren<br />
fit für ihre Arbeit, zuvor gab es einzelne Weiterbildungen,<br />
etwa zu juristischen Fragen oder zum Rechnungswesen.<br />
Manche Räte kommen sogar zweimal zu den Veranstaltungen.<br />
Wobei den Lehrenden eines sehr wichtig ist: „Wir bilden<br />
hier niemanden für das operative Geschäft aus. Das ist auch<br />
bei einer Genossenschaft allein Sache des Vorstands“, sagt<br />
Lothar Klein. h<br />
„Die Genossenschaftsidee<br />
lohnt den Einsatz... Ich habe den<br />
Wechsel zur Neuen Lübecker<br />
nie bereut.“<br />
Rainer Maaß<br />
Das gegenseitige Kennenlernen ist wichtig<br />
Als die Neue Lübecker Heidi Möller die Teilnahme an dem Seminar<br />
anbot, sagte sie sofort zu. Weiterbildung, sagt sie, sei wichtig, um<br />
auf Augenhöhe diskutieren zu können. Und fast so wichtig wie<br />
das Seminar sei das gegenseitige Kennenlernen.<br />
Beim Abendessen drehen sich die Gespräche weiter um wichtige<br />
Themen der Genossenschaften. Wie weit seid ihr in der CO 2<br />
-<br />
Frage? Wie läuft bei euch das Sozialmanagement? Wie reagiert ihr<br />
auf die demografische Entwicklung?<br />
Auch Rätinnen und Räte kleiner Genossenschaften sind bei<br />
diesem Seminar dabei. Die Wohngemeinschaft Pädagogischer Verein<br />
im Hamburger Westen etwa hat nur 200 Wohnungen. Gerade<br />
diese Spannbreite macht die Diskussion spannend.<br />
Lothar Klein<br />
Frank Nolte<br />
Faire Mieten und vorbildlicher Umgang<br />
mit den Mietern<br />
Doch so unterschiedlich manche Positionen auch sind – in einem<br />
sind sich alle Teilnehmenden einig: Die Genossenschaftsidee lohnt<br />
den Einsatz. „Ich habe den Wechsel zur Neuen Lübecker nie bereut“,<br />
sagt Heidi Möller: „Die Mieten sind fair, der Umgang mit<br />
den Mitgliedern vorbildlich.“ h<br />
PETER WENIG<br />
Der Journalist und Autor Peter<br />
Wenig (60) beschäftigt sich seit<br />
Jahren mit Wohnungspolitik<br />
sowie dem Gesundheitswesen.<br />
Für das Hamburger Abendblatt<br />
schrieb er das Buch „Der große<br />
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40 <strong>VNW</strong><br />
Von Berlin in die Zukunftsstadt Loitz<br />
– Versuch mit Vorbildcharakter?<br />
Ein renovierungsbedürftiges Haus und ein Grundeinkommen –<br />
so hat die Stadt Loitz zwei Berliner aufs platte Land gelockt.<br />
Zusammen mit Einheimischen wollen sie zur Belebung beitragen –<br />
und bleiben.<br />
VON CHRISTOPHER HIRSCH
41<br />
Loitz. Dass es den gebürtigen Venezolaner<br />
Rolando González einmal aufs platte pommersche<br />
Land verschlagen würde – damit hätte<br />
er lange nicht gerechnet. Dennoch steht der<br />
32-Jährige nun mit einer Kiste voll Brennholz<br />
auf einem Hinterhof in Loitz, der rund<br />
4 300-Seelen-Stadt an der Peene. „Ich dachte,<br />
die Heizung müssten wir sofort umbauen“,<br />
sagt seine Frau Annika Hirsekorn. Sie habe sich<br />
aber an die Holzöfen gewöhnt. Beide haben<br />
sich in Mexiko-Stadt kennengelernt, in Berlin<br />
gelebt und sind für ein Experiment nach Vorpommern<br />
gekommen.<br />
Sie sollen zur Belebung der Stadt beitragen.<br />
Den Großstädtern wurde dafür für ein Jahr ein<br />
Haus sowie ein Grundeinkommen von jeweils<br />
1 000 Euro pro Monat zur Verfügung gestellt.<br />
Ein Freund habe sie im Herbst 2020 auf das<br />
Projekt im Internet hingewiesen, erinnert sich<br />
Hirsekorn. „Und dann dachte ich mir, naja,<br />
wenn, dann würde ich mich mit Rolando bewerben“,<br />
sagt die 36-Jährige und lacht. Mit ihren Ideen setzten<br />
sich die beiden gegen etwa 100 andere Bewerbungen durch. „Im<br />
Dezember haben wir dann die Zusage bekommen.“ Seit April des<br />
vergangenen Jahres sind die beiden in Loitz, wobei sie zunächst<br />
anderweitig unterkamen, weil in dem Altbau vom Ende des<br />
19. Jahrhunderts noch Renovierungen nötig waren.<br />
Trotz des Grundeinkommens gehen beide weiter ihren bisherigen<br />
Jobs nach. González als Video-Produzent und Hirsekorn<br />
unter anderem als Kuratorin von Ausstellungen. Allein ihre Krankenversicherungen<br />
kosteten schließlich Hunderte Euro. Auch ihre<br />
Wohnung in Berlin haben sie noch. „So sind wir auch nicht darauf<br />
angewiesen, dass das jetzt hier von null auf hundert sofort läuft.“<br />
Es geht um das Ausprobieren von Ideen<br />
Seit 2016 ist das Amt Peenetal / Loitz eine Modellregion im Wettbewerb<br />
Zukunftsstadt des Bundesministeriums für Bildung und<br />
Forschung. Dabei geht es um die Entwicklung und das Ausprobieren<br />
von Ideen, wie man vom Strukturverlust betroffene Regionen<br />
beleben kann. „Es steht ja nicht nur Loitz vor diesen Problemen“,<br />
sagt Bürgermeisterin Christin Witt (CDU). „Es ist ein Versuch.“<br />
Der könne auch für andere Standorte Vorarbeit leisten. Zuletzt<br />
schaffte es Loitz als eine von acht Regionen in die dritte Phase des<br />
bundesweiten Wettbewerbs. Vom Bund stammt laut Witt auch<br />
das Basiseinkommen für Hirsekorn und González.<br />
Das Projekt habe auf jeden Fall Aufmerksamkeit auf die Stadt<br />
Loitz gelenkt. „Auf alle Fälle bringen sie sich ein“, sagt Witt. Viele<br />
Dinge brauchten noch ein bisschen Zeit. „Der Pommer ist einer,<br />
der sich das nicht, sag ich mal, von außen aufdrücken lässt.“ Neben<br />
den beiden Neu-Loitzern gehöre zur Zukunftsinitiative etwa<br />
auch der Bau eines Wohnkomplexes für verschiedene Lebensformen<br />
und Altersgruppen mit medizinischer Versorgung und Gemeinschaftsräumen<br />
im Zentrum.<br />
Hirsekorn und González haben im Haus eine Siebdruckwerkstatt,<br />
eine Comic-Bibliothek und selbst einen Escape-Room<br />
eingerichtet. Sie haben schon einige Projekte mit Kindern und<br />
Jugendlichen aus der Region gemacht. „Das wird total gut angenommen“,<br />
sagt Hirsekorn. Nur mit der Bibliothek sei es noch ein<br />
bisschen schleppend. Wenn man frage, was die Kids lesen wollen,<br />
sagten viele, sie wollten Playstation spielen.<br />
Ein Handbuch soll anderen Gemeinden helfen<br />
Es gehe aber nicht bloß um das Haus und die Räumlichkeiten,<br />
sondern vielmehr auch um Vernetzung. Das Paar hat nach eigener<br />
Aussage schon viele Gleichgesinnte im Ort gefunden, die auch<br />
Projekte organisieren wollen. González habe etwa eine Telegram-<br />
Gruppe zur Nachbarschaftshilfe aufgesetzt. Zu Weihnachten<br />
hätten sie im Rahmen einer Wichtelaktion nicht benötigte Gegenstände<br />
von Loitzern eingesammelt und daraus thematische<br />
Adventskalender zusammengestellt, unter anderem für eine Beratungsstelle<br />
für Arbeitslose.<br />
Die beiden wollen einen Verein mit Namen "De Loite" gründen,<br />
bei dem sich noch mehr Menschen einbringen sollen. Zudem<br />
will Hirsekorn etwa das Thema Zwangsarbeit während des Zweiten<br />
Weltkriegs in Loitz im Rahmen eines Schulprojekts aufarbeiten.<br />
„Man kann auf jeden Fall schon sagen, dass die Wahrnehmung<br />
in der Bevölkerung sehr unterschiedlich ist“, sagt Carmen<br />
Renninger von der Hochschule Neubrandenburg diplomatisch. Sie<br />
und eine Kollegin begleiten die Loitzer Zukunftsprojekte wissenschaftlich.<br />
Eine weitere Erkenntnis sei, dass die Verwaltung flexibler<br />
sein könnte bei der Umsetzung. Als Teil der Evaluation soll<br />
ein Handbuch entstehen, das anderen Gemeinden bei ähnlichen<br />
Projekten helfen soll.<br />
Hirsekorn und González fühlen sich gut in Loitz aufgenommen.<br />
„Klar, wir wissen, dass es viele Leute gibt, die das Projekt<br />
nicht gut finden“, sagt Hirsekorn. Das habe auch mit unzureichender<br />
Kommunikation zu tun. Die Kritiker träten aber nur<br />
ganz selten an sie heran. Einige habe sie auch schon im direkten<br />
Austausch überzeugen können. Andere Menschen hätten Begrüßungsgeschenke<br />
vorbeigebracht. Sie hätten mittlerweile Bekannte,<br />
die sie jederzeit unterstützten. „Davon gibt es total viele.“<br />
Das Experiment scheint teilweise schon ein Erfolg zu sein. „Die<br />
beiden werden das Haus erwerben“, freut sich Witt. „Der Kaufvertrag<br />
steht kurz vorm Abschluss. Wir haben jetzt nur noch den<br />
Notar-Termin.“ Das sei somit wieder ein Haus, das belebt wurde.<br />
Und: Die beiden seien nicht die einzigen. Ein anderes Paar, dessen<br />
Bewerbung nicht erfolgreich war, sei mittlerweile trotzdem nach<br />
Loitz gezogen. Die beiden würden sich nun um die Galerie am<br />
alten Steintor kümmern, um sie wieder für Besucher zu öffnen. h
42<br />
Dörfliche Idylle<br />
mitten in der<br />
Stadt
43<br />
Kleinstgenossenschaften erleben in Zeiten steigender Mieten einen Boom. Die Drachenbau<br />
gründete sich 1986 und hat viele Höhen und Tiefen dieser Wohnform bereits hinter sich.<br />
Die junge Baugemeinschaft Baumhaus Altona reicht gerade den Bauantrag ein.<br />
VON FRAUKE MAASS
44<br />
Genossenschaften
Hamburg. Eine Baugemeinschaft zu gründen und ein gemeinsames<br />
Projekt anzugehen, kostet viel Arbeit, Zeit und Geld. Die<br />
knapp 80 Mitglieder der 2018 gegründeten Kleinstgenossenschaft<br />
Baumhaus Altona, darunter 40 Erwachsene, wissen das nach mittlerweile<br />
drei intensiven Jahren voller Vorbereitungen, bürokratischem<br />
Aufwand, Planungen, vielen Treffen und Gesprächen.<br />
Nicht immer ist der Blick auf diese Zeit positiv gefärbt. Doch je<br />
näher der Termin der Bauantragstellung rückt, desto größer wird<br />
die Vorfreude auf ihr gemeinsames Mehrfamilienhaus, was in einem<br />
Neubaugebiet am Othmarscher Kirchenweg entstehen soll.<br />
Entstanden ist die Baumhaus Altona aus einer Fusion zweier<br />
Baugemeinschaften: „Unser Eulennest“, die sich 2010 gegründet<br />
hatte, um ihren Traum vom gemeinsamen Wohnen zu bezahlbaren<br />
Preisen in Hamburg zu verwirklichen und bereits drei (erfolglose)<br />
Bewerbungen hinter sich hatte, und „Haus Hamburg 2014“, die<br />
mit frischer Energie und viel Projektfreude aufwartete.<br />
„Die Fusion war sinnvoll, weil wir durch den Zusammenschluss<br />
die Erfahrungen und Kompetenzen von ‚Unser Eulennest‘ nutzen<br />
konnten“, sagt Rosa Thoneick, Mitglied der Baumhaus Altona. „Im<br />
April 2018 haben wir uns als Gruppe zum ersten Mal getroffen,<br />
Ende Mai 2018 die Bewerbung abgegeben – und hatten Erfolg.“<br />
Der Start war holprig<br />
Der Anfang war etwas holprig. „Wir kannten einander nicht,<br />
mussten aber sofort mit den Planungen loslegen“, erinnert sich die<br />
35-Jährige Stadtforscherin und Journalistin. Das bedeutete, Aktion<br />
auf mehreren Ebenen: sich kennenlernen, Wünsche der Mitglieder<br />
austaxieren, Pläne machen, Arbeitsgemeinschaften gründen. „Ein<br />
Kraftakt, und all das ehrenamtlich neben Beruf und Familie.“<br />
Geplant ist ein Wohngebäude in Holzmassivbauweise mit 24<br />
Wohneinheiten, ein Gemeinschaftsraum mit Küche, Gemüsegarten,<br />
Spielplatz und Feuerstelle. 22 Einheiten sind bereits vergeben,<br />
zwei bleiben frei für Flüchtlingsfamilien, die die Kleinstgenossenschaft<br />
in ihre Gemeinschaft integrieren möchte. Soziales und ökologisches<br />
Engagement ist den Parteien wichtig und Bestandteil des<br />
Konzeptes, über das in 14-tägigen Treffen – derzeit nur digital –<br />
diskutiert wird.<br />
Wunsch nach einem Leben in Gemeinschaft<br />
Aber warum eine Baugemeinschaft? „Wir alle wünschen uns bezahlbaren<br />
Wohnraum in der Stadt, fern von Grundstücks- und Immobilienspekulationen,<br />
sowie ein Leben in Gemeinschaft“, sagt<br />
Rosa Thoneick. Für jeden ist der passende Wohnraum geplant worden.<br />
Die 35-jährige zieht in eine Singlewohnung, eine fünfköpfige<br />
Familie bekommt eine Fünfzimmerwohnung in dem Komplex.<br />
„Der Kern unserer Gruppe besteht überwiegend aus Familien<br />
mit kleinen Kindern, die sich gegenseitig helfen und unterstützen<br />
wollen. Aber es sind auch Paare mit und ohne Kinderwunsch sowie<br />
Alleinstehende, die einziehen. Niemand von uns will allein und anonym<br />
leben und alt werden“, sagt Thoneick. Durch die Genossenschaft<br />
einen dörflichen Charakter herstellen, wo jeder jeden kennt,<br />
und das mitten in einer großen Metropole – das ist das, was sich<br />
Rosa Thoneick wünscht – ebenso wie die anderen Mitglieder.<br />
Grundideen der Genossenschaftsbewegung<br />
leben noch heute<br />
Die Wünsche und Vorstellungen der jungen Genossenschaft sind<br />
ein klares Bekenntnis zu den Grundideen der ersten Wohnungsbaugenossenschaften,<br />
die sich Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten.<br />
Menschen taten sich zusammen, um sich gemeinsam selbst zu<br />
helfen, ohne auf staatliche Unterstützung oder private Wohltätigkeit<br />
zu setzen oder zu hoffen.<br />
Aber heute sind es selten mittellose Menschen, die sich zusammentun.<br />
Bei Baumhaus Altona muss jedes Mitglied Eigenkapital<br />
mitbringen – 800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, unabhängig<br />
vom individuellen Vermögensstand. Nur so sei die Förderung<br />
durch die Stadt gewährleistet.<br />
Dass man bereits ein kleines Vermögen als Einlage zahlen muss,<br />
um am Ende öffentlich geförderten Wohnraum zu schaffen, sei ein<br />
Fehler im System, kritisieren viele der Mitglieder. Dafür bekommen<br />
sie jedoch gemeinschaftlich genutztes Eigentum in einer besonders<br />
nachgefragten Wohngegend, in der die meisten sich keine Wohnung<br />
vom freien Markt leisten könnten, wie ein Gründungsmitglied<br />
zugibt.<br />
f
46<br />
<strong>VNW</strong><br />
Für Rosa Thoneick war der Schritt, Mitglied einer Genossenschaft<br />
zu werden, nicht ganz so einfach. „Ich bin noch jung und viel in<br />
Bewegung. Aber durch die Genossenschaft habe ich immer einen<br />
Ort, an dem ich sein kann. Es ist ein Stück Altersvorsorge und dazu<br />
ein interessantes Projekt. Ich bin gespannt, wie sich das gemeinschaftliche<br />
Leben entwickelt“, sagt sie.<br />
Die Drachenbau wurde 1986 gegründet<br />
Was das Leben in einer Kleinstgenossenschaft an Höhen und Tiefen<br />
zu bieten hat, haben die Mitglieder der Drachenbau in St. Georg<br />
bereits erfahren. 20 Erwachsene mit insgesamt 14 Kindern gründeten<br />
1986 die Genossenschaft, um ein Bestandsgebäude in Alsternähe<br />
nach eigenen Wünschen auf- und auszubauen.<br />
„Im Grunde war es eine Kernsanierung“, sagt Christian Diesener<br />
lachend. Der 65-Jährige gehört mit seiner Frau Marion Glunz-<br />
Diesener zu den Initiatoren. „Wir wollten nicht allein wohnen,<br />
sondern unsere Vision einer gleichberechtigten Gemeinschaft realisieren“,<br />
erzählt die 69-jährige Marion Glunz-Diesener.<br />
Gekannt haben sich die Mitglieder durch den Aufbau eines Bildungszentrums<br />
(ABC in Drochtersen-Hüll)), Wohngemeinschaften<br />
und dem Kinderhaus Koppel, das einige bereits initiiert hatten und<br />
