Stadt-Land-Wissen 03-2022 nachhaltig und produktiv
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AUSGABE <strong>03</strong>.<strong>2022</strong><br />
<strong>Stadt</strong>. <strong>Land</strong>. <strong>Wissen</strong>.<br />
Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft – anders, als du denkst.<br />
Wie kann die <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
<strong>nachhaltig</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>produktiv</strong><br />
zugleich sein? Seite 6<br />
100<br />
TIERWOHL<br />
Moderne Schweinehaltung<br />
Die neue Herkunftskennzeichnung<br />
5D Seite 16<br />
AKTION<br />
<strong>Land</strong>wirtin für<br />
einen Tag auf einem<br />
Gemüsehof Seite 14<br />
GEWINNSPIEL<br />
Gutscheine<br />
à 50 Euro<br />
zu gewinnen<br />
MODERNE KANTINEN<br />
Seite 36<br />
Nouvelle Cantine<br />
Nachhaltig, ges<strong>und</strong>,<br />
regional Seite 23<br />
Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft
2<br />
ERNTEDANK<br />
Am 2. Oktober feiern wir in diesem<br />
Jahr Erntedank. Das Fest ist älter<br />
als das Christentum. Denn schon im<br />
Römischen Reich oder im antiken<br />
Griechenland dankten die Menschen<br />
ihren Göttern zur Erntezeit im Herbst<br />
für die Gaben der Natur
In diesem Heft:<br />
Auf dem Titel Dirk Henke von der Lübs Agrar GmbH<br />
<strong>und</strong> LBG Göhren<br />
EDITORIAL<br />
Daten & Fakten<br />
Warum sind die Lebensmittel<br />
so teuer geworden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 4<br />
Titelthema<br />
Wie kann die <strong>Land</strong>wirtschaft <strong>nachhaltig</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>produktiv</strong> zugleich sein? . . . . . . . . . . . S. 6<br />
Liebling der <strong>Land</strong>wirte . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 8<br />
Pflanzenzüchtung<br />
Ohne Pflanzenzüchtung keine<br />
Nahrungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10<br />
Widerstandsfähiger Weizen <strong>und</strong><br />
talentierte Tomaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 12<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />
die <strong>Land</strong>wirtschaft nimmt beim Klimawandel eine ganz<br />
besondere Rolle ein.<br />
Auf der einen Seite ist sie für neun Prozent der Treibhausgas<br />
Emissionen in Deutschland verantwortlich.<br />
Auf der anderen Seite können die Folgen des Klimawandels,<br />
zum Beispiel Hitze, Trockenheit oder Starkregen,<br />
zu Ernteausfällen führen <strong>und</strong> der <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
damit schwere Schäden zufügen.<br />
Aktion<br />
<strong>Land</strong>wirtin für einen Tag . . . . . . . . . . . . . . S. 14<br />
Tierwohl<br />
Moderne Schweinehaltung<br />
Die neue Herkunftskennzeichnung 5D . . S. 16<br />
Herbstsaison<br />
Kürbisse: kreativ & köstlich ........... S. 18<br />
Nachhaltigkeit<br />
Nouvelle Cantine: <strong>nachhaltig</strong>, ges<strong>und</strong>,<br />
regional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 23<br />
Deutsche <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
braucht Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . S. 25<br />
Vier Sterne fürs GenussWERK . . . . . . . . . S. 26<br />
Klimaschutz<br />
Champagner für den Boden . . . . . . . . . . . S. 20<br />
Booster für die Pflanzen . . . . . . . . . . . . . . S. 27<br />
Was den Pflanzen schmeckt . . . . . . . . . . S. 30<br />
Kühe können klimafre<strong>und</strong>lich . . . . . . . . . . S. 32<br />
Meldungen<br />
Wegwerfen, nein danke! . . . . . . . . . . . . . . S. 22<br />
Beweisstück Unterhose . . . . . . . . . . . . . . S. 34<br />
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 35<br />
Gewinnspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 36<br />
FOTOS: DAR1930/ISTOCKPHOTO, KE.TAKE A PHOTO/ADOBESTOCK; TITELFOTO: TIMO JAWORR<br />
Das Besondere aber ist: Sie ist nicht nur Verursacherin<br />
<strong>und</strong> Leidtragende zugleich. Sie stellt auch einen bedeutenden<br />
Teil der Lösung dar. Denn die <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
hat beim Klimaschutz nicht nur die Möglichkeiten,<br />
Treibhausgase zu reduzieren. Sie kann sie auch binden.<br />
Carbon Farming ist eines von vielen solcher Konzepte,<br />
der Atmosphäre das klimaschädliche CO 2 zu entziehen.<br />
Darum <strong>und</strong> ganz generell, um die Herausforderung<br />
für die <strong>Land</strong>wirtschaft, Versorgungssicherheit <strong>und</strong><br />
Klimaschutz bestmöglich miteinander in Einklang zu<br />
bringen, geht es gleich in mehreren Artikeln dieser<br />
Ausgabe unseres Magazins <strong>Stadt</strong>.<strong>Land</strong>.<strong>Wissen</strong>.<br />
Wir zeigen außerdem, wie Innovationen in der<br />
Pflanzenzüchtung, aber auch beim Pflanzenschutz<br />
helfen, genügend Lebensmittel zu produzieren <strong>und</strong><br />
dabei möglichst schonend mit der Natur umzugehen.<br />
Es gibt zum Beispiel <strong>Land</strong>wirte, die Algen einsetzen,<br />
um Pflanzen resistenter gegen Trockenheit zu machen.<br />
Die Leiterin der Kantine des Autoherstellers Audi erzählt,<br />
worauf sie beim Einkauf der Zutaten für die Menüs der<br />
Belegschaft achtet. Und wir zeigen Ihnen, was Johanna<br />
Kuge alles auf dem Hof von <strong>Land</strong>wirt David Oswald<br />
erlebt hat. Im Rahmen unserer Aktion „<strong>Land</strong>wirt für<br />
einen Tag“ hat die Beraterin für digitale Vermarktung<br />
einmal mit angepackt <strong>und</strong> hinter die Hoftore geguckt.<br />
In Deutschland wurden im Mai <strong>2022</strong><br />
laut Milchindustrieverband (MIV)<br />
etwa 11 Millionen Rinder gezählt,<br />
darunter r<strong>und</strong> 3,8 Millionen Milchkühe.<br />
Mehr zum Thema Milchkühe auf Seite 32<br />
Außerdem erklären wir, warum Lebensmittel aktuell<br />
so teuer geworden sind. Gerade weil das so ist, verlosen<br />
wir im Rahmen unseres Gewinnspiels auf der Rückseite<br />
des Magazins dieses Mal Einkaufsgutscheine von Lidl <strong>und</strong><br />
Kaufland.<br />
Jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser<br />
Ausgabe.<br />
Ihre Lea Fließ<br />
Geschäftsführerin Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
3
Warum sind Lebensmittel<br />
so teuer geworden?<br />
Der Angriff Russlands auf die Ukraine treibt die Energiekosten in die Höhe. Damit nicht genug.<br />
Die Grafik gibt einen Überblick über die Preisentwicklungen <strong>und</strong> die Reaktionen der Verbraucher<br />
Preistreiber<br />
Laut Verbraucherzentrale setzte der erste<br />
Preisschub bei Lebensmitteln bereits im<br />
Juli 2021 ein. Gr<strong>und</strong> dafür waren steigende<br />
Personalkosten sowie die erhöhten<br />
Ausgaben für Energie, Verpackung <strong>und</strong><br />
Düngemittel. Hier ein Überblick:<br />
1. Energiepreise<br />
Hohe Strom- <strong>und</strong> Gaspreise verteuern<br />
den Betrieb von Treibhäusern, Molkereien,<br />
Ställen, aber auch von Geschäften<br />
+20%<br />
Strompreiserhöhung<br />
zwischen 04/21<br />
<strong>und</strong> 04/22<br />
8,5 %<br />
Durchschnittliche<br />
Preissteigerung<br />
bei Lebensmitteln<br />
in <strong>2022</strong><br />
27 %<br />
So sehr sind die Produkte im<br />
Preis gestiegen<br />
Die Teuerungsrate bezieht sich auf<br />
den Vorjahresmonat in Prozent<br />
12 %<br />
9 % 9 % 9 %<br />
Speiseöl Gemüse Brot Fleisch Milch<br />
QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT, MAI <strong>2022</strong><br />
2. Dünger<br />
Der hohe Gasverbrauch bei der Produktion von<br />
mineralischem Dünger führt zur Preisexplosion<br />
+333%<br />
Steigerung seit 2020<br />
2020<br />
300 €<br />
<strong>2022</strong><br />
1000 €<br />
pro Tonne<br />
3. Verpackung<br />
Papierknappheit führt zu Engpässen<br />
in der Bereitstellung von Verpackungsmaterial.<br />
Das beeinflusst die Preise<br />
Preissteigerung<br />
für Verpackung aus<br />
+30% Pappe <strong>und</strong> Papier<br />
4. Treibstoff<br />
Diesel ist in der<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft<br />
die bestimmende<br />
Treibstoffart<br />
für alle Arten<br />
von <strong>Land</strong>maschinen<br />
1,12<br />
€<br />
+62%<br />
1,82<br />
€<br />
Zur<br />
Einordnung:<br />
Im Schnitt<br />
verbraucht ein<br />
moderner Traktor<br />
12–15 Liter Diesel<br />
auf 100 km<br />
4<br />
Durchschnittspreis<br />
pro Liter<br />
Diesel in 2020<br />
Durchschnittspreis<br />
pro Liter<br />
Diesel in Q1 <strong>2022</strong>
Selbstversorgungsgrad<br />
in Deutschland<br />
Verhältnis zwischen Eigen erzeugung <strong>und</strong> Verbrauch<br />
Deutschland kann sich sehr gut mit Fleisch, Milch<br />
oder Zucker versorgen, während im Bereich Gemüse <strong>und</strong><br />
Obst mehr verbraucht als hierzulande hergestellt wird<br />
Kartoffeln<br />
Zucker<br />
Fleisch<br />
Verbrauch in Deutschland<br />
90%<br />
der Verbraucher<br />
haben Angst vor<br />
Preissteigerungen<br />
QUELLE: EPAP<br />
121 %<br />
145 %<br />
141 %<br />
So reagieren<br />
die Verbraucher<br />
Daten & Fakten<br />
Der Ukrainekrieg <strong>und</strong> die Preissteigerungen<br />
verändern das Kaufverhalten der Verbraucherinnen<br />
<strong>und</strong> Verbraucher. Eine Umfrage des Forschungsinstituts<br />
ECC ergab folgende Resultate:<br />
1. Konsumreduzierung<br />
2. Sonderangebote nutzen<br />
3. Mehr Einkäufe beim<br />
Discounter<br />
4. Konsumverzicht<br />
Milch<br />
112 %<br />
Getreide<br />
Eier<br />
Gemüse 36 %<br />
Obst 20 %<br />
QUELLE: STATISTA, BMEL 2021<br />
73 %<br />
100 %<br />
101 %<br />
65%<br />
wollen in der nächsten<br />
Zeit beim Einkaufen<br />
mehr sparen. Größere<br />
Anschaffungen werden<br />
aufgeschoben<br />
61%<br />
vergleichen stärker die<br />
Preise <strong>und</strong> greifen öfter<br />
zu Sonderangeboten<br />
48%<br />
verzichten beim Einkauf<br />
auf teure Markenartikel,<br />
greifen zu günstigeren<br />
Alternativen<br />
12%<br />
des Einkommens betrug der Anteil<br />
für Lebensmittel <strong>und</strong> alkoholfreie<br />
Getränke pro Person im Jahr 2021.<br />
2019 waren es noch 10,8 %<br />
QUELLE: EUROSTAT 2021<br />
QUELLEN: TAGESSCHAU, EIFELTRECKER.DE,<br />
STATISTISCHES BUNDESAMT, STATISTA<br />
FOTO: FCAFOTODIGITAL/ISTOCK<br />
5
Titelthema<br />
Die <strong>Land</strong>wirtschaft hat zwei<br />
gesellschaftliche Aufträge: Sie ist<br />
für die Ernährung der Bevölkerung<br />
verantwortlich <strong>und</strong> sie soll<br />
dabei auch das Klima <strong>und</strong> die<br />
Umwelt schützen. Wie moderne<br />
Technik den <strong>Land</strong>wirtinnen <strong>und</strong><br />
<strong>Land</strong>wirten bei diesen Aufgaben<br />
hilft, beschreibt Dirk Henke<br />
Wie kann die<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft<br />
<strong>nachhaltig</strong><br />
<strong>produktiv</strong><br />
zugleich sein?<br />
<strong>und</strong><br />
Wenn auf der digitalen<br />
Ertragskarte aus dem<br />
Mähdrescher dunkelgrüne<br />
Flächen ausgewiesen<br />
werden, ist das<br />
ein gutes Zeichen. Denn es bedeutet,<br />
dass die ackerbaulichen Maßnahmen, die<br />
Dirk Henke auf den Feldern der Lübs Agrar<br />
GmbH <strong>und</strong> des Tochterbetriebs LBG<br />
Göhren durchgeführt hat, erfolgreich waren<br />
<strong>und</strong> mit einem hohen Ernte ertrag belohnt<br />
wurden. Sind allerdings rote Stellen<br />
vermerkt, hat der <strong>Land</strong>wirt dort wenig<br />
Digitale Ertragskarte<br />
Auf dem Bildschirm erkennt der<br />
<strong>Land</strong>wirt genau, wie erfolgreich<br />
seine Anbaumaßnahmen waren<br />
geerntet. Oft sind der magere, sandige<br />
Boden <strong>und</strong> die Trockenheit der Gr<strong>und</strong><br />
dafür. <strong>Land</strong>wirt Henkes Arbeitsplatz ist<br />
die Natur. Diese zu verstehen <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
effizient <strong>und</strong> <strong>nachhaltig</strong> zu wirtschaften,<br />
beeinflusst seine Entscheidungen<br />
auf dem Feld. Dabei unterstützt ihn<br />
moderne, digitale Technik.<br />
R<strong>und</strong> 3000 Hektar Ackerland <strong>und</strong><br />
Grünland gehören zu den beiden Betrieben<br />
in Mecklenburg-Vorpommern, die<br />
der <strong>Land</strong>wirt gemeinsam mit Andreas<br />
Helmhold sowie 22 Mitarbeitenden bewirtschaftet.<br />
Auf der Fläche, die fast so<br />
groß ist wie der Ostseeort Bad Doberan<br />
mit knapp 13 000 Einwohnern, bauen die<br />
beiden geschäftsführenden Gesellschafter<br />
Wintergerste, Winterweizen, Winterraps<br />
<strong>und</strong> Mais an. Die Ernten werden<br />
unterschiedlich genutzt. Während der<br />
Mais an die Rinder <strong>und</strong> Milchkühe des<br />
Hofs verfüttert beziehungsweise an Biogasanlagen<br />
in der Region geliefert wird,<br />
verkaufen Henke <strong>und</strong> Helmhold die erwirtschafteten<br />
r<strong>und</strong> 6000 Tonnen Getreide<br />
<strong>und</strong> die r<strong>und</strong> 800 Tonnen Raps an<br />
Nahrungsmittelproduzenten.<br />
Fahrende Computer<br />
Bei Böden mit einem hohen Sandanteil<br />
<strong>und</strong> einer Bewertung von nur 28 Punkten<br />
(von 100 Punkten) sowie geringen Niederschlägen<br />
müssen die Maßnahmen auf<br />
dem Feld gut überlegt sein. Denn sandiger<br />
Boden hält das Wasser nicht so gut.<br />
Außerdem muss die Humusschicht, die<br />
für das Pflanzenwachstum wichtig ist,<br />
durch passende Fruchtfolgen <strong>und</strong> Zwischenfrüchte<br />
aufgebaut werden.<br />
Zwischenfrüchte werden zwischen<br />
der Ernte <strong>und</strong> der nächsten Aussaat angebaut<br />
<strong>und</strong> in den Boden eingearbeitet,<br />
ähnlich wie Kompost im Garten. Ist die<br />
Erwartung an den Ertrag im Durchschnitt<br />
der letzten Jahre eher gering, passt <strong>Land</strong>wirt<br />
Henke die Fruchtfolge – also die Auswahl<br />
der angebauten Feldfrüchte – entsprechend<br />
an, damit der Boden genug<br />
Nährstoffe bekommt <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
einer Bodenerosion vorgebeugt wird.<br />
6
Modernste Technik<br />
Der Ideal 9T Mähdrescher<br />
hat eine Arbeitsbreite von über<br />
12 Metern, die er dank GPS<br />
Steuerung komplett ausnutzen kann<br />
Bei der Ernte setzt er intelligente, moderne<br />
<strong>Land</strong>maschinen ein, zum Beispiel<br />
drei Fendt Ideal 9T Mähdrescher, die eine<br />
Arbeitsbreite von je 12,20 Metern aufweisen.<br />
Die Maschinen sind extra mit einem<br />
Raupenlaufwerk wie bei einem Bagger<br />
ausgestattet. Damit wird das Gewicht des<br />
Mähdreschers besser verteilt <strong>und</strong> der Boden<br />
