Was die Welt im Innersten zusammenhält... - witec-pr.de
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Teilchenphysik bei DESY Zeuthen<br />
<strong>Was</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Innersten</strong> <strong>zusammenhält</strong>...<br />
DEUTSCHES ELEKTRONEN-SYNCHROTRON
Titelgrafik:<br />
Zwei Momentaufnahmen eines Protons in 100-billionenfacher<br />
Vergrößerung, mit künstlerischer Freiheit ausgestaltet. Um drei<br />
Verdichtungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> sogenannten Valenzquarks anzeigen, wirbeln<br />
farbige sich rasch än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Strukturen aus einer ständig<br />
fluktuieren<strong>de</strong>n Anzahl von Quarks, Antiquarks und Gluonen.<br />
Tatsächlich lassen <strong>die</strong> Untersuchungen am HERA-Beschleuniger,<br />
<strong>de</strong>m weltweit stärkstem „Mikroskop“, noch feinere Einzelheiten<br />
erkennen als in <strong>die</strong>ser Darstellung ange<strong>de</strong>utet.<br />
(Quelle CERN-Courier, Genf)
<strong>Was</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Innersten</strong> <strong>zusammenhält</strong>...<br />
Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>n Bausteinen unserer <strong>Welt</strong><br />
Teilchenphysik bei DESY-Zeuthen
Vorwort<br />
Prof. Dr.<br />
Björn H. Wiik<br />
Dr.<br />
Ulrich Gensch<br />
Die <strong>Welt</strong> besteht aus Materie - auch wir selbst.<br />
Vielleicht haben Sie sich (o<strong>de</strong>r, als Sie Kind<br />
waren, Ihre Eltern) schon einmal gefragt: <strong>Was</strong><br />
ist das eigentlich, woraus wir gemacht sind?<br />
<strong>Was</strong> ist Materie? Hat sie kleinste Teile? <strong>Was</strong><br />
hält sie zusammen? Und wo kommt sie her?<br />
Die mo<strong>de</strong>rne Antwort auf <strong>die</strong> Herausfor<strong>de</strong>rung,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong>se Fragen darstellen, ist <strong>die</strong> Elementarteilchenphysik.<br />
In <strong>de</strong>n 40 Jahren ihres Bestehens<br />
hat sie zu einer tiefgreifen<strong>de</strong>n Umwälzung<br />
unserer Anschauungen über <strong>die</strong> Materie geführt.<br />
Wir wissen heute, daß sich <strong>die</strong> beobachtete<br />
Vielfalt <strong>de</strong>r Natur auf wenige Bausteine,<br />
man nennt sie Quarks und Leptonen, zurückführen<br />
läßt. Aus ihnen sind <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />
Atome und Moleküle und damit alle Substanzen<br />
zusammengesetzt. Die Elementarteilchenphysik<br />
hat auch unser heutiges Verständnis vom<br />
Entstehen und <strong>de</strong>r Entwicklung unseres Universums<br />
ge<strong>pr</strong>ägt.<br />
Die Elementarteilchenphysik ist eines <strong>de</strong>r<br />
wenigen Gebiete, auf <strong>de</strong>nen eine konstruktive<br />
Zusammenarbeit zwischen West und Ost auch<br />
in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s kalten Krieges bestand. Daher<br />
stammen langjährige Verbindungen zwischen<br />
<strong>de</strong>m Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY<br />
in Hamburg, einem <strong>de</strong>r 16 Helmholtz-Forschungszentren,<br />
und <strong>de</strong>m „Institut für Hochenergiephysik“<br />
<strong>de</strong>r früheren Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r<br />
Wissenschaften <strong>de</strong>r DDR in Zeuthen bei Berlin,<br />
in <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Elementarteilchen-Forschung <strong>de</strong>r<br />
DDR konzentriert war. Nach <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Vereinigung<br />
wur<strong>de</strong> daraus DESY-Zeuthen, heute<br />
ein integraler Teil von DESY. Das Sitzland<br />
Bran<strong>de</strong>nburg übern<strong>im</strong>mt einen Teil <strong>de</strong>r Finanzierung,<br />
<strong>de</strong>r größere Teil wird vom Bun<strong>de</strong>sministerium<br />
für Bildung, Wissenschaft, Forschung<br />
und Technologie bereitgestellt.<br />
Prof. Dr. Björn H. Wiik<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Direktoriums<br />
Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY<br />
DESY-Zeuthen ist in ein vielseitiges Programm<br />
<strong>de</strong>r Elementarteilchen-Forschung eingebun<strong>de</strong>n.<br />
Wegen ihres Umfangs wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Projekte in<br />
meist großen, internationalen Teams geplant<br />
und durchgeführt, wozu Zeuthener Wissenschaftler<br />
und Ingenieure mit ihren speziellen<br />
Kenntnissen, Erfahrungen und Technologien<br />
wertvolle Beiträge liefern. Die exper<strong>im</strong>entellen<br />
Untersuchungen laufen überwiegend am<br />
HERA-Beschleuniger <strong>de</strong>s DESY-Hamburg,<br />
einem weltweit einmaligen „Supermikroskop“<br />
für das Innerste <strong>de</strong>r Materie. Ein weiteres Exper<strong>im</strong>ent<br />
wird am Europäischen Forschungszentrum<br />
CERN in Genf durchgeführt.<br />
Enge Kooperationen bestehen mit zahlreichen<br />
in- und ausländischen Universitäten und Forschungsinstituten.<br />
Ein Projekt, <strong>die</strong> Suche nach<br />
Neutrinos von kosmischen Quellen, ist am Südpol<br />
stationiert. Auch rein theoretische Untersuchungen<br />
wer<strong>de</strong>n durchgeführt; sie erfor<strong>de</strong>rn<br />
zum Teil <strong>de</strong>n Einsatz und <strong>die</strong> Weiterentwicklung<br />
von mo<strong>de</strong>rnster Höchstleistungsrechner-Technologie.<br />
Neben etwa 130 ständigen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sind Nachwuchs- und<br />
Gastwissenschaftler an <strong>de</strong>n Projekten beteiligt.<br />
Diploman<strong>de</strong>n, Doktoran<strong>de</strong>n, Praktikanten und<br />
Lehrlingen wird <strong>die</strong> Qualifizierung auf ihren jeweiligen<br />
Gebieten in Zeuthen ermöglicht.<br />
Mit <strong>die</strong>ser Broschüre wird <strong>de</strong>r Versuch unternommen,<br />
das „Warum“ und das „Wie“ <strong>de</strong>r Forschung<br />
bei DESY-Zeuthen zu erklären, einige<br />
Beispiele <strong>de</strong>r Zeuthener Forschungsbeiträge<br />
darzustellen und einen Eindruck von <strong>de</strong>n technologischen<br />
Herausfor<strong>de</strong>rungen, aber auch<br />
von <strong>de</strong>r Faszination zu vermitteln, <strong>die</strong> mit <strong>de</strong>r<br />
Erforschung <strong>de</strong>r Elementarteilchen verbun<strong>de</strong>n<br />
sind.<br />
Dr. Ulrich Gensch<br />
Leiter <strong>de</strong>s Forschungsbereichs DESY-Zeuthen
5 Teilchenphysik - Ent<strong>de</strong>ckungsreise ins Innerste <strong>de</strong>r Materie<br />
18 DESY-Zeuthen<br />
22 HERA - Das „Super-Mikroskop“<br />
30 High-Tech <strong>im</strong> Detektorbau<br />
32 Der Mini-Urknall<br />
35 Eisjagd nach Neutrinos<br />
40 Superrechner s<strong>im</strong>ulieren <strong>die</strong> Realität<br />
ng<br />
e -<br />
lle<br />
e + lle<br />
ng<br />
42<br />
n-Kom<strong>pr</strong>ession<br />
Strahlumlenkung<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession Die Zukunft<br />
44 DESY auf einen Blick<br />
G<br />
45 Glossar<br />
Strahlumlenkung<br />
Vorbeschleuniger<br />
Kom<strong>pr</strong>ession<br />
letzte<br />
okussierung<br />
lle e -<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
e -<br />
Vorbeschleuniger<br />
Linearbeschleuniger<br />
e +<br />
Linearbeschleuniger<br />
Stra<br />
Elekt<br />
für di<br />
Stra<br />
Inhalt<br />
3
Gravitation<br />
starke Kraft<br />
elektromagnetische Kraft<br />
Planck-Skala<br />
schwache Kraft<br />
elektroschwache<br />
Vereinigung<br />
"große Vereinigung"<br />
Zeit in s<br />
Energie in GeV<br />
10 18<br />
10 -12<br />
10 12<br />
10 6<br />
1<br />
10 -6<br />
10 -12<br />
10 -18<br />
10 -24<br />
10 -30<br />
10 -36<br />
10 -44<br />
10 -9<br />
10 -6<br />
10 -3<br />
1<br />
10 3<br />
10 6<br />
10 9<br />
10 12<br />
10 15<br />
10 19<br />
Die linke Skala zeigt das Alter <strong>de</strong>s Universums vom Urknall bis heute (in Sekun<strong>de</strong>n),<br />
<strong>die</strong> rechte <strong>die</strong> mittlere Energie (in GeV) <strong>de</strong>r Strahlung und Materieteilchen.