dadurch erste Projekt-Erfahrungen vorweisen konnten. „Wir wollten<br />
alle gern mit unseren Kindern in der Stadt wohnen, unseren Lebensraum<br />
selbst bestimmen, bezahlbaren Wohnraum sicher haben, aber<br />
ohne Eigentum bilden zu müssen“, sagt Marion Glunz-Diesener.<br />
„Auflage war, dass wir zusätzlich zwei Baulücken schließen mussten“,<br />
sagt das 69-jährige Gründungsmitglied Hartwig Giese. Das<br />
war eine finanzielle Herkulesaufgabe, die nur mit Hilfe von Fördermitteln<br />
und viel Selbsthilfe gelöst werden konnte. Das Ergebnis<br />
waren 1987 ein umgenutztes Fabrikgebäude, 1988 ein schwammsanierter<br />
Gründerzeitbau und 1989 zwei Neubauten mit Sozialwohnungen.<br />
Jeder gibt, was er geben kann<br />
Die Mitglieder mussten – wie überall – eine Einlage leisten. Allerdings<br />
wurde der Besitz von Geld nie zum Auswahlkriterium gemacht.<br />
Vielmehr gab jede und jeder, was möglich war. Eine Einstellung,<br />
die bis heute Gültigkeit hat.<br />
Eigenleistungen auf dem Bau gehörten zur Auflage. Also krempelte<br />
die Gruppe die Ärmel hoch und begann Mitte der 1980er<br />
Jahre mit der Sanierung der Fabrik, die zu Groß-WGs umgebaut<br />
werden sollte – eine alternative Wohnform, die die sozial und politisch<br />
aktiven Mitglieder ausprobieren wollten.<br />
„Wir lebten lange als Paar mit Kind mit einer weiteren Familie<br />
mit Kind zusammen“, sagt die 72-jährige Margret Kuhrts-Bösche.<br />
Auch Familie Diesener wohnte auf rund 120 Quadratmetern mit<br />
Kindern und einer weiteren Frau in einer Wohngemeinschaft. Vorausschauend<br />
wurden zu Beginn Leichtbauwände eingesetzt, um<br />
flexibel auf Veränderungen reagieren zu können.<br />
Ein Wohnviertel, in dem in den 1980er Jahren<br />
kaum einer wohnen wollte<br />
„St. Georg war Mitte der 1980er Jahre runtergekommen, ein Viertel<br />
am Hauptbahnhof, in dem kaum einer wohnen wollte und das<br />
seit 1979 Sanierungsgebiet war“, erinnert sich Christian Diesener.<br />
Das war ihr Glück! Die Drachenbau eG bekam den Zuschlag von der<br />
Stadt für zwei von der Sprinkenhof AG verwaltete Gebäude in der<br />
Schmilinskystraße: für eine alte Fabrik im Hof, die zuletzt als Lager<br />
für 1 000 Töpfe war, sowie für ein Mehrfamilienhaus an der Straße.<br />
Keine Groß-WGs mehr und kaum noch Familien<br />
Heute gibt es keine Groß-WGs mehr. Und auch nur noch wenig<br />
Familien. Die Kinder von damals sind erwachsen, viele haben die<br />
Stadt oder den Stadtteil verlassen. Nur wenige kommen in die Drachenbau<br />
zurück, was auch an mangelndem Wohnraum liegt.<br />
Dabei würde die Genossenschaft sich gern verjüngen und Platz<br />
für junge Familien machen. „Selbst wenn wir wollten – wir Älteren,<br />
die in den großen Wohnungen sitzen, können nicht mit Familien<br />
tauschen, die in den kleineren Wohneinheiten leben, da das geförderter<br />
Wohnraum ist“, bedauert Diesener.<br />
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48 Genossenschaften<br />
Heute gibt es in den vier Häusern der Genossenschaft 30 Wohnungen,<br />
teilweise mit nachträglich eingebauten Aufzügen. Ein Schritt<br />
zur Barrierefreiheit für behinderte und alternde Mitglieder. Aktuell<br />
wohnen dort 60 Erwachsene zwischen 18 und 80 Jahren sowie vier<br />
Kinder zwischen ein und zehn Jahren.<br />
„Wir haben uns unser Reich selbst erschaffen“<br />
Mit Stolz blicken die Mitglieder auf die ersten Jahre zurück. „Wir<br />
haben uns unser Reich selbst erschaffen“, sagt Marion Glunz-<br />
Diesener. „Unser Arbeitseinsatz war nicht nur für das Gemeinschaftsgefühl<br />
wertvoll. Wir schätzen das, was wir haben, und<br />
pflegen es.“ Dazu gehören nicht nur die Wohnungen, von denen<br />
einige mit einem großen Wintergarten verbunden sind. Dazu gehören<br />
auch Feste aller Art und der kleine Garten.<br />
Die Selbstverwaltung, die Arbeitsgemeinschaften – alles liegt in<br />
Händen einer engagierten Crew und funktioniert noch immer. Die<br />
einen kümmern sich um den Garten, die anderen um die Verwaltung,<br />
Finanzen oder die Instandhaltung. Vieles läuft jetzt besser als<br />
zu Beginn. „Wir sind ja mittlerweile routinierter und einige in Rente<br />
und haben mehr Zeit“, sagt Hartwig Giese. Natürlich gab es auch<br />
mal Streit. Wenn der nicht innerhalb der Gruppe beigelegt werden<br />
konnte, wurde eine Mediation eingeschaltet.<br />
Ein großes Privileg, bezahlbar mitten in der Stadt<br />
leben zu können<br />
Die Drachenbau-Mitglieder wirken zufrieden und glücklich, „Und<br />
das sind wir auch!“, bestätigen die vier. Es sei gerade in der aktuellen<br />
Zeit der gestiegenen Mietpreise ein großes Privileg, mitten in<br />
der Stadt zu leben, Platz zu haben zu günstigen Konditionen. Aber,<br />
geben sie zu bedenken: „Dafür haben wir auch einiges getan –<br />
und tun es nimmer noch.“ Von außen sei das nicht immer sichtbar.<br />
Aktuell beschäftigt sie das Erbbaurecht. Der Vertrag läuft 2036<br />
aus und müsste nach den dann geltenden Bodenpreisen verlängert<br />
werden. Eine große Sorge der Drachenbau. „Wir sind im Gespräch<br />
mit der Stadt und hoffen auf einen guten Ausgang für uns“, sagen<br />
sie. Denn weg will keiner von ihnen.<br />
Sie haben dort ihre Kinder gemeinsam großgezogen, Streit und<br />
Trennungen begleitet, ihre Berufsjahre geteilt und wollen jetzt auch<br />
gemeinsam alt werden und der nächsten Generation bezahlbares<br />
Wohnen in genossenschaftlicher Drachenbau-Gemeinschaft erhalten.<br />
h<br />
Marion Glunz-Diesener<br />
Rosa Thoneick<br />
FRAUKE MAASS ist Journalistin<br />
in Hamburg. Während ihrer<br />
Tätigkeit als Reiseredakteurin hat<br />
sie viele Länder bereist und dabei<br />
ihr Interesse für die unterschiedlichsten<br />
Wohnformen entdeckt.<br />
Heute gehören Themen aus<br />
der Wohnungsbaubranche und<br />
Architektur zu ihren inhaltlichen<br />
Schwerpunkten.
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<strong>VNW</strong><br />
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51<br />
Die unsichtbare<br />
Gefahr im Boden<br />
Radon kann man nicht sehen, riechen oder schmecken. Das krebserregende Gas kann aus<br />
dem Boden über Risse und Fugen in Kellerräume gelangen. Eine neue Karte zeigt gefährdete<br />
Orte jetzt genauer an.<br />
Salzgitter. Mancherorts ist das Lüften des Kellers nicht nur wegen<br />
Schimmelwachstum wichtig: Das radioaktive und für die<br />
Gesundheit gefährliche Gas Radon kann sich im Untergeschoss<br />
anreichern. Aber das ist zum Glück nicht überall der Fall.<br />
Eine neue und räumlich höher aufgelöste Karte des Bundesamts<br />
für Strahlenschutz (BfS) zeigt nun genauer, in welchen Regionen<br />
Deutschlands man vorsichtig sein sollte.<br />
Radon ist laut dem Bundesamt nach Rauchen die zweithäufigste<br />
Ursache für Lungenkrebs. Es ist nicht zu sehen, zu riechen<br />
oder zu schmecken. Und es entsteht im Erdreich und kann von<br />
dort über Risse, Fugen oder Rohrdurchführungen in Innenräume<br />
gelangen und sich dort in gefährlichen Konzentrationen anreichern.<br />
Das ist vor allem möglich in Bereichen des Hauses, die Bodenkontakt<br />
haben – wie eben dem Keller.<br />
Nicht überall und nicht in jedem Haus ein Risiko<br />
Es gibt aber auch Grund zur Beruhigung: Wie die neue Karte<br />
verdeutlicht, ist die Konzentration im Boden regional sehr unterschiedlich.<br />
Sie ist tendenziell höher zwischen Mittel- und Süddeutschland<br />
und im hohen Norden an den Küsten. Und ob dort<br />
dann Radon auch wirklich in den Keller eindringen kann, hängt<br />
vom baulichen Zustand des Hauses ab und zum Beispiel davon,<br />
ob es eine durchgehende Bodenplatte gibt.<br />
Die neue Karte ist dank verbesserter Berechnungsverfahren<br />
und einer größeren Datengrundlage viel genauer als ihre Vorgän-<br />
gerin. So zeigt sie keine Durchschnittswerte mehr an, sondern<br />
die Werte wurden laut Mitteilung des BfS so gewählt, dass„sie<br />
die an einem Ort im Boden vorhandene Radon-Konzentration in<br />
90 Prozent der Fälle niedriger oder identisch mit dem in der Karte<br />
angegebenen Wert ist.”<br />
Bei den restlichen zehn Prozent der Fälle könne nicht ausgeschlossen<br />
werden, dass aufgrund kleinräumiger geologischer Besonderheiten<br />
höhere Werte auftreten. Auch kann die Karte nicht<br />
anzeigen, wie hoch die Radon-Konzentration innerhalb von Gebäuden<br />
ist.<br />
Erste Maßnahme: häufiger lüften<br />
Wer in Gebieten mit hohem Vorkommen unsicher ist, sollte zum<br />
einen häufiger lüften – und zwar so, dass bereits nach wenigen<br />
Minuten die gesamte Innenraumluft ausgetauscht ist. Das gelingt<br />
mit Querlüften, indem man gegenüberliegende Fenster gleichzeitig<br />
öffnet.<br />
Da Lüften allerdings nicht immer ausreicht, sollte man die Radon-<br />
Konzentration im eigenen Gebäude auch mal messen lassen. Anbieter<br />
verschicken Detektoren per Post, die an mehreren Stellen<br />
des Kellers oder in anderen Wohnräumen angebracht werden und<br />
nach drei bis zwölf Monaten zur Auswertung zurückgeschickt<br />
werden. Das BfS führt online eine Liste anerkannter Anbieter.<br />
Ist das Ergebnis schlecht, müssen gegebenenfalls undichte<br />
Stellen in Keller und Erdgeschoss abgedichtet werden. h
52 <strong>VNW</strong><br />
Mit Drohnen und<br />
Innenscan zur digitalen<br />
Gebäudeakte<br />
Wie Digitalisierung helfen kann, das Instandhaltungsmanagement<br />
effektiv und transparent vom Schreibtisch aus durchzuführen.<br />
VON MATTHIAS HARTMANN CEO UND GRÜNDER DER IMMOTECH PLATTFORM GMBH
53<br />
Dortmund. In Zeiten von Fachkräftemangel und steigender Erwartungshaltung<br />
von Mietern und Eigentümern ist es nötig, auch<br />
das Gebäude- und Instandhaltungsmanagement zu erneuern und<br />
zu digitalisieren. In den letzten Jahren zog die Digitalisierung in<br />
der Immobilienbranche primär im Bereich der Neubauten ein, wo<br />
durch BIM und digitale Zwillinge bereits erhebliches Potenzial gehoben<br />
wurde. Doch speziell große Immobiliengesellschaften stehen<br />
vor der Herausforderung, die bereits im Einsatz befindlichen<br />
Systeme auf einen einheitlichen Stand zu bringen und Daten ihrer<br />
Objekte zu erheben, von denen viele schon weit vor dem Gedanken<br />
an „Digitalisierung“ erbaut worden sind. Das allumfassende<br />
Problem ist schlichtweg: Es fehlt an Daten!<br />
Modernste Technik<br />
Der Gedanke, einen digitalen Zwilling der eigenen Objekte oder<br />
Nutzungseinheiten verwenden zu können, ist insgeheim ein lang<br />
gehegter Wunsch, doch die Möglichkeiten waren bisher begrenzt.<br />
Mit Hilfe modernster Drohnen- sowie Innenscan-Technologie ist<br />
es mittlerweile möglich, bereits jahrhundertealte Gebäude digital<br />
abzubilden und jede noch so abgelegene Ecke zu erfassen. Gerade<br />
der Einsatz moderner Innenraumscanner machen das Innere<br />
des Gebäudes digital zugänglich. Dadurch bleibt kein Winkel des<br />
Gebäudes unentdeckt und vor allem wird die Möglichkeit geschaffen,<br />
die bestehenden Objekte virtuell zu begehen – und zwar von<br />
jedem Winkel der Erde aus.<br />
Unser Startup aus Dortmund wurde mit dieser Vision im Kopf<br />
gegründet und hat sich der Herausforderung angenommen. „Instandhaltungsmanagement<br />
vom Schreibtisch aus“ ist das Stichwort.<br />
Das Besondere hieran ist nicht der Einsatz der Technologie,<br />
sondern die Zusammenführung, Auswertung und Verfügbarkeit<br />
aller gesammelten Daten und Informationen auf einer Plattform,<br />
objektbezogen und anwendungsorientiert sowohl für Immobiliengesellschaften<br />
und Verwalter als auch für Städte und Gemeinden.<br />
Im Rahmen der Bauabnahme<br />
Wie bereits angeführt sind Daten und Informationen, teilweise<br />
sogar digitale Zwillinge bei Neubauten verhältnismäßig gut verbreitet.<br />
Diese Basisinformationen aus der Planung können über<br />
die Digitalisierungstechnologien mit den entstandenen realen<br />
Objektinformationen übereinandergelegt werden. Hieraus ergibt<br />
sich in der Praxis eine viel konkretere Datenbasis ab Zeitpunkt der<br />
Bauabnahme.<br />
“Wir nutzen die Dienste zur digitalen Bauabnahme von<br />
Neubauprojekten. So haben wir direkt eine Mängelliste,<br />
die wir abarbeiten können und zugleich den Zustand der<br />
Erstvermietung digital dokumentiert.”, äußert sich Tilo Eichler,<br />
Leiter des Kunden- und Objektmanagements der eG Wohnen<br />
1902 in Cottbus.<br />
Neben dem Aspekt der Transparenz in Bezug auf den Ist-Zustand<br />
des abgenommenen Objektes werden durch die Gebäudedigitalisierung<br />
signifikant häufiger Unsauberkeiten im Rahmen der Bauabnahme<br />
entdeckt. Diese führen im Lebenszyklus des Objektes zu<br />
Schäden, welche vermeidbar gewesen wären.<br />
Auslaufen der Gewährleistungsfristen<br />
Darüber hinaus führt Tilo Eichler aus, dass “die Digitalisierung<br />
und Begutachtung von Gebäuden, die aus der Gewährleistung<br />
laufen ein weiterer sinnvoller Use-Case für die eG<br />
Wohnen 1902, Cottbus darstellt. Dies ist ein wichtiger Moment<br />
im Lebenszyklus eines Gebäudes, der oft übersehen<br />
wird.”<br />
So konnten teilweise Primärschäden oder Baumängel vor Ablauf<br />
der Gewährleistung aufgezeigt werden, welche klassischerweise<br />
erst einige Jahre später durch deren Folgeschäden festgestellt<br />
worden wären.<br />
ImmoTech bietet darüber hinaus staatlich zertifizierte Schadensgutachten<br />
auf Basis der digitalen Daten an, die von erfahrenen<br />
Gutachtern mit und auf der Plattform erstellt werden. Für beide<br />
Seiten ein klarer Gewinn; die Gutachten erreichen aufgrund der<br />
Qualität des Rohmaterials eine außerordentliche Genauigkeit und<br />
f
54 <strong>VNW</strong><br />
Über die ImmoTech Plattform GmbH<br />
Die ImmoTech Plattform GmbH – gegründet von<br />
Experten aus der Immobilienwirtschaft – bietet u.a.<br />
digitale Gebäudeakten und weitere interagierende<br />
Services, die ein vereinfachtes Instandhaltungsmanagement<br />
für Verwalter, Eigentümer oder auch<br />
Städte und Gemeinden ermöglichen.<br />
durch die Abwicklung über die Plattform eine verlässliche Standardisierung.<br />
Für die Gutachter bleiben umfangreiche Besichtigungen<br />
vor Ort aus, so dass hochwertige Schadensgutachten schnell und<br />
komfortabel erstellt werden können.<br />
Monitoring von Instandhaltungsbudgets<br />
Unabhängig von konkreten Fällen wie der Bauabnahme, dem Auslaufen<br />
der Gewährleistung oder in einem konkreten Schadensfall<br />
können digitale Objektdaten bei der langfristigen Planung einen<br />
erheblichen Mehrwert liefern.<br />
Timo Schäfer, Geschäftsführer der WBG der Stadt Zirndorf<br />
stellt klar: „Für uns stellt die Energieneutralität bis 2045 eine<br />