samt der Kleinstlebewesen geschont.<br />
Ein Mähdrescher ist fast wie eine<br />
kleine mobile Fabrik mit vielen digitalen<br />
Funktionen, die die Arbeit erleichtern.<br />
„Finanziell ist so ein fahrender Computer<br />
mit dem Erwerb eines Eigenheims vergleichbar“,<br />
erzählt Henke. „Diese Maschinen<br />
sind einfach genial. Früher haben wir<br />
sieben Mähdrescher im Einsatz gehabt,<br />
um die gleiche Leistung zu erbringen.<br />
Das hat natürlich viel mehr Kraftstoff <strong>und</strong><br />
mehr Mitarbeiter erfordert.“<br />
Kraftstoffeinsparungen<br />
<strong>und</strong> mehr Präzision<br />
Allein auf dem Betrieb Lübs mit seinen<br />
1800 Hektar spart Henke durch die moderne<br />
<strong>Land</strong>technik 7000 bis 8000 Liter<br />
Diesel pro Jahr ein. „Dank der zehn Fendt<br />
Vario Traktoren, die wir im Einsatz haben,<br />
arbeiten wir im optimalen Leistungsbereich<br />
<strong>und</strong> verbrauchen dadurch auch entsprechend<br />
weniger Kraftstoff.“<br />
Zum optimierten Betrieb trägt vor<br />
allem die von Satelliten gesteuerte GPS-<br />
Technik bei. Sie hilft, auf der Ackerfläche<br />
die volle Arbeitsbreite der Maschinen<br />
auszunutzen, wodurch sehr viel weniger<br />
Ernteverluste entstehen.<br />
Hightech auf dem Acker<br />
Digitale Daten, die über GPS, Drohnen<br />
oder Sensoren gesammelt werden, regeln<br />
punktgenau die Düngermenge<br />
des Mineraldüngerstreuers oder der<br />
Pflanzenschutzspritze. So geben beispielsweise<br />
Bodenfruchtbarkeitskarten<br />
Aufschluss über den Nährstoffgehalt,<br />
pH-Wert oder andere Merkmale von<br />
Feldern. Das hilft bei der Wahl des geeigneten<br />
Saatguts <strong>und</strong> des passenden<br />
Düngers. „Mithilfe der digitalen Daten<br />
können wir bedarfsgerecht <strong>und</strong> <strong>nachhaltig</strong><br />
agieren. Sogar bei der Aussaat versuchen<br />
wir, gezielter zu arbeiten, indem<br />
wir über eine Software ermitteln, wie<br />
viel Körner wir auf einem bestimmten<br />
Quadratmeter ausbringen sollen. Das<br />
macht den Vorgang noch effizienter“,<br />
erzählt Dirk Henke.<br />
Höhere Erträge bei immer weniger<br />
Ackerflächen, dazu die negativen Einflüsse<br />
des Klimawandels: Die Herausforderungen<br />
für die <strong>Land</strong>wirtschaft werden<br />
immer größer. Hier hilft das <strong>Wissen</strong> um<br />
die Bedürfnisse der Pflanzen ebenso wie<br />
Hightech auf dem Acker in Form bodenschonender,<br />
aber leistungsstarker Traktoren<br />
<strong>und</strong> mitdenkender Mähdrescher.<br />
Diese bringen die Ernte ein <strong>und</strong> ermitteln<br />
dabei bereits die Daten als Basis für die<br />
Anbauplanung der folgenden Saison. Mit<br />
ihren Fähigkeiten tragen die modernen<br />
<strong>Land</strong>maschinen somit entscheidend dazu<br />
bei, die Ansprüche an mehr Nachhaltigkeit<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig hohe Produktivität<br />
in der <strong>Land</strong>wirtschaft zu erfüllen. <br />
7
TITELTHEMA<br />
Liebling<br />
der <strong>Land</strong>wirte<br />
Bei Fendt sind nicht nur die <strong>Land</strong>maschinen grün lackiert.<br />
Auch die Produktion ist grün <strong>und</strong> erfolgt unter energieeffizienten<br />
<strong>und</strong> C0 2<br />
-optimierten Herstellungsprozessen<br />
Der Fendt 724 Vario ist die unangefochtene<br />
Nummer eins<br />
auf dem deutschen Traktorenmarkt.<br />
Der Trecker mit<br />
dem stufenlosen Fendt Variogetriebe,<br />
das einem Automatikgetriebe<br />
beim Auto ähnelt, ist der meistverkaufte<br />
Traktor Deutschlands. Und das seit<br />
sieben Jahren in Folge. Damit ist er der<br />
Liebling der <strong>Land</strong>wirte.<br />
Die neueste Generation des Fendt<br />
700 Vario kann sogar mit einer Reifendruckregelanlage<br />
ausgestattet werden.<br />
Auf dem Acker lässt der Fahrer Luft aus<br />
den Traktorreifen. Diese werden breiter<br />
<strong>und</strong> das Gewicht verteilt sich auf eine<br />
größere Fläche. Das Ergebnis: Boden <strong>und</strong><br />
Bodenlebewesen werden geschont.<br />
Fährt der Traktor wieder auf die<br />
Straße, hebt der Fahrer den Luftdruck<br />
an. Die Reifen werden schmaler <strong>und</strong> sparen<br />
so Kraftstoff.<br />
Strom tanken mit dem Traktor<br />
Noch „grüner“ wird der Fendt e100 Vario.<br />
Der Elektrotrecker, der zum Beispiel<br />
mit Strom aus einer Solaranlage<br />
des landwirtschaftlichen Betriebs betankt<br />
werden kann, kommt 2024 auf<br />
den Markt. Aktuell wird er schon in der<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft getestet. Damit nicht<br />
genug: Ein ganz neuer Prototyp eines<br />
großen Schleppers, angetrieben durch<br />
Wasserstoff <strong>und</strong> eine Brennstoffzelle ist<br />
ab Ende dieses Jahres auf einem Bauernhof<br />
in Niedersachsen im Testeinsatz. Bei<br />
diesem Modellprojekt wird der benötigte<br />
Wasserstoff mit grüner Energie aus<br />
Windrädern produziert. Indem der Traktor<br />
damit betankt wird, kann er nahezu<br />
CO 2<br />
-neutral arbeiten.<br />
„Doch nicht erst bei der Entwicklung<br />
der innovativen <strong>Land</strong>technik denken wir<br />
über klimaschützende Maßnahmen wie<br />
Reduktion von CO 2<br />
oder Bodenschonung<br />
nach“, sagt Ulrich Wenzl. Der Allgäuer<br />
verantwortet bei Fendt das Thema<br />
Nachhaltigkeit in der Herstellung von<br />
<strong>Land</strong>maschinen. Er sorgt dafür, dass<br />
die Produktionsstätten in Marktoberdorf<br />
energiesparend <strong>und</strong> klimaschonend<br />
funktionieren.<br />
Hochkomplexe <strong>Land</strong>maschinen<br />
So ein Werk für die Produktion von<br />
<strong>Land</strong>technik ähnele zwar einem Automobilwerk,<br />
sagt er, die Herstellung einer<br />
<strong>Land</strong>maschine sei allerdings viel komplexer<br />
als die eines Autos. „Ein Traktor besteht<br />
aus deutlich mehr Einzelteilen als<br />
ein Auto. Wir fertigen unter anderem das<br />
komplette stufenlose Getriebe <strong>und</strong> auch<br />
den Frontlader zum Anheben schwerer<br />
Lasten wie Kisten oder Paletten hier in<br />
Marktoberdorf“, erzählt Wenzl. Dafür<br />
produziere das <strong>Land</strong>technikunternehmen<br />
aber auch deutlich geringere Stückzahlen<br />
als ein Automobilhersteller.<br />
„Bei uns werden jährlich r<strong>und</strong> 20 000<br />
Traktoren gebaut. Deren Teile werden<br />
tatsächlich fast alle von uns selbst gefertigt<br />
oder – wo dies nicht möglich oder<br />
sinnvoll ist - von Lieferanten produziert.<br />
Dabei setzen wir zum Großteil auf Partner<br />
aus der näheren Umgebung. Das<br />
bedeutet kurze Lieferwege, kaum anfallende<br />
Verpackung. Das alles schont<br />
die Umwelt.“<br />
Abwärme der Maschinen<br />
als Heizung nutzen<br />
Das Team um Ulrich Wenzl sucht immer<br />
weiter nach Möglichkeiten, den Energieverbrauch<br />
bei der Traktorherstellung zu<br />
reduzieren. Er nennt ein paar Beispiele,<br />
wie <strong>nachhaltig</strong> die Produktionsbereiche<br />
von Fendt aufgestellt sind.<br />
„Wir konnten allein im Jahr 2021 r<strong>und</strong><br />
1,8 Millionen Kilowattst<strong>und</strong>en Energie<br />
einsparen. Das entspricht ungefähr dem<br />
Verbrauch von 450 Vierpersonenhaushalten<br />
pro Jahr. Außerdem bauen wir<br />
unsere Gebäude nach aktuellsten Energiestandards“,<br />
erläutert Wenzl. „Ein Beispiel<br />
ist unsere Gehäusefertigung. Hier<br />
nutzen wir Gr<strong>und</strong>wasser, um das Gebäude<br />
im Sommer zu kühlen. Dazu kommen<br />
optimale Dämmstandards. Und wir verwenden<br />
zusätzlich die Abwärme der Maschinen,<br />
um das Gebäude im Winter zu<br />
heizen.“ Im Jahr 2021 wurde die Produktionshalle<br />
mit modernster LED-Technik<br />
nachgerüstet. „So sparen wir noch mal<br />
jährlich ca. 500 000 Kilowattst<strong>und</strong>en an<br />
Strom <strong>und</strong> etwa 260 Tonnen CO 2<br />
ein“, so<br />
der Nachhaltigkeitsexperte.<br />
Apropos CO 2<br />
-Einsparung <strong>und</strong> Einsatz<br />
von regenerativen Energien: Am<br />
Standort Marktoberdorf wird die komplette<br />
Wärme für Gebäude- <strong>und</strong> Produktionsanlagen<br />
über eine Hackschnitzelheizung<br />
gedeckt. „Ein Unternehmen<br />
aus der Umgebung stellt uns diese als<br />
Fernwärme zur Verfügung. In dem Bereich<br />
sind wir jetzt schon CO 2<br />
-neutral“,<br />
freut sich Wenzl. Auch die Stromversorgung<br />
an insgesamt vier Standorten wird<br />
bereits komplett über grüne Energie<br />
gedeckt. Allein eine Photovoltaikanlage<br />
am Standort Marktoberdorf produziert<br />
jährlich mehr als 700 000 Kilowattst<strong>und</strong>en<br />
Sonnenenergie. Mit diesen Maßnahmen<br />
wird die Produktion so grün<br />
wie die Traktoren von Fendt.<br />
Internes Recycling für<br />
Wasser-Öl-Gemisch<br />
Zahnräder unter anderem für das Getriebe<br />
müssen gedreht, gebohrt <strong>und</strong><br />
gefräst werden. „Dafür benötigen wir<br />
ein Wasser-Öl-Gemisch. Um die beiden<br />
Stoffe wieder umweltfre<strong>und</strong>lich zu<br />
trennen, haben wir schon 2012 eine Aufbereitungsanlage<br />
gebaut. Hier wird das<br />
Öl herausgefiltert, <strong>und</strong> das Wasser fließt<br />
zurück in unseren Produktionskreislauf“,<br />
beschreibt Wenzl. „Durch diesen Kreislauf<br />
sparen wir wertvolles Frischwasser<br />
ein <strong>und</strong> müssen gleichzeitig wenig entsorgen“,<br />
so Wenzl.<br />
Das Ziel von Fendt ist es, bis 2026<br />
alle fünf Standorte des Unternehmens zu<br />
einem Großteil mit erneuerbaren Energien<br />
zu versorgen <strong>und</strong> mit einer neu entwickelten<br />
Nachhaltigkeitsstrategie den<br />
CO 2<br />
-Abdruck sowie die Nutzung von Erdgas<br />
zu verringern. „Möglicherweise können<br />
wir künftig von unseren K<strong>und</strong>en die<br />
grüne Energie in Form von Biogas kaufen,<br />
die sie mithilfe unserer Maschinen<br />
auf den Feldern erzeugt haben. Das wäre<br />
ein schöner Kreislauf“, sagt Wenzl. <br />
8
„Wir konnten allein im<br />
Jahr 2021 r<strong>und</strong> 1,8 Mio.<br />
Kilowattst<strong>und</strong>en Energie<br />
einsparen. Das entspricht<br />
ungefähr dem Verbrauch<br />
von 450 Vier personenhaushalten.“<br />
Produktionshalle<br />
Etwa 20 000 Traktoren<br />
baut Fendt pro Jahr<br />
Ulrich Wenzl sorgt<br />
mit seinem Team dafür,<br />
dass die Produktion<br />
der Fendt <strong>Land</strong>technik<br />
<strong>nachhaltig</strong> <strong>und</strong> ressourcenschonend<br />
abläuft<br />
FOTOS: FENDT<br />
9
keine<br />
Ohne<br />
Pflanzenzüchtung<br />
Nahrungsmittel<br />
Klimawandel <strong>und</strong> politische Auflagen stellen die<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft vor immer größere Herausforderungen.<br />
Welche wertvolle Unterstützung die moderne<br />
Pflanzenzüchtung leistet, beschreibt Dr. Anja Matzk<br />
Welche Aufgabe übernimmt die<br />
Pflanzenzüchtung in der heutigen<br />
Lebensmittelproduktion?<br />
Der Klimawandel mit langen Trockenperioden,<br />
sich verändernden Schadinsekten<br />
<strong>und</strong> Krankheitserregern, dazu die neuen<br />
agrarpolitischen Ziele wie zum Beispiel die<br />
massive Reduktion von Dünger <strong>und</strong> Pflanzenschutzmitteln<br />
stellen die <strong>Land</strong>wirte<br />
immer wieder vor neue Herausforderungen.<br />
Um diese meistern zu können, sind<br />
wir Pflanzenzüchter gefordert, fortlaufend<br />
neue Pflanzensorten zu entwickeln, mit<br />
denen die landwirtschaftlichen Betriebe<br />
ihre Erträge <strong>und</strong> damit die Gr<strong>und</strong>lage einer<br />
qualitativ hochwertigen <strong>und</strong> stabilen<br />
Lebensmittelproduktion sichern können.<br />
Das klingt vermutlich leichter gesagt<br />
als getan, oder?<br />
Das stimmt allerdings. Als Pflanzenzüchter<br />
müssen wir die Herausforderungen<br />
in der <strong>Land</strong>wirtschaft um Jahre im Voraus<br />
erkennen. Bis eine neue Sorte auf<br />
dem Markt ist, dauert es acht bis zwölf<br />
Jahre. Neben intensiven Forschungs<strong>und</strong><br />
Entwicklungsarbeiten sind auch<br />
anspruchsvolle Zulassungsverfahren zu<br />
durchlaufen, bevor der <strong>Land</strong>wirt die neu<br />
gezüchteten Sorten nutzen kann.<br />
Vor welchen Herausforderungen steht<br />
die <strong>Land</strong>wirtschaft aktuell?<br />
Durch den Klimawandel müssen die<br />
Pflanzen mit weniger Wasser auskommen,<br />
allein das ist ein enormer Stressfaktor<br />
für sie. Gleichzeitig passen sich<br />
Schädlinge wie Viren oder Pilzkrankheiten<br />
den neuen Klimabedingungen sehr<br />
schnell an. Hinzu kommen Unkräuter,<br />
die in Konkurrenz zu der Nutzpflanze<br />
treten <strong>und</strong> sie zurückdrängen. All das<br />
sind Faktoren, die eine Ernte negativ beeinflussen<br />
können. Und auch nach der<br />
Ernte können noch Schäden während<br />
der Lagerung auftreten. Dadurch kann<br />
der <strong>Land</strong>wirt jedes Jahr bis zu 50 Prozent<br />
seines eigentlichen Ertrags verlieren.<br />
Was kann die Pflanzenzüchtung<br />
hier leisten?<br />
Die Pflanzenzüchtung entwickelt sehr<br />
spezifische, an den jeweiligen Standort<br />
angepasste Sorten. Ein wichtiges Züchtungsziel<br />
ist es, die Trockentoleranz<br />
von Sorten zu erhöhen. Aber auch die<br />
Resistenz von Sorten gegen bestimmte<br />
Schädlinge muss laufend verbessert <strong>und</strong><br />
angepasst werden. Das ist ein ständiger<br />
Wettlauf mit den Schädlingen, die sich<br />
10
Pflanzenzüchtung<br />
Bis zu<br />
50 %<br />
Ertragsverlust drohen<br />
einem <strong>Land</strong>wirt durch<br />
Klimawandel, Schädlinge<br />
oder Unkräuter jedes Jahr<br />
bei der Ernte<br />
Genome Editing<br />
Mit neuen Züchtungsmethoden kann<br />
man bestimmte vererbbare Eigenschaften<br />
einer Zelle ganz präzise verändern,<br />
<strong>und</strong> zwar unter Nutzung natürlicher<br />
Vorgänge.<br />
Zum Beispiel mit dem Einsatz eines<br />
Enzyms, das den Reparaturprozess der<br />
Zelle aktiviert. Man kurbelt also einen<br />
zelleigenen Mechanismus an, ohne<br />
dafür artfremde Gene zu integrieren.<br />
Ein Beispiel wäre das Ausschalten<br />
einzelner Gene, die die Pflanze daran<br />
hindern, sich selbst gegen bestimmte<br />
Krankheitserreger zu schützen, die für<br />
die pflanzlichen Abwehrmechanismen<br />
also hemmend sind.<br />
Das Ergebnis könnte auch mit klassischen<br />
Züchtungsmethoden erzielt werden,<br />
nur dass Genome Editing schneller,<br />
präziser <strong>und</strong> finanziell weniger aufwendig<br />
ist. Das heißt, auch kleinere <strong>und</strong><br />