Bausteine und Kräfte <strong>de</strong>r <strong>Welt</strong><br />
Seit jeher versuchten <strong>die</strong> Menschen, <strong>de</strong>n Stoff<br />
zu erkun<strong>de</strong>n, aus <strong>de</strong>m sie selbst und ihre Umgebung<br />
bestehen. Die Griechen <strong>de</strong>r Antike,<br />
allen voran <strong>de</strong>r Philosoph Demokrit (ca. 460-<br />
370 vor Christus), behaupteten: Alles in <strong>de</strong>r<br />
<strong>Welt</strong> läßt sich teilen, bis kleinste elementare Teilchen<br />
übrigbleiben. Solche Teilchen nannten sie<br />
Atome, nach ατομοσ - das Unteilbare. Der Auss<strong>pr</strong>uch<br />
Demokrits „Nur durch Übereinkunft<br />
gibt es Süßes, Bitteres, Warmes, Kaltes und<br />
Farbiges, in Wirklichkeit gibt es nur Atome und<br />
das Leere“ kann heute noch als Leitsatz <strong>de</strong>r<br />
Elementarteilchenphysik gelten. Er drückt <strong>die</strong><br />
Überzeugung und <strong>de</strong>n Wunsch <strong>de</strong>r Physiker<br />
aus, mit Hilfe von unteilbaren Bausteinen <strong>de</strong>n<br />
Aufbau unserer <strong>Welt</strong> zu erklären.<br />
Das „teilbare“ Atom<br />
Die Auffassung <strong>de</strong>r antiken Griechen blieb sehr<br />
lange nur eine unbewiesene Vermutung. Erst<br />
mit <strong>de</strong>m Aufschwung <strong>de</strong>r Exper<strong>im</strong>entiertechnik<br />
<strong>im</strong> vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rt - <strong>de</strong>r Grundlage zur Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Naturwissenschaften -<br />
ließen sich überlieferte Lehren über<strong>pr</strong>üfen.<br />
Die Chemiker erkannten, daß alle uns umgeben<strong>de</strong>n<br />
Stoffe aus wenigen Grundsubstanzen,<br />
aus etwas mehr als hun<strong>de</strong>rt chemischen Elementen,<br />
zusammengesetzt sind. Die kleinstmögliche<br />
Menge eines Elements ist das Atom<br />
- ein positiv gela<strong>de</strong>ner Kern, <strong>de</strong>r von negativ<br />
gela<strong>de</strong>nen Elektronen umgeben ist. Die von <strong>de</strong>n<br />
Physikern entwickelten Metho<strong>de</strong>n zeigten aber,<br />
daß <strong>de</strong>r Atomkern nicht „elementar“ ist. Er<br />
besteht aus Protonen und Neutronen, <strong>die</strong> gemeinsam<br />
als Nukleonen o<strong>de</strong>r Hadronen bezeichnet<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Teilchenphysik -<br />
Ent<strong>de</strong>ckungsreise ins Innerste <strong>de</strong>r Materie<br />
Von <strong>de</strong>r Kristallstruktur zu<br />
<strong>de</strong>n Quarks: Mit mo<strong>de</strong>rnen<br />
Beschleunigern lassen<br />
sich Strukturen untersuchen,<br />
<strong>die</strong> nur ein Hun<strong>de</strong>rtmillionstel<br />
eines Atomdurchmessers<br />
betragen.<br />
Veranschaulicht ist <strong>die</strong><br />
Hierarchie <strong>de</strong>r Strukturen,<br />
durch <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Forschung<br />
bei ihrem Vorstoß<br />
ins Innere <strong>de</strong>r Materie in<br />
unserem Jahrhun<strong>de</strong>rt vorgearbeitet<br />
hat.<br />
Kristall<br />
Atom<br />
10 -10 m<br />
Atomkern<br />
10 -14 m<br />
Proton<br />
10 -15 m<br />
Quark<br />
< 10 -18 m<br />
Elektron<br />
Die entgegengesetzten Ladungen von Atomkern<br />
und Elektronenhülle verursachen elektrische<br />
Kräfte, <strong>die</strong> das Atom zusammenhalten. Elektrische<br />
Kräfte wirken auch zwischen <strong>de</strong>n Atomen.<br />
Sie sind <strong>die</strong> Ursache dafür, daß <strong>die</strong> Atome sich<br />
miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>n und nach best<strong>im</strong>mten<br />
Regeln charakteristische Anordnungen - Moleküle<br />
und Kristallgitter - aufbauen. Praktisch<br />
alle Substanzen unserer Umwelt sind ein Netzwerk<br />
von Molekülen; wir selbst eingeschlossen.<br />
Und elektrische Kräfte sind verantwortlich für<br />
<strong>die</strong> Reaktionen zwischen <strong>de</strong>n Molekülen; sie bil<strong>de</strong>n<br />
<strong>die</strong> Erklärung für <strong>die</strong> chemischen Prozesse.<br />
5
6<br />
Physiker ordnen<br />
das Teilchenchaos<br />
In <strong>de</strong>n Jahren nach 1950 wur<strong>de</strong>n bei Untersuchungen<br />
<strong>de</strong>r kosmischen Strahlung und bei Exper<strong>im</strong>enten<br />
an Teilchenbeschleunigern viele<br />
neue Teilchen ent<strong>de</strong>ckt - weit mehr als hun<strong>de</strong>rt.<br />
Die Annahme, es handle sich um elementare<br />
Bausteine, wur<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r hohen Anzahl verworfen.<br />
Murray Gell-Mann und George Zweig<br />
ordneten das Teilchenchaos (1964) und führten<br />
zu <strong>die</strong>sem Zweck hypothetische Teilchen ein.<br />
Sie inter<strong>pr</strong>etierten sowohl <strong>die</strong> Kernbausteine aller<br />
Atome, <strong>die</strong> Nukleonen, als auch <strong>die</strong> meisten<br />
<strong>de</strong>r bis dahin „elementar“ genannten, an<br />
Beschleunigern erzeugten Teilchen als Bindungszustän<strong>de</strong><br />
dreier fundamentaler Bausteine<br />
- <strong>de</strong>r Quarks. En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 60er Jahre wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>die</strong>se hypothetischen Quarks als punktförmige<br />
Objekte <strong>im</strong> Inneren <strong>de</strong>s Protons tatsächlich<br />
nachgewiesen.<br />
Nach <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>r Struktur <strong>de</strong>r Atome<br />
(Rutherford, 1911) und <strong>de</strong>s Aufbaus <strong>de</strong>r Atomkerne<br />
(Chadwick, 1931) war <strong>die</strong> I<strong>de</strong>ntifizierung<br />
<strong>de</strong>r Quarks als Bausteine <strong>de</strong>r Nukleonen einer<br />
<strong>de</strong>r Meilensteine <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts in <strong>de</strong>r<br />
Erforschung <strong>de</strong>r innersten Struktur <strong>de</strong>r Materie.<br />
Heute weiß man, daß es sechs Arten von<br />
Quarks gibt, <strong>die</strong> sich in drei Gruppen, auch<br />
Familien genannt, einteilen lassen. Außer <strong>de</strong>n<br />
Quarks existiert in <strong>de</strong>r Natur eine weitere<br />
Urkomponente - <strong>die</strong> Leptonen. Auch <strong>die</strong> Leptonen<br />
treten in sechs unterschiedlichen Formen<br />
auf, wie<strong>de</strong>rum einteilbar in drei Familien. Das<br />
bekannteste Lepton ist das Elektron - <strong>de</strong>r<br />
Träger <strong>de</strong>s elektrischen Stroms.<br />
Für <strong>die</strong> Beschreibung unserer Umwelt mit<br />
ihren vielfältigen Erscheinungsformen genügen<br />
drei Grundbausteine: das Up-Quark, das<br />
Down-Quark und das Elektron. Von einem<br />
vierten Teilchen hängt das biologische Leben<br />
auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ab - das Neutrino. Denn ohne<br />
Neutrinos wür<strong>de</strong> <strong>die</strong> Sonne nicht leuchten. Die<br />
übrigen Quarks und Leptonen existierten in <strong>de</strong>r<br />
Natur nur unmittelbar nach <strong>de</strong>m Urknall gleichberechtigt<br />
neben <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. Sie können heute<br />
für kurze Zeit in leistungsstarken Beschleunigern<br />
wie<strong>de</strong>r erzeugt wer<strong>de</strong>n.<br />
Urknall<br />
Die gesamte Materie <strong>de</strong>s Universums entstand<br />
nach heutiger Kenntnis vor etwa 15 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Jahren. Ein Ball (kleiner als ein Atom) mit einer<br />
unvorstellbar großen Energiedichte glühte auf<br />
und explo<strong>die</strong>rte - <strong>de</strong>r Urknall (englisch „Big<br />
Bang“). Die Materie breitete sich mit unglaublicher<br />
Geschwindigkeit in allen Richtungen aus<br />
- ein kosmischer Vorgang, <strong>de</strong>r Galaxien, Sonnen,<br />
Planeten und schließlich <strong>die</strong> Menschen<br />
hervorbrachte. Die Physiker sind heute in <strong>de</strong>r<br />
Lage, mit großen Teilchenbeschleunigern Materie<br />
unter ähnlichen Bedingungen zu untersuchen,<br />
wie sie unmittelbar nach <strong>de</strong>m Urknall<br />
herrschten. Die Ent<strong>de</strong>ckungsreise in das Innere<br />
<strong>de</strong>r Materie zu <strong>de</strong>ren winzigen Strukturen ist<br />
daher ebenso eine Reise zurück in <strong>de</strong>r Zeit, zurück<br />
zum Beginn unserer <strong>Welt</strong> und Zeit.