erhebliche Herausforderung dar. Gestartet im Juli 2021 haben<br />
wir jetzt bereits rund 60 Prozent unserer Gebäude als<br />
digitalen Zwilling auf der Plattform.“<br />
Um das Instandhaltungsbudget modern zu kontrollieren, ist es<br />
für die WBG notwendig, eine umfangreiche Übersicht über alle<br />
Objekte sowie deren aktuelle Zustände inklusive der unterschiedlichen<br />
Instandhaltungsmaßnahmen zu erhalten. Eine Eingliederung<br />
in kurz-, mittel- und langfristig notwendige Maßnahmen ermöglicht,<br />
den Fokus auf zukünftige Projekte zu lenken und hierbei<br />
gleichzeitig energetische Optimierungen zu berücksichtigen. Die<br />
Simplifizierung des Prozesses und die daraus resultierende Transparenz<br />
trägt zum sukzessiven Erfolg des Unternehmens bei, da<br />
sich durch den geschaffenen Überblick auf der Plattform weitere<br />
Bereiche erschließen und das Immobilien-Portfolio ganzheitlich<br />
besser, schneller und einfacher betreut wird.<br />
Oder wie es Tilo Eichler formuliert: „Durch die übersichtliche<br />
und transparente Datenbereitstellung konnten wir bereits<br />
Mängel evaluieren und umfassend beheben, ohne im Schadensfall<br />
Zeit zu verlieren.“<br />
Eine regelmäßige Erfassung des Objektzustandes per Drohne<br />
und Innenraumscan ist elementar. Dieses kann helfen, effektiver<br />
zu planen und zu erneuern und somit Schäden bereits proaktiv zu<br />
erkennen und zu beseitigen.<br />
„Der BVE testet im Rahmen seiner Unternehmensentwicklung<br />
vielversprechende Lösungsansätze in den unterschiedlichsten<br />
Bereichen, von Digitalisierungs- bis hin zu<br />
Nachhaltigkeitsthemen. In einem Pilotprojekt analysieren<br />
wir gemeinsam mit der ImmoTech Plattform GmbH die umfassenden<br />
Möglichkeiten, die sich aus der Erfassung von<br />
Gebäudedaten per Drohnenflug ergeben. Und das zum<br />
Start der Modernisierungsplanung des Objektes“, so Knud<br />
Einemann, Leiter Innovation, Finanzen und Projekte, beim Bauverein<br />
der Elbgemeinden eG.<br />
Management von Handwerkern, Dienstleistern und<br />
eigenen Mitarbeitern<br />
Genauso wie die Finanz- und Verwaltungsdaten in modernen ERP-<br />
Systemen gebündelt werden, stellt die strukturierte Zusammenführung<br />
aller Objektdaten im Portfolio einen Quantensprung dar.<br />
Dies kann jedoch nur der Anfang sein, um das Instandhaltungsmanagement<br />
kompletter Immobilienportfolios auf ein neues Level<br />
zu heben. Handwerker, Dienstleister und eigene Mitarbeiter sollen<br />
in der Lage sein, auf jeweils ausgewählte Daten eines Objekts zuzugreifen<br />
und entsprechend zu agieren. Das erleichtert nicht nur<br />
die Kommunikation mit verschiedenen Dienstleistern, sondern mif
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gewordene Menschen und andere vordringlich wohnungssuchende Haushalte spezialisiert.<br />
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diesem gesellschaftlichen Bedarf orientieren. Dazu gehören auch eine sozial kompetente<br />
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wurde 1946 gelegt: Aus dem damals gegründeten<br />
Abbruchbetrieb Behrens, Glogner<br />
& Co. entstanden Bauträgergeschäfte, deren Erträge<br />
in den Mietwohnungsbau investiert wurden.<br />
So entwickelte sich ein Bestand von rund 3.000<br />
Wohn- und Geschäftseinheiten. 1992 gründete das<br />
Ehepaar Benno und Inge Behrens die nach ihnen<br />
benannte Stiftung und brachten ihren umfangreichen<br />
Wohnungsbestand ein.<br />
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Menschen zu bauen, die besonderer Unterstützung<br />
bedürfen. So engagiert sie sich aktuell auch in dem<br />
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E-Mail: r.schaefer@behrens-stiftung.de<br />
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56<br />
<strong>VNW</strong><br />
nimiert mögliche kommunikative Fehler, welche zu Ineffizienzen<br />
führen. Außerdem entsteht hierdurch ein historischer Verlauf, welcher<br />
alle Maßnahmen rund um ein digitalisiertes Objekt detailliert<br />
und jederzeit nachvollziehbar dokumentiert – ohne Mehraufwand.<br />
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Einer der zukünftig spannendsten Anwendungsfälle stellt sicherlich<br />
die Vermarktung und Versicherung von Objekten im professionellen<br />
Immobilienbereich dar. Allein die bereitgestellte Datenmenge<br />
und die sich hieraus ergebende Transparenz ist ein massiver Vorteil<br />
bei der Veräußerung oder Versicherung eines jeden Objekts. Jeder<br />
Versicherer hasst Unsicherheit und wenn eine überragende Datenlage<br />
zum Zustand eines Gebäudes bereitgestellt werden kann,<br />
bietet dies Vorteile bei der Verhandlung neuer Policen – und das<br />
gilt für das gesamte Portfolio.<br />
Durch zeitlich begrenzte exklusive Zugangsberechtigungen<br />
oder der Möglichkeit, ausgewählte Informationen zu einer Immobilie<br />
über die Plattform einsehen zu können, wird potenziellen<br />
Käufern eine völlig neue Art der Informationsaufbereitung geboten.<br />
Die Gebäude können faktisch virtuell begangen werden,<br />
etwa um eine Kaufentscheidung zu bestärken, um vorhandene<br />
Zweifel aus dem Weg zu räumen oder Objekte zu transferieren,<br />
ohne diese jemals live vor Ort gesehen haben zu müssen. Gerade<br />
für Eigentümer großer Portfolios oder mit Streubesitz ist dieses ein<br />
großer Vorteil. h
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58 <strong>VNW</strong><br />
Dankbar<br />
für ein Zuhause auf Zeit<br />
Die Baugenossenschaft Mittelholstein stellt Gemeinschaftsräume für<br />
Flüchtlinge zur Verfügung. In Kronshagen bei Kiel hat ein Ehepaar<br />
bereits eine Bleibe gefunden.<br />
VON FRAUKE MAASS<br />
Kronshagen. Die Kopperpahler Allee ist eine knapp zwei Kilometer<br />
lange Wohnstraße in Kronshagen bei Kiel. Gepflegte<br />
Siedlungshäuser und schmucke kleine Altbauten reihen sich aneinander,<br />
getrennt durch Zäune, sauber beschnittene Büsche und<br />
Hecken.<br />
Etwas zurückgesetzt befindet sich vor der Grenze zum Eichhof,<br />
dem größten Parkfriedhof Schleswig-Holsteins, neben einer<br />
Kindertagesstätte die Seniorenwohnanlage Kopperpahler Allee<br />
der Baugenossenschaft Mittelholstein eG (bgm) mit 38 modernen,<br />
altersgerechten Wohnungen.<br />
Es gibt einen Innenhof mit Hochbeeten, Fahrradräume und<br />
Stellplätze für Rollstühle und Elektroscooter – sowie einen hellen<br />
und großzügigen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss mit eigenem<br />
Eingang.<br />
Der Gemeinschaftsraum ist jetzt eine Wohnung<br />
Nur finden dort zurzeit keine gemeinsamen Aktivitäten der Bewohner<br />
statt – was nicht nur an der Pandemie liegt. In dem Raum<br />
leben seit Anfang März Tetiana Podinzhna (45) und ihr Mann Viacheslav<br />
Podinezhnyi (57) aus der Ukraine, die hier in der Nähe<br />
ihrer Tochter Olga (27), ein Zuhause auf Zeit gefunden haben.<br />
Die 27-Jährige lebt seit sechs Jahren mit ihrem Mann in<br />
Kronshagen, sie hat in Kiel studiert, hier ihre Tochter bekommen,<br />
erste Wurzeln geschlagen. Dennoch war die Sehnsucht<br />
nach ihrer Heimat stets groß. Die Pläne, mit ihrer kleinen Familie<br />
zurückzukehren nach Odessa, waren bereits gefasst – bis am<br />
24. Februar der Krieg ausbrach und das Leben ihrer gesamten<br />
Familie in ein Chaos stürzte.<br />
Von dem Moment an hat sie gemeinsam mit ihrer älteren<br />
Schwester die Eltern bekniet, das Land zu verlassen. „Hätten wir<br />
sie nicht überredet, wären sie geblieben“, sagt Olga Gonzalez.<br />
Es war der Nachmittag des 2. März, als das Ehepaar Tetiana und<br />
Viacheslav beschloss, gemeinsam mit der in Kiew lebenden älteren<br />
Tochter das Land zu verlassen. Und dann musste alles ganz<br />
schnell gehen, denn „ab 18 Uhr darf niemand mehr in Odessa die<br />
Wohnung verlassen“, informiert Olga Gonzalez.<br />
Ein Zurück steht in den Sternen<br />
Tetiana und Viacheslav kennen Kronshagen – schließlich ist es nicht<br />
ihr erster Besuch bei ihrer Tochter. Nur sind die Umstände dieses<br />
Mal anders – ein Zurück steht in den Sternen. Für wenige Tage<br />
war die Wohnung von Olga und ihrem Mann Luis groß genug für<br />
alle – aber für einen langen Aufenthalt? „Wir haben schon meine<br />
Großmutter bei uns, die vor dem Krieg zu Besuch genommen ist.<br />
Ein Glück!“, sagt Olga leise. Mit ihrem Mann, dem Sohn ihres Mannes<br />
und der kleinen Tochter sind sie also bereits zu fünft.<br />
Was also tun? „Mein Mann hat Kontakt aufgenommen zur<br />
bgm und angefragt, ob man dort eine Möglichkeit für eine Unterbringung<br />
sieht“, sagt Olga. Und die bgm zögerte nicht lange. „Wir<br />
waren sofort bereit, die Gemeinschaftsunterkunft in der Anlage<br />
an der Kopperpahler Allee zur Verfügung zu stellen“, sagt bgm-<br />
Vorstand Stefan Binder.<br />
f
59
60 <strong>VNW</strong><br />
„Schritt für Schritt.<br />
Tag für Tag sehen, wie sich<br />
alles entwickelt“<br />
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62 <strong>VNW</strong><br />
Binnen kurzer Zeit wurde aus dem Raum mit Küchenzeile und Badezimmer<br />
eine kleine Wohnung: Das soziale Kaufhaus „Kaufbar“<br />
sowie das DRK spendeten Einrichtungsgegenstände wie Betten<br />
und Matratzen, ein Sofa und einen Schrank, Nachbarn brachten<br />
Geschirr vorbei. Tische wurden an den Rand gerückt, die Schränke<br />
gefüllt. „Jeder half mit, die Hilfsbereitschaft war unglaublich<br />
groß“, erzählt Binder.<br />
„Wir hören keine Sirenen mehr!“<br />
Für das Ehepaar war das ein Aufatmen. „Wir sind froh, hier zu<br />
sein. in der Nähe unserer Tochter, unseres Enkelkindes. Wir hören<br />
keine Sirenen mehr, können wieder schlafen. Wir sind sehr dankbar“,<br />
sagt Tetiana bewegt. Auf ukrainisch natürlich. Noch sind<br />
ihre Deutschkenntnisse spärlich, so dass Olga übersetzen muss.<br />
„Aber wir arbeiten daran“, sagt Tetiana und lacht.<br />
Waren Tetiana und Viacheslav zu Beginn noch ein wenig zurückhaltend,<br />
so tauen sie im Gespräch auf. Sie haben das Bedürfnis,<br />
zu reden. Nicht nur vom Krieg und wie sie die Wohnung in<br />
Windeseile verlassen haben. Was sie zurücklassen mussten.<br />
Der erst schweigsame Viacheslav bat darum, von seiner Heimatstadt<br />
Odessa erzählen zu dürfen. Lebhaft schwärmt er von<br />
der Hafenstadt am Schwarzen Meer, in der sie leben, arbeiten,<br />
eine Wohnung besitzen, Familie und Freunde haben. Die so europäisch<br />
und international sei.<br />
Erbaut von Griechen, Italienern und Franzosen, eine wunderschöne<br />
Altstadt habe Odessa mit vielfältiger Architektur. Man<br />
spürt in seinen Worten Stolz und Sehnsucht. Aber auch die Verzweiflung<br />
und Trauer darüber, dass niemand weiß, wie es mit der<br />
Stadt ausgeht. Wie es mit dem Krieg ausgeht.<br />
Behördengänge, Arztbesuche und Jobsuche<br />
Auch Kiel ist eine Stadt am Meer, eine Hafenstadt. Ob sie denn<br />
schon am Strand waren? „Noch nicht“, sagt Olga. Noch seien die<br />
Tage gefüllt mit Behördengängen, Arztbesuchen, Jobsuche. „Langeweile<br />
gibt es nicht“, sagen sie lachend. Und wenn sie rausgehen,<br />
dann erkunden sie erst einmal die nähere Umgebung. Aber<br />
klar sei das Wasser ein Magnet. „Papa ist einmal früher mit einer<br />
Fähre von Laboe gefahren. Ich glaube, er wartet nur darauf, dass<br />
wir wieder dorthin fahren“, sagt Olga Gonzalez. Die drei schauen<br />
sich an und lächeln.<br />
Es ist ein inniges Lächeln. Ein verbindendes. Sie leben miteinander.<br />
Sie leiden miteinander – auch mit denen, die noch in der<br />
Heimat sind. „Wir bitten die Verwandte, die die Ukraine noch verlassen<br />
können, zu kommen“, sagt Olga. Jeden Tag. Platz wäre da.<br />
Die Hilfsbereitschaft hält an<br />
Die bgm hat alle vier Gemeinschaftsräume in ihren Wohnanlagen,<br />
mittlerweile zu Wohnungen auf Zeit für Ukraine-Flüchtlinge umfunktioniert.<br />
Auch richtige Wohnungen, die von Mitgliedern aktuell<br />
gekündigt werden, werden freigehalten. „Wir wollen den Menschen<br />
die Möglichkeit geben, sich hier niederzulassen, eine neue<br />
Heimat und ein neues Leben aufzubauen“, sagt Stefan Binder.<br />
Auch Reserven könne die Genossenschaft noch anbieten. Damit<br />
folgt sie dem bundesweiten Credo der Genossenschaften, die<br />
es für selbstverständlich erklärt haben, dass sie den Flüchtlingen<br />
aus der Ukraine zur Seite stehen und im Rahmen der jeweiligen<br />
Möglichkeiten ohne Wenn und Aber unterstützen.<br />
Mehr als 1000 Wohnungen können norddeutsche Wohnungsunternehmen<br />
in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg<br />
für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung stellen, wie eine<br />
wenige Tage nach Kriegsausbruch geführte Umfrage des <strong>VNW</strong><br />
unter Mitgliedern ergeben hat. Inzwischen dürfte die Zahl der zur<br />
Vergügung stehenden Wohnungen deutlich gestiegen sein.<br />
Eine Rückkehr in die Ukraine ist ungewiss<br />
Auch Tetiana und ihr Mann werden vielleicht nach einiger Zeit in<br />
eine richtige Wohnung in der Nähe ziehen. Denn eine Rückkehr<br />
in die Ukraine ist ungewiss. Wie lange dauert der Krieg? Steht das<br />
Haus in Odessa noch, in der sich ihre Wohnung befindet? Wird<br />
man dort in absehbarer Zeit überhaupt wieder leben und arbeiten<br />
können?<br />
„Es gibt so viele Fragen und keine Antworten“, sagt Olga<br />
Gonzalez. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Jobsuche ihrer Eltern.<br />
„Wir wollen hier nicht rumsitzen und nichts tun“, betont<br />
Tetiana. „Wir wollen arbeiten, Steuern zahlen, niemandem auf<br />
der Tasche liegen.“ Sowohl sie als auch ihr Mann haben bereits<br />
etwas in Aussicht.<br />
Wie es weitergeht? Sie zucken mit den Schultern. „Schritt<br />
für Schritt. Tag für Tag sehen, wie sich alles entwickelt“, sagt der<br />
57-Jährige Viacheslav besonnen. Eigentlich wollte sich Mitte März<br />
die gesamte Familie in der Ukraine treffen, um die Taufe der Tochter<br />
von Olga und Luis Gonzalez zu feiern.<br />
Statt einer Taufe wird es nun Ostern. Statt in Odessa in Kiel.<br />
Statt der gesamten Familie wird nur ein kleiner Teil dabei sein.<br />
Und statt einer Feier wird es „nur“ ein Zusammensein. Alles egal.<br />
Denn nur eins ist jetzt wichtig: „Meine Familie ist in Sicherheit“,<br />
sagt Olga, übersetzt es, und ihre Eltern nicken. h<br />
FRAUKE MAASS<br />
ist Journalistin in Hamburg.<br />
Während ihrer Tätigkeit als<br />
Reiseredakteurin hat sie<br />
viele Länder bereist und<br />
dabei ihr Interesse für die<br />
unterschiedlichsten Wohnformenentdeckt.<br />
Heute<br />
gehören Themen aus der<br />
Wohnungsbaubranche<br />
und Architektur zu ihren inhaltlichen<br />
Schwerpunkten.