mittlere Pflanzenzüchtungsunternehmen<br />
könnten diese Methoden anwenden.<br />
Zum Genome Editing zählt auch das<br />
CRISPR/Cas-Verfahren, für das Jennifer<br />
Doudna <strong>und</strong> Emmanuelle Charpentier<br />
2020 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet<br />
wurden.<br />
FOTOS: KWS<br />
Dr. Anja Matzk: Seit Ende der<br />
Neunzigerjahre ist die Molekularbiologin<br />
<strong>und</strong> Pflanzenzüchterin für das Unternehmen<br />
KWS Saat tätig <strong>und</strong> verantwortet<br />
den Bereich Anwendung innovativer<br />
Pflanzenzüchtungsmethoden<br />
schnell <strong>und</strong> flexibel verändern können.<br />
Um diese Züchtungsziele zu erreichen,<br />
steht uns ein ganzer Werkzeugkasten an<br />
Züchtungsmethoden zur Verfügung, die<br />
wir anwenden <strong>und</strong> nutzen müssen.<br />
Welche Werkzeuge meinen Sie?<br />
Die klassische Methode ist die zeitaufwendige<br />
Kreuzung verschiedener Sorten<br />
<strong>und</strong> die anschließende Selektion<br />
der besten Ergebnisse. Um den Züchtungsvorgang<br />
zu beschleunigen, verwendet<br />
man auch molekulare Marker.<br />
Diese werden wie ein Barcode auf dem<br />
Produkt im Supermarkt genutzt, um<br />
bestimmte Eigenschaften von Pflanzen<br />
abzubilden. Dadurch kann der Züchter<br />
schneller die richtigen Pflanzen finden.<br />
Eine weitere moderne Methode ist das<br />
Genome Edi ting. Mithilfe dieser Verfahren<br />
können Forscher gezielt Gene erkennen,<br />
die für bestimmte Eigenschaften<br />
von Pflanzen verantwortlich sind,<br />
<strong>und</strong> diese im zweiten Schritt gezielt <strong>und</strong><br />
präzise verändern.<br />
Wie kommt es, dass eine Methode wie<br />
Genome Editing bei uns verboten ist?<br />
Sie ist nicht verboten, aber 2018 entschied<br />
der Europäische Gerichtshof, dass Pflanzen,<br />
die mit neuen Züchtungsmethoden<br />
wie Genome Editing entwickelt wurden,<br />
als gentechnisch veränderte Organismen<br />
einzustufen sind. Diese unterliegen in der<br />
EU einem so strengen rechtlichen Rahmen,<br />
dass eine Anwendung dieser Methode<br />
faktisch unmöglich ist.<br />
Wir sehen allerdings Bewegung in<br />
der Sache, da eine Studie der EU-Kommission<br />
belegt, dass die aktuelle Gesetzgebung<br />
nicht mehr zeitgemäß ist.<br />
Welches Ergebnis erwarten Sie?<br />
Wir sind ganz zuversichtlich, dass die<br />
EU-Kommission künftig eine genauere<br />
Unterscheidung<br />
vornehmen wird.<br />
Pflanzen, die im<br />
Ergebnis auch natürlicherweise<br />
vorkommen<br />
oder mittels klassischer Züchtung entstehen<br />
könnten, sollen nicht mit gentechnisch<br />
veränderten Organismen<br />
gleichgesetzt werden. Diese neuen<br />
Verfahren helfen uns, trotz der Folgen<br />
des Klimawandels die Versorgung einer<br />
wachsenden Weltbevölkerung mit Lebensmitteln<br />
zu sichern <strong>und</strong> gleichzeitig<br />
den ehrgeizigen Zielen der Politik <strong>und</strong><br />
den Wünschen der Gesellschaft nach<br />
mehr Nachhaltigkeit gerecht zu werden.<br />
In einigen Ländern werden die neuen<br />
Züchtungsmethoden bereits erfolgreich<br />
angewendet. <br />
„Ein wichtiges Züchtungsziel ist es, die<br />
Trockentoleranz von Sorten zu erhöhen.“<br />
11
Widerstandsfähiger Weizen<br />
Neue Methoden in der Pflanzenzüchtung sorgen für gesündere Lebensmittel, robustere<br />
Pflanzen <strong>und</strong> mehr Umweltschutz. Wir haben vier konkrete Beispiele zusammengestellt<br />
Weizen<br />
Worum es geht: Um das Forschungsprojekt PILTON (Pilztoleranz<br />
von Weizen mittels neuer Züchtungsmethoden).<br />
Wer: Forschungsvorhaben mit 60 meist mittelständischen<br />
deutschen Pflanzenzüchtungsunternehmen unter<br />
Koordination der GFPi (Gemeinschaft zur Förderung von<br />
Pflanzeninnovation e. V.).<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Weizen ist die Kulturpflanze mit der größten<br />
Anbaufläche in Deutschland <strong>und</strong> Europa. Verschiedene<br />
Pilzkrankheiten wie der Echte Mehltau, Blattdürre <strong>und</strong> Gelb<strong>und</strong><br />
Braunrost führen zu erheblichen Ernteverlusten von<br />
bis zu 50 Prozent. Um dennoch Weizen ernten zu können,<br />
müssen <strong>Land</strong>wirte mit Pflanzenschutzmaßnahmen die<br />
Pflanzen vor den pilzlichen Krankheitserregern schützen.<br />
Ziel des Projekts: Die Pilztoleranz von Weizenpflanzen<br />
soll dauerhaft gesteigert <strong>und</strong> verbessert werden, was<br />
Einsparungen von Pflanzenschutzmitteln ermöglicht <strong>und</strong><br />
damit einen Beitrag für eine <strong>nachhaltig</strong>ere Bewirtschaftung<br />
der Felder leistet.<br />
Züchtungsmethode: CRISPR/Cas. Unter Zuhilfenahme<br />
zelleigener Reparaturmechanismen werden spezifische<br />
Weizengene gezielt abgeschaltet, wodurch die pflanzeneigenen<br />
Abwehrreaktionen gegenüber Pilzbefall verlängert<br />
<strong>und</strong> gesteigert werden.<br />
Mehrwert für die Gesellschaft: Weizen stellt eine essenzielle<br />
Nahrungsgr<strong>und</strong>lage dar. Je sicherer die Ernteerträge<br />
sind <strong>und</strong> je besser sich Deutschland mit Weizen<br />
selbst versorgen kann, desto unabhängiger ist unsere<br />
Bevölkerung von Importen. Umweltbelastende Transporte<br />
entfallen. Deutschlandweite hohe Qualitätsstandards<br />
werden eingehalten.<br />
Vorteile für die <strong>Land</strong>wirtinnen <strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirte: Stabile,<br />
verlässliche Erträge, weil die Ernte weniger durch Pilzbefall<br />
gemindert wird. Gleichzeitig werden der Einsatz <strong>und</strong><br />
die Kosten für Pflanzenschutzmittel reduziert.<br />
Raps<br />
Worum es geht: Um erhöhte Schotenplatzfestigkeit<br />
zur Ertragssicherung.<br />
Wer: Diverse Universitäten in Deutschland arbeiten<br />
an dem Projekt.<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Ob durch Hagel, starken Regen oder durch<br />
eine Ernteverzögerung aus verschiedenen Gründen:<br />
Wenn reife Rapsschoten nicht rechtzeitig geerntet<br />
werden, platzen sie auf <strong>und</strong> die ölhaltigen Rapssamen<br />
gehen verloren. Dies führt zu einer Ernteminderung<br />
von bis zu 25 Prozent.<br />
Ziel des Projekts: Steigerung der Schotenplatzfestigkeit,<br />
um erweiterte Erntezeitfenster zu generieren <strong>und</strong> Ernteausfälle<br />
zu verringern.<br />
Züchtungsmethode: CRISPR/Cas. Unter Anwendung<br />
der gezielten Mutagenese wurden einzelne Gene<br />
gezielt untersucht, die für eine höhere Anzahl von<br />
Samen pro Schote sowie für eine höhere Schotenplatzfestigkeit<br />
verantwortlich sind.<br />
Mehrwert für die Gesellschaft: R<strong>und</strong> sechs Millionen<br />
Tonnen Raps importierte Deutschland 2020 laut<br />
Agrar-Presse aus anderen Ländern. Würde Deutschland<br />
höhere oder sicherere Ernteerträge erzielen, wäre die<br />
Gefahr einer Rapsölknappheit wie <strong>2022</strong> eingedämmt.<br />
Vorteile für die <strong>Land</strong>wirtinnen <strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirte:<br />
Verlängerung des Erntefensters <strong>und</strong> Steigerung der<br />
Ertragssicherheit trotz Wetterschwankungen oder<br />
Hagel <strong>und</strong> Starkregen.<br />
QUELLE: HTTPS://WWW.PLANTBREEDING.UNI-KIEL.DE/DE/<br />
RESEARCH/NEW-GENETIC-VARIATION-FOR-SILIQUE-SHATTER-<br />
RESISTANCE-IN-RAPESEED<br />
QUELLE: PILTON.BPD-ONLINE.DE<br />
12
Pflanzenzüchtung<br />
<strong>und</strong> talentierte Tomaten<br />
FOTOS: KWS, FML<br />
Tomaten<br />
Worum es geht: Um die Tomatensorte „Sicilian Rouge<br />
High GABA“.<br />
Wer: Ein junges japanisches Unternehmen entwickelte<br />
die Tomaten mit höherem GABA-Anteil (Gamma-<br />
Aminobuttersäure), die 2021 in Japan zum Verzehr<br />
freigegeben wurden.<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Tomaten enthalten von Natur aus viel<br />
GABA, vor allem, wenn sie noch grün sind. Danach<br />
bauen sie die Substanz wieder ab.<br />
Ziel des Projekts: Erhöhung von GABA um das Fünfbis<br />
Sechsfache, da der Botenstoff beruhigend auf<br />
das zentrale Nervensystem wirken soll. Deshalb wird<br />
ihm nachgesagt, er könne den Blutdruck senken <strong>und</strong><br />
den Schlaf fördern.<br />
Züchtungsmethode: CRISPR/Cas. Professor Hiroshi<br />
Ezura <strong>und</strong> sein Team fanden heraus, welches Gen<br />
den Abbau von GABA steuert <strong>und</strong> legten es mithilfe<br />
von CRISPR/Cas still.<br />
Mehrwert für die Gesellschaft: Ges<strong>und</strong>heitsfördernd.<br />
Vorteile für die <strong>Land</strong>wirtinnen <strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirte: Sie könnten<br />
Lebensmittel mit einer noch hochwertigeren Qualität<br />
anbauen. So wäre es zum Beispiel auch möglich, den<br />
Vitamin-D-Gehalt von Tomaten oder den Proteingehalt<br />
von Mais zu erhöhen, was sich positiv auf die Ges<strong>und</strong>heit<br />
auswirken kann.<br />
QUELLE: WWW.NATURE.COM/ARTICLES/D41587-021-00026-2<br />
Kartoffeln<br />
Worum es geht: Um die Steigerung der Widerstandsfähigkeit<br />
von Kartoffeln gegen Kraut- <strong>und</strong> Knollenfäule.<br />
Wer: Diverse <strong>Wissen</strong>schaftler arbeiten an einer Lösung,<br />
unter anderem ein dänisch-schwedisches Team.<br />
Hintergr<strong>und</strong>: Bei nassem Wetter breitet sich die durch einen<br />
Pilz verursachte Kraut- <strong>und</strong> Knollenfäule rasant auf einem<br />
Acker aus <strong>und</strong> verursacht verheerende Ernteausfälle. Früher<br />
führte die Kraut- <strong>und</strong> Knollenfäule zu Hungers nöten. Heutzutage<br />
werden die Kartoffelpflanzen mehrfach mit Pflanzenschutzmitteln<br />
oder Kupfer (beim Bioanbau) behandelt.<br />
Ziel des Projekts: Steigerung der Resistenz gegen die<br />
Krankheit, was bisher mit klassischen Pflanzenzüchtungsmethoden<br />
nicht gelungen ist.<br />
Züchtungsmethode: CRISPR/Cas. Durch das Genome-Editing-Verfahren<br />
konnten Forscher die Gene ausfindig machen,<br />
die für die Anfälligkeit verantwortlich sind. Durch präzises<br />
Entfernen eines Teilstücks entstanden Sorten, welche eine<br />
deutlich größere Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Pilzerreger<br />
aufweisen, ohne andere Eigenschaften zu verändern.<br />
Mehrwert für die Gesellschaft: Während sich am Geschmack,<br />
dem Aussehen oder der Form der Kartoffeln<br />
nichts ändert, bietet Genome Editing eine Möglichkeit, die<br />
Resistenz der Kartoffeln zu steigern, Erträge zu sichern <strong>und</strong><br />
gleichzeitig Pflanzenschutzmittel einzusparen. Was wiederum<br />
einen Beitrag zu einer <strong>nachhaltig</strong>eren Bewirtschaftung<br />
der Felder leistet.<br />
Vorteile für die <strong>Land</strong>wirtinnen <strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirte: Vermeidung<br />
starker Ernteausfälle sowie Reduktion des Einsatzes von<br />
Pflanzenschutzmitteln <strong>und</strong> dadurch Kosteneinsparungen.<br />
QUELLE: WWW.NATURE.COM/ARTICLES/S41598-021-83972-W<br />
13
BEIM GEMÜSEPRODUZENTEN<br />
<strong>Land</strong>wirtin für einen Tag<br />
Bei einer Online-Recherche entdeckte Johanna Kuge die Aktion vom Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
<strong>und</strong> bewarb sich, einen Tag lang bei einem Betrieb mitzuarbeiten, der Gemüse anbaut<br />
Auf ihrem kleinen Balkon reiht<br />
sich ein Blumentopf an den<br />
anderen. Johanna Kuge nutzt<br />
jeden Winkel aus, um Gemüse<br />
<strong>und</strong> Kräuter vor ihrer Offenbacher<br />
Wohnung anzupflanzen. Tomaten, Gurken,<br />
Schnittlauch, Salat, Radieschen<br />
<strong>und</strong> sogar Bohnen finden sich in ihrem<br />
grünen Miniparadies. Die 29-Jährige hat<br />
großen Spaß daran, die Pflanzen selbst<br />
zu züchten, obwohl sie sich davon nicht<br />
ernähren könnte <strong>und</strong> Tage benötigt,<br />
um eine Portion Bohnen für ein Gericht<br />
zu ernten. Aber das ist ihr egal. Sie will<br />
wissen, wie es ist, selbst Gemüse anzubauen.<br />
Dieses Hobby brachte sie auf die<br />
Idee, sich beim Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
für die Aktion „<strong>Land</strong>wirt für<br />
einen Tag“ zu bewerben. Die Beraterin<br />
für digitale Vermarktung hatte Glück.<br />
Beim Gemüseproduzenten Renner in<br />
Mutterstadt in der Nähe von Mannheim<br />
konnte Johanna Kuge hinter die Hoftore<br />
schauen <strong>und</strong> live miterleben, wie das<br />
Unternehmen auf 2000 Hektar Bio- <strong>und</strong><br />
konventionelles Gemüse anbaut.<br />
Gemüse wird vor dem<br />
Versand untersucht<br />
„Ich hatte keine Vorstellungen davon,<br />
was mich erwarten würde“, sagt Johanna<br />
Kuge nach ihrem Besuch auf dem<br />
familiengeführten Hof. Am Morgen holte<br />
Betriebsleiter David Oswald sie vom<br />
Bahnhof ab <strong>und</strong> zeigte ihr den Großbetrieb.<br />
„Gemüsefelder, so weit das Auge<br />
reicht“, schwärmt die Offenbacherin. Von<br />
Frühlingszwiebeln über Rucola bis hin zu<br />
Spargel <strong>und</strong> Erdbeeren besichtigte sie die<br />
unterschiedlichsten Gemüseanpflanzungen<br />
auf Feldern <strong>und</strong> in Folientunneln.<br />
„Ich habe Spargel gestochen <strong>und</strong> Erdbeeren<br />
gepflückt <strong>und</strong> durfte alles mit nach<br />
Hause nehmen.“ Doch das Beeindruckendste<br />
war die große Halle, in der das<br />
geerntete Gemüse gewaschen, verpackt,<br />
etikettiert <strong>und</strong> verladen wird. „H<strong>und</strong>erte<br />
von Radieschen wurden über Bänder<br />
transportiert, in Kisten gelegt <strong>und</strong> zu<br />
riesig hohen Türmen gestapelt“, erzählt<br />
sie begeistert. David Oswald fügt hinzu:<br />
„R<strong>und</strong> sechs LKWs beladen wir täglich<br />
nur mit Frühkartoffeln <strong>und</strong> packen r<strong>und</strong><br />
120 Paletten mit B<strong>und</strong>zwiebeln.“ Hinzu<br />
Zupackend David Oswald<br />
freute sich, dass Johanna<br />
Kuge so motiviert <strong>und</strong><br />
interessiert war. „Sie hat<br />
sehr viele Fragen gestellt.<br />
Ich glaube, dieser Tag<br />
hat einen positiven Effekt<br />
erzielt“<br />
Aufregend Sogar einen<br />
Trecker selber fahren<br />
durfte Johanna Kuge bei<br />
ihrem Besuch auf dem<br />
Hof von Gemüse Renner<br />
14
Aktion<br />
kommen die anderen Gemüsesorten.<br />
Alles, was bei Gemüse Renner geerntet<br />
wird, kommt vor dem Abtransport in ein<br />
Labor <strong>und</strong> wird dort auf Pflanzenmittelrückstände<br />
untersucht. Wäre eine Kiste<br />
dabei, deren Inhalt nicht den gesetzlichen<br />
Vorgaben entspricht, würde sie<br />
nicht in den Handel kommen.<br />