Leptonen Quarks<br />
Elektron Elektron-Neutrino Up Down<br />
Masse 0,0005 GeV Masse unbekannt Masse 0,004 GeV Masse 0,007 GeV<br />
Myon Myon-Neutrino Charm Strange<br />
Masse 0,1 GeV Masse unbekannt Masse 1,5 GeV Masse 0,15 GeV<br />
Tau Tau-Neutrino Top Bottom<br />
Masse 1,8 GeV Masse unbekannt Masse 174 GeV Masse 4,7 GeV<br />
Atomkern Atom Radioaktivität Sonnensystem<br />
Maßgebliches Kraftteilchen:<br />
Gluon Photon<br />
Lichtteilchen<br />
W- und Z-Boson Graviton<br />
Masse 0 Masse 0 Masse 80,3 GeV (W)<br />
91,2 GeV (Z)<br />
Masse 0<br />
Zu je<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r als elementar angenommenen<br />
zwölf verschie<strong>de</strong>nen Teilchen gehört ein Antiteilchen.<br />
Diese unterschei<strong>de</strong>n sich <strong>im</strong> Vorzeichen<br />
ihrer Quantenzahlen. Das Antiteilchen<br />
eines gela<strong>de</strong>nen Teilchens zum Beispiel hat <strong>die</strong><br />
entgegengesetzte Ladung; ansonsten sind <strong>die</strong><br />
Materieteilchen und<br />
Kräfte:<br />
Als Bausteine <strong>de</strong>r Materie<br />
kennen wir heute 12 Materieteilchen:<br />
6 Quarks<br />
und 6 Leptonen. Außer<strong>de</strong>m<br />
gibt es Kraftteilchen:<br />
das Photon, das Gluon,<br />
das Z-Teilchen und zwei<br />
W-Teilchen. Sie halten <strong>die</strong><br />
<strong>Welt</strong> in ihrem <strong>Innersten</strong><br />
zusammen, in<strong>de</strong>m sie <strong>die</strong><br />
elektromagnetische, <strong>die</strong><br />
starke und <strong>die</strong> schwache<br />
Kraft zwischen <strong>de</strong>n Bausteinen<br />
<strong>de</strong>r Materie vermitteln.<br />
Die bekannteste<br />
aller Kräfte, <strong>die</strong> Gravitation,<br />
wird durch das bisher<br />
noch nicht nachgewiesene<br />
Graviton übertragen.<br />
Eigenschaften i<strong>de</strong>ntisch. Antipo<strong>de</strong> <strong>de</strong>s negativ<br />
gela<strong>de</strong>nen Elektrons ist das positiv gela<strong>de</strong>ne<br />
Positron. In <strong>de</strong>r Natur kommen Antiteilchen so<br />
gut wie nicht vor, weil sie be<strong>im</strong> Zusammentreffen<br />
mit normaler Materie zerstrahlen. Sie<br />
lassen sich aber künstlich erzeugen.<br />
7
8<br />
Die gehe<strong>im</strong>nisvollen Kräfte<br />
Die Erforschung <strong>de</strong>r Elementarteilchen führte<br />
dazu, daß viele offene Fragen rund um <strong>die</strong><br />
Kräfte, <strong>die</strong> zwischen <strong>de</strong>n Bausteinen <strong>de</strong>r <strong>Welt</strong><br />
herrschen, beantwortet wer<strong>de</strong>n konnten. Die<br />
mo<strong>de</strong>rne Physik kennt vier unterschiedliche elementare<br />
Kräfte: <strong>die</strong> elektromagnetische, <strong>die</strong><br />
schwache und <strong>die</strong> starke Kraft sowie <strong>die</strong> Gravitation.<br />
Sie unterschei<strong>de</strong>n sich durch ihre Stärke<br />
und in ihrer Ursache, <strong>die</strong> auf speziellen Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>r Teilchen beruht. Am bekanntesten<br />
ist <strong>die</strong> elektrische Ladung als Ursache <strong>de</strong>r elektromagnetischen<br />
Kraft.<br />
Die Kräfte - man s<strong>pr</strong>icht allgemeiner auch von<br />
Wechselwirkungen - wer<strong>de</strong>n durch für je<strong>de</strong><br />
Kraftart spezifische Austauschteilchen, Bosonen<br />
genannt, übertragen: Die elektromagnetische<br />
Kraft durch <strong>die</strong> als Lichtquanten bekannten<br />
Photonen; <strong>die</strong> zwischen <strong>de</strong>n Quarks wirken<strong>de</strong><br />
starke Kraft durch <strong>die</strong> Gluonen; <strong>die</strong> schwache<br />
Kraft durch das neutrale Z-Teilchen, das negativ<br />
gela<strong>de</strong>ne W- und das positiv gela<strong>de</strong>ne W-<br />
Teilchen; <strong>die</strong> Gravitation durch das masselose,<br />
allerdings noch nicht beobachtete Graviton.<br />
Gluonen-Spuren-Nachweis<br />
in einem Detektor<br />
am DESY<br />
Der exper<strong>im</strong>entelle Nachweis<br />
<strong>de</strong>s Gluons, <strong>die</strong> bisher<br />
be<strong>de</strong>utendste Ent<strong>de</strong>kkung<br />
be<strong>im</strong> Deutschen<br />
Elektronen-Synchrotron<br />
DESY, gelang <strong>im</strong> Juni<br />
1979 am Speicherring<br />
PETRA in sogenannten 3-<br />
Jet-Ereignissen. Bei einer<br />
Elektron-Positron-Vernichtung<br />
wur<strong>de</strong>n drei<br />
Teilchenstrahlen („Jets“)<br />
beobachtet; zwei stammen<br />
von einem Quark-<br />
Antiquark-Paar und <strong>de</strong>r<br />
dritte von einem Gluon.<br />
Diese 3 Teilchen zerstrahlten<br />
sogleich in Bün<strong>de</strong>l von<br />
Hadronen.<br />
Die Gravitation, welche <strong>die</strong> gegenseitige Anziehung<br />
aller Teilchen verursacht, ist unter <strong>de</strong>n<br />
vier Elementarkräften <strong>die</strong> schwächste. Wir spüren<br />
sie als Schwerkraft nur <strong>de</strong>shalb, weil alle<br />
Teilchen <strong>de</strong>r ganzen Er<strong>de</strong> uns gleichzeitig herunterziehen.<br />
Die nächststärkere ist <strong>die</strong> schwache<br />
Kraft. Sie ist verantwortlich für <strong>die</strong> Prozesse,<br />
<strong>die</strong> in <strong>de</strong>r Sonne Energie erzeugen, und für<br />
best<strong>im</strong>mte Formen <strong>de</strong>s radioaktiven Zerfalls.<br />
Dann folgt <strong>die</strong> elektromagnetische Kraft, <strong>die</strong><br />
für das Leben auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> so wichtig ist: Sie<br />
baut <strong>die</strong> Elektronenhüllen <strong>de</strong>r Atome auf, auf<br />
ihr beruhen <strong>die</strong> chemischen Bindungen und<br />
Prozesse, durch sie funktionieren Elektromotoren,<br />
<strong>die</strong> unzählige Maschinen antreiben, und<br />
Telefon, Fernseher und vieles an<strong>de</strong>re mehr.<br />
Die vierte und stärkste Kraft ist <strong>die</strong> starke Kraft;<br />
sie best<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r Atomkerne. Der<br />
Kern eines Goldatoms enthält beispielsweise<br />
auf engstem Raum neben 118 ungela<strong>de</strong>nen<br />
Neutronen 79 positiv gela<strong>de</strong>ne Protonen, <strong>die</strong><br />
sich aufgrund ihrer gleichen Ladungen gegenseitig<br />
abstoßen. Trotz<strong>de</strong>m bil<strong>de</strong>n sie einen stabilen<br />
Atomkern. Die Ursache dafür ist <strong>die</strong> be<strong>de</strong>utend<br />
stärkere, <strong>die</strong> Protonen und Neutronen<br />
zusammenhalten<strong>de</strong> starke Kraft.<br />
Gluon Photon<br />
Lichtteilchen<br />
W- und Z-Boson Graviton<br />
Träger <strong>de</strong>r:<br />
starken Kraft elektromagnetischen Kraft schwachen Kraft Gravitationskraft<br />
Wirkt auf:<br />
Quarks Quarks und Quarks und alle Teilchen<br />
gela<strong>de</strong>ne Leptonen Leptonen<br />
Verantwortlich für:<br />
Zusammenhalt <strong>de</strong>r Chemie, Elektrizität Radioaktivität Zusammenhalt <strong>de</strong>r<br />
Atomkerne und Magnetismus Sonnenenergie Er<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Sonne,<br />
<strong>de</strong>s Planetensystems ...