Einfach.<br />
Innovativ.<br />
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64<br />
<strong>VNW</strong><br />
Die<br />
Greifswalder<br />
Südstadt<br />
erfindet sich<br />
neu<br />
In wenigen Jahren weicht ein in die Jahre gekommener<br />
Wohnblock im Max-Hagen-Weg einem<br />
modernen Neubau und die betroffenen Mitglieder<br />
können aktiv in einem Beteiligungsworkshop ihre<br />
Ideen einbringen.
65<br />
Greifswald. Es ist ein grünes Quartier mit sehr guter Anbindung:<br />
das Gebiet rund um den Max-Hagen-Weg in der Greifswalder<br />
Südstadt. Viele Familien und ältere Menschen leben hier – und<br />
manch einer kann sich noch an die Zeit erinnern, als die Wohnblöcke<br />
errichtet wurden.<br />
Mitte der 1950er Jahre war das. Aus dem 1895 gegründeten<br />
Spar- und Bauverein war gerade die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft<br />
Greifswald (GWG) erwachsen, die mehr und<br />
besseren Wohnraum in Greifswald schaffen wollte.<br />
Wohngebäude in Großblockbauweise wuchsen in jener Zeit<br />
überall in Greifswald – und die GWG’ler legten selbst mit Hand an.<br />
Einst modern, heute nicht mehr zeitgemäß<br />
Mittlerweile nagt der Zahn der Zeit an dem Wohnblock mit der<br />
Nummer 14–16. Die mehr als 20 Jahre alten Gasetagenheizungen<br />
und die fehlende Dämmung der Gebäudehülle verursachen hohe<br />
Instandhaltungskosten für die WGG und hohe Heizkosten für die<br />
Mitglieder.<br />
Veraltete Installationen, unzureichender Schallschutz, die<br />
schlauchartigen Bäder und Küchen schmälern die Wohnqualität<br />
beträchtlich, ebenso die Treppenhäuser und Fassaden, die schon<br />
bessere Zeiten gesehen haben.<br />
Nicht alle Wohnungen verfügen über einen Balkon. Dass das<br />
Gebäude keine Aufzüge hat und damit nicht barrierefrei ist, erweist<br />
sich insbesondere für viele ältere Mitglieder als problematisch.<br />
Und beim Blick auf die Außenanlagen fallen die zu geringe<br />
Zahl an Parkplätzen und eine unzureichende Entwässerung ins<br />
Gewicht.<br />
Zustand des Gebäudes wurde genau überprüft<br />
Gemeinsam mit verschiedenen Fachleuten hat die WGG detailliert<br />
überprüft, wie es um das im Jahr 1991 teilsanierte Gebäude heute<br />
bestellt ist und welche Chancen es für das Haus noch geben<br />
kann.<br />
Die Analyse fiel eindeutig aus: Einzelmaßnahmen wie eine<br />
komplette energetische Sanierung, der Einbau einer neuen Heizung<br />
oder die Nachrüstung von Aufzügen und Balkonen sind<br />
wirtschaftlich nicht tragbar. Sie würden die Kosten und damit die<br />
Nutzungsgebühren in immense Höhen treiben.<br />
Viele der Defizite, etwa beim Schallschutz, ließen sich überhaupt<br />
nicht beheben. Die baukonstruktiven und altersbedingten<br />
Mängel zeigen überdeutlich, dass der Wohnblock das Ende seiner<br />
Nutzungszeit erreicht hat. Voraussichtlich im Jahr 2025 soll das<br />
Gebäude daher abgerissen werden.<br />
Gesamtinvestition<br />
Geplant ist der Abriss von einem Wohnhaus mit 36<br />
Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 1 768<br />
Quadratmetern und zwei Garagenkomplexen mit insgesamt<br />
24 Garagen.<br />
Dafür sollen drei Neubauten mit insgesamt 56 Wohnungen<br />
und einer Gesamtwohnfläche von 4 191 Quadratmetern<br />
und 669 Quadratmetern Gewerbefläche<br />
errichteten werden.<br />
Die Gesamtkosten werden auf rund 15 Millionen<br />
Euro geschätzt.<br />
Ein neues Domizil direkt nebenan: Südgarten<br />
Das wird jedoch erst geschehen, wenn alle dort wohnenden Mitglieder<br />
eine passende neue Wohnung gefunden haben. Und die<br />
liegt auf Wunsch gleich nebenan: Die WGG errichtet auf der Freifläche<br />
östlich des jetzigen Wohnblocks in den kommenden Jahren<br />
zwei moderne, nachhaltige Wohngebäude.<br />
Die punktförmigen, sechsgeschossigen Mehrfamilienhäuser<br />
des ersten Bauabschnitts werden 40 helle und attraktive Einbis<br />
Vier-Zimmer-Wohnungen beherbergen – mit durchdachten<br />
Grundrissen, hoher Energieeffizienz und moderner Ausstattung.<br />
Der Bau beginnt voraussichtlich im ersten Quartal 2024. So können<br />
die Mitglieder frühzeitig vor dem Abriss des alten Gebäudes<br />
ihre neuen Wohnungen beziehen.<br />
Die beiden neuen Wohngebäude werden unter dem Namen<br />
Südgarten der Südstadt architektonische Impulse geben – harmonisch<br />
eingebettet in das städtebauliche Gesamtkonzept, mit Augenmaß<br />
und mit Rücksicht auf die Interessen der Mitglieder der WGG.<br />
Bewohner des Quartiers werden<br />
in die Planungen einbezogen<br />
Deshalb möchte die WGG alle Bewohner des Quartiers in die Planungen<br />
einbeziehen. Was wünschen sich die Menschen von ihrem<br />
künftigen Wohnumfeld? Welchen Bedarf sehen sie und welche<br />
Anregungen oder Hinweise möchten sie einbringen? Um Fragen<br />
wie diese dreht sich die Beteiligungsveranstaltung im Juni <strong>2022</strong>.<br />
Die Südstadt blickt also spannenden Zeiten entgegen. Die WGG<br />
freut sich darauf, gemeinsam mit ihren Mitgliedern ein grünes und<br />
nachhaltiges Quartier mit hoher Lebensqualität zu gestalten. h<br />
Januar bis Mai 2023: Bauantrag und Baugenehmigung einholen für zwei punktförmige Häuser<br />
Ende 2023 bis Mai 2025 Bauausführung<br />
Juli 2025 bis März 2026 Freizug des Objektes Max-Magen-Weg 14-16<br />
Bis April 2026 Bauantrag und Baugenehmigung einholen für 2. Bauabschnitt<br />
Ab April 2026 Abbruch des Objektes Max-Hagen-Weg 14-16<br />
Juli 2026 bis Ende 2027 Bauausführung Ersatzneubau
66 <strong>VNW</strong><br />
Eine Erfolgsgeschichte
Vor 100 Jahren wurde die Hamburger Studentenhilfe gegründet.<br />
Aus dem Verein entwickelte sich ein modernes Dienstleistungsunternehmen.<br />
Zu den zentralen Aufgaben zählt die Versorgung mit Wohnraum.<br />
VON PETER WENIG<br />
67<br />
Das Studierendenwerk berät in finanziellen und sozialen Fragen,<br />
unterhält Kindertagesstätten und kümmert sich intensiv um Studenten<br />
aus dem Ausland. „Ohne das Studierendenwerk wäre der Wissenschaftsstandort<br />
Hamburg nicht zu seiner heutigen Stärke und<br />
Vielfalt herangewachsen“, sagt Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin<br />
und Wissenschaftssenatorin. Mit seinen vielen Bausteinen<br />
sei das Unternehmen „ein Garant für Bildungsgerechtigkeit“.<br />
Zu den zentralen Bausteinen zählte schon vor 100 Jahren die<br />
Versorgung mit Wohnraum. Vier Jahre nach dem Ende des Ersten<br />
Weltkriegs konnten erstmals 120 ausschließlich männliche Studenten<br />
Zimmer in einem angemieteten Wohnheim am Dulsberg<br />
in der Elsässer Straße 8-10 beziehen.<br />
Die Ausstattung war karg, Möbel und Bettwäsche wurden<br />
gebraucht gesammelt. Doch mit 20 Reichsmark im Sommersemester<br />
und 22 Reichsmark im Wintersemester, Heizung inklusive,<br />
lagen die Mieten bis zu 80 Prozent unter den damals üblichen<br />
Wohnkosten in Hamburg. Eine Küche im Haus bot zudem für 50<br />
Pfennig am Tag Mittag- und Abendessen an.<br />
Als Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag,<br />
lebten auch die Studenten unter teilweise katastrophalen Bedingungen.<br />
Im Wohnheim Tesdorpfstraße regnete es durch ein im<br />
Krieg zerstörtes Glasdach auf die 20 Luftschutzbetten in einem<br />
halbdunklen Raum. Ein Reporter notierte: „Eine kleine Birne hängt<br />
kahl von der hohen Decke. Kein Schrank, kein Stuhl, zwei selbstgezimmerte<br />
Tische, zwei halb mit Pappe notdürftig geschlossene<br />
Fenster – das ist die Inneneinrichtung.“<br />
f<br />
Hamburg. Auf Mark und Pfennig genau rechnete der Philosophie-<br />
Student Hendrik in der Hamburger Universitätszeitung seine täglichen<br />
Ausgaben vor: Von sieben Mark für zwei Tassen Morgenkaffee<br />
und vier Margarine-Stullen über vier Mark für Wäsche und fünf<br />
Mark für Fahrkarten bis zu acht Mark für seine Bude. Mindestens<br />
53 Mark brauche er jeden Tag.<br />
Der Artikel mit der Überschrift „Selbsthilfe ist not“ erschien<br />
vor 100 Jahren, als die Inflation grassierte und weite Teile der<br />
deutschen Bevölkerung verarmten. Vieles spricht dafür, dass sein<br />
Verfasser beteiligt war, als am 12. April 1922 Kaufleute – unter<br />
ihnen Arthur Darboven vom gleichnamigen Kaffeeunternehmen,<br />
Professoren und Studenten den Verein Hamburger Studentenleben<br />
gründeten. Mit einem Arbeitsvermittlungsamt, einem Wohnungsamt,<br />
einer Darlehenskasse, einer Altbüchervermittlung und<br />
Mittagstischen. Wer wegen Krankheit oder einer Kriegsverletzung<br />
nicht arbeiten konnte, erhielt sein Essen kostenlos.<br />
Ein Jahrhundert später ist das Hamburger Studierendenwerk<br />
aus der Hansestadt nicht mehr wegzudenken. Der Verein hat sich<br />
zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen mit fast 600 Mitarbeitern<br />
entwickelt. Mit 13 Mensen, 21 Cafés und Café-Shops,<br />
zwei Pizzerien, 26 Wohnanlagen mit 4 400 Plätzen in Zimmern und<br />
in Apartments.<br />
Garant für Bildungsgerechtigkeit<br />
Nur 600 Studenten erhielten nach Kriegsende<br />
Aufenthaltsrecht<br />
Nachhaltig wohnen<br />
Hamburg nahm fast nur noch Menschen auf, die für den Wiederaufbau<br />
Das Studierendenwerk gebraucht wurden. hat Neben das Thema gebürtigen Nachhaltigkeit Hamburgern<br />
erhielten auch zunächst beim Thema nur Wohnen etwa 600 immer auswärtige im Blick. Studierende Bei Sanierungen<br />
wurden – mit Wohnanlagen klaren Auflagen: mit neuen „Studenten, energetischen die für die<br />
ein<br />
Aufenthaltsrecht<br />
Zeit Fenstern ihres Studiums ausgestattet eine Aufenthaltsgenehmigung und die Elektrotechnik sowie für Wasserleitungen<br />
[dürfen] keinen und Heizungen Raum bewohnen, nach neuesten der größer Standards als acht Qua-<br />
Hamburg<br />
haben,<br />
dratmeter ausgetauscht. ist.“ In den Wohnanlagen Hammerbrook,<br />
Und Grandweg doch klagte und niemand. Kiwittsmoor Zu groß entstand war die eine Freude, Solarfläche überhaupt<br />
ein Dach von insgesamt über dem Kopf rund zu 260 haben, Quadratmetern über das Ende als des Quelle Krieges erneuerbarer<br />
Energie. das auch den Verein Hamburger Studentenle-<br />
und<br />
des Nazi-Regimes,<br />
ben gleichgeschaltet Einige Wohnanlagen hatte. 1952 verfügen wurde über der eine wiedergegründete<br />
Brennwertheizung,<br />
in Studentenwerk bei der Abgase e.V. umbenannt, zur Wärmeerzeugung seit 1976 ist genutzt das Unter-<br />
Verein<br />
nehmen werden. eine In Anstalt der Wohnanlage des Öffentlichen Kiwittsmoor Rechts. wird mit Pellets<br />
geheizt. In der Wohnanlage Rudolf-Laun-Haus wurde<br />
zusätzlich zur Brennwertheizung ein Blockheizkraftwerk<br />
installiert.<br />
Neue Wohnanlagen wie etwa das Helmut-Schmidt-<br />
Studierendenhaus werden in der Regel nach Passivhausstandards<br />
gebaut. Die 250 Quadratmeter große Dachbegrünung<br />
bietet Lebensraum für Insekten und lädt<br />
BewohnerInnen zum Relaxen ein. Versiegelte Flächen<br />
werden wie in der Wohnanlage in Rahlstedt nach und<br />
nach in Grünflächen verwandelt, um mehr natürlichen<br />
Lebensraum für Biene, Vogel und Co. zu schaffen.
68<br />
<strong>VNW</strong><br />
Die Wohnbedürfnisse änderten sich<br />
Die nächsten Jahrzehnte spiegelten die sich ändernden Wohnbedürfnisse<br />
in Hamburg wider. Im 1960 fertiggestellten Emil-Wolff-<br />
Haus in Othmarschen gab es erstmals private Badezimmer statt<br />
Etagenduschen. Anfang der 1970er Jahre mietete das Studentenwerk<br />
leerstehende Gebäude und Wohnungen bis zu ihrem Abbruch<br />
an, um Studenten einzuquartieren.<br />
Zugleich wagte das Studentenwerk neue Wege bei der<br />
Wohnheim-Konzeption. In der 1976 fertiggestellten Wohnanlage<br />
Kiwittsmoor lebten erstmals 273 Studenten in Wohngemeinschaften,<br />
zwei bis vier Studenten teilten sich eine Wohneinheit<br />
mit eigener Küche und einem Waschbereich.<br />
Der Druck bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum stieg<br />
immer weiter. Studenten aus dem Ausland, die es bei der Quartiersuche<br />
naturgemäß noch schwerer haben, half das Unternehmen<br />
mit Quotenregelungen. Mittlerweile kommt fast jeder zweite<br />
Bewohner aus dem Ausland, im Wintersemester 2020 / 21 waren<br />
es 2 068 Studenten aus 96 Nationen.<br />
2 000 zusätzliche Wohnplätze bis 2030<br />
Die Weichen für die Zukunft stellt das Unternehmen, 2005 in Studierendenwerk<br />
umbenannt, mit dem Masterplan Wohnen. „Mit<br />
diesem Plan wollen wir bis 2030 rund 2 000 neue Wohnplätze<br />
schaffen“, sagt Jürgen Allemeyer, Geschäftsführer des Studierendenwerks.<br />
So würden junge Menschen unterstützt und ermutigt,<br />
in die Hansestadt zu kommen: „Das ist gut für unsere Stadt, ihre<br />
Hochschulen und Unternehmen.“ Das Finanzvolumen liegt bei<br />
220 Millionen Euro. Auch vielen Auszubildenden bietet das Studierendenwerk<br />
nunmehr eine Heimat.<br />
Die Herausforderungen sind groß, zumal das Unternehmen<br />
konsequent auf Nachhaltigkeit setzt. „Klimaschonende Maßnahmen<br />
im Bau kosten Geld und können zu höheren Mieten und<br />
nicht ausreichender Wirtschaftlichkeit führen. Wir haben uns<br />
dennoch zu einem Paradigmenwechsel entschieden. Wo immer<br />
möglich, folgen wir dem ökologischen Weg und setzen Finanzierungsfragen<br />
auf die zweite Priorität“, sagt Allemeyer. Als beispielhaft<br />
für diesen Kurs gilt das 2018 eröffnete Helmut-Schmidt-<br />
Studierendenhaus in der HafenCity mit 128 Plätzen, errichtet als<br />
Passivhaus mit besonders umweltfreundlichen Baustoffen.<br />
Im Elbbrückenquartier, im östlichen Teil der Hamburger<br />
HafenCity, entsteht in den kommenden Jahren das nächste wegweisende<br />
Bau- und Wohnprojekt des Studierendenwerks: In einem<br />
achtgeschossigen Hochhaus – im Erd- und im Untergeschoss<br />
wird mit dem Hamburger Digital Art Museum Europas erstes<br />
digitales Museum einziehen – werden über 360 Studenten und<br />
Auszubildende in einer nachhaltig und umweltbewusst gebauten<br />
Wohnanlage ein Zuhause zu fairen Mietpreisen finden. Inklusive<br />
Dachterrasse und einem grünen Innenhof mit Gemeinschaftsgarten.<br />
h<br />
PETER WENIG<br />
Der Journalist und Autor Peter<br />
Wenig (60) beschäftigt sich seit<br />
Jahren mit Wohnungspolitik<br />
sowie dem Gesundheitswesen.<br />
Für das Hamburger Abendblatt<br />
schrieb er das Buch „Der große<br />
Hamburger Pflegeratgeber“.