Der Labortest stellt keine große Herausforderung<br />
für die Gemüseproduzenten<br />
dar. Vielmehr sind es die hohen<br />
Erwartungen der Verbraucher an Äußerlichkeiten,<br />
die mit der eigentlichen<br />
Qualität nichts zu tun haben. „Wenn<br />
eine Biogurke leicht krumm ist oder<br />
eine Tomate nicht eine bestimmte Größe<br />
hat, können wir sie nicht verkaufen.<br />
Dabei ist ihre Qualität nicht beeinträchtigt,<br />
nur die Optik“, sagt David Oswald.<br />
Allein bei Gurken fallen täglich bis zu<br />
zwölf Kisten Ausschussware an. Das<br />
ganze Gemüse, das keine Akzeptanz bei<br />
den Konsumenten finden würde, wird<br />
abends unter den 200 Festangestellten<br />
<strong>und</strong> r<strong>und</strong> 1000 Saisonarbeitern verteilt.<br />
„Mittlerweile müssen auch Biogurken,<br />
genau wie konventionell angebaute<br />
Gurken, ganz gerade gewachsen sein.<br />
„Ich bin sehr beseelt nach Hause gefahren.<br />
Schließlich habe ich einen Einblick in<br />
eine Welt erhalten, die uns im Supermarkt<br />
oder Gemüsegeschäft täglich begegnet ...“<br />
Dabei sprechen wir hier von Naturprodukten,<br />
die krumm genauso gut schmecken“,<br />
meint der Betriebsleiter.<br />
Das Äußere zählt, nicht<br />
die Anbaumethode<br />
„Wir K<strong>und</strong>en stellen uns Erdbeeren<br />
groß, r<strong>und</strong> <strong>und</strong> schön rot vor. Sie sollen<br />
perfekt aussehen, aber ist das gerechtfertigt?“,<br />
fragt sich Johanna Kuge<br />
nach ihrem <strong>Land</strong>wirtschaftstag. Es seien<br />
nicht die Umweltthemen oder der<br />
Artenschutz, die den Verbraucher umtreiben,<br />
sondern die Ansprüche, die an<br />
das Äußere einer Frucht gestellt werden.<br />
„Auch die Geldbeträge, die Gemüsehersteller<br />
für ihre Waren erhalten, haben<br />
mich nachdenklich gestimmt. Denn sie<br />
sind erschreckend gering für den hohen<br />
Aufwand, der auf einem Hof wie diesem<br />
betrieben wird“, so die <strong>Land</strong>wirtin für<br />
einen Tag weiter.<br />
Genau wie die Nutztierhalter kennen<br />
auch die Gemüseproduzenten weder<br />
Feiertage noch Wochenende. „Radieschen<br />
wachsen am Sonnabend oder<br />
Pfingstsonntag wie an jedem Tag <strong>und</strong><br />
müssen bearbeitet oder kontrolliert<br />
werden. Dieser enorme Aufwand wurde<br />
mir beim Hofbesuch noch einmal<br />
mehr bewusst“, schließt Johanna Kuge<br />
ihren Bericht ab. „Ich bin sehr beseelt<br />
nach Hause gefahren. Schließlich habe<br />
ich einen Einblick in eine Welt erhalten,<br />
die uns im Supermarkt oder Gemüsegeschäft<br />
täglich begegnet. Deshalb glauben<br />
wir Verbraucher, sie zu kennen, aber davon<br />
sind wir meilenweit entfernt.“<br />
Eindrucksvoll Über viele Laufbänder rollt das Gemüse, das die Mitarbeiter<br />
dann für den Transport verpacken<br />
FOTOS: FML, GEMÜSE RENNER<br />
Sie finden das spannend?<br />
Gleich QR-Code<br />
einscannen <strong>und</strong><br />
online mehr erfahren.<br />
15
DIE NEUE HERKUNFTSKENNZEICHNUNG 5D<br />
Moderne<br />
Schweinehaltung<br />
Mit der Herkunftskennzeichnung 5D unterstützen Supermarktketten<br />
wie Lidl <strong>und</strong> Kaufland schweinehaltende Betriebe in Deutschland<br />
Rosig <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> Auf dem<br />
Familienbetrieb von Josef<br />
Mertens im Kreis Olpe können<br />
sich die Schweine in einer<br />
modernen Pultdachhalle oder<br />
einer Außenbucht frei bewegen<br />
16
Tierwohl<br />
LÜCKENLOSE KONTROLLE VOM<br />
LANDWIRT BIS ZUR LADENTHEKE<br />
4<br />
1<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
geboren<br />
5<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
zerlegt<br />
2<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
gemästet<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
verarbeitet<br />
IN DEUTSCHLAND<br />
geschlachtet<br />
3<br />
FOTOS: J. MERTENS, GOLDSCHMAUS GRUPPE<br />
Sie halten ihre Tiere nach den hohen<br />
deutschen Tierschutz- <strong>und</strong> Umweltstandards<br />
<strong>und</strong> doch müssen sie um ihre<br />
Existenz kämpfen: Immer öfter können<br />
die deutschen Schweinehalter nicht mit<br />
den niedrigen Preisen ausländischer Produzenten<br />
konkurrieren. Zu hoch <strong>und</strong> zu teuer sind hierzulande<br />
die Tierhaltungs- <strong>und</strong> Futterkosten, während<br />
in anderen Ländern die Standards für die<br />
Schweinehaltung viel niedriger sind, sodass das<br />
Fleisch zu Billigpreisen auf dem internationalen<br />
Markt angeboten werden kann.<br />
Mittlerweile haben einige deutsche Supermarktketten<br />
den deutschen Schweineproduzenten<br />
ihre Unterstützung angekündigt. Sie wollen<br />
sogenanntes 5D-Schweinefleisch anbieten. Das<br />
bedeutet, dass die Tiere in Deutschland geboren,<br />
aufgezogen, gemästet, geschlachtet <strong>und</strong> verarbeitet<br />
werden. Lange Tiertransporte sollen so<br />
vermieden werden, was gleichzeitig der Umwelt<br />
zugutekommt.<br />
Fleisch nach deutschen<br />
Standards bevorzugen<br />
Für eine tiergerechte Haltung macht sich Dr. Hermann-Josef<br />
Nienhoff stark. Er leitet die Zentrale<br />
Koordination Handel-<strong>Land</strong>wirtschaft e. V. (ZKHL),<br />
die sich ebenfalls für eine einheitliche Herkunftskennzeichnung<br />
von Schweinefleisch einsetzt. „Ziel<br />
ist, für Erzeugnisse aus Deutschland eine Vorrangstellung<br />
gegenüber den im Ausland erzeugten<br />
Produkten zu erreichen“, sagt der Experte für<br />
Lebensmittelqualitätssicherung. „Die deutsche<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft hat deutlich höhere Standards als<br />
viele andere Länder. Wenn wir hierzulande einen<br />
Wandel in der Tierhaltung erreichen <strong>und</strong> zukünftig<br />
nur noch Fleisch von Tieren verkaufen wollen, die<br />
Auslauf im Freien oder zumindest Frischluftklima<br />
im Stall mit deutlich mehr Platz haben, wird das<br />
Fleisch viel mehr kosten müssen. Sonst können<br />
unsere <strong>Land</strong>wirte die Kosten für die dafür erforderlichen<br />
Umbauten nicht stemmen.“ <br />
Fazit<br />
Die Bereitschaft der Verbraucher,<br />
regionale, qualitativ hochwertige<br />
Produkte zu kaufen, steigert<br />
gleichzeitig das Tierwohl <strong>und</strong> den<br />
Umweltschutz.<br />
17
Herbstsaison<br />
Sie gehören zu den ältesten<br />
Kulturpflanzen der Welt:<br />
Kürbisse. R<strong>und</strong> 5000 Stück<br />
verkauft Christian Braune<br />
pro Saison in seinem Hofladen.<br />
Der Agrarbetriebswirt <strong>und</strong><br />
sein Großvater Eberhard<br />
Riecke haben sogar eine<br />
eigene Sorte kreiert<br />
Kreativ,<br />
köstlich:<br />
Kürbisse<br />
Wahrscheinlich ist es Christoph<br />
Kolumbus zu verdanken,<br />
dass die ersten Samen<br />
schmackhafter Kürbisse aus<br />
Mittel- <strong>und</strong> Südamerika an europäische<br />
Höfe <strong>und</strong> in Klostergärten gelangten. Zum<br />
damaligen Zeitpunkt waren den Europäern<br />
nur Flaschenkürbisse bekannt.<br />
Eine kürzere Strecke legten die Kerne<br />
der Kürbissorte Muscade de Provence bis<br />
auf das Feld von Eberhard Riecke zurück.<br />
Es war Anfang der Achtzigerjahre, als der<br />
Werkzeugmacher <strong>und</strong> damalige Besitzer<br />
eines kleinen Hofs mit seiner Frau aus der<br />
DDR zu einem Familienfest in den Westen<br />
reisen durfte, wo er den Muskatkürbis entdeckte<br />
<strong>und</strong> schätzen lernte.<br />
Acht Samen der Frucht steckte er<br />
nach seiner Rückkehr in die Erde seines<br />
ehemaligen Spargelackers, <strong>und</strong> schon<br />
bald stand Eberhard Riecke mit seinem<br />
Motorrad in Babelsberg am Straßenrand<br />
<strong>und</strong> verkaufte die aromatischen Speisekürbisse.<br />
Knapp 20 Jahre später gründete<br />
der „Kürbiskönig von Philippsthal“ seinen<br />
Hofladen.<br />
Kürbisanbau ist reine Handarbeit<br />
Schon als Kind begleitete ihn sein Enkel<br />
Christian Braune auf das r<strong>und</strong> ein Hektar<br />
große Kürbisfeld. So lernte der inzwischen<br />
studierte Agrarbetriebswirt, worauf<br />
es beim Kürbisanbau ankommt. Nämlich<br />
auf viel Wasser, möglichst hohe Temperaturen<br />
<strong>und</strong> eine gute Hacke, mit der man<br />
das stark zur Verunkrautung neigende<br />
Fruchtgemüse wochenlang mühsam per<br />
Hand befreien muss. „Über 36 St<strong>und</strong>en<br />
benötige ich, um einmal das ganze Feld<br />
zu entkrauten“, erzählt Christian Braune.<br />
„Da ich weder chemische Pflanzenschutzmittel<br />
noch Herbizide einsetze, fange ich<br />
nach dem Durchgang gleich wieder von<br />
vorn an.“ Kürbisanbau ist Handarbeit.<br />
Im Mai kommen die Kerne in die Erde.<br />
Im Juni <strong>und</strong> Juli bilden sich die Früchte<br />
aus. Ab Ende August, Anfang September<br />
werden diese per Hand geerntet. „Dabei<br />
muss man die Kürbisse wie rohe Eier behandeln.<br />
Sie werden vorsichtig von der<br />
Ranke abgetrennt <strong>und</strong> anschließend auf<br />
eine Unterlage in eine Kiste gelegt, in der<br />
sie dann kühl gelagert werden.“<br />
Der 25-Jährige übernahm im letzten<br />
Jahr offiziell den Riecke-Hof <strong>und</strong> meldete<br />
den Betrieb wieder an, den sein<br />
Großvater fünf Jahre zuvor abgemel-<br />
18
WISSENSWERTES<br />
Der Kürbis<br />
• Botaniker bezeichnen den<br />
Kürbis als Panzerbeere.<br />
• Der Kürbis ist die Pflanze mit<br />
den größten Beeren <strong>und</strong><br />
größten Samen.<br />
• Mit über 90 % Wasser gehalt<br />
gehört der Kürbis zu den<br />
wasserreichsten Gemüsearten.<br />
• Sein deutscher Name leitet<br />
sich vom lateinischen Corbis<br />
(= Korb, Gefäß) ab.<br />
• Kürbisse zählen zu den<br />
Fruchtgemüsen, sind<br />
einjährige Pflanzen <strong>und</strong><br />
einhäusig, blühen aber<br />
getrenntgeschlechtlich.<br />
Tolle Küchentipps<br />
1. Kekse aus pürierten Butternut-<br />
Kürbiswürfeln backen.<br />
2. Butternut-Kürbis in dünne Streifen<br />
schneiden <strong>und</strong> wie Bratkartoffeln braten.<br />
3. Kürbis Muscade de Provence roh in<br />
Würfel schneiden <strong>und</strong> als Auflauf mit<br />
Kassler, Crème fraîche <strong>und</strong> mit Käse überbacken<br />
servieren.<br />
4. Patisson-Kürbis, auch Bischofsmütze<br />
genannt: Deckel abtrennen, Kerngehäuse<br />
entnehmen, Kürbis mit Pilzen, Zwiebeln,<br />
Hack füllen <strong>und</strong> im Ofen backen.<br />
Kreative<br />
Bastelideen<br />
• Zum Ausschneiden <strong>und</strong> Schnitzen eignet<br />
sich am besten eine kleine Stichsäge<br />
oder ein Messer mit angerauter Klinge.<br />
• Nach dem Aushöhlen <strong>und</strong> Entfernen des<br />
Kerngehäuses den Kürbis innen mit<br />
etwas Salz bestreuen. Dann hält er länger.<br />
• Wenn der Kürbis schief ist <strong>und</strong> nicht von<br />
allein steht, Kastanien unterlegen oder<br />
eine Seite abschneiden, sodass er auf der<br />
abgeschnittenen Seite steht.<br />
• Mit einem wasserfesten Stift aufzeichnen,<br />
was ausgeschnitzt werden soll.<br />
• Halloween-Kürbisse eignen sich hervorragend<br />
zum Schnitzen, da sie eine dünne<br />
Haut haben.<br />
FOTOS: SABINE RÜBENSAAT, OLHA_AFANASIEVA/ISTOCK<br />
det hatte. Auch Christian Braune führt<br />
diesen nur im Nebenerwerb. „Mit insgesamt<br />
fünf Hektar ist er zu klein. Und<br />
den Hofladen machen wir nur zur Kürbissaison<br />
vom 1. September bis 31. Oktober<br />
auf“, erklärt er. Hauptberuflich ist<br />
Christian Braune als <strong>Land</strong>wirt bei einer<br />
Genossenschaft tätig.<br />
Der Kürbis-Hit bei den K<strong>und</strong>en<br />
Zwölf Kürbissorten baut der junge <strong>Land</strong>wirt<br />
aktuell an. Neben den beliebten<br />
Speisekürbissen Hokkaido, Butternut,<br />
Blue Hubbard oder dem bekannten<br />
Halloween-Kürbis Tom Fox haben sein<br />
Großvater <strong>und</strong> er sogar eine eigene Sorte<br />
entwickelt, die aus der Kreuzung von<br />
Butternut <strong>und</strong> Muscade de Provence<br />
entstand. „Wir haben beide Sorten versetzt<br />
angepflanzt <strong>und</strong> mit einem insektensicheren<br />
Zaun umgeben. Dann haben<br />
wir die Blüten künstlich bestäubt“, berichtet<br />
Braune. Das Ergebnis heißt „Opas<br />
Kreuzung“ – ein Kürbis, der durch einen<br />
sensationell nussig-milden Geschmack<br />
überzeugt.<br />
Ab Anfang September leuchten die<br />
verschiedenen Kürbisfrüchte wie jedes<br />
Jahr herrlich farbenfroh auf den Holzregalen<br />
des Hofladens. „Während der<br />
Erntedankzeit schmücken wir unseren<br />
Hof mit Strohballen, <strong>und</strong> meine Tante<br />
schnitzt w<strong>und</strong>erbare Kürbisgesichter,<br />
die wir überall verteilen“, beschreibt der<br />
junge Kürbisbauer das Saisonfinale. „Wir<br />
gehen zum Erntedankfest in die Kirche<br />
<strong>und</strong> sind dankbar für all die Früchte, die<br />
auf unseren Feldern gewachsen sind.“<br />
Spaghetti-Kürbisse<br />
Hellgelbes Fruchtfleisch mit langen<br />
Fasern. Diese erinnern an die beliebten<br />
Spaghetti. Daher auch der Name<br />
19
Champagner<br />
für den Boden<br />
Bernd Olligs ist einer von vielen<br />
<strong>Land</strong>wirten in Europa, die bei einem<br />
Carbon-Farming-Projekt erproben,<br />
wie sie den Humus gehalt ihrer<br />
Ackerböden erhöhen <strong>und</strong> dadurch<br />
mehr Kohlenstoff binden können<br />
Wenn es die unvor her <br />
seh baren Wetterwechsel<br />
zwischen ex tremer<br />
Trockenheit <strong>und</strong> starken<br />
Regenfällen nicht gäbe,<br />
dann könnte Bernd Olligs so manchen<br />
Monat vor der Ernte besser schlafen.<br />
Denn auf seinem Damianshof in Rommerskirchen<br />
bei Köln herrschen bodentechnisch<br />
die besten Voraussetzungen,<br />
um ertragreich Kulturen wie Winterweizen,<br />
Gerste, Raps, Kartoffeln, Zuckerrüben<br />
<strong>und</strong> Gemüsesorten anzubauen.<br />
„In Sachen Ertragsfähigkeit<br />
erhält unser Boden 95 von<br />
100 Punkten“, erzählt der<br />
Diplom landwirt. Er könne<br />
in seinem Betrieb also quasi<br />
alles sehr erfolgreich anbauen,<br />
so gut sei seine Erde, ist Olligs<br />
überzeugt.<br />
Doch der Klimawandel, verursacht<br />
durch Treibhausgase, macht Olligs zu<br />
schaffen. Auf der einen Seite produziert<br />
die <strong>Land</strong>wirtschaft laut B<strong>und</strong>esinformationszentrum<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft (BZL)<br />
neun Prozent der gesamten Treibhausgase<br />
in Deutschland, auf der anderen<br />
Seite ist sie aber auch Teil der Lösung.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat das Agrar<strong>und</strong><br />
Pharma unternehmen Bayer europaweit<br />
ein landwirtschaftliches<br />