Auf <strong>de</strong>r Suche<br />
nach <strong>de</strong>r <strong>Welt</strong>formel<br />
Seit Albert Einstein versuchen <strong>die</strong> Physiker, <strong>die</strong><br />
elementaren Kräfte auf eine alles umfassen<strong>de</strong><br />
Urkraft zurückzuführen. Mehr noch: Man sucht<br />
das grundlegen<strong>de</strong> Prinzip, das sämtliche Materie<br />
und Kräfte <strong>im</strong> Universum erklärt.<br />
Den Weg dahin wies schon vor 100 Jahren<br />
James Clerk Maxwell. Er vereinigte mit einem<br />
genialen mathematischen Trick <strong>die</strong> elektrische<br />
mit <strong>de</strong>r magnetischen Kraft zur elektromagnetischen<br />
Kraft. Dieser Schritt war <strong>die</strong> Grundlage<br />
für <strong>die</strong> Elektrotechnik. Für <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren Kräfte<br />
- <strong>die</strong> schwache und <strong>die</strong> starke Kraft, ganz zu<br />
schweigen von <strong>de</strong>r Gravitationskraft - ist eine<br />
Vereinheitlichung schwieriger: Je<strong>de</strong> <strong>die</strong>ser Kräfte<br />
wird durch an<strong>de</strong>re Ladungen erzeugt, ihre Stärken<br />
sind verschie<strong>de</strong>n, und sie variieren mit <strong>de</strong>m<br />
Abstand <strong>de</strong>r elementaren Materieteilchen ganz<br />
unterschiedlich.<br />
Die Elementarteilchenforscher entwickelten ein<br />
„Standardmo<strong>de</strong>ll“, das sämtliche Materieteilchen<br />
und Kräfte, aus <strong>de</strong>nen <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> nach <strong>de</strong>m<br />
heutigen Kenntnisstand aufgebaut ist, theoretisch<br />
beschreibt. Mit Hilfe <strong>die</strong>ses Mo<strong>de</strong>lls ist es<br />
<strong>de</strong>n Physikern gelungen, <strong>die</strong> schwache Kraft<br />
mit <strong>de</strong>r elektromagnetischen Kraft so zu verknüpfen,<br />
daß sie sich aus einer einheitlichen,<br />
<strong>de</strong>r elektroschwachen Kraft herleiten lassen. Die<br />
Theorie <strong>de</strong>r elektroschwachen Kraft wur<strong>de</strong> bereits<br />
durch zahlreiche Exper<strong>im</strong>ente an verschie<strong>de</strong>nen<br />
Teilchenbeschleunigern untermauert.<br />
Bei <strong>de</strong>r Vereinheitlichung <strong>de</strong>r übrigen Kräfte<br />
(„große“ Vereinigung) sind <strong>die</strong> Physiker hauptsächlich<br />
auf theoretische Mo<strong>de</strong>lle und Berechnungen<br />
angewiesen, <strong>de</strong>nn sie kann nie direkt<br />
gemessen wer<strong>de</strong>n. Selbst <strong>die</strong> leistungsstärksten<br />
Teilchenbeschleuniger können nicht <strong>die</strong> dafür<br />
erfor<strong>de</strong>rliche, außeror<strong>de</strong>ntlich starke Konzentration<br />
von Energie, wie sie nur kurz nach <strong>de</strong>m<br />
Urknall bestand, jemals erreichen. Die meisten<br />
Physiker sind heute - wie auch Albert Einstein<br />
es war - davon überzeugt, daß es am Anfang<br />
eine einzige perfekte symmetrische Urkraft<br />
gegeben hat. Bei <strong>de</strong>r Abkühlung <strong>de</strong>s Universums<br />
nach <strong>de</strong>m „Big Bang“ wur<strong>de</strong> aber <strong>die</strong><br />
Symmetrie <strong>de</strong>r Urkraft mehrfach gebrochen.<br />
In <strong>de</strong>r Folge kristallisierten sich <strong>die</strong> heute bekannten<br />
vier elementaren Grundkräfte heraus<br />
- vergleichbar mit einer heißen Dampfwolke,<br />
<strong>die</strong> sich abkühlt, kon<strong>de</strong>nsiert und aus <strong>de</strong>r sich<br />
schließlich vielfach gebrochene Eiskristall-Strukturen<br />
bil<strong>de</strong>n.<br />
Offene Fragen<br />
Mit <strong>de</strong>m Standardmo<strong>de</strong>ll wur<strong>de</strong>n viele Erscheinungen<br />
und Prozesse in <strong>de</strong>r Teilchenphysik<br />
genau berechnet. Die daraus getroffenen Voraussagen<br />
stehen bisher mit keiner Messung in<br />
einem wesentlichen Wi<strong>de</strong>rs<strong>pr</strong>uch. Trotz <strong>die</strong>ser<br />
Erfolge gibt es Phänomene, <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Physiker<br />
bislang nicht erklären können.<br />
Dazu gehört <strong>die</strong> Tatsache, daß alle Grundbausteine<br />
sehr ähnlich und eng miteinan<strong>de</strong>r verwandt<br />
sein müssen. Zum Beispiel: Da ein Atom<br />
elektrisch neutral ist, muß <strong>die</strong> elektrische Ladung<br />
eines Elektrons in <strong>de</strong>r Atomhülle mit sehr<br />
hoher Genauigkeit ebenso groß sein wie <strong>die</strong><br />
Summe <strong>de</strong>r Quarkladungen eines Protons <strong>im</strong><br />
Atomkern. Doch warum ist das so, was steckt<br />
dahinter?<br />
Der genaue Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n Ladungen<br />
von Quarks und Leptonen hätte eine<br />
natürliche Erklärung, wenn bei<strong>de</strong> aus einheitlichen<br />
Bausteinen aufgebaut sind. Quarks und<br />
Leptonen sind aber so klein, daß ihre Größe noch<br />
unbekannt ist. Man weiß nicht einmal, ob sie<br />
überhaupt eine endliche Größe besitzen. Ihre<br />
Massen, <strong>die</strong> best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n konnten, zeigen<br />
erhebliche Unterschie<strong>de</strong>. Einige sind sehr leicht,<br />
aber das Top-Quark ist fast so schwer wie ein Goldatom.<br />
Dahinter steckt vermutlich eine Systematik,<br />
<strong>die</strong> wir noch nicht durchschauen. Wie <strong>die</strong> elementaren<br />
Bausteine eine Masse erhalten, ist somit<br />
eine <strong>de</strong>r zentralen Fragen <strong>de</strong>r Teilchenphysik.<br />
9
10<br />
10 18<br />
10 -12<br />
Zeit in s<br />
Energie in GeV<br />
10 12<br />
10 6<br />
1<br />
10 -6<br />
10 -12<br />
10 -18<br />
10 -24<br />
10 -30<br />
10 -36<br />
10 -44<br />
10 -9<br />
10 -6<br />
10 -3<br />
1<br />
10 3<br />
10 6<br />
10 9<br />
10 12<br />
10 15<br />
10 19<br />
Gravitation<br />
starke Kraft<br />
heute<br />
elektromagnetische Kraft<br />
Planck-Skala<br />
schwache Kraft<br />
elektroschwache<br />
Vereinigung<br />
"große Vereinigung"<br />
Urknall<br />
Zur Vereinheitlichung<br />
<strong>de</strong>r Kräfte:<br />
Bei sehr kleinen Abstän<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Teilchen, o<strong>de</strong>r<br />
sehr hohen Energien, sind<br />
<strong>die</strong> 4 elementaren Kräfte<br />
gleich stark. Dieser Fall<br />
existierte unmittelbar<br />
nach <strong>de</strong>m Urknall. Heute<br />
ist <strong>die</strong>ses Szenario an Beschleunigern<br />
bis zu gewissen<br />
Grenzen nachstellbar.<br />
Exper<strong>im</strong>entell bestätigt<br />
wur<strong>de</strong> <strong>die</strong> elektroschwache<br />
Vereinigung. Sie faßt<br />
<strong>die</strong> schwache und <strong>die</strong><br />
elektromagnetische Kraft<br />
bei Energien von einigen<br />
hun<strong>de</strong>rt GeV in einer einheitlichen„elektroschwachen<br />
Kraft“ zusammen.<br />
Noch an<strong>de</strong>res ist rätselhaft:<br />
• Weshalb besteht sowohl <strong>die</strong> Quark- als<br />
auch <strong>die</strong> Leptonen-Gruppe gera<strong>de</strong> aus<br />
sechs Mitglie<strong>de</strong>rn, aus sechs Teilchen also,<br />
und welcher Zusammenhang existiert zwischen<br />
ihnen?<br />
• Weshalb gibt es <strong>im</strong> <strong>Welt</strong>all fast nur Materie<br />
und nahezu keine Ant<strong>im</strong>aterie? Die Exper<strong>im</strong>ente,<br />
<strong>die</strong> <strong>de</strong>n Urknall s<strong>im</strong>ulieren,<br />
erzeugen Materie und Ant<strong>im</strong>aterie gleich<br />
häufig. Das heißt, urs<strong>pr</strong>ünglich dürfte<br />
ebensoviel Ant<strong>im</strong>aterie wie Materie entstan<strong>de</strong>n<br />
sein. Aber wo ist <strong>die</strong> Ant<strong>im</strong>aterie<br />
geblieben?<br />
• Im Standardmo<strong>de</strong>ll lassen sich bisher nur<br />
<strong>die</strong> elektromagnetische und <strong>die</strong> schwache<br />
Kraft mathematisch aus einer gemeinsamen<br />
Kraft ableiten. Wie aber lassen sich<br />
<strong>die</strong>se bei<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r starken Kraft und <strong>de</strong>r<br />
Gravitation unter einen Hut bringen? Der<br />
Lösung <strong>die</strong>ser Frage nähert man sich vermutlich<br />
nur dann, wenn das Standardmo<strong>de</strong>ll<br />
in eine umfassen<strong>de</strong>re Beschreibung<br />
aller Teilchen und ihrer Wechselwirkungen<br />
eingebettet wer<strong>de</strong>n kann. Nach<br />
<strong>die</strong>sem universellen Mo<strong>de</strong>ll suchten bereits<br />
Einstein und Heissenberg, und <strong>die</strong><br />
Teilchenphysiker von heute suchen weiter<br />
danach.