69<br />
„Ohne das Studierendenwerk wäre<br />
der Wissenschaftsstandort Hamburg<br />
nicht zu seiner heutigen Stärke und<br />
Vielfalt herangewachsen.“<br />
f
70 <strong>VNW</strong><br />
In der Nachbarschaft<br />
der Trave<br />
2017 starteten vier <strong>VNW</strong>-Unternehmen in Lübeck-Travemünde das<br />
Bauprojekt „Wohnen am Baggersand“. Die ersten Mieterinnen und<br />
Mieter werden Ende kommenden Jahres einziehen können.<br />
Doch schon jetzt stapeln sich die Bewerbungen.<br />
VON OLIVER SCHIRG<br />
Lübeck. Die Hansestadt Lübeck ist ein Sehnsuchtsort. In den vergangenen<br />
zehn Jahren sei die Zahl der Einwohner um rund 8 000<br />
auf etwas mehr als 220 000 Ende vergangenen Jahres gestiegen,<br />
geht aus einer offiziellen Statistik hervor. Zwar wird in der Hansestadt<br />
viel gebaut. Dennoch überwiegt die Nachfrage nach wie vor<br />
das Angebot.<br />
Vor allem halbwegs bezahlbare Wohnungen sind knapp – und<br />
entsprechend begehrt. Die Polizistin, der Krankenpfleger oder die<br />
Verkäuferin: Sie alle verdienen gut, aber bei weitem nicht so viel,<br />
dass es für eine monatliche Spitzenmiete reicht. Angesichts der<br />
unruhigen Zeiten sind große Gehaltssprünge auch in der nächsten<br />
Zeit nicht zu erwarten.<br />
Deshalb verwundert die Ungeduld wenig, mit der Lübeckerinnen<br />
und Lübecker auf die Fertigstellung von in Bau befindlichen<br />
Wohnungen warten. „Bei unserem Bauprojekt ‚Wohnen am Baggersand‘<br />
haben allein wir bereits mehr als 750 Anfragen“, berichtet<br />
Heike Heickmann, Sprecherin der LÜBECKER BAUVEREIN eG.<br />
Dabei errichtet die Genossenschaft im Rahmen des Projekts in<br />
Travemünde lediglich 86 Wohnungen. „Das Interesse ist riesengroß“,<br />
sagt Heickmann. Nicht nur wegen der unmittelbaren Nähe<br />
zur Trave, die hier eine kapitale Rechtskurve beschreibt, ehe sie<br />
wenige hundert Meter später in die Ostsee mündet.<br />
Fast alle Tiefgaragen und Kellergeschosse<br />
sind schon fertig<br />
Wer ein Drohnenfoto von Anfang März dieses Jahres betrachtet,<br />
kann den Fortschritt des Bauprojekts „Wohnen am Baggersand“<br />
gut erkennen. Sechs Baukräne ragen in die Höhe. Zu ihren „Füßen“<br />
sind quadratische Betonflächen und erste Anfänge von<br />
Hochbauten zu erkennen.<br />
„Die Tiefgaragen und Kellerbereiche aller vier beteiligten Wohnungsunternehmen<br />
sind zu 90 Prozent fertig“, sagt Olaf Saager<br />
vom LÜBECKER BAUVEREIN, der das Bauprojekt koordiniert. „Die<br />
letzte Decke für unsere Tiefgaragen dürfte Ende April, Anfang Mai<br />
fertiggestellt sein.“<br />
Der LÜBECKER BAUVEREIN ist sozusagen der Erste unter Gleichen<br />
und koordiniert das Projekt. 2017 hatten sich vier <strong>VNW</strong>-<br />
Unternehmen zu einer Bauherrengemeinschaft zusammengetan
71<br />
und das 20 000 Quadratmeter große Grundstück „Am Baggersand“<br />
gekauft. Neben der LÜBECKER BAUVEREIN eG sind das<br />
die NEUE LÜBECKER Norddeutsche Baugenossenschaft eG, die<br />
Grundstücks-Gesellschaft TRAVE mbH und die Vereinigte Baugenossenschaften<br />
Lübeck eG.<br />
Früher waren hier Industrieunternehmen angesiedelt. Zudem<br />
prägte ein großer Parkplatz das Bild. Künftig werden hier 254 Mietwohnungen<br />
unterschiedlichster „Preisklasse“ stehen. „Geplant<br />
sind freifinanzierte und Wohnungen im ersten sowie im zweiten<br />
Förderweg“, sagt Christine Koretzky, Bauvereins-Vorständin und<br />
fügt hinzu: „Wir haben die von der Stadt geforderten 15 Prozent<br />
an Sozialwohnungen auf knapp 30 Prozent erhöht.“<br />
Frei finanziert für 13 bis 14 Euro pro Quadratmeter<br />
Während die Mieten der öffentlich geförderten Wohnungen gesetzlich<br />
auf 6,10 Euro beziehungsweise acht Euro pro Quadratmeter<br />
festgelegt sind, rechnet Christine Koretzky im freifinanzierten<br />
Bereich mit einer monatlichen Nettokaltmiete zwischen 13 und 14<br />
Euro pro Quadratmeter.<br />
„Angesichts der jüngsten Preissteigerungen bei den Baustoffen<br />
liegen wir damit noch gut“, sagt sie, räumt aber zugleich ein:<br />
„Da ist kein Spiel nach oben mehr, weshalb wir den Neubau künftig<br />
wohl hintenanstellen werden.“<br />
Die Gründe liegen auf der Hand. Zum einen können selbst<br />
halbwegs gut Verdienende eine Monatsmiete von jenseits der 14<br />
Euro pro Quadratmeter nicht stemmen. Zum anderen lassen sich<br />
derart große Preisunterschiede innerhalb eines Quartiers beim besten<br />
Willen nicht mehr erklären.<br />
„Hier am Baggersand schauen wir bei jeder einzelnen Wohnung,<br />
welcher Preis passt“, sagt Christine Koretzky. „Die Wohnungen<br />
mit Dachterrasse und Blick auf die Trave werden natürlich entsprechend<br />
teurer sein.“ Dennoch besteht die Hoffnung, dass ein<br />
buntes, durchmischtes Quartier für Familien, Singles, Paare und<br />
Senioren entsteht.<br />
Ende kommenden Jahres sollen<br />
die ersten Mieter einziehen<br />
Noch ist es nicht soweit. „Die Errichtung der ersten Hochbauten<br />
der anderen Wohnungsunternehmen ist bereits gestartet“, berichtet<br />
Olaf Saager. „Gebaut wird von Ost nach West, sodass wir<br />
im April mit den Gebäuden des Bauvereins beginnen werden.“<br />
Der Projektkoordinator rechnet damit, dass Ende des kommenden<br />
Jahres die ersten Mieterinnen und Mieter einziehen können. „Die<br />
Gebäude desLÜBECKER BAUVEREINS werden im ersten Quartal<br />
2024 fertig sein.“<br />
So schön die Nähe zur Trave für die künftigen Bewohnerinnen<br />
und Bewohner sein wird, so herausfordernd ist sie für die Bauunternehmen.<br />
„Wir mussten beispielsweise über 560 Meter eine<br />
Spundwand errichten, um das Wasser der Trave aus dem Baubereich<br />
herauszuhalten“, sagt Saager.<br />
Die Bodenplatten der Gebäude seien ebenfalls deutlich dicker<br />
als bei einem normalen Bau: 70 statt 20 Zentimeter. Um Überraschungen<br />
und damit verbundene Bauverzögerungen zu vermeiden,<br />
arbeitet man mit einem Unternehmen zusammen, das ständig<br />
die Pegelstände beobachtet und – wenn Gefahr im Verzug<br />
ist – Alarm schlägt.<br />
Materialpreise sind um bis zu 30 Prozent gestiegen<br />
„Wenn man wassernah baut, wird es natürlich teurer“, sagt Olaf<br />
Saager. Bislang sei man im vorgegebenen Kostenrahmen geblieben,<br />
auch habe es keine Probleme mit den Lieferketten gegeben.<br />
Beim Blick in die Zukunft wird Vorständin Christine Koretzky allerdings<br />
vorsichtig. „Die Materialpreise sind um 15 bis 30 Prozent<br />
gestiegen“, berichtet sie. „Bei Ausschreibungen reagieren die<br />
Bauunternehmen unsicher und sträuben sich, Preise zu garantieren.“<br />
Das macht das Bauen kompliziert, selbst wenn man ein paar<br />
„Puffer“ in der Hinterhand hat.<br />
Alles in allem wirkt Christine Koretzky dennoch zufrieden mit<br />
dem Stand der Dinge am Baggersand. Rund 70 Millionen Euro<br />
werden die vier Wohnungsunternehmen am Ende in das Projekt<br />
investiert haben. Und wenn in ein paar Jahren zufriedene Mieterinnen<br />
und Mieter hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben<br />
werden, dann wird es heißen: Jeder hier investierte Euro war es<br />
wert. h
aus aus Gas<br />
und Öl<br />
<strong>VNW</strong><br />
Russlands Krieg gegen die Ukraine befeuert die Diskussion, wie sich<br />
Deutschland von Importen fossiler Brennstoffe befreien kann. Dabei<br />
spielt die Erdwärme bisher eine untergeordnete Rolle. Zu Unrecht,<br />
wie ein Beispiel in Neustadt-Glewe zeigt.<br />
VON IRIS LEITHOLD
73<br />
Neustadt-Glewe. Unscheinbarer kannein<br />
Heizwerk kaum aussehen: Der zweistöckige<br />
Gebäude-Würfel am Stadtrand von<br />
Neustadt-Glewe wird von einem halbrunden<br />
Glasvorbau aufgelockert. Zwei Autos<br />
stehen auf dem Parkplatz. Kein Monteur<br />
ist zu sehen, Rauch steigt auch nicht auf.<br />
Und doch werden von hier aus 60 Prozent<br />
der Haushalte der rund 6 500 Einwohner<br />
zählenden Kleinstadt im Landkreis<br />
Ludwigslust-Parchim mit Wärme versorgt,<br />
außerdem ein Gewerbegebiet und eine<br />
Algenfarm, wie der Geschäftsführer der<br />
Erdwärme Neustadt-Glewe GmbH, Torsten<br />
Hinrichs, sagt.<br />
Die Wärme kommt aus knapp 2,5<br />
Kilometern Tiefe. Seit 1995 wird das<br />
sehr salzhaltige, knapp 100 Grad heiße<br />
Thermalwasser zum Heizwerk herauf<br />
gepumpt. Dort wird in Wärmetauschern<br />
der Sole Wärme entzogen und damit das<br />
Heizwasser erhitzt. Über ein Fernwärmenetz<br />
gelangt es in die angeschlossenen<br />
Haushalte und Betriebe.<br />
400 Gigawattstunden Wärme<br />
Eine Digitaltafel an der Fassade des Erdwärmeheizwerks<br />
zählt: Rund 15 Millionen<br />
Kubikmeter Thermalsole wurden demnach<br />
bislang in Neustadt-Glewe gefördert,<br />
mehr als 400 Gigawattstunden Wärme<br />
geliefert und damit gut 117 000 Tonnen<br />
Kohlendioxid eingespart. Neustadt-Glewes<br />
Bürgermeisterin Doreen Radelow<br />
(SPD) ist darüber sehr glücklich. „Sicher ist<br />
es im Aufbau nicht die billigste Variante,<br />
dennoch ist es für mich erstaunlich, dass<br />
das Thema Erdwärme nicht verbreiteter<br />
ist“, sagt sie.<br />
Die geologischen Bedingungen zur<br />
Nutzung der Geothermie sind in der Norddeutschen<br />
Tiefebene und damit in Mecklenburg-Vorpommern<br />
günstig, heißt es aus<br />
dem Schweriner Wirtschaftsministerium.<br />
„Sie lassen fast flächendeckend in einer<br />
Tiefe von 1 000 bis 2 500 Meter die energetische<br />
Nutzung thermaler Wasser zu.“<br />
Allerdings sind die anfänglichen Investitionskosten<br />
für die sogenannte Tiefe<br />
Geothermie sehr hoch, während der laufende<br />
Betrieb dann als günstig gilt – das<br />
heiße Wasser kostet ja nichts. „In den<br />
vergangenen 30 Jahren hatte fast jede<br />
Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern<br />
einen Erlaubnisantrag zur Erkundung von<br />
Erdwärme im tieferen Untergrund beim<br />
Bergamt gestellt“, sagt der Sprecher des<br />
Wirtschaftsministeriums, Gunnar Bauer.<br />
Die Erlaubnisse seien erteilt worden. Doch<br />
genutzt wird der Energie-Schatz bis heute<br />
nur vereinzelt.<br />
f
74 <strong>VNW</strong><br />
Hohe Anfangskosten<br />
Als Grund gelten die hohen Anfangskosten.<br />
Zunächst müssen Erkundungsbohrungen<br />
gesetzt werden, um herauszufinden,<br />
ob am gewünschten Standort das heiße<br />
Wasser in der Tiefe gut erreichbar ist, sagt<br />
Hinrichs. Dann müssen zwei Bohrungen<br />
angelegt werden – eine, in der das Wasser<br />
nach oben befördert wird, und etwa 1,5<br />
Kilometer entfernt eine zweite, in der das<br />
genutzte Wasser wieder in die Tiefe fließt.<br />
Vom Projektstart bis zur Inbetriebnahme<br />
dauere es mindestens drei Jahre,<br />
so Hinrichs. Für die aktuelle Debatte, wie<br />
Deutschland sich schnell von russischen<br />
Erdgas-Importen lösen kann, sei die Tiefe<br />
Geothermie deshalb nicht geeignet. Wohl<br />
aber für Wärmeversorger, die langfristig<br />
auf erneuerbare Quellen umstellen wollen.<br />
Die Preise für die Verbraucher in Neustadt-<br />
Glewe seien marktgerecht und stabil.<br />
In Mecklenburg-Vorpommern wird Tiefe<br />
Geothermie nach Angaben des Wirtschaftsministeriums<br />
bislang in Neubrandenburg,<br />
Waren an der Müritz und<br />
Neustadt-Glewe genutzt. Bei den Stadtwerken<br />
Schwerin soll demnach Ende <strong>2022</strong><br />
eine Anlage den Betrieb aufnehmen. Das<br />
Projekt sei über die Klimaschutzförderrichtlinie<br />
der EU mit 9,2 Millionen Euro gefördert<br />
worden. Weitere Vorhaben gebe<br />
es zum Beispiel in Karlshagen auf Usedom<br />
sowie im Raum Friedland und Anklam.<br />
Tiefengeothermie wird<br />
kaum genutzt<br />
Nach Angaben des Umweltbundesamtes<br />
betrug der Anteil der Tiefengeothermie<br />
am gesamten Wärme-Endenergieverbrauch<br />
in Deutschland im Jahr 2020 nur<br />
rund 0,1 Prozent. Etwas verbreiterter sind<br />
demnach Wärmepumpen, die oberflächennahe<br />
Geothermie nutzen. Damit ergebe<br />
sich ein Anteil von 0,8 Prozent.<br />
Forscher von Helmholtz-Zentren und<br />
Fraunhofer-Instituten sprechen der Tiefengeothermie<br />
ein deutlich größeres Potenzial<br />
zu. Rund ein Viertel des jährlichen<br />
deutschen Wärmebedarfes könnte aus<br />
ihrer Sicht damit gedeckt werden. Sie<br />
sind sicher: „Ohne Geothermie wird eine<br />
Dekarbonisierung des Wärmesektors in<br />
Deutschland nicht möglich sein.“<br />
Um das Ziel zu erreichen, fordern die<br />
Forscher in einem im Februar veröffentlichten<br />
Strategiepapier klare Ausbauziele für<br />
Erdwärme, die großflächige geologische<br />
Erkundung, Investitionen in Schlüsseltechnologien<br />
sowie einen Fachkräfteaufbau.<br />
Stadtwerke müssten bei der Erschließung<br />
unterstützt werden. h<br />
Geothermale Wasser<br />
als Chance<br />
Der Wärmesektor macht 56 Prozent des deutschen Energiebedarfs<br />
aus. Lediglich 15 Prozent der Wärme werden<br />
derzeit regenerativ erzeugt. Die Geothermie könnte einen<br />
großen Beitrag zur Wärmewende leisten. Großes Potenzial<br />
haben hydrothermale Reservoirs. Das sind thermalwasserführende<br />
Gesteine in Tiefenlagen zwischen 400 Metern und<br />
5 000 Metern.<br />
Geothermale Wasser können bei Temperaturen zwischen<br />
15 und 180 Grad Celsius aus derart tiefen Brunnen-<br />
bohrungen gefördert werden. Sie sind jahres- und tageszeitenunabhängig<br />
verfügbar und lassen sich insbesondere für<br />
Nah- und Fernwärme sowie für Niedrigtemperaturprozesse<br />
in der Industrie nutzen. Die Technologie ist ausgereift und<br />
kommt seit Jahrzehnten in vielen europäischen Städten zur<br />
Anwendung, etwa in Paris und München.<br />
Die hydrothermale Geothermie – kombiniert mit Großwärmepumpen<br />
– als Wärmequelle für Fernwärmenetze<br />
könnte rund ein Viertel des Gesamtwärmebedarfes Deutschlands<br />
decken. Das sind theoretisch rund 300 Terawattstunden<br />
Jahresarbeit bei 70 Gigawatt installierter Leistung. Im<br />
Jahr 2020 lieferten bundesweit 42 Anlagen 359 Megawatt<br />
installierte Wärmeleistung und 45 Megawatt elektrische<br />
Leistung. h
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76 <strong>VNW</strong><br />
Das Versprechen einer<br />
solidarischen Gesellschaft<br />
Seit mehr als 120 Jahren gibt es in Norddeutschland Wohnungsbaugenossenschaften.<br />
Am 2. Juli, dem Tag der Genossenschaften, warben diese für die Idee der Selbstbestimmung und<br />
Selbsthilfe. Das <strong>VNW</strong>-<strong>Magazin</strong> sprach mit Alexandra Chrobok, Vorstand des Eisenbahnbauvereins<br />
Harburg (EBV) und Vorsitzende des Vereins Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften.<br />
VON OLIVER SCHIRG<br />
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78<br />
magazin: Was macht ein genossenschaftliches Wohnungsunternehmen<br />
aus?<br />
Alexandra Chrobok: Das besondere Verhältnis zu seinen<br />
Mitgliedern. Formal sind die Menschen, die in unseren<br />
Wohnungen leben, Mieterin oder Mieter. Zugleich gehören<br />
ihnen die Wohnungen und sie sind in letzter Instanz<br />
diejenigen, die bestimmen können. Auch wenn viele das<br />
so nicht sehen.<br />
magazin: Warum nicht? Ist die genossenschaftliche Idee aus der<br />
Zeit gefallen?<br />
Chrobok: Das glaube ich nicht. Umfragen belegen, dass<br />
Menschen die Gemeinschaft der Vereinzelung vorziehen<br />