Dreijahresprojekt<br />
gestartet, bei dem mit<br />
klimafre<strong>und</strong>lichen<br />
Praktiken Treibhausgasemissionen<br />
eingespart<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig<br />
Humus im Boden aufgebaut werden soll<br />
– neudeutsch auch Carbon Farming genannt.<br />
Der nachweisliche Aufbau von<br />
Humus in Böden ist ein wesentlicher<br />
Baustein, um den CO 2 -Gehalt in der<br />
Luft zu senken <strong>und</strong> die Erderwärmung<br />
zu bremsen.<br />
Zum Projektstart wurde bei Bernd<br />
Olligs, der seinen Hof in sechster Generation<br />
führt, der organisch geb<strong>und</strong>ene<br />
Kohlenstoffgehalt an bestimmten<br />
Stellen im Boden als Ausgangswert<br />
gemessen. Genau dort werden die<br />
Bodenproben zum Ende des Projekts<br />
wiederholt. Seitdem trägt der <strong>Land</strong>wirt<br />
die Daten all seiner pflanzenbaulichen<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> Bodenbearbeitungsgänge<br />
präzise <strong>und</strong> gewissenhaft auf der<br />
digitalen <strong>Land</strong>wirtschaftsplattform Cli<br />
20
Klimaschutz<br />
„Humus ist für mich wie<br />
ein Sparbuch, mit dem es<br />
sich gut leben lässt.“<br />
mate FieldView ein. Ein hoher Arbeitsaufwand,<br />
der sich lohnen wird, da ist<br />
sich Ollig sicher.<br />
„Bisher konnte ich nicht klar belegen,<br />
wie sich mein Boden verändert<br />
<strong>und</strong> welche individuellen Maßnahmen<br />
tatsächlich greifen, um den Kohlenstoff<br />
fixierenden Humus effizient aufzubauen“,<br />
sagt der <strong>Land</strong>wirt. Das soll sich<br />
zukünftig mithilfe dieser Plattform <strong>und</strong><br />
einer in der Entwicklung befindlichen<br />
Anwendung ändern.<br />
110<br />
Humusmehrend <strong>und</strong><br />
humuszehrend<br />
Olligs klimafre<strong>und</strong>liche Praktiken sind<br />
facettenreich. So baut er zum Beispiel<br />
mehr Weizen als Kartoffeln an, da Kulturen<br />
wie Getreide oder Raps humusmehrend<br />
sind, während Zuckerrüben<br />
<strong>und</strong> Kartoffeln als humuszehrend eingestuft<br />
werden.<br />
Alle zwei Jahre führt der 55-Jährige<br />
seinem Boden ein Substrat aus dem<br />
Champignonanbau zu. „Champost besteht<br />
hauptsächlich aus strohreichem<br />
Pferdemist. Es hat die gleiche belebende<br />
Wirkung auf die Erde wie Champagner<br />
auf Menschen. Mit diesem torfähnlichen<br />
Kompost erhält der Boden neue Energie“,<br />
erklärt der Nordrhein-Westfale.<br />
Lohnend für den Humusaufbau ist<br />
der Anbau von Pflanzen zwischen den<br />
Hauptkulturen. Nach der Ernte des Getreides<br />
im Juli hält der <strong>Land</strong>wirt mit der<br />
Aussaat sogenannter Zwischenfrüchte<br />
ab Mitte August seine Felder den ganzen<br />
Winter hindurch begrünt, bevor<br />
im April Zuckerrüben oder Kartoffeln<br />
gesät beziehungsweise gepflanzt werden.<br />
Diese Begrünung steht zwischen<br />
den Früchten, die der <strong>Land</strong>wirt ernten<br />
möchte. Die Aussaat der Zwischenfrüchte<br />
dient neben dem Humusaufbau<br />
dazu, die Felder vor Erosion zu schützen,<br />
die Wasserspeicherkapazität der<br />
Böden zu verbessern <strong>und</strong> gelöste Nährstoffe<br />
vor der Auswaschung über Herbst<br />
<strong>und</strong> Winter zu schützen.<br />
„Zwischenfrüchte wie zum Beispiel<br />
Ölrettich fördern das Bodenleben mit<br />
Regenwürmern <strong>und</strong> Mikroorganismen.<br />
Allerdings stellen die warmen Wintermonate<br />
ohne Frosttage eine große Herausforderung<br />
dar, weil die Zwischenfrüchte<br />
nicht vollständig abfrieren. Hier<br />
hilft nur der Einsatz von <strong>Land</strong>maschinen<br />
wie dem Pflug. Aber das ist keine<br />
gute Option, weil man damit das Bodengefüge<br />
wieder zerstört. Pflanzenschutzmittel<br />
sind hier ergänzend ein wichtiges<br />
Werkzeug. Auf diese Weise arbeite ich<br />
<strong>nachhaltig</strong> <strong>und</strong> klimaschonend.“<br />
Aktuell prüft der <strong>Land</strong>wirt, welche<br />
Zwischenfruchtmischungen welchen<br />
Einfluss auf den Humusgehalt in seinen<br />
Böden haben. „Humus ist für mich<br />
wie ein Sparbuch, mit dem es sich gut<br />
leben lässt. Zumal wir hauptsächlich mit<br />
Nährhumus <strong>und</strong> selten mit Dauerhumus<br />
arbeiten. Dieser Nährhumus baut<br />
sich bei steigenden Bodentemperaturen<br />
auch schneller ab. Deshalb müssen<br />
wir <strong>Land</strong>wirte für seinen Erhalt Sorge<br />
tragen.“<br />
Dafür setzt Bernd Olligs auch digitale<br />
Technologien ein. So kann er sehr<br />
genau die benötigten Nährstoffe ermitteln,<br />
die er als mineralischen Dünger<br />
ausbringen muss, um optimale Erträge<br />
zu erzielen. Denn eine Faustregel<br />
gilt bei Carbon Farming ganz sicher:<br />
Je höher die Ernteerträge sind, desto<br />
mehr CO 2 wird von den Kulturpflanzen<br />
geb<strong>und</strong>en. Ein Beispiel: „Wenn ich auf<br />
einem Hektar <strong>Land</strong> 110 Tonnen Zuckerrüben<br />
ernte, fixiere ich ca. 46 Tonnen<br />
CO 2 <strong>und</strong> ich produziere ca. 32 Tonnen<br />
Sauerstoff. Das bedeutet, dass mein<br />
Acker doppelt so viel Sauerstoff abgibt<br />
wie ein Wald.“ <br />
Tonnen Zuckerrüben<br />
produzieren ca.<br />
32<br />
Tonnen<br />
Sauerstoff<br />
21
Meldungen<br />
Wegwerfen, nein danke!<br />
Jedes Jahr werden in Deutschland r<strong>und</strong> 11 Millionen Tonnen<br />
Lebensmittel weggeworfen. Das ist unnötig, teuer <strong>und</strong> klimaschädigend<br />
Wir haben es wieder getan! Laut<br />
Statistischem B<strong>und</strong>esamt hat<br />
Deutschland 2020 r<strong>und</strong> 10,9<br />
Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle<br />
produziert. Dazu zählen unter anderem<br />
übrig gebliebene Speisereste<br />
<strong>und</strong> nicht verkaufte<br />
Lebensmittel. Die größte<br />
Lebensmittelverschwendung<br />
findet mit 59 Prozent<br />
in privaten Haushalten<br />
statt. Demnach<br />
wirft jeder Bürger im<br />
Jahr r<strong>und</strong> 78 Kilo Lebensmittel<br />
weg. Das entspricht<br />
knapp dem Maximalgewicht,<br />
das zehn Personen als<br />
Handgepäck in die Economy Class einer<br />
deutschen Fluggesellschaft mitnehmen<br />
dürfen.<br />
Das B<strong>und</strong>esministerium für Ernährung<br />
<strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirtschaft hat sich zum Ziel<br />
gesetzt, bis 2<strong>03</strong>0 die Lebensmittelver -<br />
schwendung in Deutschland pro Kopf auf<br />
Einzelhandels- <strong>und</strong> Verbraucherebene zu<br />
halbieren <strong>und</strong> die entlang der Produktions-<br />
<strong>und</strong> Lieferketten entstehenden<br />
CIVEY-UMFRAGE<br />
Was verbinden Sie<br />
mit <strong>Land</strong>wirten in Bezug<br />
auf Klimaschutz?<br />
62 %<br />
der <strong>Land</strong>wirte sind betroffen,<br />
leiden unter der<br />
Klimaveränderung<br />
53 %<br />
der <strong>Land</strong>wirte sind Teil der<br />
Lösung beim Klimaschutz<br />
38 %<br />
der <strong>Land</strong>wirte sind beim Klimaschutz<br />
noch zu wenig aktiv<br />
R<strong>und</strong> 78 kg<br />
Lebensmittel werfen<br />
deutsche Verbraucher<br />
durchschnittlich im Jahr<br />
in den Müll<br />
Lebensmittelabfälle einschließlich Nachernteverlusten<br />
zu verringern. Dafür wurden<br />
verschiedene Dialogforen gegründet.<br />
Aber auch groß angelegte Initiativen wie<br />
Too Good To Go fordern Unternehmen<br />
<strong>und</strong> Verbraucher auf, überschüssige<br />
Nahrungsmittel<br />
umzuverteilen, statt sie<br />
wegzuwerfen. So bieten<br />
aktuell über 15 000 Bäckereien,<br />
Lebensmittelgeschäfte<br />
<strong>und</strong> Restaurants<br />
überschüssige<br />
Nahrungsmittel <strong>und</strong> Essen<br />
in sogenannten Überraschungstüten<br />
für einen<br />
stark reduzierten Preis an.<br />
Machen Sie mit <strong>und</strong> retten Sie Lebensmittel!<br />
Dafür erhalten Sie Obst, Backwaren,<br />
Gemüse oder eine fertige Mahlzeit<br />
<strong>und</strong> sparen bis zu 60 Prozent der üblichen<br />
Kosten. Eine App zeigt an, welche<br />
Betriebe in Ihrer Umgebung dabei sind.<br />
https://toogoodtogo.de/de<br />
Gemüseanbau in<br />
Deutschland 2021<br />
Spargel, Möhren, Salate, Zwiebeln,<br />
Erbsen, Weißkohl <strong>und</strong> Kürbisse<br />
sind die Hauptgemüsesorten, die<br />
bei uns angebaut werden.<br />
14 %<br />
Anteil<br />
Bioanbau<br />
Konventioneller<br />
Anbau<br />
86 %<br />
QUELLE: BUNDESINFORMATIONSZENTRUM<br />
LANDWIRTSCHAFT, JUNI <strong>2022</strong><br />
FOTO: WUNDERVISUALS/ISTOCK, QWARTM/ADOBESTOCK<br />
Wie viel Getreide<br />
benötigt man für<br />
ein Brot?<br />
Weizen ist unser wichtigstes Brotgetreide.<br />
Für ein 1 Kilo Weizenbrot<br />
müssen <strong>Land</strong> wirtinnen <strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirte<br />
r<strong>und</strong> 850 Gramm Weizen ernten. Das<br />
entspricht etwa 17 000 Wei zenkörnern.<br />
Bei einem Durchschnittsertrag von<br />
r<strong>und</strong> 800 Gramm oder 16 000 Weizenkörnern<br />
pro Quadratmeter müssen<br />
sie also etwas mehr als einen Quadratmeter<br />
Weizen ernten, um die Menge<br />
an Weizen körnern für ein 1000-<br />
Gramm-Brot zu erhalten. Um diese<br />
16 000 Weizenkörner ernten zu<br />
können, sähen <strong>Land</strong> wirtinnen <strong>und</strong><br />
<strong>Land</strong>wirte im Herbst zuvor r<strong>und</strong><br />
400 Körner pro Quadratmeter aus.<br />
Nach acht bis neun Monaten Wachstumszeit<br />
mit ausreichend Regen<br />
<strong>und</strong> Sonne sowie guter Pflege können<br />
sie im Sommer dann das 40-Fache<br />
der Aussaatmenge vom Feld ernten.<br />
Erntemenge ist<br />
erheblich gestiegen<br />
1960 holten <strong>Land</strong>wirtinnen <strong>und</strong><br />
<strong>Land</strong>wirte gerade einmal die<br />
Hälfte der heutigen Getreidemenge<br />
vom Acker. So lag zum Beispiel<br />
der Durchschnittsertrag je Hektar<br />
Weizen im Jahre 1960 bei 3,5 Tonnen,<br />
heute liegt er bei 7,9 Tonnen.<br />
Diese enorme Ertragssteigerung<br />
in der <strong>Land</strong>wirtschaft wurde durch<br />
den Einsatz neuer Sorten, Dünger<br />
<strong>und</strong> Pflanzenschutzmittel sowie eine<br />
starke Mechanisierung <strong>und</strong> Spezialisierung<br />
der Betriebe möglich.<br />
QUELLE: BUNDESINFORMATIONSZENTRUM<br />
LANDWIRTSCHAFT<br />
22
Nachhaltigkeit<br />
Nouvelle Cantine …<br />
<strong>nachhaltig</strong>, ges<strong>und</strong>, regional<br />
Vorsprung durch Technik“, so<br />
lautet der Slogan des Automobilherstellers<br />
Audi seit<br />
über 50 Jahren. Einen Vorsprung<br />
erzielt das Unternehmen<br />
nicht nur auf dem Fahrzeugmarkt.<br />
Auch in seiner Betriebsgastronomie, zu<br />
der 14 Restaurants an den Standorten Ingolstadt<br />
<strong>und</strong> Neckarsulm zählen, setzt<br />
Audi auf zukunftsweisende Strategien.<br />
Bei der täglichen Produktion von bis<br />
zu 20 000 Gerichten zur Verköstigung<br />
seiner Mitarbeitenden steht ein Zehn-<br />
Punkte-Plan im Fokus, der ein wesentliches<br />
Ziel verfolgt: möglichst ges<strong>und</strong>heitsbewusst<br />
<strong>und</strong> <strong>nachhaltig</strong> zu agieren.<br />
Das beginnt beim Einkauf regionaler <strong>und</strong><br />
saisonaler Lebensmittel <strong>und</strong> reicht über<br />
eine schonende Zubereitung sowie die<br />
Herkunftskennzeichnung von Fleischprodukten<br />
bis hin zur Vermeidung von<br />
Plastik- <strong>und</strong> Verpackungsmüll. Victoria<br />
Broscheit, Leiterin der Audi Gastronomie:<br />
„Regionalität, Bioqualität <strong>und</strong><br />
die Reduzierung unseres CO 2 -Ausstoßes<br />
gehören zu unseren strategischen<br />
Gr<strong>und</strong>pfeilern. Wir wollen es den Menschen<br />
leichter machen, eine für sie gute<br />
Wahl zu treffen.“<br />
Ausbau von Regionalität<br />
Einen Salat mit Avocado wird man auf<br />
den Speisekarten der Audi Betriebsres-<br />
FOTOS: PROSTOCK-STUDIO/ISTOCK, SUPAMAS/ADOBESTOCK<br />
Hauptsache schnell, viel <strong>und</strong> günstig<br />
lautete früher das Motto vieler<br />
deutscher Betriebskantinen. Dass<br />
heute unter ganz anderen Kriterien<br />
eingekauft, gekocht <strong>und</strong> verzehrt wird,<br />
zeigen wir anhand zweier Beispiele<br />
23
Nachhaltigkeit<br />
Frisch zubereitet Leichte, ausgewogene Gerichte erfreuen<br />
sich in den Betriebsrestaurants großer Beliebtheit<br />
taurants nicht finden. Denn Avocados<br />
stammen meist aus Übersee, sodass allein<br />
deren Transport schon die Umwelt<br />
belastet, <strong>und</strong> sie sind für ihren enorm<br />
hohen Wasserbedarf bekannt.<br />
Alle angebotenen Fleisch- <strong>und</strong><br />
Wurstwaren stammen aus Deutschland<br />
oder Österreich. Dabei machen die Küchenchefs<br />
teilweise schon ganz transparent,<br />
woher sie die Waren beziehen. „Wir<br />
kennzeichnen auf unseren Speiseplänen<br />
zum Beispiel das Strohschwein, Rind<strong>und</strong><br />
Schweinefleisch vom Biohof Hecht<br />
sowie Sonnenputen aus Österreich“,<br />
erzählt Victoria Broscheit. Mit der Herkunftskennzeichnung<br />
möchte das Team<br />
der Audi Gastronomie seine Gäste dafür<br />
sensibilisieren, auch im Handel <strong>und</strong> in<br />
anderen Restaurants nach der Herkunft<br />
des Fleisches zu fragen.<br />
„Als Gemeinschaftsgastronomie<br />
können wir Zeichen setzen“, sagt die Leiterin<br />
der Audi Gastronomie. „Wenn Gäste<br />
die Herkunftskennzeichnung aus der<br />
Betriebsgastronomie kennen, werden<br />
sie diese dauerhaft auch im Handel <strong>und</strong><br />
in der Gastronomie selbst nachfragen.<br />
Ganz wichtig ist, dass in Deutschland<br />
das Bewusstsein für ordentlich hergestellte<br />
Lebensmittel wächst <strong>und</strong> von den<br />
Konsumenten eingefordert wird.“<br />
Ein weiterer Schritt, mit dem Audi im<br />
Bereich Tierwohl Verantwortung übernimmt,<br />
ist der Beitritt zur Europäischen<br />
Masthuhn-Initiative. Damit verpflichtet<br />
sich Audi, spätestens ab 2026 nur noch<br />
Hühnerfleisch einzukaufen, das nach<br />
Tierwohlkriterien produziert wurde, die<br />
über den gesetzlichen Mindeststandard<br />
hinausgehen.<br />
Kantinen als Spiegel unserer Zeit<br />
Zerkochte Kartoffeln, viel Fleisch <strong>und</strong><br />
Sauce waren gestern. In modernen<br />
Betriebskantinen wie bei Audi geht es<br />
heute nicht mehr um schnelle, günstige<br />
Wie viel Klimaschutz steckt<br />
in meinem Putendöner?<br />
Leitet die Audi Gastronomie<br />
Victoria Broscheit<br />
Nahrungsaufnahme, sondern vielmehr<br />