Mit hochenergetischen<br />
kleinsten Teilchen<br />
Eine Reihe <strong>de</strong>r wichtigsten Ent<strong>de</strong>ckungen machten<br />
<strong>die</strong> Teilchenphysiker in Exper<strong>im</strong>enten, in<br />
<strong>de</strong>nen sie energetische Teilchen auf Materie<br />
schossen und aus <strong>de</strong>r beobachteten Ablenkung<br />
<strong>de</strong>ren innere Struktur ermittelten.<br />
Erstmals wur<strong>de</strong> <strong>die</strong>ses Meßverfahren zu Beginn<br />
unseres Jahrhun<strong>de</strong>rts von Rutherford, Geiger<br />
und Mars<strong>de</strong>n angewandt. Ihr bahnbrechen<strong>de</strong>s<br />
Exper<strong>im</strong>ent zeigte, daß das Atom <strong>im</strong> wesentlichen<br />
leer ist. Die gesamte Masse <strong>de</strong>s Atoms<br />
ist in einem winzigen Bruchteil <strong>de</strong>s Gesamtvolumens<br />
konzentriert - <strong>im</strong> Atomkern. Rutherford<br />
erkannte, daß genauere Informationen über <strong>de</strong>n<br />
Aufbau <strong>de</strong>s Atomkerns nur mit Teilchen höherer<br />
Energie zu erreichen sind. Er leitete damit <strong>die</strong><br />
Entwicklung von Teilchenbeschleunigern ein.<br />
Die Riesenmikroskope<br />
<strong>de</strong>r Physiker<br />
Mit einem Lichtmikroskop können Strukturen<br />
untersucht wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Abmessungen von<br />
<strong>de</strong>r Größenordnung <strong>de</strong>r Lichtwellenlänge ist<br />
- einige zehntausendstel Mill<strong>im</strong>eter. Eine <strong>de</strong>rartige<br />
Wellenlänge ist aber zu groß, um kleinere<br />
Objekte beobachten zu können. Hierfür<br />
wer<strong>de</strong>n Elektronenmikroskope eingesetzt. Sie<br />
verwen<strong>de</strong>n statt Licht Elektronen, <strong>die</strong> - wie De<br />
Broglie herausfand - ebenfalls Welleneigenschaften<br />
besitzen. Im Unterschied zum Licht<br />
lassen sich gela<strong>de</strong>ne Teilchen wie Elektronen<br />
und Protonen durch elektrische Fel<strong>de</strong>r beschleunigen.<br />
Je stärker sie beschleunigt wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>sto<br />
höher ist ihre Energie, um so kürzer wird ihre<br />
Wellenlänge und um so kleinere Strukturen<br />
können abgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie wer<strong>de</strong>n Teilchen untersucht?<br />
Der HERA-Tunnel<br />
Beschleuniger<br />
bringen Teilchen auf Trab<br />
Nahezu in je<strong>de</strong>m bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Haushalt<br />
steht ein kleiner Teilchenbeschleuniger - <strong>de</strong>r<br />
Fernseher. Ein Fernseher arbeitet nach <strong>de</strong>n<br />
gleichen Prinzipien wie <strong>die</strong> riesigen Beschleuniger<br />
<strong>de</strong>r Teilchenphysiker: Gela<strong>de</strong>ne Teilchen<br />
wer<strong>de</strong>n auf ganz best<strong>im</strong>mte Bahnen geführt,<br />
elektrische Fel<strong>de</strong>r beschleunigen <strong>die</strong> Teilchen,<br />
und magnetische Fel<strong>de</strong>r än<strong>de</strong>rn <strong>die</strong> Richtung<br />
ihrer Bahn und bün<strong>de</strong>ln sie.<br />
11
12<br />
Durchläuft ein Elektron<br />
eine Spannungsdifferenz<br />
von 20 Kilovolt (kV), wie<br />
<strong>die</strong>s zum Beispiel be<strong>im</strong><br />
Fernseher <strong>de</strong>r Fall ist,<br />
dann hat es am En<strong>de</strong> eine<br />
Energie von 20 keV. Um<br />
höhere Energien zu erzielen,<br />
wer<strong>de</strong>n mehrere<br />
Beschleunigungsstrecken<br />
hintereinan<strong>de</strong>r angeordnet.<br />
e -<br />
N<br />
S<br />
Komponenten eines Beschleunigers<br />
Teilchenquellen: Die zur Beschleunigung benötigten<br />
Elektronen wer<strong>de</strong>n durch Erhitzen<br />
eines Wolframdrahtes freigesetzt. Die Protonen<br />
kommen, gebun<strong>de</strong>n <strong>im</strong> <strong>Was</strong>serstoffatom, aus<br />
einer Gasflasche. Die Erzeugung ihrer Antipartner<br />
wird gezielt durch bekannte physikalische<br />
Prozesse ausgelöst. Sind <strong>die</strong> elektrisch<br />
gela<strong>de</strong>nen Teilchen freigesetzt, wer<strong>de</strong>n sie zunächst<br />
mit magnetischen Fel<strong>de</strong>rn eingefangen<br />
und gebün<strong>de</strong>lt, um dann eine erste Beschleunigung<br />
zu erfahren .<br />
Vakuumrohr: Damit möglichst wenige <strong>de</strong>r beschleunigten<br />
Teilchen durch Zusammenstöße<br />
mit Luftmolekülen verlorengehen, müssen sie<br />
in Rohren mit Ultrahochvakuum fliegen. In<br />
Vakuumkammern mo<strong>de</strong>rner Beschleuniger<br />
herrscht typischerweise ein Druck von einigen<br />
hun<strong>de</strong>rtmillionstel (10 -8 ) Millibar.<br />
e -<br />
Führungsmagnete: Unbeeinflußt von äußeren<br />
Kräften fliegen beschleunigte Teilchen gera<strong>de</strong>aus.<br />
Um sie innerhalb eines Ringes o<strong>de</strong>r zwischen<br />
zwei Beschleunigern auf <strong>de</strong>m richtigen<br />
Weg zu halten, wer<strong>de</strong>n spezielle Magnete,<br />
Dipolmagnete, eingesetzt. Ihr Magnetfeld wirkt<br />
senkrecht zur Flugrichtung <strong>de</strong>r Teilchen und<br />
zwingt sie so auf eine gekrümmte Bahn.<br />
Fokussierungsmagnete: Ein Teilchenstrahl ist<br />
ungleichmäßig zusammengesetzt; er besteht<br />
aus mehreren kleinen „Paketen“ von möglichst<br />
vielen Teilchen in möglichst kleinem Volumen.<br />
Da <strong>die</strong> Teilchen eines Pakets nicht alle exakt<br />
<strong>die</strong> gleiche Richtung haben und sich gleichzeitig<br />
auch gegenseitig anstoßen, streben sie allmählich<br />
auseinan<strong>de</strong>r. Durchfliegen sie aber in regelmäßigen<br />
Abstän<strong>de</strong>n spezielle Magnetfeldanordnungen,<br />
Quadrupolmagnete genannt, so<br />
wer<strong>de</strong>n sie durch magnetische Fel<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r<br />
fokussiert, ähnlich wie optische Linsen <strong>die</strong> Lichtstrahlen<br />
vereinigen.<br />
Beschleunigungsstrecken: Die Teilchen wer<strong>de</strong>n<br />
in elektrischen Wechselfel<strong>de</strong>rn beschleunigt,<br />
wobei <strong>die</strong> Spannungsdifferenz zwischen<br />
<strong>de</strong>m Start- und <strong>de</strong>m Endpunkt <strong>de</strong>r Strecke entschei<strong>de</strong>nd<br />
ist. In Linearbeschleunigern sind viele<br />
solche Strecken hintereinan<strong>de</strong>rgeschaltet. In<br />
Ringbeschleunigern dagegen wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong><br />
Beschleunigungsstrecken <strong>im</strong> Kreis angeordnet,<br />
so daß <strong>die</strong> Teilchen das System mehrmals - viele<br />
tausendmal in <strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong> - durchlaufen können.<br />
Seit zwanzig Jahren wer<strong>de</strong>n vorwiegend<br />
Speicherring-Colli<strong>de</strong>r genutzt. In <strong>die</strong>sen Teilchenbeschleunigern<br />
kreisen zwei Teilchenstrahlen<br />
in entgegengesetzter Richtung. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
so gesteuert, daß sie an dafür vorgesehenen<br />
Kreuzungsstellen kolli<strong>die</strong>ren. Durch <strong>die</strong>se Frontalzusammenstöße<br />
wird <strong>die</strong> Kollisionsenergie<br />
beson<strong>de</strong>rs groß.
Kollisionen<br />
auf engstem Raum<br />
Bei Zusammenstößen zwischen Teilchen in Beschleunigern<br />
o<strong>de</strong>r bei ihrem Auf<strong>pr</strong>all auf Ziele<br />
außerhalb <strong>de</strong>s Beschleunigers entstehen oft<br />
auch neue Teilchen. Dies geschieht, in<strong>de</strong>m<br />
Materie sich in Energie und <strong>die</strong>se sich wie<strong>de</strong>r<br />
zurück in Materie verwan<strong>de</strong>lt; es gilt Einsteins<br />
berühmte Gleichung E = mc 2 , wobei E für<br />
Energie, m für Masse steht und c <strong>die</strong> Lichtgeschwindigkeit<br />
angibt.<br />
Aus E = mc2 folgt, daß ein Gramm Materie<br />
erstaunliche 20 Billionen Kalorien enthält. Die<br />
Teilchen, <strong>die</strong> in Beschleunigern untersucht wer<strong>de</strong>n,<br />
sind so winzig, daß <strong>die</strong> in ihnen enthaltene<br />
Energie nur etwa ein Milliardstel einer Kalorie<br />
beträgt. In Teilchenkollisionen wird <strong>die</strong>se Energie<br />
auf einen äußerst kleinen Raum konzentriert.<br />
Unter solch hohen Energiekonzentrationen<br />
können neue Teilchen entstehen, <strong>de</strong>ren<br />
Untersuchung uns faszinieren<strong>de</strong> Einblicke in <strong>die</strong><br />
Gehe<strong>im</strong>nisse <strong>de</strong>r Natur ermöglicht.<br />
Detektoren -<br />
Giganten mit Feingefühl<br />
Teilchenkollisionen herbeizuführen ist eine<br />
Sache, sie aber nachzuweisen eine an<strong>de</strong>re. Diese<br />
Aufgabe übernehmen Teilchen<strong>de</strong>tektoren - das<br />
sind Meßanordnungen so groß wie mehrstökkige<br />
Häuser. Sie wer<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n Kollisionspunkt<br />
errichtet und zeichnen alles auf, was sich dort<br />
ereignet. Mit ihrer Hilfe versuchen <strong>die</strong> Wissenschaftler,<br />
alle herausfliegen<strong>de</strong>n Teilchen aufzuspüren,<br />
ihre I<strong>de</strong>ntität und Herkunft festzustellen<br />
und <strong>die</strong> Flugbahnen zu best<strong>im</strong>men. Um das<br />