und dass Gemeinsinn hoch im Kurs steht. Wenn es konkret<br />
wird, sind es jedoch eher wenige, die sich aktiv einbringen.<br />
magazin: Woran liegt das?<br />
Chrobok: Letztlich ist eine Genossenschaft das Spiegelbild<br />
unserer Gesellschaft.<br />
magazin: In der jeder nur an sich denkt?<br />
Chrobok: So weit würde ich nicht gehen. Ich erlebe<br />
schon, dass sich Menschen in unseren Wohnanlagen umeinander<br />
kümmern und füreinander da sind. Aber es gibt<br />
eben auch Mitglieder, die sich lediglich als Mieterin oder<br />
Mieter verstehen. Geht etwas kaputt, gibt es Ärger mit<br />
den Nachbarn oder funktioniert etwas nicht, rufen sie in<br />
der Geschäftsstelle oder beim Hausmeister an. Sie fragen<br />
(sich) nicht, ob sie das Problem möglicherweise selbst lösen<br />
könnten.<br />
magazin: Woran liegt das?<br />
Chrobok: Üblicherweise suchen die Menschen ihresgleichen<br />
und verbringen Zeit mit ihnen: vom Alter her, im<br />
Freundeskreis, beim Sport, bei der Arbeit. Sie entscheiden<br />
selbst, zu welcher Gruppe in der Gesellschaft sie gehören<br />
wollen – und zu welcher nicht. Beim Wohnen kommen<br />
diese unterschiedlichen Gruppen wie im Brennspiegel zusammen.<br />
magazin: … und leben aneinander vorbei?<br />
Chrobok: Das nicht, aber sie müssen die Art ihres Zusammenlebens<br />
„aushandeln“. Ein Kinderspielplatz im<br />
Hof wird von einer Familie mit Kindern anders bewertet<br />
<strong>VNW</strong><br />
als von einem Rentnerehepaar. Junge Menschen wiederum<br />
haben einen anderen Lebensrhythmus als berufstätige<br />
Eltern. „Die Tür hinter sich zuschließen“ bedeutet für einen<br />
alleinlebenden älteren Mann etwas anderes als für die<br />
Geschäftsführerin, die den ganzen Tag auf Achse ist. Ich<br />
glaube, Genossenschaften sind ein Anker, der die Fliehkräfte<br />
unserer modernen Gesellschaft im Zaume hält.<br />
magazin: Ohne die würde unsere Gesellschaft auseinanderfliegen?<br />
Chrobok: Ich will die genossenschaftliche Idee nicht überfrachten.<br />
Aber sie erinnert uns daran, dass wir Menschen<br />
soziale Wesen sind und bei allem Streben nach Selbstverwirklichung<br />
nur in der Gemeinschaft (über-)leben können.<br />
Wir brauchen einander, auch wenn wir uns dessen<br />
manchmal nicht bewusst sind. Zudem ist eine Genossenschaft<br />
eine zutiefst demokratische Einrichtung. Jedes Mitglied<br />
hat eine Stimme: egal ob reich oder arm, jung oder<br />
alt, Frau oder Mann.<br />
magazin: Also das, wofür viele Menschen auf der Welt kämpfen.<br />
Chrobok: Genossenschaften sind das Versprechen einer<br />
solidarischen Gesellschaft. Niemand muss bei uns Angst<br />
vor einer Kündigung wegen Eigenbedarf oder vor einer<br />
massiven Mietsteigerung haben. Ja, auch wir müssen am<br />
Ende eines Wirtschaftsjahres eine schwarze Null schreiben.<br />
Aber im Mittelpunkt unserer Arbeit steht eben nicht<br />
die Erwirtschaftung einer Maximalrendite für Einzelne.<br />
Das, was am Ende übrigbleibt, kommt allen zugute.<br />
magazin: Die genossenschaftliche Idee lebt davon, dass die Mitglieder<br />
sich einbringen. Was bedeutet das für Sie als Chefin?<br />
Chrobok: Die Mieterinnen und Mieter können mitbestimmen.<br />
Das führt manchmal zu einem längeren Ringen um<br />
die beste Lösung. Als Vorstand schlagen zwei Seelen in<br />
meiner Brust: einerseits will ich einen Kompromiss, der<br />
möglichst viele Menschen zufriedenstellt. Andererseits<br />
muss ich Entscheidungen treffen, die dem einen oder anderen<br />
nicht gefallen.<br />
magazin: Reden die Mitglieder aus Ihrer Sicht ausreichend mit?<br />
Chrobok: Es sind oftmals ältere Menschen, die sich aktiv<br />
einbringen. Das mag an der Sozialisation der 1960er und<br />
1970er Jahre, aber auch an der jeweiligen Lebenssituation<br />
liegen. Jüngere Menschen, die Familie und Arbeit unter<br />
einen Hut bringen müssen, sind da möglicherweise etwas<br />
passiver. Ich verstehe das, finde es dennoch bedauerlich.<br />
Als Mitbesitzer trägt man Mitverantwortung. Das sollte<br />
auch unseren jüngeren Mitgliedern bewusst sein.<br />
magazin: In den Satzungen von Genossenschaften ist der Bau bezahlbarer<br />
Wohnungen verankert. Können Sie heute in einer Stadt<br />
wie Hamburg diesem Satzungsauftrag noch gerecht werden?<br />
Chrobok: Wenn ich jetzt neu bauen wollte und kein eigenes<br />
Grundstück habe, müsste ich am Ende eine Neubauwohnung<br />
für eine monatliche Netto-Kaltmiete von mindestens<br />
18 bis 19 Euro pro Quadratmeter vermieten. Das<br />
würde ich nicht als bezahlbar bezeichnen. Nein: Das Ende<br />
der Fahnenstange ist erreicht.<br />
Der Eisenbahnbauverein Harburg (EBV) besitzt rund 3 200<br />
Wohnungen und zählt rund 5 000 Mitglieder. h
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<strong>VNW</strong><br />
„Wir tragen den<br />
Genossenschaftsgedanken<br />
in die Welt“<br />
VON FRAUKE MAASS<br />
Die DESWOS ist ein von der Wohnungswirtschaft<br />
gegründeter gemeinnütziger<br />
Verein, der Entwicklungshilfe in Lateinamerika,<br />
Afrika und Asien leistet.<br />
Aktuell kämpft er mit großen finanziellen<br />
Schwierigkeiten – durch Corona und den<br />
Krieg in der Ukraine.
81<br />
Aktuell ist die Situation schwierig<br />
Hamburg. 30 kleine Häuser und Sanitäranlagen sowie eine kleine<br />
Ackerfläche für Christen in Pakistan, die dort als Minderheit jahrelang<br />
ausgegrenzt, obdachlos oder in nahezu fensterlosen Hütten<br />
gelebt haben.<br />
Ein Speisesaal für die Flüchtlingssiedlung Kyangwali in Uganda,<br />
damit 800 Schulkinder während des Mittagessens nicht unter einem<br />
Baum und einem einfachen Holzunterstand Schutz vor Regen<br />
und Hitze finden, sondern unter einem festen Dach ihre warme<br />
Mahlzeit einnehmen können.<br />
Oder der Bau eines Vorschulgebäudes und eines Pavillons mit<br />
mehreren Klassenzimmern in Santa Cruz / Nicaragua, um für Bildung<br />
der Kinder und damit langfristig für wirtschaftliche Sicherheit<br />
der Menschen dort zu sorgen.<br />
Das sind nur drei Projekte von mittlerweile mehr als 400, die die<br />
Deutsche Entwicklungshilfe für soziales Wohnungs- und Siedlungswesen<br />
e.V., kurz DESWOS, seit ihrer Gründung durch die<br />
Wohnungswirtschaft im Jahr 1969 zusammen mit lokalen gemeinnützigen<br />
Partnerorganisationen in Lateinamerika, Afrika und Asien<br />
angeschoben und unterstützt hat.<br />
„Aktuell sind wir in einer schwierigen Situation“, gesteht der Geschäftsführer.<br />
Erst hat die Corona-Pandemie für ein deutliches Minus<br />
in der Spendenkasse gesorgt, weil viele Charity Events, bei<br />
denen traditionell Geld gesammelt wird, ausfallen mussten. Jetzt<br />
ist es der Ukraine-Krieg, der dem Verein große Sorgen bereitet.<br />
„Es ist gut und richtig, dass viele unserer Mitgliedsunternehmen<br />
für die Flüchtlinge aus der Ukraine spenden, aber darüber<br />
sollten sie nicht unsere Projekte vergessen, die auch weitergeführt<br />
werden müssen“, erinnert Clever. Rund 15 bis 20 Projekte laufen<br />
in der Regel gleichzeitig.<br />
Es geht um Heimat<br />
„Wir schaffen Heimat – weltweit“ ist für die Organisation mehr als<br />
nur ein Motto, es ist ihre Leitlinie, ihr Ziel gemäß Artikel 25 (1) der<br />
allgemeinen Menschenrechte. „Die DESWOS ist eine der wenigen<br />
Institutionen, die die Idee des sozialen Wohnungsbaus in die Welt<br />
hinausträgt“, sagt Winfried Clever. Seit 22 Jahren ist der 65-Jährige<br />
bei der DESWOS. 17 Jahre lang hat er Projekte in Afrika und<br />
Lateinamerika begleitet, bevor er Geschäftsführer geworden ist.<br />
Das Herz des gelernten Architekten schlägt für Haus- und Siedlungsbau,<br />
und er hat die Zielsetzung des Vereins mit viel Engagement<br />
und Herzblut in den vergangenen vier Jahren vorangetrieben.<br />
„Haus- und Siedlungsbau sind die nachhaltigsten Themen,<br />
die es zu bewältigen gibt", sagt er.<br />
Dass Menschen ein Dach über dem Kopf haben und über<br />
Sanitäranlagen verfügen, seien existenzielle Notwendigkeiten und<br />
hätten einen großen Effekt für die Menschen, die damit erreicht<br />
werden. „Wir wollen einen sicheren Ort für die Menschen in den<br />
Ländern schaffen, um ihre Situation zu stabilisieren“, sagt Clever.<br />
Mal handelt es sich um kleinere Projekte, die durch Spenden<br />
finanziert werden können, mal sind es große Projekte mit einem<br />
Investitionsvolumen von mehreren Hunderttausend Euro, die zu<br />
75 Prozent durch Bundesmittel und zu 25 Prozent aus Eigenmitteln<br />
finanziert werden. Egal wie man es dreht und wendet –<br />
der Verein könne nur bestehen, wenn die Finanzierung gesichert<br />
sei – das betreffe die laufenden Projekte ebenso wie die Verwaltung,<br />
konstatiert Clever.<br />
Zu den großen Projekten zählt aktuell der Wiederaufbau und Neubau<br />
von Häusern für Menschen in Ecuador, die vor zehn Jahren<br />
ihre Häuser durch einen Vulkanausbruch verloren haben. „Wir<br />
wollen ihnen ermöglichen, wieder ein Dach über dem Kopf und<br />
vor allem in der Nähe ihrer Arbeit zu haben“, sagt Johanna Drach.<br />
Die 40-Jährige ist seit einem Jahr bei der DESWOS und wird<br />
Winfried Clever zum 1. Juli als Geschäftsführer ablösen. Vor wenigen<br />
Wochen hat sie sich ein Bild vor Ort gemacht. „Es ist ein<br />
klassisches Habitat-Projekt, das vier zentrale Komponenten beinhaltet“,<br />
erläutert sie.<br />
Einsatz für die Ärmsten der Armen<br />
Hausbau, die Ausbildung von Maurern in einem dualen System,<br />
die landwirtschaftliche Unterstützung der Menschen, damit sie im<br />
Anlegen von Gärten geschult werden. Und zuletzt soll auch der<br />
Tourismus in der Bergregion gefördert werden.<br />
„Es sind in der Regel die ärmsten der Armen, für die wir uns<br />
einsetzen, und wir achten darauf, dass wir Minderheiten als erstes<br />
in die Projekte holen“, sagt Clever und weist auf ein weiteres<br />
aktuelles Projekt in Juba, Südsudan, hin, in dem ebenfalls bessere<br />
Lebensbedingungen für geflüchtete und bedürftige Familien geschaffen<br />
werden.<br />
„Es geht uns nicht um kurzfristige Hilfe. Wir helfen den Menschen<br />
nachhaltig, indem wir sie dabei unterstützen, sich langfristig<br />
selbst helfen zu können“, erläutert Clever den Gedanken, der hinter<br />
allen DESWOS-Projekten steht.<br />
Rund 650 Unternehmen von insgesamt 3 000, die im Bundesverband<br />
deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW<br />
organisiert sind, sind Mitglied in der verbandseigenen Spendenorganisation.<br />
Hinzu kommen rund 200 private Mitglieder.<br />
f
82 <strong>VNW</strong><br />
Für die DESWOS zählt jeder Cent<br />
„Im Jahr haben wir einen Spendenumsatz von rund 600 000 Euro<br />
plus 450 000 Euro an Mitgliedsbeiträgen und 600 000 Euro an<br />
Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung“, sagt Johanna Drach.<br />
„Der Krieg sorgt auch in unseren Projekt-Ländern für Preissteigerungen,<br />
aber noch viel schwerer wiegt der Hunger durch das<br />
fehlende Getreide aus Russland und der Ukraine“, erläutert Clever.<br />
„Es ist schrecklich zu sehen, dass Menschen wieder in großem<br />
Umfang Hunger leiden müssen durch diesen Krieg!“<br />
Projekte würden sich verzögern und teurer, was sich im Budget<br />
der einzelnen Baustellen niederschlage. Winfried Clever appelliert<br />
daher an die Unternehmen, bei all der Hilfe, die sie verständlicherweise<br />
aktuell leisten – sei es für die Ukraine-Flüchtlinge oder für<br />
lokale Projekte – die DESWOS nicht zu vergessen und an die, die<br />
noch nicht Mitglied sind, dem Verein beizutreten. „Die Mitgliedsbeiträge<br />
sind moderat, aber für uns zählt jeder Cent“, betont<br />
Johanna Drach. h<br />
MATTHIAS SASS<br />
Vorstand Allgemeine Deutsche Schiffszimmerer-<br />
Genossenschaft eG<br />
„Die DESWOS unterstützt weltweit Menschen<br />
dabei, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.<br />
Sie leistet Hilfe zur Selbsthilfe und nimmt damit<br />
unser genossenschaftliches Prinzip auf. Mitglieder<br />
der DESWOS sorgen mit ihren Beiträgen dafür,<br />
dass alle Spenden ohne Abzüge in Bauprojekte<br />
fließen. Notleidende Familien in Asien, Afrika<br />
und Zentralamerika bauen sich damit ein<br />
eigenes Dach über dem Kopf.“<br />
UTA MECKERT<br />
Vorstand Torgelower Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft eG<br />
„Wohnen ist ein Grundbedürfnis für jeden Menschen, welches mit Projekten<br />
der DESWOS in Entwicklungsländern ermöglicht werden kann. Jede Spende ist<br />
hilfreich und bringt die Umsetzung der Maßnahmen voran.“<br />
WILFRIED PAHL<br />
Vorstand Baugenossenschaft<br />
Mittelholstein eG<br />
„Es ist ein Alleinstellungsmerkmal, auf das unsere Branche stolz sein kann. Seit über 50 Jahren<br />
arbeitet die DESWOS daran, die Lebensverhältnisse und Existenzgrundlagen in den Projektländern<br />
zu verbessern. Dabei geht es über den Bau von Wohnungen hinaus um Bildungsmaßnahmen,<br />
hygienische Verbesserungen und medizinische Versorgung. Mit relativ geringen Mitteln und<br />
kreativen Projekten kann vor Ort viel bewegt werden. Helfen Sie mit, ob als Spender oder Mitglied.“
83<br />
DESWOS In aller Kürze<br />
Die Deutsche Entwicklungshilfe für soziales Wohnungs- und Siedlungswesen DESWOS<br />
wurde am 17. November 1969 von sozial orientierten Wohnungsgenossenschaften und<br />
-gesellschaften, die dem GdW angehören, sowie von Privatpersonen gegründet.<br />
Das Ziel war, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten für bedürftige Menschen beim Bau von<br />
Wohnraum und bei der<br />
Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz, entsprechend dem Artikel 25 (1) der allgemeinen<br />
Erklärung der Menschenrechte. Die Projekte werden in Kooperation mit lo kalen<br />
gemeinnützigen Organisationen der Zivilgesellschaft in Afrika, Asien und Lateinamerika<br />
durchgeführt.<br />
Bislang sind 410 Projekte in mehr als 50 Partnerländern abgeschlossen. 61 Millionen<br />
Euro flossen in diese Projekte. Es wurden davon 37 000 Gebäude (Wohnraum und Gemeinschaftseinrichtungen)<br />
gebaut. Rund eine Viertelmillion Menschen profitieren bisher<br />
von den Maßnahmen.<br />
Die DESWOS hat 850 Mitglieder, davon sind 200 Privatpersonen. Der Mitgliedsbeitrag<br />
beträgt pro Jahr für eine Privatperson 75 Euro, für ein Unternehmen 660 Euro. Es gibt<br />
darüber hinaus einen Förderverein, Mitglieder zahlen 5 000 Euro pro Jahr.<br />
Spenden sind immer willkommen. Mehrere Events im Jahr bieten die Gelegenheit, sich<br />
über die Aktivitäten der DESWOS zu informieren und zu spenden. Weitere Informationen<br />
unter www.deswos.de.<br />
„Wir wollen ihnen ermöglichen, wieder ein<br />
Dach über dem Kopf und vor allem in der<br />
Nähe ihrer Arbeit zu haben.“<br />
JOHANNA DRACH<br />
„Die DESWOS ist eine der wenigen<br />
Institutionen, die die Idee des sozialen<br />
Wohnungsbaus in die Welt hinausträgt.“<br />
WINFRIED CLEVER<br />
FRAUKE MAASS<br />
ist Journalistin in Hamburg. Während<br />
ihrer Tätigkeit als Reiseredakteurin hat sie<br />
viele Länder bereist und dabei ihr Interesse<br />
für die unterschiedlichsten Wohnformen<br />
entdeckt. Heute gehören Themen aus der<br />
Wohnungsbaubranche und Architektur<br />
zu ihren inhaltlichen Schwerpunkten.