um Genuss, Ges<strong>und</strong>heit, Kommunikation<br />
<strong>und</strong> Austausch. Unternehmen sind<br />
gefordert, ihre Kantinen für das 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
fit zu machen. Dazu gehört auch<br />
die Auseinandersetzung mit aktuellen<br />
Themen wie Klima- <strong>und</strong> Umweltschutz,<br />
wozu neben Verpackungsmaterialien<br />
ebenso die Abfallvermeidung <strong>und</strong> Resteentsorgung<br />
zählen. Zeitgemäße Lösungen<br />
dazu erwarten immer mehr Mitarbeitende<br />
von ihren Arbeitgebern.<br />
Deshalb belässt das Audi Gastroteam<br />
es nicht allein bei einer Herkunftskennzeichnung<br />
seiner Speisen.<br />
Auch das Thema Umwelt nimmt einen<br />
großen Stellenwert in der Nachhaltigkeitsstrategie<br />
ein. So hat Audi bei der<br />
Warenanlieferung Mehrwegsysteme<br />
eingeführt oder lässt die Produkte lose<br />
anliefern. Bei der Essensausgabe stellte<br />
24
INTERVIEW<br />
„Deutsche <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
braucht Unterstützung“<br />
Sabine Asum ist Putenmästerin. Sie unterhält in der Nähe von Augsburg drei<br />
moderne Ställe mit r<strong>und</strong> 16 000 Puten<br />
„Als Gemeinschaftsgastronomie<br />
können<br />
wir Zeichen setzen.“<br />
Modern <strong>und</strong> einladend 14 Restaurants betreibt<br />
Audi an seinen Standorten Ingolstadt <strong>und</strong><br />
Neckarsulm<br />
das Audi Team das Verpackungsmaterial<br />
bei Take-away-Produkten um auf Pfandgläser<br />
oder Verpackungen aus Bagasse,<br />
einem kompostierbaren Material, das bei<br />
der Zuckerrohrverarbeitung übrig bleibt,<br />
sowie auf Kraftpapier <strong>und</strong> Biokunststoffe,<br />
die aus nachwachsenden Rohstoffen<br />
bestehen.<br />
Durch eine exaktere Planung vermeiden<br />
die Betriebsrestaurants des Automobilherstellers<br />
Essensabfälle. Bleibt<br />
dennoch etwas übrig, sollen diese Reste<br />
zukünftig dehydriert, kompostiert <strong>und</strong><br />
an eine Biogasanlage zur Energiegewinnung<br />
geliefert werden.<br />
Wie halten Sie Ihre Tiere?<br />
Wir stallen Eintagsküken ein. Wenn diese<br />
eintreffen, ist das immer eine sehr aufregende<br />
Sache. Sie kommen zunächst in<br />
unseren Aufzuchtstall mit Fußbodenheizung.<br />
Dort werden sie während der ersten<br />
zehn Tage per Hand mit gentechnikfreiem<br />
Futter gefüttert, das sie auch danach weiter<br />
erhalten. Später trennen wir die Hennen<br />
von den Hähnen. Hennen bleiben insgesamt<br />
r<strong>und</strong> 15 Wochen bei uns, Hähne 20 Wochen.<br />
Wie sieht der Stall aus?<br />
Der Stall ist 20 Meter breit <strong>und</strong> 120 Meter<br />
lang. Er ist mit Stroh ausgelegt, das immer<br />
frisch nachgestreut wird. Die Puten laufen<br />
hier frei herum.<br />
Welche Kontrollmöglichkeiten<br />
nutzen Sie?<br />
Das Auge des Mästers sieht sehr viel.<br />
Deshalb machen wir dreimal am Tag<br />
Kontroll gänge. Davon abgesehen werden<br />
Wasser, Lüftung <strong>und</strong> Nahrungszufuhr r<strong>und</strong><br />
um die Uhr von unserer modernen Technik<br />
überwacht. Sollte etwas ausfallen, wird<br />
automatisch ein Alarm ausgelöst.<br />
Wird Ihre Haltungsform offiziell<br />
gekennzeichnet?<br />
Wir nehmen an der Initiative Tierwohl<br />
teil. Und wir sind noch zweifach zertifiziert<br />
mit dem QS-Prüfzeichen <strong>und</strong> GQ-Siegel,<br />
was für geprüfte Qualität Bayern steht.<br />
Was halten Sie von einer<br />
Herkunftskennzeichnung?<br />
In Deutschland ziehen wir die Tiere unter<br />
extrem hohen Standards auf. Das ist in<br />
vielen anderen europäischen Ländern<br />
nicht unbedingt der Fall. Dort wird weder<br />
gentechnikfreies Futter eingesetzt noch<br />
haben die Tiere ausreichend Platz, die Mitarbeitenden<br />
erhalten zudem meist keinen<br />
Mindestlohn. Kein W<strong>und</strong>er also, dass viele<br />
ausländische Mäster unsere Preise unterbieten<br />
können. Von daher finde ich es sehr<br />
wichtig, dass der Verbraucher beziehungsweise<br />
der Restaurant- oder Kantinenbesucher<br />
weiß, ob das Fleisch in Deutschland<br />
produziert wurde oder nicht. Immerhin<br />
wird 60 Prozent des Geflügel fleisches<br />
außer Haus verzehrt.<br />
Was wünschen Sie sich von<br />
den Verbrauchern?<br />
Jeder K<strong>und</strong>e kann mit seinem Einkauf<br />
an der Fleischtheke <strong>und</strong> jeder Restaurantbesucher<br />
bei seiner Bestellung entscheiden,<br />
ob die Wertschöpfung in Deutschland<br />
bleibt, wo hohe Qualitäts standards gelten.<br />
Wenn wir als Mäster einen guten Absatz<br />
erzielen, können wir auch weiter in Tierwohl<br />
inves tieren.<br />
Mehr Klimaschutz in der Kantine<br />
„Im Sommer 2021 haben wir in einem<br />
Pilot versuch den CO 2 -Fußabdruck unserer<br />
Gerichte transparent gemacht. Das<br />
kam bei unseren Gästen so gut an, dass<br />
wir jetzt generell den CO 2 -Fußabdruck<br />
der Gerichte in unseren Speiseplänen<br />
ausweisen werden“, berichtet Victoria<br />
Broscheit. Auch vom Putendöner, der im<br />
letzten Jahr mit knapp 115 000 verkauften<br />
Portionen zu den beliebtesten Geflügelgerichten<br />
zählte, werden die Audi<br />
Mitarbeitenden also schon bald wissen,<br />
wie groß der CO 2 -Fußabdruck ist.<br />
FOTOS: AUDI, ZDG<br />
Stall mit Stroh In Deutschland ziehen die Mäster ihre Puten<br />
nach sehr hohen Standards auf.<br />
25
Nachhaltigkeit<br />
Leckeres aus<br />
der Patisserie<br />
Zum Wohle der Mitarbeitenden Ingrid Bußjäger-Martin verantwortet als Geschäftsführerin für Finanzen <strong>und</strong> IT auch die<br />
Belange der Mitarbeitenden, die im neuen Betriebsrestaurant von Fendt mit frischen Lebensmitteln versorgt werden<br />
FOTOS: FENDT<br />
Vier Sterne fürs GenussWERK<br />
Das neue Betriebsrestaurant von <strong>Land</strong>technikhersteller Fendt<br />
wurde im April zu einer der 50 besten Kantinen Deutschlands gewählt<br />
Wie wäre es mit einer<br />
roten Linsensuppe mit<br />
Chili, Ingwer <strong>und</strong> hausgemachtem<br />
Brot oder<br />
mariniertem Brauhaussteak<br />
mit Rosmarinkartoffeln? Oder<br />
doch lieber ein Fitnesssalat mit Putenbruststreifen?<br />
An den drei Stationen<br />
Grillerei, Innovation & Tradition <strong>und</strong><br />
Italian Taste sowie einer Cafébar werden<br />
im neuen Fendt Betriebsrestaurant<br />
täglich solch unterschiedliche Gerichte<br />
serviert. Alle frisch zubereitet, regional<br />
<strong>und</strong> ohne Zusatzstoffe.<br />
Anfang 2021 eröffnete das 1400 qm<br />
große GenussWERK in Marktoberdorf.<br />
Nur ein Jahr später wurde es bereits<br />
unter die 50 besten Kantinen Deutschlands<br />
gewählt.<br />
Zum vierten Mal veranstaltete der<br />
Verein Food & Health diesen besonderen<br />
Wettbewerb. Das GenussWERK von<br />
Fendt überzeugte die achtköpfige Jury in<br />
den Kategorien Verantwortung, Ges<strong>und</strong>heit,<br />
Genuss sowie Wir-Gefühl. Food &<br />
Health zeichnete das Fendt Mitarbeiterrestaurant<br />
mit vier Sternen aus.<br />
Im Herzen des <strong>Land</strong>maschinenwerks<br />
„Diese Auszeichnung freut uns sehr, da<br />
wir genau in den Kategorien gepunktet<br />
haben, die uns wichtig sind“, sagt Ingrid<br />
Bußjäger-Martin, bei Fendt Geschäftsführerin<br />
für Finanzen <strong>und</strong> IT.<br />
Während die alte Kantine im Verwaltungsgebäude<br />
des <strong>Land</strong>technikherstellers<br />
untergebracht <strong>und</strong> räumlich sehr eingeschränkt<br />
war, liegt das neue Betriebsrestaurant<br />
nun zentral im Herzen des Werks<br />
in der zweiten Etage über der Produktion<br />
<strong>und</strong> ist Treffpunkt für Mit arbeitende aus<br />
der Produktion, dem Marketing, aus Finance,<br />
Entwicklung oder auch aus der<br />
Fendt Geschäftsführung.<br />
„Im Rahmen unseres Ges<strong>und</strong>heitsleitbildes<br />
wollen wir unseren Mitarbeitenden<br />
frisches <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>es Essen in<br />
einer Wohlfühlatmosphäre anbieten“, erläutert<br />
Ingrid Bußjäger-Martin das neue<br />
Konzept der Mitarbeiterverköstigung.<br />
R<strong>und</strong> 800 Mahlzeiten werden nun<br />
täglich von dem neuen Restaurantbetreiber<br />
Genuss & Harmonie zubereitet.<br />
Dabei stehen auch für die Spätschicht<br />
warme Speisen zur Auswahl. Dazu kommen<br />
noch die vier Brotzeitshops, verteilt<br />
über das gesamte Werksgelände für alle<br />
Mitarbeitenden, die ihre Mittagspause<br />
an anderer Stelle verbringen möchten.<br />
Die Lebensmittel stammen von regionalen<br />
Zulieferern <strong>und</strong> lokalen Metzgereien.<br />
„Die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen sind<br />
begeistert, wie gut <strong>und</strong> abwechslungsreich<br />
unsere neue Küche ist“, freut sich<br />
die Geschäftsführerin für Finanzen <strong>und</strong><br />
IT. „Über eine App können sie Einfluss<br />
nehmen <strong>und</strong> Anregungen äußern. Sich<br />
gesünder ernähren zu wollen war einer<br />
ihrer Wünsche“, erklärt Ingrid Bußjäger-<br />
Martin. Ein Komitee aus Betriebsrat <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitsmanagement hatte das neue<br />
Gr<strong>und</strong>konzept mit erarbeitet.<br />
Schon bald können Fendt Mitarbeitende<br />
ihre frisch <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> zubereitete<br />
Mahlzeit auch draußen genießen.<br />
Aktuell wird auf dem Produktionsgebäude<br />
eine Dachterrasse mit 70 Plätzen<br />
ausgebaut. Sie lädt dazu ein, an der<br />
frischen Luft Mittag zu essen oder eine<br />
Kleinigkeit aus der hauseigenen Patisserie<br />
zu naschen. <br />
26
Klimaschutz<br />
Rhizobien sind<br />
knöllchenförmige<br />
Bodenbakterien, die<br />
Stickstoff binden<br />
können. Sie bilden<br />
sich an den Wurzeln<br />
von Leguminosen,<br />
aber auch an manchen<br />
Blütenpflanzen<br />
Booster für die Pflanzen<br />
Wegen der Verschärfung der Düngeverordnung durch die Politik suchen <strong>Land</strong>wirte<br />
wie Götz Resenhoeft nach Alternativen, um ihre Ernteerträge konstant zu halten.<br />
Eine Möglichkeit ist der Einsatz einer neuen Produktgruppe, Biostimulanzien genannt<br />
Gut Hülsenberg liegt in Wahlstedt<br />
nahe Bad Segeberg, der<br />
Kreisstadt in Schleswig-Holstein,<br />
die berühmt ist für ihre<br />
Karl-May-Spiele. Mit dem<br />
Gut unterhält der Futtermittelhersteller<br />
Schaumann einen Testbetrieb mit 240<br />
Milchkühen, Biogasanlage <strong>und</strong> 700 Hektar<br />
Ackerland, auf dem vor allem Roggen,<br />
Gerste <strong>und</strong> Mais angebaut werden. Seit<br />
18 Jahren leitet Götz Resenhoeft den Betrieb,<br />
der sein eigenes Tierfutter anbaut,<br />
Energie über die Biogasanlage erzeugt<br />
<strong>und</strong> mit der Gülle der Tiere die Ackerböden<br />
düngt. Ein Selbstversorger mit Anspruch<br />
auf maximale Nachhaltigkeit, die<br />
vom Gesetzgeber auch eingefordert wird.<br />
Denn ein Großteil der Ackerflächen des<br />
Gutshofs liegt in Nitratschutzgebieten,<br />
also in Gr<strong>und</strong>wassernähe, wo Dünger nur<br />
ganz rationiert eingesetzt werden darf.<br />
Weniger Erträge durch<br />
weniger Dünger<br />
„Die Auflagen sehen vor, dass wir 20<br />
Prozent unter dem eigentlichen Nährstoffbedarf<br />
der Pflanzen bleiben, also<br />
damit auch 20 Prozent weniger Erträge<br />
erreichen können“, sagt der <strong>Land</strong>wirt.<br />
Deshalb hat er schon vor Jahren damit<br />
begonnen, auf schmalen Ackerstreifen<br />
verschiedene Proben <strong>und</strong> Tests durchzuführen,<br />
wie er die Pflanzenentwicklung<br />
möglichst frühzeitig verbessern<br />
<strong>und</strong> sie auf längere Trockenperioden<br />
vorbereiten kann. Dabei ist er auf die<br />
Braunalge gestoßen.<br />
Die Pflanze beim Wachstum<br />
unterstützen<br />
„Ich möchte dafür sorgen, dass die<br />
jungen Pflanzen bereits sehr früh ein<br />
27
Klimaschutz<br />
Kraftstoff aus dem Meer Braunalgen werden in<br />
Tierfutter, Heilmitteln <strong>und</strong> als Felddünger eingesetzt<br />
Experimentierfreudig Götz Resenhoeft testet<br />
klimafre<strong>und</strong>liche Nährstoffe für seine Kulturpflanzen<br />
starkes Wurzelsystem ausbilden, damit<br />
sie während ihrer Wachstumsphase<br />
mehr Nährstoffe aufnehmen können als<br />
gewöhnlich“, erklärt der <strong>Land</strong>wirt. Dazu<br />
reichert er sechs Wochen nach der Aussaat<br />
zwei Liter flüssiges Pflanzenschutzmittel<br />
pro Hektar mit flüssigen Algen<br />
an <strong>und</strong> verteilt die Mischung mit einer<br />
Pflanzenschutzspritze auf dem Getreide -<br />
acker. Bei Maispflanzen verzichtet er<br />
fast gänzlich auf mineralischen<br />
Dünger, basierend auf Stickstoff<br />
<strong>und</strong> Phosphor. Als sogenannten<br />
Unterfußdünger<br />
verwendet er während<br />
der Aussaat stattdessen<br />
einen gekörnten Braunalgen-Dünger.<br />
Damit seien<br />
die Ernteergebnisse gegenüber<br />
früher gleich geblieben, was<br />
Resenhoeft als Erfolg einstuft.<br />
Biostimulanzien auch<br />
offiziell anerkannt<br />
„Algen, Huminsäure, Mikroorganismen,<br />
anorganische Substanzen oder Aminosäuren<br />
werden schon seit vielen Jahren<br />
im Pflanzenbau eingesetzt“, erklärt Dr.<br />
Theresa Krato. „Mit Start der neuen EU-<br />
Düngeverordnung im Juli dieses Jahres<br />
wurden die Mittel jetzt auch erstmals<br />
einheitlich als Biostimulanzien definiert<br />
<strong>und</strong> werden mit einer CE-Kennzeichnung<br />
versehen“, so die Agrarbiologin<br />
<strong>und</strong> Referentin des Industrieverbands<br />
Agrar (IVA) weiter.<br />
Die Abkürzung CE steht für Communauté<br />
Européenne <strong>und</strong> bedeutet, dass<br />
der Hersteller alle geltenden europäischen<br />
Vorschriften gemäß<br />
Sicherheit, Ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> Umweltschutz<br />
berücksichtigt <strong>und</strong> nur<br />
Dr. Theresa<br />
Krato<br />
bestimmte Stoffe verwendet<br />
hat. Gleichzeitig<br />
muss die Wirksamkeit<br />
Schnell erklärt<br />
auf Pflanze <strong>und</strong> Boden nachgewiesen<br />
werden. Die Düngeverordnung sieht<br />
strenge Kontrollen vor <strong>und</strong> legt eine<br />
Schadstoffgrenze fest. Die Biostimulanzien<br />
können auch von Ökobetrieben<br />
eingesetzt werden.<br />
Effizient, natürlich,<br />
stickstoffbindend<br />
„Biostimulanzien stellen eine effiziente<br />
Ergänzung dar, um die Nährstoffverwertung<br />
der Pflanzen zu erhöhen <strong>und</strong><br />
sie gleichzeitig gegen Trockenheit <strong>und</strong><br />
Dürre zu wappnen“, betont die <strong>Wissen</strong>schaftlerin<br />
vom IVA. Biostimulanzien<br />