zu erreichen, wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Detektoren schalenförmig<br />
aufgebaut.<br />
Schematische Darstellung<br />
<strong>de</strong>s 10 m hohen ZEUS-<br />
Detektors am HERA-Beschleuniger<br />
in Hamburg.<br />
Er ist aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
um <strong>de</strong>n Kollisionsbereich<br />
angeordneten Schichten<br />
aufgebaut. Von innen<br />
nach außen:<br />
Spurenkammern (blau,<br />
dunkelblau), su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong><br />
Spule (orange), Kalor<strong>im</strong>eter<br />
(rot/grau), mit<br />
Myon-Kammern ausgestattetes<br />
Eisenjoch (rot mit<br />
blauen Streifen), Myon-<br />
Kammern (blau), Myon-<br />
Toroid (grün/gelb). Durch<br />
das Zentrum <strong>de</strong>s Detektors<br />
läuft das Strahlrohr,<br />
das mit Quadrupolen<br />
(orange) zur Fokussierung<br />
<strong>de</strong>r Teilchenpakete<br />
ausgestattet ist. Die Protonen<br />
kommen von rechts<br />
durch das Strahlrohr, <strong>die</strong><br />
Elektronen von links.<br />
Die innersten Schalen <strong>die</strong>nen dazu, <strong>die</strong> Teilchenspuren<br />
sichtbar zu machen. Dafür verwen<strong>de</strong>t<br />
man Drift- und Proportionalkammern. In<br />
ihnen hinterlassen gela<strong>de</strong>ne Teilchen Ionisationsspuren,<br />
<strong>die</strong> mit Hilfe von Signaldrähten<br />
rekonstruiert wer<strong>de</strong>n können. Gleichzeitig<br />
krümmt ein Magnetfeld <strong>die</strong> Bahn <strong>de</strong>r Teilchen.<br />
Dadurch können <strong>de</strong>r Impuls, <strong>die</strong> Ladung und<br />
bei Kenntnis <strong>de</strong>r Masse <strong>die</strong> Energie <strong>de</strong>r Teilchen<br />
sowie ihr gemeinsamer Entstehungsort<br />
genau best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n. Neben Driftkammern<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Inneren solcher Detektoren auch Anordnungen<br />
aus dünnen Halbleiter-Plättchen<br />
eingesetzt, <strong>die</strong> eine noch genauere Ortsbest<strong>im</strong>mung<br />
liefern.<br />
In <strong>de</strong>r nächsten Schalenanordnung befin<strong>de</strong>n<br />
sich <strong>die</strong> Kalor<strong>im</strong>eter. Das sind Geräte zur Ermittlung<br />
von Wärmemengen. In ihnen wird ein<br />
Großteil <strong>de</strong>r Teilchen absorbiert und ihre Energie<br />
kann dadurch gemesssen wer<strong>de</strong>n.<br />
13
14<br />
Weitere Detektorteile ergänzen <strong>die</strong> Informationen,<br />
beispielsweise über <strong>die</strong> Myonen, <strong>die</strong><br />
schweren Partner <strong>de</strong>r Elektronen. Myonen<br />
durchdringen dicke Materieschichten, ohne<br />
absorbiert zu wer<strong>de</strong>n. Dadurch sind sie von an<strong>de</strong>ren<br />
Teilchen leicht zu unterschei<strong>de</strong>n. Die Spuren<br />
von Myonen lassen sich in einem Eisenjoch<br />
verfolgen, das man ohnehin für <strong>die</strong> Spurenkammern<br />
zur Rückführung <strong>de</strong>s Magnetfel<strong>de</strong>s<br />
benötigt. Um <strong>die</strong> Myonen aufzuspüren, wer<strong>de</strong>n<br />
hinter und zwischen <strong>de</strong>n Eisenplatten <strong>de</strong>s<br />
tonnenschweren Jochs großflächige Nachweisgeräte<br />
angebracht.<br />
Reaktions<strong>pr</strong>odukte, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n Detektor durch das<br />
Strahlrohr verlassen, sind von beson<strong>de</strong>rem<br />
Interesse. Spezial<strong>de</strong>tektoren überwachen <strong>de</strong>shalb<br />
<strong>die</strong> kleinen Winkel entlang <strong>de</strong>s Strahls.<br />
Dies ist auch wichtig zur Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>r<br />
Zusammenstoßrate <strong>de</strong>r gespeicherten Teilchen<br />
- <strong>de</strong>r „Luminosität“ <strong>de</strong>s Speicherring-Colli<strong>de</strong>rs.<br />
Die vier HERA-Detektoren<br />
H1, HERA-B, HERMES<br />
und ZEUS sind das Ergebnis<br />
<strong>de</strong>r Arbeit internationalerForschungsgruppen,<br />
<strong>die</strong> aus mehreren<br />
hun<strong>de</strong>rt Wissenschaftlern<br />
bestehen. Auf <strong>die</strong>sem Bild<br />
ist ein Teil <strong>de</strong>r ZEUS-<br />
Arbeitsgruppe vor <strong>de</strong>m<br />
geöffneten Detektor zu<br />
sehen.<br />
Einen anschaulichen Eindruck<br />
von <strong>de</strong>r Komplexität<br />
<strong>de</strong>r heute in <strong>de</strong>r Teilchenphysik<br />
eingesetzten<br />
Nachweisgeräte vermittelt<br />
<strong>die</strong>ses Bild <strong>de</strong>s geöffneten<br />
H1-Detektors. Das<br />
Foto von P. Ginter entstand<br />
während <strong>de</strong>r Winterunterbrechung<br />
1994/<br />
95, als in <strong>de</strong>n Detektor<br />
ein zusätzliches Kalor<strong>im</strong>eter<br />
eingebaut wur<strong>de</strong> (man<br />
sieht <strong>de</strong>ssen gold-scheinen<strong>de</strong>,<br />
etwas zurückliegen<strong>de</strong><br />
Fläche <strong>im</strong> Zentrum).<br />
Mit ihm lassen sich<br />
Elektronen, <strong>die</strong> in kleinen<br />
Winkeln gestreut wer<strong>de</strong>n,<br />
mit verbesserter Auflösung<br />
messen.<br />
Elektronische Entscheidungen<br />
in kürzester Zeit<br />
An einen typischen Colli<strong>de</strong>r-Detektor können<br />
bis zu 100 000 Kabel angeschlossen sein, von<br />
<strong>de</strong>nen je<strong>de</strong>s einzelne Informationen vom Detektor<br />
zum Datenerfassungssystem überträgt.<br />
Alle einlaufen<strong>de</strong>n Informationen müssen systematisch<br />
ausgewertet, über<strong>pr</strong>üft und schließlich<br />
weiterverarbeitet wer<strong>de</strong>n; eine schnelle Elektronik<br />
o<strong>de</strong>r ein Rechner entschei<strong>de</strong>t, ob das jeweilige<br />
Ereignis auf Magnetband gespeichert<br />
o<strong>de</strong>r verworfen wer<strong>de</strong>n soll. Da <strong>im</strong> Mittel nur<br />
eines von mehreren zehntausend o<strong>de</strong>r sogar<br />
Millionen Ereignissen interessiert, das heißt<br />
wissenschaftlich neu ist, an<strong>de</strong>rerseits für je<strong>de</strong>s<br />
interessante Ereignis eine gewaltige Datenmenge<br />
abgespeichert wer<strong>de</strong>n muß, spielen<br />
elektronische Entscheidungen bei <strong>de</strong>r Funktion<br />
von Detektoren eine wichtige Rolle.
Erkenntnisorientierte<br />
Grundlagenforschung<br />
Forschung kostet Geld. Die dafür zur Verfügung<br />
stehen<strong>de</strong>n Mittel sind beschränkt. Damit stellt<br />
sich <strong>die</strong> Frage, wieviel und welche Forschung<br />
sich unsere Gesellschaft leisten kann und leisten<br />
will. Welchen Nutzen bringt das Wissen<br />
über <strong>die</strong> elementaren Zusammenhänge <strong>im</strong><br />
Mikrokosmos? Und wer<strong>de</strong>n nicht Geld und<br />
menschliche Ressourcen an etwas verschwen<strong>de</strong>t,<br />
das letztlich nur <strong>de</strong>r Befriedigung, <strong>de</strong>r<br />
Neugier einiger weniger Forscher <strong>die</strong>nt ?<br />
... als intellektueller<br />
Generationenvertrag<br />
Die Entwicklungsgeschichte von Naturwissenschaft<br />
und Technik legt <strong>de</strong>n Schluß nahe, daß<br />
sich alles Wissen über <strong>die</strong> Natur irgendwann<br />
auszahlt. Auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
nicht erkennbar ist, welchen verwertbaren<br />
Nutzen eine best<strong>im</strong>mte Ent<strong>de</strong>ckung o<strong>de</strong>r<br />
Forschungsrichtung mit sich bringt, so können<br />
spätere Generationen oft auf unerwartete Weise<br />
<strong>die</strong> Früchte <strong>die</strong>ser Arbeit ernten. Es gibt dafür<br />
mannigfache Beispiele in <strong>de</strong>r Geschichte -<br />
wenngleich sich <strong>im</strong> Einzelfall <strong>im</strong>mer darüber<br />
streiten läßt, ob und wie weit sich solche Beispiele<br />
auf unsere heutige Zeit übertragen lassen.<br />
Letztendlich ist Grundlagenforschung als<br />
eine Investition in <strong>die</strong> Zukunft zu betrachten.<br />
Teilchenphysik - Warum?<br />
„Ökonomen haben nachgewiesen, daß in <strong>de</strong>n USA rund<br />
23 Prozent <strong>de</strong>s Bruttosozial<strong>pr</strong>oduktes auf <strong>de</strong>n wissenschaftlichen<br />
Durchbruch zur Quantenmechanik in <strong>de</strong>r Physik zurückgehen.<br />
Bei uns dürfte <strong>die</strong> Zahl ähnlich hoch liegen. Transistoren beruhen<br />
zwar nicht nur auf <strong>de</strong>r Quantenmechanik, aber sie sind ohne sie<br />
nicht <strong>de</strong>nkbar.<br />
Ich bin sicher, daß auch auf an<strong>de</strong>ren Gebieten ungeahnte Potentiale<br />
brachliegen. Sie zu mobilisieren, ist wirtschaftliche Überlebensfrage.“<br />
Bun<strong>de</strong>s<strong>pr</strong>äsi<strong>de</strong>nt Roman Herzog<br />
in einer Re<strong>de</strong> anläßlich <strong>de</strong>s Röntgenjubiläums<br />
... als Ausbildung für junge<br />
Wissenschaftler und Ingenieure<br />
Durch <strong>die</strong> enge Zusammenarbeit mit vielen<br />
Universitäten leistet DESY einen wichtigen Beitrag<br />
zur Ausbildung junger Wissenschaftler und<br />
Ingenieure. Ihnen wird hier <strong>die</strong> Gelegenheit geboten,<br />
in einem internationalen Team an <strong>de</strong>r<br />
Front <strong>de</strong>r Forschung mitzuarbeiten und mit<br />
