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BANGERANG Herbst 2022

Tipps für den Schulstart, Theater für Kinder, Kinderfeste, Ausflugstipps in und um Hamburg, Was unternehme ich in und um Hamburg

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Schulstart<br />

Lernen - unter Druck?<br />

Auch den Familien wird viel abverlangt<br />

Die Gründe dafür scheinen auf der Hand zu<br />

liegen: verkürzte Schuljahre, dadurch erhöhter<br />

Lernaufwand, gestiegene Leistungsanforderungen<br />

in der Gesellschaft („Ohne Abi kannst<br />

du heute nichts mehr werden“). Viele Kinder<br />

stehen unter einem großen Druck – auffälliges<br />

Verhalten in jeglicher Hinsicht kann dabei ein<br />

Zeichen von Überforderung, ein Hilferuf, sein.<br />

Dabei sind nicht nur die Ansprüche<br />

an die Kinder enorm, der ganzen Familie<br />

wird in Sachen Schule einiges<br />

abverlangt. Eltern befinden sich heute<br />

oftmals in einem tiefen Zwiespalt.<br />

Sie sollen fördern, aber nicht zu viel<br />

fordern. Sie sollen nicht helikoptern,<br />

aber im hektischen Alltag zwischen<br />

Arbeit und Haushalt ihre Kids pädagogisch bei<br />

Bedarf jederzeit unterstützen. Sie sind gefangen<br />

in einer Mühle, geprägt von politischen<br />

Verordnungen und neue Kategorien in Sachen<br />

Lernstandards. Der Erfolgsdruck in der Schule<br />

müsse kritisch hinterfragt werden, betonte vor<br />

einiger Zeit zum Beispiel der „Deutsche Kinderschutzbund“<br />

(DKSB).„Wir müssen endlich aufhören,<br />

bereits bei Neun- bis Zehnjährigen die<br />

Weichen für das gesamte weitere Leben zu<br />

stellen. Dann können wir den Kindern nicht nur<br />

viel Stress ersparen, sondern auch ihre Potenziale<br />

besser entwickeln. Alle internationalen<br />

Studien zeigen, dass die leistungsschwächeren<br />

Kinder in ihren Lernständen profitieren, ohne<br />

dass die Leistungsstärkeren Nachteile haben<br />

müssen.“<br />

Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo<br />

Überhaupt – was heißt das eigentlich, „leistungsschwächer“?<br />

Ist das nicht oft nur eine<br />

Momentaufnahme? Jeder Mensch entwickelt<br />

sich nach seinem höchst individuellen Tempo.<br />

Der eine ist in einem Bereich eine Regionalbahn,<br />

der andere ein Intercity und der dritte<br />

vielleicht ein ICE. Doch das wird Kindern heute<br />

immer weniger zugestanden. „Das wächst sich<br />

aus“, war früher mal so ein Satz, den man heute<br />

immer seltener hört. Hinzu kommen die individuellen<br />

Stärken und Schwächen. Muss jeder<br />

wirklich gleich gut rechnen können? Darf man<br />

nicht auch etwas nicht so gut können?<br />

Wird „pathologisiert“?<br />

Tatsächlich sind manche Experten der Meinung,<br />

dass Verhaltensauffälligkeiten oder psychische<br />

Störungen in den vergangenen Jahren<br />

nicht zugenommen haben, sondern einfach<br />

häufiger diagnostiziert werden. Das kann verschiedene<br />

Gründe<br />

haben. Es<br />

werde<br />

zunehmend<br />

„pathologisiert“,<br />

sind sich manche Experten sicher. Dr.<br />

Michael Hauch, seit fast 40 Jahren Kinderarzt,<br />

hat ein Buch darüber verfasst. In „Kindheit ist<br />

keine Krankheit“ beschreibt er, wie normale<br />

Kinder mit unnötigen Tests zu Patienten gemacht<br />

werden. „Jede noch so banale Auffälligkeit<br />

sehen wir als riesengroßes Problem und<br />