werden in flüssiger oder granulatähnlicher<br />
Form angeboten <strong>und</strong> können leicht<br />
• Biostimulanzien: Biostimulanzien stimulieren pflanzliche Ernährungsprozesse.<br />
• Unterfußdüngung: Diese Düngungsmethode wird hauptsächlich bei Mais angewendet.<br />
Der Dünger wird dabei ein paar Zentimeter unter oder neben dem Maissamen abgelegt.<br />
• Organischer Dünger: Er besteht aus natürlichen Rohstoffen, die pflanzlichen oder<br />
tierischen Ursprungs sind wie Gülle oder Gartenabfälle.<br />
• Mineralischer Dünger: Mineraldünger enthalten gleichbleibende Mengen an<br />
Nährstoffen, die in bekannten Zeiträumen für die Pflanzen verfügbar sind.<br />
28
zusammen mit dem Saatgut, den Pflanzenschutz-<br />
oder Düngemitteln ausgebracht<br />
werden, sodass für die <strong>Land</strong>wirte<br />
kein Mehraufwand damit verb<strong>und</strong>en ist.<br />
„Bei den Biostimulanzien handelt es<br />
sich um überwiegend natürliche Ausgangsstoffe.<br />
So wird die Braunalge an<br />
Küsten gewonnen, beispielsweise an der<br />
Nordsee“, sagt Dr. Krato.<br />
Algenextrakte können die Wurzelbildung<br />
stimulieren beziehungsweise<br />
sorgen für die Vergrößerung der<br />
Wurzeloberfläche. Dadurch erhält die<br />
Pflanze einen besseren Schutz gegen<br />
abiotischen Stress, vor allem ausgelöst<br />
durch extreme Wetterschwankungen.<br />
Außerdem wird ihre Nährstoffaufnahme<br />
verbessert. Die Versuche mit Algen, beispielsweise<br />
bei Kartoffeln, haben diese<br />
stimulierenden Effekte bestätigt: mehr<br />
Vitalität bei Trockenheit sowie eine Förderung<br />
der Qualität <strong>und</strong> Ertragsbildung.<br />
Eine andere biostimulierende Wirkung<br />
geht von Mikroorganismen oder<br />
im Speziellen von Rhizobien aus. Wendet<br />
man die nützlichen Bakterien bei Leguminosen<br />
an, etwa bei Erbsen, Ackerbohnen<br />
oder Klee, entwickeln sich im Wurzelbereich<br />
vermehrt kleine Knöllchen.<br />
Diese sind in der Lage, Stickstoff aus der<br />
Atmosphäre zu binden.<br />
Dürre – eine große<br />
Herausforderung<br />
„In diesem Jahr leiden unsere Pflanzen<br />
zusätzlich unter einer starken Trockenheit“,<br />
sagt <strong>Land</strong>wirt Götz Resenhoeft.<br />
Das heißt, im leichten schleswig-holsteinischen<br />
Boden ist noch weniger<br />
Wasser als üblich gespeichert, was<br />
gleichzeitig einen Nährstoffmangel bei<br />
den Pflanzen mit sich bringt. „Durch die<br />
Braunalgen-Anwendung hoffen wir, die<br />
Jugendentwicklung unserer Pflanzen<br />
zumindest ein bisschen unterstützt zu<br />
haben“, meint der Geschäftsführer von<br />
Gut Hülsenberg.<br />
Seine zahlreichen Feldtests ergaben,<br />
dass seine Maiserträge trotz der verminderten<br />
Ausbringung von Düngemitteln<br />
gleich geblieben sind. Das verdankt er<br />
den Biostimulanzien. „Ob die Algen in<br />
dieser Dürreperiode das bisschen Wasser,<br />
das sich noch im Boden befindet,<br />
über ihre geleeartigen Substanzen halten<br />
können, ist fraglich. Dennoch ist die<br />
Alge für mich ein großes Naturtalent“,<br />
lobt der <strong>Land</strong>wirt.<br />
MEHR WISSEN<br />
Einsatz im<br />
Garten <strong>und</strong> auf<br />
dem Balkon<br />
Aminosäurehaltige Biostimulanzien<br />
sorgen dafür, dass zum Beispiel Lavendel<br />
schneller wächst <strong>und</strong> mehr Triebe<br />
entwickelt.<br />
Bei Obstbäumen verbessern Aminosäuren<br />
die Qualität <strong>und</strong> Fruchtausfärbung.<br />
Algenextrakte <strong>und</strong> Huminsäuren<br />
stimulieren die Wurzelbildung bei<br />
Gartenpflanzen wie Hortensien, was<br />
zur Verbesserung der Wasseraufnahme<br />
führt.<br />
Algenextrakte sind auch für Geranien<br />
<strong>und</strong> andere Balkonpflanzen wichtig, da<br />
diese bei hohen Temperaturen schnell<br />
zum Vertrocknen neigen.<br />
29
Was den<br />
Pflanzen<br />
schmeckt<br />
Genau wie Menschen <strong>und</strong> Tiere müssen auch Pflanzen mit Nahrungsmitteln<br />
versorgt werden, um sich ges<strong>und</strong> entwickeln zu können. Dies gilt für<br />
Balkon- <strong>und</strong> Zimmerpflanzen genauso wie für die Pflanzen auf dem Feld.<br />
Welche Nährstoffe sie benötigen <strong>und</strong> warum mineralische<br />
Düngemittel besonders klimaschonend sind, erklärt Agrarwissenschaftler<br />
Dr. Maximilian Severin von den SKW Stickstoffwerken Piesteritz<br />
Kulturpflanzen wie etwa Getreide<br />
oder Kartoffeln nehmen<br />
Nährstoffe aus dem<br />
Boden auf, die sie für ihr<br />
Wachstum <strong>und</strong> den Aufbau<br />
ihrer Früchte benötigen. Damit für die<br />
nächste Kultur wieder ausreichend Nahrung<br />
in der Erde verfügbar ist, muss den<br />
Pflanzen Dünger zugeführt werden.<br />
Welche Nährstoffe sind wichtig?<br />
Man unterscheidet zwischen Makro<strong>und</strong><br />
Mikronährstoffen. Zu den Makronährstoffen,<br />
die in einer höheren Dosis<br />
auf dem Acker ausgebracht werden, zählen<br />
unter anderem Stickstoff, Phosphor<br />
<strong>und</strong> Kalium. Dabei fördert besonders der<br />
Stickstoff das vegetative Wachstum von<br />
Pflanzen, also das Wachsen von Blättern,<br />
Stängeln <strong>und</strong> Wurzeln. Mikronährstoffe<br />
sind zum Beispiel Eisen, Bor oder Zink.<br />
Diese steuern die Kreislaufprozesse der<br />
Pflanzen <strong>und</strong> gleichen Mangelsymptome<br />
aus. Sie werden in einer kleineren Dosis<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Welche konkreten Beispiele gibt es dafür?<br />
Raps braucht viel Schwefel. Der Nährstoff<br />
dient dazu, Glucosinolate, natürliche Abwehrstoffe<br />
der Pflanze, zu bilden. Außerdem<br />
kann Schwefelmangel dazu führen,<br />
dass nicht genügend Stickstoff von der<br />
Pflanze aufgenommen wird. Backweizen,<br />
der für die Herstellung von Brot verwendet<br />
wird, benötigt mehr Stickstoff<br />
als Futterweizen, um den Proteingehalt<br />
zu steigern, was einer Qualitätsverbesserung<br />
gleichkommt.<br />
Wie erkennt man Mangelerscheinungen?<br />
Fehlt dem Mais zum Beispiel Phosphor,<br />
bilden sich in seinen äußeren Blattspitzen<br />
leichte Rotverfärbungen. Verfügen<br />
Pflanzen über zu wenig Stickstoff, färben<br />
sich die Blätter gelblich. Ein <strong>Land</strong>wirt<br />
kann das genau beurteilen. Er kontrolliert<br />
seine Pflanzen regelmäßig. Besonders<br />
wichtig ist, wie sein Bestand aus<br />
dem Winter kommt. Davon ist abhängig,<br />
was die Kulturen im Frühjahr an Dünger<br />
benötigen. Das heißt, wenn ein <strong>Land</strong>wirt<br />
seinen maximalen Ertrag erreichen will,<br />
muss er düngen. Tut er dies nicht, würde<br />
es für den einzelnen <strong>Land</strong>wirt nur eine<br />
Ertragsminderung darstellen, gesamtwirtschaftlich<br />
wird bei unzureichender<br />
Düngung jedoch die stabile Lebensmittelversorgung<br />
in Deutschland gefährdet!<br />
Wie oft wird gedüngt?<br />
Die Düngesaison auf dem Feld beginnt ab<br />
dem 1. Februar. Das hat rechtliche Hintergründe.<br />
Ob ein-, zwei- oder dreimal pro<br />
Jahr gedüngt werden muss, hängt einerseits<br />
von den Witterungs- <strong>und</strong> Standortverhältnissen<br />
ab, andererseits von der<br />
jeweiligen Kultur. Allein durch den Klimawandel<br />
ist der <strong>Land</strong>wirt von Starkregen<br />
oder Dürre betroffen <strong>und</strong> muss entspre-<br />
30
Klimaschutz<br />
„Ohne mineralischen Dünger<br />
könnten nur 50 Prozent der<br />
Weltbevölkerung überleben.“<br />
FOTO: MAKSUD_KR/ISTOCK<br />
Nährstoffaufbau<br />
Organischer <strong>und</strong><br />
mineralischer<br />
Dünger sorgen<br />
für ausreichend<br />
Nährstoffe in den<br />
Ackerböden<br />
chend darauf reagieren. Dabei hält er sich<br />
strikt an die gesetzlichen Vorgaben der<br />
Düngeverordnung, die auch die maximalen<br />
Nährstoffmengen vorschreibt. Die Einhaltung<br />
wird genau kon trolliert, bei Überschreitungen<br />
werden Strafen verhängt.<br />
Welche Vor- <strong>und</strong> Nachteile haben<br />
organische <strong>und</strong> mineralische Dünger?<br />
<strong>Land</strong>wirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung<br />
verwenden Gülle <strong>und</strong> Mist als<br />
organischen Dünger. Auf diese Weise<br />
kommen die von den Tieren verdauten<br />
Pflanzen zurück in den Boden. Dies bezeichnet<br />
man als einen geschlossenen<br />
Kreislauf. Zusätzlich erhöht organischer<br />
Dünger den Humusgehalt im Boden. Mineralischer<br />
Dünger dagegen ist viel effizienter.<br />
Er steigert die Qualität der Früchte<br />
<strong>und</strong> die Erträge. <strong>Wissen</strong>schaftlichen Berechnungen<br />
zufolge ernähren sich bereits<br />
heute etwa 50 Prozent aller Menschen<br />
von Nahrungsmitteln, die nur aufgr<strong>und</strong><br />
des Einsatzes von Mineraldünger erzeugt<br />
werden konnten. Um es klar zu sagen:<br />
Ohne Mineraldünger müssten über vier<br />
Milliarden Menschen verhungern.<br />
Wieso stehen mineralische Düngemittel<br />
in der Kritik, das Klima mit<br />
Treibhausgasen zu belasten?<br />
Düngemittel, die zum Beispiel in Afrika<br />
unter uns nicht bekannten Umständen<br />
hergestellt <strong>und</strong> hierher transportiert<br />
werden, hinter lassen definitiv einen<br />
größeren CO 2<br />
-Abdruck als unsere<br />
CO 2<br />
-neutralen Düngemittel, die wir in<br />
Deutschland mit grüner Energie herstellen<br />
können. Umweltschutz hat nun<br />
mal seinen Preis. Aus meiner Sicht sollte<br />
uns dies eine ges<strong>und</strong>e Umwelt aber<br />
auch wert sein. Was die Umweltbelastung<br />
bei der Ausbringung des mineralischen<br />
Düngers anbelangt, sind unsere<br />
innovativen Düngemittel in der Lage,<br />
Ammoniak, Lachgas <strong>und</strong> Nitrat nahezu<br />
vollständig reduzieren zu können, was<br />
Umweltbelastungen massiv verringert.<br />
Auch hier muss ich nochmals auf Düngemittel<br />
aus Afrika oder anderen Ländern<br />
außerhalb der EU hinweisen: Diese<br />
Düngemittel sind nicht mit den genannten<br />
Eigenschaften versehen, die unsere<br />
Umwelt schützen. Hier gilt ebenso:<br />
Wer billig kauft, zahlt doppelt! Hinzu<br />
kommt der technologische Fortschritt,<br />
der dafür sorgt, dass zentimetergenau<br />
beschränkt dort gedüngt werden kann,<br />
wo das Düngemittel tatsächlich erforderlich<br />
ist. Und zu guter Letzt arbeiten<br />
wir individuelle <strong>und</strong> klimaschonende<br />
Düngestrategien aus. So haben wir<br />
kürzlich das größte Düngeexperiment<br />
Deutschlands gestartet.<br />
Was ist das für ein Experiment?<br />
Bei diesem Projekt werden b<strong>und</strong>esweit<br />
an über 20 Standorten auf Basis<br />
bodenk<strong>und</strong>licher, wetterbedingter <strong>und</strong><br />
agrartechnischer Analysen stabilisierte<br />
Düngestrategien entwickelt, die darauf<br />
abzielen, den Stickstoff auf dem Acker<br />
noch effizienter <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>licher<br />
einzusetzen. Durch die damit gewonnenen<br />
Erkenntnisse sollen im Anschluss<br />
regionale Düngeempfehlungen<br />
erstellt werden. In Schleswig-Holstein<br />
zum Beispiel können wir von einem<br />
relativ hohen Ertragsniveau ausgehen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> des vielen Niederschlags <strong>und</strong><br />
der gemäßigten Temperaturen ist die<br />
Verdunstung im Vergleich zu Mitteldeutschland<br />
geringer.<br />
Warum sind beim Dünger die Preise<br />
so angestiegen?<br />
Das liegt an der Energieverteuerung <strong>und</strong><br />
an den CO 2<br />
-Zertifikaten, die wir als Düngeproduzent<br />
kaufen. Schließlich wollen<br />
wir Kohlendioxid verringern. Das hat seinen<br />
Preis. Wir alle haben die Preisexplosion<br />
beim Gas mitbekommen. Gas ist für<br />
uns ein Rohstoff, der nicht ersetzt werden<br />
kann. Jeder, der weiß, dass Gas mindestens<br />
80 Prozent der variablen Kosten bei<br />
der Düngemittelproduktion ausmacht,<br />
versteht auch die gestiegenen Verkaufspreise.<br />
Das bedeutet allerdings auch, dass<br />
der Verbraucher bereit sein muss, die gestiegenen<br />
Endpreise für Lebensmittel zu<br />
zahlen. Sonst laufen wir Gefahr, dass die<br />
<strong>Land</strong>wirte den billigeren, aber auch klimaschädlicheren<br />
Dünger aus dem Ausland<br />
kaufen. Sollten aber die europäischen<br />
Düngemittelhersteller, die ihre Produkte<br />
unter den strengsten Umweltschutzauflagen<br />
<strong>und</strong> den bekannt hohen sozialen<br />
Standards herstellen, vom Markt verdrängt<br />
werden, würde Europa in eine fatale<br />
Abhängigkeit von Ländern geraten, in<br />
denen noch Düngemittel hergestellt werden,<br />
etwa Russland, Nigeria oder Ägypten.<br />
Wir wären dann von diesen Ländern abhängig<br />
in Bezug auf unsere Lebensmittelversorgung.<br />
Ich bin mir nicht sicher, ob<br />
dies allen bewusst <strong>und</strong> auch so gewollt ist!<br />
Weiß ein <strong>Land</strong>wirt denn, woher<br />
der Dünger stammt?<br />
Der in Deutschland produzierte Dünger<br />
ist entsprechend gekennzeichnet <strong>und</strong><br />
hat seine bekannt hohe Qualität. Verbrennungen<br />
an den Blättern der Pflanzen<br />
können auf einen Dünger minderer<br />
Qualität hindeuten.<br />
31
Klimaschutz<br />
Kühe können<br />
klimafre<strong>und</strong>lich<br />
Auf einem Gemeinschaftshof bei Diepholz wird Milch<br />
produziert, <strong>und</strong> gleichzeitig werden Treibhausgase reduziert<br />
Der Bereich mit den sechs roten<br />
Melkrobotern erinnert ein bisschen<br />
an große Umkleidekabinen<br />
in einer Badeanstalt. Gerade<br />
kommt Kuh Nr. 248 angetrottet. Freiwillig<br />
lässt sie sich von der Hightech-Maschine<br />
die Melkbecher ansetzen. Nach dem<br />
Melkvorgang marschiert die Schwarzbunte<br />
zur XXL-Massagebürste <strong>und</strong> lässt sich<br />
genüsslich den Rücken kraulen. 320 Kühe<br />
sind in dem modernen Boxenlaufstall mit<br />
den offenen Seitenwänden untergebracht.<br />
Von hier ist es nicht weit zur Biogasanlage,<br />
die mit zum Dreifamilienbetrieb Linderkamp-Ostermann<br />
GbR im niedersächsischen<br />
Campen gehört. Jeder Kuh steht<br />
eine Liegebox zur Verfügung, die zweimal<br />
am Tag gereinigt <strong>und</strong> einmal wöchentlich<br />
mit frischem Stroh eingestreut wird.<br />
Ein Futtermischwagen „serviert“ einmal<br />
am Tag das Futter, das anschließend<br />
fast stündlich von einem Roboter wieder<br />
ordentlich zusammengeschoben <strong>und</strong> in<br />
erreichbarer Nähe der Tiere platziert<br />
wird. Es besteht unter anderem aus einer<br />
Mischung aus Ackergras, Maissilage,<br />