84 <strong>VNW</strong><br />
Blaupause<br />
für andere Unternehmen?<br />
Michael Pischke<br />
Die Rostocker Baugenossenschaft Neptun eG geht in Lütten Klein bei<br />
der Sanierung eines Plattenbaus aus den 1960er Jahren neue Wege.<br />
Durch „Anbauten“ werden die Grundrisse der Wohnungen verändert.<br />
VON OLIVER SCHIRG
85<br />
Rostock. Was 2,50 Meter ausmachen können. Wer in der Küche<br />
steht, merkt sofort den „Komfort der Größe“. Mehr Platz, mehr<br />
Luft, mehr Bewegungsfreiheit. Da, wo früher das Küchenfenster<br />
war, ist die Wand herausgenommen worden. Von außen haben<br />
Bauarbeiter ein quadratisches Betonelement „angeflanscht“ und<br />
so die Mauer um 2,50 Meter nach außen „verschoben“. Auch auf<br />
der anderen Gebäudeseite sorgt der Anbau von Erkern für mehr<br />
Platz in einer Wohnung.<br />
Michael Pischke ist Technischer Prokurist der Rostocker Baugenossenschaft<br />
Neptun. Er führt den Besucher durch den im Jahr<br />
1968 errichteten Plattenbau in der Helsinkier Straße in Rostock<br />
Lütten Klein. Fünf Eingänge hat der fünfstöckige, lang gezogene<br />
Block. Die führen zu insgesamt 100 Wohnungen. Jetzt sieht der<br />
größte Teil des Gebäudes trostlos grau aus. Die Bauarbeiten sind<br />
in vollem Gange.<br />
Wer eintritt, durchschreitet vielleicht vier, fünf Meter, ehe sich<br />
das Treppenhaus nach links und rechts in zwei Stränge teilt. Von<br />
dort geht es – entweder mit dem Aufzug oder auf einer Treppe –<br />
in die einzelnen Etagen. In jedem Stockwerk gibt es vier Wohnungen<br />
– jeweils zwei mit zwei Zimmern und zwei mit drei Zimmern.<br />
Immer wieder begegnen wir Bauarbeitern. Hämmern und Bohren<br />
ist im gesamten Gebäude zu hören.<br />
Begehrte Wohnungen – auch heute noch<br />
Die Wohnungen in den Plattenbauten sind auch heute noch begehrt.<br />
Zum einen, weil Otto-Normal-Verbraucher sie bezahlen<br />
kann. Zum anderen, weil die Wohngebäude auch mehr als 50 Jahre<br />
nach ihrer Errichtung in ihrer Substanz intakt sind. „Die damals<br />
verbauten Fertigteile sind von hoher Qualität“, sagt Michael Pischke.<br />
„Zugleich wurde schon damals vorausschauend gedacht.“ Er<br />
zeigt auf eine freigelegte Platte und deren drei Schichten. „Acht<br />
Zentimeter Dämmung wurden damals eingebaut.“<br />
Die DDR-Plattenbauten, darin sind sich viele Experten einig,<br />
sind viel zu schade, um abgerissen zu werden. Oft haben sie die<br />
erste Sanierungswelle in den 1990er Jahren gut überstanden:<br />
neue Fenster, Dämmung von außen, sanierte Dächer, aufgehübschte<br />
Eingänge und Hausflure bis hin zu neuen Küchen und<br />
Bädern.<br />
Aber da ist noch etwas. Angesichts der aktuellen Debatte<br />
über den Klimaschutz haben die Plattenbauten einen unschätzbaren<br />
Vorteil gegenüber neu zu errichtenden Wohngebäuden:<br />
Ihre Klimabilanz – betrachtet man die gesamte Lebensdauer – ist<br />
deutlich besser.<br />
Das liegt daran, dass der größte Teil der Kohlendioxidemission<br />
eines Wohngebäudes am Anfang bei seiner Errichtung anfällt. Je<br />
länger ein Haus steht, desto geringer wird die Emission. Klar ist:<br />
Die sogenannte „graue“ Energie wird bei der Betrachtung von<br />
Wohngebäuden künftig eine größere Rolle spielen.<br />
f
86<br />
<strong>VNW</strong><br />
Bislang spielte diese bei der Bewertung der Energiebilanz von<br />
Wohngebäuden eine untergeordnete Rolle. Auch deshalb war es<br />
in der Regel günstiger, ein altes Gebäude abzureißen und ein neues<br />
zu errichten. So konnten – vereinfacht betrachtet – die gestiegenen<br />
Ansprüche der Mieterinnen und Mieter an moderne Wohnungsgrundrisse<br />
genauso befriedigt werden wie die verschärften<br />
Klimaschutzanforderungen des Staates.<br />
Nun ist zu erwarten, dass Sanierung und Modernisierung<br />
bestehender Wohngebäude künftig Vorrang vor dem Neubau<br />
haben werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat bereits<br />
angekündigt, dass die öffentliche Förderung auf die Sanierung<br />
von Bestandsgebäuden konzentriert werde. Das gilt auch<br />
für die vielen Plattenbauten, die in den sechziger, siebziger und<br />
achtziger Jahren errichtet wurden.<br />
Die Menschen wollen mehr Wohnfläche<br />
Ina Liebing<br />
Was den Zustand der Gebäude angeht, dürfte das – wie oben<br />
beschrieben – machbar sein. Ein Problem schien sich bislang allerdings<br />
nicht ohne größeren Aufwand lösen lassen. Die Grundrisse<br />
der Wohnungen konnten nur in engen Grenzen verändert<br />
werden. Zwar wurden Wohnungen zusammengelegt, auch gern<br />
über zwei Etagen. Wohnungen mit deutlich größeren Zimmern<br />
jedoch entstanden, wenn auch in überschaubarer Zahl, zumeist<br />
nur durch Aufstockung.<br />
Michael Pischke führt den Besucher in die zweite Etage und<br />
öffnet eine Tür. Die Außenwände sind zwar schon entfernt, aber<br />
der Grundriss der Wohnung ist noch alt: zwei kleine Zimmer, eine<br />
schmale Küche, die über einen Durchgang durch Bad und Toilette<br />
zu erreichen ist. Als der Wohnblock vor gut 50 Jahren gebaut<br />
wurde, war das der „letzte Schrei“. Eine Neubauwohnung war<br />
einem „Sechser im Lotto“ vergleichbar.<br />
Inzwischen gilt „Klein, aber mein“ nicht mehr. Heutige Mieterinnen<br />
und Mieter wollen oftmals zwar nicht umziehen, haben<br />
aber höhere Ansprüche als früher. Mehr Platz im Bad für eine<br />
Dusche, mehr Platz in der Küche. Wer das Rentenalter erreicht<br />
hat, freut sich, wenn der Fahrstuhl ihn in den vierten oder fünften<br />
Stock bringt. Die Folge: Seit 1991 ist in Deutschland die durchschnittliche<br />
Wohnfläche pro Person von 34,9 Quadratmeter auf<br />
inzwischen 47,4 Quadratmeter gestiegen.<br />
„Wir hätten die Gebäude ohnehin sanieren müssen“, sagt Michael<br />
Pischke, während er die Tür zu einer weiteren Wohnung öffnet.<br />
Hier kann man die Zukunft erahnen. Die Küche ist größer und<br />
die von außen angesetzte Loggia schon teilweise verglast. Vor ein<br />
paar Jahren hätte man die alten Plattenbauten abgerissen. „Aber<br />
wer kann sich das angesichts der explodierenden Baupreise noch<br />
leisten?“ Entscheidend ist daher, dass die „Erweiterungsmodule“<br />
vorgefertigt angeliefert werden. Wer vor dem Gebäude steht,<br />
kann die „Quader“ erkennen.<br />
„Die Menschen wollen mehr Platz in der eigenen Wohnung<br />
und dem wollen wir gerecht werden“, sagt Ina Liebing, Vorstand<br />
der Baugenossenschaft Neptun. „Zudem wollen wir zeigen, dass<br />
so ein ‚Umbau‘ von Plattenbauten finanziell machbar ist, dass also<br />
die Mieten, die später genommen werden müssen, bezahlbar bleiben.“<br />
Ina Liebing ist zwar angesichts der gestiegenen Baupreise<br />
vorsichtig, aber dennoch optimistisch, dass man in der Helsinkier<br />
Straße dieses Ziel erreichen wird. „Wir werden am Ende wohl bei<br />
elf bis zwölf Euro pro Quadratmeter netto-kalt landen.“<br />
Rund 1 850 Quadratmeter Wohnfläche werde man am Ende<br />
durch das Erweitern der Wohnungen und durch Aufstocken gewinnen,<br />
sagt Michael Pischke. Zwölf Wohnungen werde es mehr<br />
geben, ergänzt Ina Liebing. Die Genossenschaft investiere rund<br />
15 Millionen Euro in das Projekt. „Wir verstehen das Ganze als<br />
eine Art Test.“ Sollte sich das Projekt am Ende rechnen, könnte<br />
die Helsinkier Straße nicht nur eine Blaupause für andere Gebäude<br />
der Neptun eG, sondern auch für andere Genossenschaften<br />
werden.<br />
Eine Blaupause für andere Wohnungsunternehmen?<br />
Darauf setzt auch <strong>VNW</strong>-Direktor Andreas Breitner. „Das, was die<br />
Baugenossenschaft Neptun in Rostock derzeit umsetzt, ist beispielhaft“,<br />
sagt er und fügt hinzu: „Bei dem innovativen Vorgehen<br />
werden die Grundrisse von Wohnungen den Wünschen heutiger<br />
Mieterinnen und Mieter entsprechend angepasst. Das ist gut<br />
für die Umwelt und hilft, bezahlbaren Wohnraum für die Zukunft<br />
zu sichern.“<br />
Sorgen darüber, dass die „neuen“ Wohnungen schwer an<br />
die Frau oder den Mann zu bringen sind, hat Ina Liebing nicht.<br />
„Einige Mieterinnen und Mieter können es gar nicht abwarten,<br />
einzuziehen.“ Ende kommenden Jahres sollen die Umbauarbeiten<br />
fertig sein. In Zeiten, in denen Wissenschaft und Politik darüber<br />
klagen, dass gut verdienende Bürger der „Platte“ den Rücken<br />
kehren, sind derartig attraktive Wohnungen ein Pfund, mit dem<br />
die Genossenschaft wuchern kann.<br />
Bei den Rostockerinnen und Rostockern kommen die Umbauarbeiten<br />
der Genossenschaft gut an. „Das sollte Schule machen.<br />
Bezahlbarer Wohnraum ist sehr, sehr wichtig“, zitiert die Ostsee-<br />
Zeitung eine Leserin. Und eine andere meint: „Wenn die Balkone<br />
und Dächer noch mit Grünpflanzen bestückt würden, wäre es<br />
total rund.“ h
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<strong>VNW</strong><br />
„Viele stecken<br />
schon im<br />
Berufsleben“<br />
Seit mehr als zwölf Jahren gibt es am<br />
Standort des <strong>VNW</strong> in Hamburg ein<br />
EBZ-Studienzentrum. Die Corona-<br />
Pandemie hat das Interesse an einem<br />
Studium in der Nähe von Wohn- und<br />
Arbeitsplatz verstärkt. Das <strong>VNW</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> sprach mit Campusleiter<br />
Roland Keich.<br />
VON OLIVER SCHIRG<br />
Roland Keich ist akademischer Campusleiter<br />
der EBZ Business School Campus Hamburg.<br />
magazin: Warum braucht es einen EBZ-Campus in Hamburg?<br />
Roland Keich: Das Europäische Bildungszentrum der Wohnungs-<br />
und Immobilienwirtschaft (EBZ) wird auf Bundesebene<br />
von den wohnwirtschaftlichen Verbänden über eine Stiftung<br />
getragen und ist im Norden sehr eng mit dem Verband norddeutscher<br />
Wohnungsunternehmen (<strong>VNW</strong>) verbunden. Wir<br />
haben bereits vor zwölf Jahren erkannt, dass es aufgrund der<br />
Nähe zur Wohnungswirtschaft sinnvoll ist, hier ein Studienzentrum<br />
zu entwickeln.<br />
magazin: Was heißt „besondere Nähe“ zur Wohnungswirtschaft?<br />
Keich: Es gibt in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-<br />
Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und<br />
Bremen viele Wohnungsunternehmen, von denen eine Reihe<br />
von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am traditionellen EBZ-<br />
Bildungszentrum in Bochum ihr Studium absolvierten. Da lag<br />
es nah, im Norden Flagge zu zeigen und einen Studienort zu<br />
schaffen.