machen daraus einen medizinischen Fall“,<br />

schreibt er. Klar, für alles existieren Normen: U-<br />

Untersuchungen, Schuleingangsuntersuchungen,<br />

PISA-Tests, Bewertungsbögen... Bei Abweichungen<br />

von diesen Normen, zum Beispiel<br />

motorisch oder sprachlich, gibt es Ratschläge<br />

von allen Seiten, egal ob von anderen Eltern,<br />

Erziehern oder Lehrern. „Die Anspruchshaltung<br />

ist gestiegen“, sagt Michael Hauch dazu. Es werden<br />

schnell Therapien vorgeschlagen, die wiederum<br />

auch psychischen Stress beim Kind erzeugen<br />

können. Die Botschaft, die beim<br />

Nachwuchs ankommen könnte: Offenbar bin<br />

ich nicht gut so, wie ich bin.<br />

„Kindern emotionale<br />

Stabilität und<br />

Selbstvertrauen<br />

vermitteln<br />

Faktenlage erschütternd<br />

Der Mediziner Jörg Bätzing, der sich mit dem<br />

Thema psychische Störungen bei Kindern und<br />

Jugendlichen intensiv auseinandergesetzt hat,<br />

gibt Positiveres zu bedenken: Auch die zunehmende<br />

Sensibilisierung für eine gesunde psychische<br />

Entwicklung von Kindern und Jugendlichen<br />

und der offenere Umgang mit<br />

Störungen könnten die Zunahme der Diagnosehäufigkeit<br />

erklären. Trotzdem, die Faktenlage<br />

ist erschütternd. Was macht man denn jetzt<br />

damit? Wie können wir für unsere Kinder eine<br />

Lernumgebung schaffen, in der ihre Gesundheit<br />

in jeglicher Hinsicht bestmöglich geschützt<br />

wird?<br />

Zauberwort: Resilienz<br />

Die gute Nachricht vorweg: Die Ressource<br />

dafür ist schon da. Forschungen zeigen, dass<br />

Menschen, die über gute Bindungen verfügen,<br />

weniger Stresshormone im Blut haben und<br />

dafür mehr Botenstoffe, die Optimismus,<br />

Selbstbewusstsein und Lernvermögen transportieren.<br />

Das Zauberwort heißt Resilienz, psychische<br />

Widerstandskraft. Eltern und pädagogische<br />

Fachkräfte haben die wichtige Aufgabe,<br />

den Kindern emotionale Stabilität und Selbstvertrauen<br />

zu vermitteln. Das Selbstwertgefühl<br />

darf nicht an gute Noten gekoppelt sein. Positive<br />

Rückmeldungen sollte es nicht nur dann<br />

geben, wenn die Mathearbeit eine 1 war. Eine<br />

3 kann ein Wahnsinnserfolg sein, wenn es bisher<br />

nur 4en und 5en gab. Und dann ist da ja<br />

noch das Thema Gelassenheit. Es ist schwierig,<br />

aber nicht unmöglich, sich immer mal wieder<br />

bewusst zu machen, dass gewisse Standards<br />

von außen aufoktroyiert werden. Ist es wirklich<br />

schon so bedenklich, dass das Kind mit Schuleintritt<br />

noch nicht lesen kann, obwohl es das<br />

Nachbarskind schon kann?<br />

„Wir mögen Dich trotzdem“<br />

Situationen, in denen Druck entsteht, sollten<br />

immer wieder ganz genau reflektiert werden,<br />

auch, wenn es Kraft kostet. Das heißt nicht, dass<br />

man keine Nachhilfe oder Logopädie organisieren<br />

darf und erst recht nicht, dass man sich<br />

bei psychischen Auffälligkeiten keine Hilfe holen<br />

soll. Doch vielleicht kann man als Elternteil<br />

oder Fachkraft an der ein oder anderen inneren<br />

Stellschraube drehen. Damit die Kinder in Zukunft<br />

häufiger hören: „Das wächst sich aus.“<br />

Und, wichtiger noch:„Egal, welche Leistungen<br />

du erbringst, wir mögen dich trotzdem.“<br />

(Sarah Nagel)<br />

www.bangerang.de<br />

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