mo<strong>de</strong>rnsten Einrichtungen und neuesten Techniken<br />
vertraut zu wer<strong>de</strong>n, so daß sie für ihr<br />
späteres Berufsleben bestens qualifiziert sind.<br />
Bei DESY in Hamburg und Zeuthen verbringen<br />
etwa 1000 junge Wissenschaftler als Diploman<strong>de</strong>n,<br />
Doktoran<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Nachwuchswissenschaftler<br />
zusammen mit mehr als 3000 Forschern<br />
aus 35 Län<strong>de</strong>rn ihre <strong>pr</strong>ägen<strong>de</strong>n Jahre<br />
in internationaler Atmosphäre. Jährlich wer<strong>de</strong>n<br />
durchschnittlich 300 Doktor- und Diplomarbeiten<br />
mit bei DESY erzielten Forschungsergebnissen<br />
abgeschlossen.<br />
Die vielen Stu<strong>de</strong>nten und jungen Wissenschaftler,<br />
<strong>die</strong> in <strong>de</strong>r Forschung mitarbeiten und später<br />
in <strong>de</strong>r Industrie o<strong>de</strong>r als aka<strong>de</strong>mische Lehrer<br />
wirken, sorgen dafür, daß <strong>die</strong> Begeisterung<br />
für <strong>die</strong> Forschung und <strong>die</strong> Erfahrungen und Ergebnisse<br />
aus <strong>de</strong>r Forschung weitergegeben und<br />
an an<strong>de</strong>ren Stellen fruchtbar wer<strong>de</strong>n können.<br />
15
16<br />
... als Motor für neue<br />
Einsatzmöglichkeiten<br />
Heute sind <strong>die</strong> urs<strong>pr</strong>ünglich allein zur Erforschung<br />
<strong>de</strong>s Mikrokosmos entwickelten Teilchenbeschleuniger<br />
zu Tausen<strong>de</strong>n in Kliniken zur<br />
Therapie und Diagnose <strong>im</strong> Einsatz - eine Anwendung,<br />
<strong>die</strong> niemand vorausgeahnt hatte. Ein<br />
an<strong>de</strong>rer Spin-off <strong>de</strong>r Teilchenphysik ist <strong>die</strong><br />
Synchrotronstrahlung, <strong>de</strong>ren einzigartige Eigenschaften<br />
ohne <strong>de</strong>n Bau von Teilchenbeschleunigern<br />
unent<strong>de</strong>ckt geblieben wären.<br />
... als innovative Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
für <strong>die</strong> Industrie<br />
Einen unmittelbaren Nutzen <strong>de</strong>r Grundlagenforschung<br />
stellt <strong>die</strong> Innovationsmotivation dar,<br />
<strong>die</strong> von <strong>de</strong>n exper<strong>im</strong>entellen Fragestellungen<br />
ausgeht. Die Instrumente, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Elementarteilchen-Forschung<br />
benötigt und <strong>die</strong> zusammen<br />
mit <strong>de</strong>r Industrie entwickelt und gebaut wer<strong>de</strong>n,<br />
wie beispielsweise <strong>die</strong> verschie<strong>de</strong>nen Komponenten<br />
<strong>de</strong>r Teilchenbeschleuniger und Detektoren,<br />
stellen meist technologische Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
ersten Ranges dar.<br />
Mit <strong>de</strong>m Bau von HERA<br />
wur<strong>de</strong> in industriellem<br />
Maßstab von <strong>de</strong>r Su<strong>pr</strong>aleitung<br />
Gebrauch gemacht.<br />
Dadurch konnte<br />
sich eine Reihe von europäischen<br />
Firmen in <strong>die</strong>ser<br />
Basistechnologie qualifizieren.<br />
Neben <strong>de</strong>n su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>n<br />
Magneten für<br />
<strong>die</strong> Protonen verwen<strong>de</strong>t<br />
<strong>de</strong>r Elektronenring von<br />
HERA in einem gera<strong>de</strong>n<br />
Tunnelabschnitt auch eine<br />
Reihe su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>r<br />
Hochfrequenz-Resonatoren.<br />
Bei 500 MHz schaffen<br />
<strong>die</strong>se eine Beschleunigungsspannung<br />
von<br />
6 Megavolt <strong>pr</strong>o Meter<br />
(MV/m). Normalleiten<strong>de</strong><br />
Kupfer-Resonatoren erreichen<br />
nur etwa 1 MV/m.<br />
So stößt man mit <strong>de</strong>n Detektoren für <strong>die</strong> Beschleuniger<br />
HERA in Hamburg und LEP am<br />
CERN bei Genf an <strong>die</strong> Grenze <strong>de</strong>s <strong>de</strong>rzeit<br />
technisch Möglichen. Da bekannte Standardlösungen<br />
meist nicht leistungsfähig genug o<strong>de</strong>r<br />
zu teuer sind, spielt <strong>die</strong> Elementarteilchen-<br />
Forschung eine Vorreiterrolle bei <strong>de</strong>r Entwicklung<br />
neuer, empfindlicher und <strong>pr</strong>äziser Nachweismetho<strong>de</strong>n<br />
und -instrumente für alle Arten<br />
von Strahlung und Teilchen.<br />
So fließt ein großer Teil <strong>de</strong>r bei DESY eingesetzten<br />
Mittel in Innovationen für <strong>die</strong> Industrie,<br />
etwa für <strong>die</strong> Halbleiter-, <strong>die</strong> Magnet- und Kältetechnik,<br />
<strong>die</strong> Hochfrequenz- und Vakuumtechnik<br />
sowie <strong>die</strong> schnelle Elektronik und Datenverarbeitung.<br />
Die unter <strong>die</strong>sen Anfor<strong>de</strong>rungen entwickelten<br />
und er<strong>pr</strong>obten Innovationen lassen<br />
sich später häufig in an<strong>de</strong>ren, volkswirtschaftlich<br />
wichtigen Bereichen nutzen.<br />
Ein Beispiel aus <strong>de</strong>r jüngsten Zeit für <strong>de</strong>n Technologietransfer<br />
zwischen Großforschungseinrichtungen<br />
<strong>de</strong>r Teilchenphysik und Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Lebens sei hier<br />
genannt: das World Wi<strong>de</strong> Web. Es wur<strong>de</strong> als<br />
interaktives Hypertextsystem für <strong>de</strong>n Informationsaustausch<br />
zwischen Forschergruppen <strong>de</strong>r<br />
Elementarteilchenphysik entwickelt und hat<br />
mittlerweile das Internet und <strong>die</strong> allgemeine<br />
Me<strong>die</strong>nlandschaft tiefgreifend revolutioniert.<br />
... als kultureller Wert an sich<br />
Letztlich liegt aber <strong>die</strong> wesentliche Motivation<br />
für <strong>die</strong> Elementarteilchen-Forschung in <strong>de</strong>m<br />
Wunsch, das Funktionieren <strong>de</strong>r Natur zu verstehen.<br />
Wollte man <strong>de</strong>n Wert <strong>die</strong>ser erkenntnisorientierten<br />
Forschung allein am kurzfristigen<br />
<strong>pr</strong>aktischen Nutzen messen und sie danach<br />
ausrichten, wäre ein unerläßliches Element<br />
menschlichen Suchens und Erkenntnisstrebens<br />
ausgeschaltet, und gera<strong>de</strong> <strong>die</strong>ses Suchen und<br />
Streben ist ja ein grundlegen<strong>de</strong>r Teil <strong>de</strong>ssen,<br />
was <strong>de</strong>n Menschen letzten En<strong>de</strong>s ausmacht.
Teilchenbeschleuniger<br />
als Quelle für<br />
Synchrotronstrahlung<br />
Die Synchrotronstrahlung ist eine außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
intensive elektromagnetische Strahlung. Sie<br />
entsteht, wenn gela<strong>de</strong>ne Teilchen von sehr hoher<br />
Geschwindigkeit durch ein äußeres magnetisches<br />
Feld abgelenkt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>n heute<br />
erreichbaren Elektronenenergien wird in <strong>de</strong>n<br />
Speicherringen ein sehr intensives, kontinuierliches,<br />
elektromagnetisches Spektrum abgestrahlt,<br />
welches sich vom Infraroten über <strong>de</strong>n<br />
sichtbaren Bereich bis zur harten Röntgenstrahlung<br />
erstreckt. Aufgrund ihrer einzigartigen<br />
Eigenschaften fin<strong>de</strong>t <strong>die</strong> Synchrotronstrahlung<br />
in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Bereichen konkrete<br />
Anwendung, von <strong>de</strong>r Physik über <strong>die</strong> Chemie,<br />
<strong>die</strong> Materialwissenschaften, <strong>die</strong> Geophysik und<br />
<strong>die</strong> Molekularbiologie bis hin zur medizinischen<br />
Diagnostik.<br />
Anfangs wur<strong>de</strong> <strong>die</strong> Synchrotronstrahlung nur<br />
als ein stören<strong>de</strong>s Neben<strong>pr</strong>odukt angesehen, da<br />
<strong>die</strong> abgestrahlte Leistung <strong>die</strong> erreichbare Elektronenenergie<br />
<strong>de</strong>r Synchrotron-Beschleuniger<br />
begrenzte. Heutzutage wer<strong>de</strong>n dagegen weltweit<br />
Beschleuniger ausschließlich zur Erzeugung<br />
von Synchrotronstrahlung gebaut, um <strong>die</strong><br />
steigen<strong>de</strong> Nachfrage nach <strong>die</strong>ser außergewöhnlichen<br />
Strahlung zu befriedigen. Solche<br />
Beschleuniger enthalten zur Erzeugung beson<strong>de</strong>rs<br />
intensiver Synchrotronstrahlung eines best<strong>im</strong>mten<br />
Wellenlängenbereiches spezielle<br />
Magnetstrukturen, <strong>die</strong> aus periodischen Folgen<br />
von kurzen Ablenkmagneten bestehen. Diese<br />
Strukturen nennt man Wiggler und Undulatoren.<br />
stark gebün<strong>de</strong>lt<br />
polarisiert<br />
kleine Quellgröße<br />
saubere Quelle <strong>im</strong> UHV<br />
exakt berechenbar I = f (λ, ψ, E, ρ)<br />
großer Wellenlängenbereich<br />
Die Möglichkeit, best<strong>im</strong>mte Wellenlängenbereiche<br />
auszuwählen, nutzt zum Beispiel <strong>die</strong><br />
nichtinvasive Koronar-Angiographie. Als beson<strong>de</strong>rs<br />
schonen<strong>de</strong>s Röntgenverfahren wur<strong>de</strong> sie<br />
be<strong>im</strong> DESY in Zusammenarbeit mit Ärzten <strong>de</strong>s<br />
Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf<br />