89<br />
magazin: Ist der Hamburger Abschluss eines Studiums der Immobilienwirtschaft<br />
mit dem Bochumer Abschluss vergleichbar?<br />
Keich: Unbedingt. Die Abschlüsse sind gleichwertig, die<br />
Professorinnen und Professoren reisen übrigens alle nach<br />
Hamburg. Bochum ist der Hochschulsitz. In Hamburg können<br />
Studentinnen und Studenten aus Norddeutschland in<br />
Präsenz studieren.<br />
magazin: Reicht Bochum als Studienstandort nicht aus?<br />
Keich: Für Menschen, die berufsbegleitend studieren,<br />
ist es einfacher und besser, in Hamburg einen Studienort<br />
zu haben. Zudem können wir mehr junge Leute für ein<br />
Studium interessieren, wenn das Angebot möglichst nah<br />
vor Ort besteht. „Unsere“ Studentinnen und Studenten<br />
gehen überwiegend einem gewöhnlichen Beruf mit all<br />
seinen alltäglichen Erfordernissen nach. Viele sind deshalb<br />
ganz froh, beispielsweise Fahrzeiten zu reduzieren.<br />
magazin: Wodurch unterscheiden sich Bochum und Hamburg?<br />
Keich: Wie gesagt: An beiden Orten kann man Immobilienwirtschaft<br />
studieren und einen Abschluss erlangen.<br />
In Bochum hat sich mehr das Vollzeitstudium etabliert, in<br />
Hamburg das berufsbegleitende Studium. Es zeigt sich<br />
außerdem zunehmend, dass junge Menschen gern montags<br />
bis donnerstags „Freiraum“ für Arbeit, Lernen oder<br />
andere Aktivitäten haben wollen und das Wochenende,<br />
also Freitag und Sonnabend, ihrem Studium widmen, da<br />
erweitert sich unser Interessentenkreis aus der #NextGen.<br />
magazin: Wodurch unterscheiden sich die Studentinnen und Studenten<br />
in Bochum und Hamburg?<br />
Keich: Der Standort Bochum ist durch ein klassisches<br />
Campusleben mit vielen Studentinnen und Studenten<br />
geprägt. Es gibt mehrere Unigebäude, eine Mensa, eine<br />
große Bibliothek plus die EBZ-Akademie und die InWIS als<br />
Forschungsinstitut. Das „klassische“ Campusstudium von<br />
montags bis freitags spricht vor allem Abiturienten an, die<br />
gerade die Schule beendet haben und am Anfang ihres<br />
Berufslebens stehen. In Hamburg stecken viele unserer<br />
Studentinnen und Studenten schon im Berufsleben, haben<br />
Familie, befinden sich also in einer anderen Lebensphase.<br />
magazin: Welches Modell hat eine Zukunft?<br />
Keich: Vermutlich beide Modelle. Allerdings erleben wir<br />
auf Bildungsmessen vermehrt, dass junge Menschen gezielt<br />
nach dem „Hamburger“ Modell fragen. Sie wollen<br />
zwar an einer Immobilienhochschule studieren, aber schon<br />
während des Studiums praktische Erfahrungen sammeln.<br />
Das aber geht am besten in einem Unternehmen, dazu<br />
bauen wir auch die Kooperation mit Unternehmen aus,<br />
was für diese wiederum unter Recruitingaspekten hoch<br />
interessant ist.<br />
Keich: Wir haben Vollzeitstudentinnen und Vollzeitstudenten,<br />
die noch nie den Campus besucht haben.<br />
Während der Pandemie wurde überwiegend Onlinelehre<br />
angeboten. Sie müssen ein Campusleben erst einmal entdecken.<br />
magazin: Kommen die Studenten jetzt, also nach der Pandemie,<br />
zurück?<br />
Keich: Lehre und Wissenschaft hängen stark mit dem Dialog<br />
von Menschen zusammen. Die Präsenzlehre in den<br />
Räumen, also der Austausch untereinander, ist das Fundament.<br />
Andererseits sind die Menschen immer digitaler<br />
geworden. Moderne Studenten erwarten neben dem Präsenzunterricht<br />
digitale Angebote.<br />
magazin: Wie bekommen Sie diesen Spagat hin?<br />
Keich: Unser Präsenzunterricht wird zugleich live gestreamt.<br />
Die Studentin und der Student können entscheiden,<br />
ob sie zum Beispiel am Freitagnachmittag hier nach<br />
Hamburg-Langenhorn in den Seminarraum kommen oder<br />
ob sie die Vorlesung – von wo auch immer – am Computer<br />
verfolgen.<br />
magazin: Funktioniert das?<br />
Keich: Das entscheiden die Studentinnen und Studenten<br />
selbst. Aber eines ist natürlich klar: eine Teilnahme am Präsenzunterricht<br />
ist unmittelbarer. Sie können ihre Nachbarin<br />
und ihren Nachbarn direkt ansprechen und die Dozenten<br />
bzw. Dozentinnen viel konkreter erleben. Wenn man eine<br />
Vorlesung am Computer verfolgt, ist man eher Zuschauer<br />
und Zuhörer. Dennoch halte ich die „Präsenz+“-Vorlesung<br />
für den richtigen Weg.<br />
magazin: Warum?<br />
Keich: Die Onlineteilnahme ist eine angenehme „Rückfalloption“<br />
für jene, die nicht vor Ort dabei sein können<br />
– vielleicht, weil sie wegen irgendetwas auf der Arbeit<br />
daran gehindert wurden. Wir ermöglichen zudem ein größeres<br />
Maß an Flexibilität. Ein Student kann beispielsweise<br />
sagen, er schaffe es am Freitag nicht, werde aber am<br />
Sonnabend bei der Vorlesung in Hamburg dabei sein. Am<br />
Ende kommt es darauf an, dass wir unseren Studentinnen<br />
und Studenten die besten Möglichkeiten bieten, Wissen<br />
zu erwerben.<br />
f<br />
magazin: Wie viele Studentinnen und Studenten zählen Sie derzeit<br />
in Hamburg?<br />
Keich: Rund 100. Das schwankt immer ein wenig. Insgesamt<br />
studieren an der EBZ rund 1200 Menschen.<br />
magazin: Wie hat sich das Studium infolge der Corona-Pandemie<br />
verändert?
90<br />
magazin: Als Student muss ich vorher nicht Bescheid geben?<br />
Keich: Alle Beteiligten lernen noch, wie man mit den verschiedenen<br />
Formaten umgeht. Wenn ein Kurs wünscht,<br />
dass eine spezielle Vorlesung ausschließlich online stattfinden<br />
soll, dann organisieren wir das. Andererseits erleben<br />
wir auch, dass die Studentinnen und Studenten sagen,<br />
nein, für diese Vorlesung und für dieses Seminar wollen<br />
wir uns im Studienzentrum treffen.<br />
magazin: Online bedeutet also, dass eine Vorlesung gestreamt<br />
wird?<br />
Keich: Das wäre in der Tat zu wenig. „Online“ heißt auch,<br />
dass alle Bildungsinhalte digital in unserem System vorliegen<br />
und jede Studentin und jeder Student darauf zugreifen<br />
kann und die Organisation des Studiums in unserem<br />
System EMMI erfolgt. Zudem ist das EBZ nicht nur<br />
Vorlesungslieferant, sondern ermöglicht den Austausch<br />
von Wissen – und zwar in unterschiedlichen Formaten<br />
bis hin zum digitalen Kaminabend. Unsere Studentinnen<br />
und Studenten können beispielsweise auch losgelöst von<br />
klassischen Sprechzeiten ihre Dozenten kontaktieren – per<br />
Videocall oder über die Chatfunktion. Das geht natürlich<br />
auch untereinander, beispielsweise bei der Bildung von<br />
Lerngruppen im Internet.<br />
magazin: Was ist das Besondere am EBZ-Campus Hamburg?<br />
Keich: Sicherlich die Nähe zu den Unternehmen. Viele<br />
Studentinnen und Studenten arbeiten und bringen praktische<br />
Erfahrungen ein. Das ist manchmal auch für die<br />
Professoren herausfordernd. Zudem ist der EBZ-Campus<br />
Hamburg überschaubar klein und ermöglicht so Nähe zur<br />
Verwaltung und zu den Dozenten. Es gibt hier weniger<br />
Anonymität. Pro Kurs zählen wir zwischen zehn und 20<br />
Studentinnen und Studenten. Das fördert den direkten<br />
Kontakt untereinander.<br />
<strong>VNW</strong><br />
magazin: Reicht das Engagement der Unternehmen für den<br />
Campus Hamburg?<br />
Keich: Durch die Förderung von 28 Unternehmen haben<br />
wir hier neu eine Stiftungsprofessur Wohnungswirtschaft<br />
und die akademische Campusleitung, auch mit kräftiger<br />
Unterstützung vom <strong>VNW</strong>. Hinzu kommt ein starker Bezug<br />
zum Alltag von Wohnungsunternehmen. Natürlich wünsche<br />
ich mir, dass gestandene Führungskräfte häufiger als<br />
bisher am Hamburg-Campus auftreten, beispielsweise mit<br />
einem Gastvortrag – oder dass unsere Seminargruppen<br />
häufiger Unternehmen besuchen und Projekte besichtigen<br />
können. Das hat Corona erschwert, ist aber jetzt wieder<br />
möglich und wir starten hierzu den Dialog mit der Immobilienwirtschaft.<br />
magazin: Wie kommt der Umbau des Hamburger EBZ-Campus<br />
voran?<br />
Keich: Wir sind natürlich an das bestehende Gebäude<br />
gebunden, haben aber die Seminarräume u.a. frisch gestrichen.<br />
Veränderung soll auch sichtbar werden. Entscheidend<br />
wird sein, ob es uns gelingt, den Campus zu einem<br />
Ort des Dialogs und des Zusammenkommens zu machen.<br />
Ein Vorlesungsraum muss mehr sein als ein Beamer und<br />
ein Schreibtisch. Wir haben – natürlich im Rahmen des<br />
Möglichen – einen Raum für Begegnung geschaffen, mit<br />
Fußballkicker, gemütlichen Stühlen und der Möglichkeit,<br />
ins Gespräch zu kommen.<br />
magazin: Was ändert sich in diesem Jahr an der Lehre in<br />
Hamburg?<br />
Keich: Zum Wintersemester starten zwei neue Studiengänge:<br />
der Bachelorstudiengang „Digitalisierung und<br />
Immobilienmanagement“ und der Masterstudiengang<br />
„Projektentwicklung“. Damit werden in Hamburg – zusammen<br />
mit dem Bachelor- und Masterstudiengang „Real<br />
Estate Management“ – vier Studiengänge angeboten.<br />
magazin: Studium ist das eine, das Studentenleben das andere …<br />
Keich: Wir sind bescheiden und werden sicher dem Campusleben<br />
in Bochum keine Konkurrenz machen. Aber wir<br />
planen integrierte Formate wie beispielsweise „Pizza und<br />
Diskussion“. Einmal im Monat, an einem Sonnabend,<br />
nutzen wir die Mittagspause, laden einen interessanten<br />
Gesprächspartner ein und spendieren Pizza. Wir hoffen,<br />
dass die Studentinnen und Studenten, losgelöst von den<br />
Seminaren, direkt mit Praktikern und Experten aus der<br />
Wohnungswirtschaft ins Gespräch kommen. Im Winter ist<br />
Fußball-WM, da lässt sich bestimmt ein Fußballkickerturnier<br />
ins Leben rufen, gern mit den Unternehmen und dem<br />
<strong>VNW</strong> zusammen. Generell wünsche ich mir, dass wir nach<br />
der Lockdownzeit der Corona-Pandemie wieder mehr am<br />
Campus zusammenkommen. Ideen sind da von allen herzlich<br />
willkommen. h
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<strong>VNW</strong><br />
Impressum <strong>Sonderausgabe</strong>_09.<strong>2022</strong><br />
HERAUSGEBER<br />
Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.<br />
Hamburg – Mecklenburg-Vorpommern – Schleswig-Holstein<br />
Andreas Breitner<br />
Verbandsdirektor<br />
040 520 11- 215 | E-Mail: breitner@vnw.de<br />
WP/StB Gerhard Viemann<br />
Direktor für den Prüfungsdienst<br />
040 520 11- 240 | E-Mail: viemann@vnw.de<br />
WP/StB/RA Jürgen Wendlandt<br />
Stellv. Direktor für den Prüfungsdienst<br />
040 520 11- 275 | E-Mail: wendlandt@vnw.de<br />
Andreas Daferner<br />
Bildung<br />
040 520 11- 218 | E-Mail: daferner@vnw.de<br />
Dr. Peter Hitpaß<br />
Wohnungswirtschaft, Betriebskosten- und<br />
Medienrecht<br />
0385 489 37 - 503 | E-Mail: hitpass@vnw.de<br />
Christoph Kostka<br />
Geschäftsführung<br />
<strong>VNW</strong> Landesverband Schleswig-Holstein<br />
040 520 11- 225 | E-Mail: kostka@vnw.de<br />
Steffen Laser<br />
Geschäftsführung<br />
<strong>VNW</strong> Landesverband Mecklenburg-Vorpommern<br />
0385 489 37 - 501 | E-Mail: laser@vnw.de<br />
RA Dr. Kai Mediger<br />
Recht, Genossenschaften und Quartiersentwicklung<br />
040 520 11- 238 | E-Mail: Mediger@vnw.de<br />
Petra Memmler<br />
Geschäftsführung <strong>VNW</strong> Landesverband Hamburg<br />
Technik und Energie<br />
040 520 11- 230 | E-Mail: memmler@vnw.de<br />
Nicola Olivier<br />
Datenschutz<br />
040 520 11 221 | Mail: olivier@vnw.de<br />
Andreas Thal<br />
Stellvertreter des Verbandsdirektors und Verwaltung<br />
040 520 11- 204 | E-Mail: thal@vnw.de<br />
REDAKTION<br />
Oliver Schirg<br />
Verantwortlich im Sinne des Presserechts<br />
040 520 11- 226 | E-Mail: schirg@vnw.de<br />
ANZEIGEN<br />
Katja Schirg<br />
040 520 11-216 | E-Mail: muentzel@vnw.de<br />
GESTALTUNG<br />
hungerundkoch.com<br />
0511 51 99 46 - 00<br />
DRUCK<br />
QUBUS media GmbH<br />
Beckstraße 10 | 30457 Hannover<br />
Mehr Informationen über den <strong>VNW</strong> finden Sie<br />
im Internet unter www.vnw.de<br />
Bildnachweise<br />
Titelbild: Axel Born; S. 2: Bertold Fabricius/<strong>VNW</strong>; S. 4 und 10: Axel Born; S. 5-9: Grafik/hungerundkoch; S. 10: BVE; S. 12, 14, 15: Bertold Fabricius/<strong>VNW</strong>;<br />
S. 16, 17: BVE; S. 18, 19: SPRINT break; 20: Wankendorfer Baugenossenschaft für Schleswig-Holstein eG, Vodafone; S. 21: SPRINT break; S. 24: : Guido<br />
Kirchner/dpa; S.25: Guido Kirchner/dpa, Karl-Josef Hildendbrand/dpa; S. 26: Karl-Josef Hildendbrand/dpa; S.28-30: Bertold Fabricius/<strong>VNW</strong>; S. 32:<br />
IWB.2050; S. 33: Walter Vorjohann; S. 36: Bertold Fabricius, S. 38: privat (4); S. 40: Stefan Sauer/dpa (5); S. 42-43: Bertold Fabricius, S. 44: Bertold<br />
Fabricius; S. 45: Drachenbau (1); Bertold Fabricius (2); S. 46, 47: Bertold Fabricius (4), privat (1); S. 51, 52: Grafik: Bundesamt für Strahlenschutz; S. 59,<br />
60: Bertold Fabricius; S. 61: privat; S. 64: IPROconsult Dresden&Greifswald (2); S. 66: Georg Hana für Heide & von Beckerath; S. 67: Studierendenwerk<br />
Hamburg; S. 68: privat; S. 68, 69: Studierendenwerk Hamburg; S. 70, 71: Lübecker Bauverein, Friedrich Schütt + Sohn Baugesellschaft; S. 72: deserttrends/AdobeStock,<br />
Dirk Schumann/AdobeStock; S. 73: honzakrej/AdobeStock, Dirk Schumann/AdobeStock; S. 74: Dirk Schumann/AdobeStock; S. 76,<br />
78: Bertold Fabricius/<strong>VNW</strong>; S. 80: DESWOS; S. 81: Baugenossenschaft Mittelholstein eG; S. 82: Allgemeine Deutsche Schiffszimmerer-Genossenschaft eG,<br />
<strong>VNW</strong>, Baugenossenschaft Mittelholstein eG; S. 83: privat; S. 84-86: Bertold Fabricius; S. 88-90: Bertold Fabricius;
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LandesverbandNord*<br />
Ansprechpartner:JörgPrecht<br />
Tel.0407344176-510<br />
E-Mail:joerg.precht@johanniter.de<br />
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