Rapsschrot <strong>und</strong> Roggen, alles Marke Eigenanbau.<br />
Auf einer Balkenschiebeanlage<br />
sind vier Reinigungsroboter unterwegs,<br />
die 24 St<strong>und</strong>en lang an sieben Tagen die<br />
Woche Kuhfladen entfernen <strong>und</strong> so den<br />
Stall sauber halten.<br />
R<strong>und</strong> 37 Liter Milch gibt jede Kuh pro<br />
Tag. Die weiße Flüssigkeit wird regelmäßig<br />
von der Molkerei frischli abgeholt.<br />
Da der landwirtschaftliche Betrieb in der<br />
Nähe der B<strong>und</strong>esstraße 214 liegt, ist die 40<br />
Kilometer lange Strecke schnell absolviert.<br />
Damit trägt die Linderkamp-Ostermann<br />
GbR auf mehreren Ebenen zu<br />
einer <strong>nachhaltig</strong>en <strong>Land</strong>wirtschaft bei.<br />
Und Hennes Ostermann kann mit gutem<br />
Gewissen behaupten: „Wir produzieren<br />
hier klimafre<strong>und</strong>liche Milch.“ Der Juniorlandwirt<br />
macht gerade seinen Bachelor<br />
of Science an der Hochschule Osnabrück.<br />
der Formel CH 4<br />
ist bei den Treibhausgasen<br />
der böse Zwillingsbruder von<br />
Kohlendioxid (CO 2<br />
), der aber ein r<strong>und</strong><br />
25-mal höheres Erwärmungspotenzial<br />
besitzt als CO 2<br />
– dafür jedoch eine nur<br />
relativ kurze Verweilzeit in der Atmosphäre<br />
hat.<br />
Beim Verdauen von Ackergras entsteht<br />
in den Kuhmägen Methangas. Bei<br />
jedem Rülpser, Pups oder Kuhfladen wird<br />
dieses Methan ausgestoßen.<br />
Insgesamt ist die <strong>Land</strong>wirtschaft in<br />
Deutschland laut BZL mit neun Prozent<br />
an den Treibhausgasemissionen beteiligt.<br />
Das Methan aus der gesamten Tierhaltung<br />
in Deutschland trägt laut DBV<br />
Faktencheck mit circa 3,7 Prozent zum<br />
absoluten Treibhauseffekt bei.<br />
Um die Methanemissionen von Wiederkäuern<br />
zu reduzieren, gibt es verschiedene<br />
Ansätze. Dazu zählen unter<br />
anderem diese fünf: die Fütterung, die<br />
Haltung, das schnelle Entfernen von Kot,<br />
Hennes<br />
Ostermann<br />
Methanemissionen reduzieren<br />
Milchkühe <strong>und</strong> Rinder zählen mit zu<br />
den Methanverursachern. Das Gas mit<br />
Blitzeblank Im Stall liegt kein Kot lange herum. Auch ein sorgfältiges Reinigungssystem<br />
sorgt dafür, dass weniger Methangas freigesetzt wird<br />
32
Leistungsstark Die<br />
Umgebung <strong>und</strong> das<br />
Futter nehmen unter<br />
anderem Einfluss auf<br />
den Milchertrag, den<br />
jede Kuh täglich leistet.<br />
Ist sie ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> fit,<br />
gibt sie mehr Milch<br />
Warum Kühe keine<br />
Klimakiller sind<br />
Dass Kühe mit ihren Pupsen Methan ausstoßen,<br />
ist ein natürlicher <strong>und</strong> unvermeidlicher<br />
Vorgang. Während ihrer Verdauung entwickeln<br />
sie Methangas in ihren Mägen. Je besser<br />
die Kühe das Futter verwerten, desto geringer<br />
ist der Methanausstoß.<br />
85 Prozent der landwirtschaftlichen Biomasse<br />
wie Gras oder Pflanzenreste sind für<br />
den Menschen nicht essbar. Statt diese zu<br />
entsorgen, wird die Biomasse als wertvolles<br />
Futtermittel für Tiere genutzt. Die Ausscheidungen<br />
der Tiere wiederum werden in Form<br />
von Gülle zu Biogas, also zu Energie vergärt.<br />
Übrig bleiben Gärreste, die als hochwertiger<br />
Dünger für den Pflanzenanbau zum Einsatz<br />
kommen. Kühe fördern also die Pflanzenproduktion<br />
auf den Feldern, sind an der<br />
Erzeugung erneuerbarer Energien beteiligt<br />
<strong>und</strong> liefern Milch. Von daher ist der CO 2<br />
-Fußabdruck<br />
der Kühe relativ gering.<br />
Ein Interview mit Prof. Dr. Wilhelm<br />
Windisch, Professor für Tierernährung<br />
an der Technischen Universität München,<br />
zum Thema finden Sie unter:<br />
„Unsere Kühe sind hochleistende Tiere.<br />
Das wirkt sich auf den Klimaschutz aus.<br />
Denn je mehr Milch sie geben, desto kleiner<br />
wird der CO 2<br />
-Fußabdruck pro Liter Milch.“<br />
Das klingt spannend?<br />
QR-Code einscannen<br />
<strong>und</strong> mehr erfahren<br />
die Energieerzeugung mit einer Biogasanlage<br />
<strong>und</strong> das Düngemanagement.<br />
Frisches Futter ist verdaulicher<br />
„Einen der größten Einflüsse auf die<br />
Methanproduktion im Pansen haben<br />
die Gr<strong>und</strong>futtermittel“, erklärt Hennes<br />
Ostermann. „Je älter das Gr<strong>und</strong>futter<br />
ist, desto unverdaulicher wird es. Da wir<br />
unser Futter selber produzieren, ernten<br />
wir unser Gras sehr früh <strong>und</strong> verfüttern<br />
dieses als Grassilage an die Tiere. Außerdem<br />
füttern wir zum Beispiel Körnermais,<br />
der weniger Methangas im Magen<br />
entstehen lässt“, erläutert der junge<br />
<strong>Land</strong>wirt. Auch eine ausgeglichene Rationsgestaltung<br />
des Futters leistet einen<br />
weiteren Beitrag zur Methanreduktion.<br />
„Unsere Kühe sind hochleistende<br />
Tiere. Das wirkt sich auf den Klimaschutz<br />
aus. Denn je mehr Milch sie geben,<br />
desto kleiner wird der CO 2<br />
-Fußabdruck<br />
pro Liter Milch. Diese Leistung<br />
erbringen sie, weil sie sehr ges<strong>und</strong> sind,“<br />
sagt der 27-Jährige. Auch das regelmäßige<br />
Melken kräftigt die Tiere. So geht<br />
manche Kuh bis zu sechsmal pro Tag<br />
zum Melkroboter. „Durchschnittlich<br />
lassen sie sich dreimal pro Tag melken“,<br />
meint der <strong>Land</strong>wirt.<br />
Ein weiterer Faktor sind die Reinigungsroboter.<br />
„Bei uns hat der Kot nur<br />
sehr kurze Liegezeiten. Er wird umgehend<br />
abtransportiert <strong>und</strong> in der Biogasanlage<br />
in grünen Strom umgewandelt.<br />
Die Gärreste wiederum werden als<br />
Dünger auf den 500 Hektar Acker- <strong>und</strong><br />
Grünlandflächen ausgebracht. „Durch<br />
diesen Kreislauf produzieren wir so wenig<br />
Emissionen wie möglich. Auch bei<br />
der Ausbringung des organischen Düngers<br />
achten wir darauf, diesen sofort in<br />
den Boden einzuarbeiten, sodass auch<br />
hier kaum Treibhausgase entweichen<br />
können“, beschreibt Hennes Ostermann<br />
die Vorgänge in dem Betrieb.<br />
Bisher wird die Milch nach ihrem<br />
Fett- <strong>und</strong> Eiweißgehalt bezahlt, aber der<br />
niedersächsische <strong>Land</strong>wirt geht davon<br />
aus, dass Molkereien eines Tages auch<br />
Klimachecks abfragen <strong>und</strong> diese verpflichtend<br />
werden. „Wir sind jetzt schon<br />
gut aufgestellt. Aber wir müssen immer<br />
wieder Kompromisse machen zwischen<br />
ökologischen <strong>und</strong> Tierwohlaspekten.“<br />
Damit meint Ostermann zum Beispiel<br />
den Laufhof, den sie für ihre Tiere gern<br />
einrichten würden. „Aber dann würde<br />
das Emissionspotenzial wieder steigen.<br />
Dieses könnten wir nur reduzieren, indem<br />
wir weniger Tiere halten, was wir<br />
uns bei den Milchpreisen gar nicht leisten<br />
können.“ <br />
33
Meldungen<br />
Experiment geglückt:<br />
Je löchriger die Unterhose, desto<br />
besser ist die Bodenqualität.<br />
Das tagelang vergraben gelegene<br />
Wäschestück zeigt an, ob viele<br />
Lebewesen den Boden bevölkern<br />
WAS BAUMELT DENN DA?<br />
Beweisstück Unterhose<br />
In einer Schweizer Pilotstudie wurde die Bodenges<strong>und</strong>heit überprüft – mithilfe von Unterwäsche<br />
Die Schweizer, die spinnen. Vonwegen.<br />
Für das Projekt „Beweisstück<br />
Unterhose“ verschickte<br />
die staatliche Forschungsstelle<br />
Agroscope 2000 Unterhosen aus 100<br />
Prozent abbaubarer Biobaumwolle an<br />
Auswertung Die Teilnehmer<br />
des Experiments erhielten die Ergebnisse<br />
ihrer Bodenproben zugeschickt<br />
Gartenbesitzer <strong>und</strong> <strong>Land</strong>wirte. Die freiwilligen<br />
Studienteilnehmer vergruben<br />
jeweils zwei Schlüpfer auf einer Wiese,<br />
einem Acker oder im Gartenbeet. Das<br />
erste Unterwäschestück gruben sie nach<br />
einem Monat aus, das zweite nach zwei<br />
Monaten.<br />
Die Idee dahinter: Der Baumwollstoff<br />
dient Mikroorganismen im Boden als<br />
Nahrungsgr<strong>und</strong>lage. Mit großem Appetit<br />
fressen Regenwürmer, Pilze, Bakterien,<br />
Milben oder Nematoden die Biobaumwolle<br />
auf. Je mehr aktive Mikroorganismen<br />
im Boden leben, desto schneller <strong>und</strong><br />
desto ganzheitlicher wird die Unterhose<br />
verzehrt. Wenn vom Wäschestück nur<br />
das Netz aus B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Nähten übrig<br />
geblieben ist, steckt der Boden voller<br />
Leben <strong>und</strong> ist ges<strong>und</strong>.<br />
Teebeutel zeigen<br />
Geschwindigkeit an<br />
Dieses Projekt ging sogar noch einen<br />
Schritt weiter. Die Teilnehmer schickten<br />
auch Bodenproben <strong>und</strong> zwei vergrabene<br />
Teebeutel mit. Anhand der Teebeutel<br />
kann man die Geschwindigkeit der<br />
Zersetzung im Boden messen, daher<br />
wird das Verfahren auch Tea Bag Index<br />
genannt. Für dieses weltweit wissenschaftlich<br />
anerkannte Verfahren werden<br />
die Teesorten Rooibos <strong>und</strong> Grüntee verwendet.<br />
Die Beutel werden nebeneinander<br />
in acht Zentimeter Tiefe vergraben.<br />
Nach 90 Tagen holt man sie wieder heraus,<br />
trocknet sie <strong>und</strong> misst die verbliebene<br />
Biomasse in beiden Beuteln.<br />
Das Projektziel der Schweizer <strong>Wissen</strong>schaftler:<br />
Mit der Unterhosen<br />
Aktion soll auf die Gefährdung des lebenswichtigen<br />
Bodens durch Erosion,<br />
Überdüngung <strong>und</strong> Verbauung aufmerksam<br />
gemacht werden. Laut Agroscope<br />
wird weltweit jedes Jahr eine Fläche,<br />
die zweieinhalb mal so groß ist wie die<br />
Schweiz, so zerstört, dass sie für die<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft unbrauchbar wird. <br />
34
IM ÜBERBLICK<br />
Was wächst auf unseren Feldern?<br />
Die Top 7 der angebauten Feldfrüchte in Hektar Anbaufläche<br />
Das<br />
macht 60 %<br />
der gesamten<br />
Anbaufläche<br />
Deutschlands<br />
aus!<br />
Weizen<br />
2,9 Mio. Hektar<br />
Silomais<br />
2,2 Mio. Hektar<br />
Roggen<br />
0,6 Mio.<br />
Hektar<br />
Gerste<br />
1,5 Mio. Hektar<br />
Raps<br />
1,0 Mio. Hektar<br />
VIER FAKTEN<br />
Zuckerrüben:<br />
süß <strong>und</strong> <strong>nachhaltig</strong><br />
Körnermais<br />
0,4 Mio.<br />
Hektar<br />
Zuckerrüben<br />
0,4 Mio.<br />
Hektar<br />
QUELLE: DESTATIS, 2021<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft e. V.<br />
Fanny-Zobel-Str. 7<br />
12435 Berlin<br />
Telefon: <strong>03</strong>0/814 55 55-00<br />
info@moderne-landwirtschaft.de<br />
www.moderne-landwirtschaft.de<br />
Verantwortlich für den Inhalt:<br />
Lea Fließ<br />
Projektverantwortlich: Renate Wegert<br />
Redaktion: Catrin Krawinkel<br />
Artdirektion: Anja Giese<br />
Layout: Susana Oliveira<br />
Lektorat: Barbara Wirt, Schlussredaktion<br />
Hamburg<br />
Litho: Hockmart GbR<br />
Druck: Krögers Buch- <strong>und</strong><br />
Verlagsdruckerei GmbH<br />
Gedruckt wird auf Magno Volume<br />
Nachdruck <strong>und</strong> Reproduktion sind nach<br />
schriftlicher Genehmigung durch das<br />
Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft möglich<br />
Im Interesse der Lesbarkeit haben wir auf<br />
geschlechtsbezogene Formulierungen<br />
verzichtet. Selbstverständlich sind immer<br />
Frauen <strong>und</strong> Männer gemeint, auch wenn<br />
explizit nur eines der Geschlechter angesprochen<br />
wird.<br />
R<strong>und</strong> 24 000 <strong>Land</strong>wirte<br />
in Deutschland bauen Zuckerrüben an. Dabei werden die Rüben<br />
bei der Zuckergewinnung zu 100 Prozent verarbeitet. Es entstehen<br />
Produkte wie Zucker, Tierfutter, Düngemittel oder Biogas.<br />
Knapp 20 Mio. Liter Sauerstoff<br />
Etwa die Menge, die 90 Menschen im Jahr benötigen – produziert ein<br />
Hektar Zuckerrüben so ganz nebenbei. Die eigentliche Aufgabe der<br />
Zuckerrübe ist es, über die gesamte Vegetationszeit aus CO 2<br />
<strong>und</strong> Wasser<br />
unseren heimischen Zucker zu erzeugen.<br />
Fast 100 Prozent des Wassers,<br />
das für die Zuckerproduktion benötigt wird, stammt aus der<br />
Zuckerrübe selbst. Denn sie besteht zu 75 % aus Wasser. Frischwasser<br />
wird daher für die Verarbeitung der Rübe so gut wie nicht benötigt.<br />
Ein Beispiel für ressourcenschonende Produktion.<br />
R<strong>und</strong> 214 000 Autos ohne Emission<br />
So viel entspricht der Anteil von Zuckerrüben an den 3,1 Mio. Tonnen CO 2<br />
,<br />
die Autofahrer durch den Treibstoff E10 jährlich einsparen (Stand 2018).<br />
Zuckerrüben bilden einen Rohstoff für die Bioethanol-Herstellung.<br />
QUELLE: ZUCKERVERBAENDE.DE<br />
35
der Schutz<br />
ders wich-<br />
Gemüse kann<br />
ommen“, sagt<br />
hrer Einkauf<br />
aufland. „Die<br />
en für den<br />
tzmitteln im<br />
vielfalt <strong>und</strong> den Klimaschutz sichern: Er<br />
speichert Wasser <strong>und</strong> Nährstoffe, fördert<br />
die biologischen Aktivitäten, bietet der<br />
Artenvielfalt eine Gr<strong>und</strong>lage der Entstehung<br />
<strong>und</strong> Nahrung <strong>und</strong> der Humus im<br />
Boden speichert CO 2<br />
.<br />
Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut<br />
für Gemüse- <strong>und</strong> Zierpflanzenbau (IGZ),<br />
100<br />
kaufland.de/artenvielfalt<br />
Zu gewinnen:<br />
Einkaufsgutscheine<br />
im Wert von jeweils 50 Euro<br />
So bringt Einkaufen Spaß!<br />
Gewinnen Sie einen von 100 Einkaufsgutscheinen<br />
LIDL <strong>und</strong> Kaufland unterstützen schweinehaltende Betriebe<br />
in Deutschland mit einer neuen Herkunftskennzeichnung.<br />
Diese wird vergeben, wenn die Tiere in Deutschland geboren,<br />
aufgezogen, gemästet, geschlachtet <strong>und</strong> verarbeitet wurden.<br />
Mit dieser Kennzeichnung soll Schweinefleisch aus Deutschland,<br />
das unter sehr hohen Standards produziert wird, unterstützt werden.<br />
Denn dadurch werden auch lange Transportwege vermieden,<br />
was gleichermaßen der Umwelt <strong>und</strong> dem Tierwohl zugutekommt.<br />
Unser Tipp:<br />
Die Antwort finden Sie, wenn<br />
Sie das Magazin aufmerksam<br />
durchschauen.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Glück!<br />
Scannen Sie einfach diesen QR-Code<br />
oder gehen Sie online unter<br />
https://www.moderne-landwirtschaft.de/quiz-magazin-<strong>03</strong>-<strong>2022</strong>/<br />
<strong>und</strong> beantworten Sie die Preisfrage:<br />
Wie heißt die neue Herkunftskennzeichnung<br />
für Schweinefleisch aus Deutschland?<br />
FOTO: VGAJIC/ISOTCK<br />
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