entwickelt. Die Abbildung <strong>de</strong>r Herzkranzgefäße<br />
mit Synchrotronstrahlung beruht bei<br />
<strong>die</strong>ser Diagnose-Metho<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m beson<strong>de</strong>ren<br />
Absorptionsverhalten <strong>de</strong>s Kontrastmittels<br />
Jod für Röntgenstrahlung. Dadurch lassen sich<br />
Verengungen <strong>de</strong>r Herzkranzgefäße, <strong>die</strong> für <strong>die</strong><br />
Blut-Versorgung <strong>de</strong>s Herzens zuständig sind,<br />
in frühem Stadium ohne Verwendung eines<br />
Herzkatheters diagnostizieren. Drohen<strong>de</strong> Herzinfarkte<br />
könnten so in Zukunft frühzeitig erkannt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
I<br />
Zeitstruktur<br />
λ<br />
I<br />
Wiggler + Undulatoren<br />
Die Elektronen o<strong>de</strong>r Positronen<br />
kreisen in „Paketen“<br />
auf geschlossenen<br />
Bahnen. Demzufolge tritt<br />
<strong>die</strong> Strahlung in Form von<br />
Blitzen auf; sie besitzt also<br />
eine Zeitstruktur und eignet<br />
sich damit hervorragend<br />
für Momentaufnahmen.<br />
Außer<strong>de</strong>m ist <strong>die</strong><br />
Synchrotronstrahlung<br />
sehr intensiv, laserartig<br />
scharf gebün<strong>de</strong>lt und polarisiert.<br />
t<br />
17
18<br />
DESY-Zeuthen<br />
Im Bun<strong>de</strong>sland Bran<strong>de</strong>nburg, südöstlich von<br />
Berlin, liegt DESY-Zeuthen. Das ehemalige „Institut<br />
für Hochenergiephysik“ <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r<br />
Wissenschaften <strong>de</strong>r DDR wur<strong>de</strong> auf Empfehlung<br />
<strong>de</strong>s Wissenschaftsrates in seinem Bestand<br />
<strong>im</strong> wesentlichen erhalten und ab Januar 1992<br />
als Teilinstitut in <strong>die</strong> Großforschungseinrichtung<br />
(jetzt Helmholtz-Zentrum) DESY eingeglie<strong>de</strong>rt.<br />
DESY-Zeuthen beschäftigt sich mit exper<strong>im</strong>enteller<br />
und theoretischer Elementarteilchenphysik.<br />
Dabei steht es in enger Zusammenarbeit<br />
vor allem mit <strong>de</strong>m Deutschen Elektronen-<br />
Synchrotron DESY in Hamburg, aber auch mit<br />
<strong>de</strong>r Humboldt-Universität zu Berlin, <strong>de</strong>m Europäischen<br />
Zentrum CERN in Genf sowie zahlreichen<br />
Universitäten und Instituten <strong>im</strong> In- und<br />
Ausland, darunter - aufbauend auf alten Verbindungen<br />
- mit russischen Instituten.<br />
Das Teilinstitut in Zeuthen ist in <strong>die</strong> Bereiche<br />
Forschung, Zentrale Dienste und Verwaltung<br />
unterteilt. Diese sind Teile <strong>de</strong>r ents<strong>pr</strong>echen<strong>de</strong>n<br />
Bereiche von DESY-Hamburg. Zu <strong>de</strong>n zentralen<br />
Diensten gehört <strong>die</strong> Konstruktionsabteilung<br />
und <strong>die</strong> Elektronik-Entwicklung, das Rechenzentrum<br />
sowie <strong>die</strong> Gruppe „Technische Infrastruktur“.<br />
Die Planung und Durchführung <strong>de</strong>r einzelnen<br />
exper<strong>im</strong>entellen Vorhaben <strong>im</strong> Forschungsbereich<br />
geschieht in Projektgruppen.<br />
Blick auf DESY-Zeuthen,<br />
gelegen am Zeuthener<br />
See südöstlich von Berlin.<br />
Für Wissenschaftler und<br />
Stu<strong>de</strong>nten, vor allem aus<br />
Berlin und Bran<strong>de</strong>nburg,<br />
bietet das Institut attraktive<br />
Möglichkeiten zur<br />
Forschung und Ausbildung.<br />
DESY<br />
Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY ist<br />
ein mit öffentlichen Mitteln finanziertes nationales<br />
Forschungszentrum mit Sitz in Hamburg<br />
und <strong>de</strong>m Teilinstitut DESY-Zeuthen in Bran<strong>de</strong>nburg.<br />
Der Auftrag von DESY ist <strong>die</strong> naturwissenschaftliche<br />
Grundlagenforschung mit <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Schwerpunkten:<br />
• Untersuchung <strong>de</strong>r fundamentalen<br />
Eigenschaften <strong>de</strong>r Materie in <strong>de</strong>r<br />
Elementarteilchenphysik<br />
• Interdisziplinäre Nutzung <strong>de</strong>r Synchrotronstrahlung<br />
in Oberflächenphysik,<br />
Materialwissenschaften, Chemie, Molekularbiologie,<br />
Geophysik und Medizin.<br />
DESY betreibt dazu <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Teilchenbeschleuniger<br />
HERA und DORIS, an <strong>de</strong>nen über<br />
3000 Wissenschaftler aus etwa 280 Instituten<br />
in 35 Län<strong>de</strong>rn arbeiten. Mit <strong>de</strong>r sich so ergeben<strong>de</strong>n<br />
natürlichen Symbiose von Grundlagenforschung<br />
und angewandter Forschung bis hin<br />
zu gemeinsamen Arbeiten mit <strong>de</strong>r Industrie<br />
zeichnet sich DESY durch ein breites interdisziplinäres<br />
Forschungsspektrum aus.<br />
DESY ist Mitglied <strong>de</strong>r Hermann von Helmholtz-<br />
Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren<br />
(HGF).<br />
Infrastruktur<br />
Mit <strong>de</strong>r Integration <strong>de</strong>s Zeuthener Instituts in<br />
das DESY begannen umfangreiche Baumaßnahmen<br />
zur Bewahrung <strong>de</strong>r erhaltenswerten<br />
Bausubstanz und zur Schaffung einer für <strong>de</strong>n<br />
zeitgemäßen Forschungsbetrieb erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Infrastruktur. Ein Großteil <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong><br />
wur<strong>de</strong> saniert und erweitert, so <strong>die</strong> Montagehalle,<br />
das Gästewohnhaus, <strong>die</strong> Kantinenküche,<br />
<strong>die</strong> mechanische Werkstatt sowie <strong>de</strong>r<br />
Seminarraum- und Hörsaalkomplex. An<strong>de</strong>re Teile<br />
<strong>de</strong>s Instituts wie <strong>die</strong> Ausbildungswerkstätten,<br />
<strong>die</strong> Elektronikwerkstatt, diverse Labors und <strong>die</strong><br />
Cafeteria wur<strong>de</strong>n komplett neu eingerichtet.
Historie<br />
In <strong>de</strong>r DDR war <strong>die</strong> exper<strong>im</strong>entelle Elementarteilchenphysik<br />
- <strong>im</strong> Gegensatz zur Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
und an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn, wo sie <strong>pr</strong><strong>im</strong>är<br />
ein Forschungsgebiet <strong>de</strong>r Universitäten ist - <strong>im</strong><br />
„Institut für Hochenergiephysik“ <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie<br />
<strong>de</strong>r Wissenschaften <strong>de</strong>r DDR in Zeuthen konzentriert,<br />
einem Institut mit damals etwa 220<br />
Mitarbeitern. Es war 1962 nach <strong>de</strong>r Ausglie<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Kernphysik aus <strong>de</strong>m 1950 errichteten<br />
„Institut Miersdorf für Atom- und Kernphysik<br />
<strong>de</strong>r Deutschen Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Wissenschaften<br />
zu Berlin“ hervorgegangen. sich an <strong>de</strong>n Projekten <strong>de</strong>s Vereinigten Instituts<br />
für Kernforschung in Dubna in <strong>de</strong>r Nähe von<br />
Moskau; dazu gehörten vor allem Exper<strong>im</strong>ente<br />
am Beschleuniger <strong>de</strong>s Instituts für Hochenergiephysik<br />
in Protvino. Darüber hinaus beteiligte<br />
sich das Institut an Forschungsversuchen<br />
am CERN in Genf. In <strong>de</strong>n ersten Jahren arbeitete<br />
es auch am Exper<strong>im</strong>entier<strong>pr</strong>ogramm <strong>de</strong>s<br />
damals be<strong>im</strong> DESY gera<strong>de</strong> fertiggestellten<br />
Elektronen-Synchrotrons mit.<br />
Das Institut war auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>n<br />
Gebäu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r früheren Forschungsanstalt <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Reichspost eingerichtet wor<strong>de</strong>n. Hier<br />
hatte <strong>im</strong> Zweiten <strong>Welt</strong>krieg Reichspostminister<br />
Ohnesorge auf eigene Faust und abseits <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren atomtechnisch-physikalischen Bemühungen<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Reichs mit <strong>de</strong>m Bau<br />
eines großen Zyklotrons und einer Pilotanlage<br />
zur Isotopentrennung begonnen.<br />
In <strong>de</strong>r DDR wur<strong>de</strong> kein eigener Hochenergiebeschleuniger<br />
gebaut, so daß man für <strong>die</strong><br />
Exper<strong>im</strong>ente auf auswärtige Einrichtungen angewiesen<br />
war. In enger Zusammenarbeit mit<br />
sowjetischen Forschergruppen beteiligte man<br />
Von 1969 an konzentrierte sich das Zeuthener<br />
Aka<strong>de</strong>mieinstitut stärker auf <strong>die</strong> Exper<strong>im</strong>ente<br />
in Rußland. Als in <strong>de</strong>n 80er Jahren <strong>die</strong> Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Teilchenbeschleuniger und Detektoren<br />
in Rußland ins Stocken geriet, intensivierte<br />
das Institut seine Beteiligung an Exper<strong>im</strong>enten<br />
am CERN. Ab 1985 wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Institut wie<strong>de</strong>r<br />
<strong>die</strong> Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>m DESY in Hamburg<br />
erlaubt. Eine Zeuthener Gruppe konnte<br />
nun am Bau <strong>de</strong>s HERA-Detektors H1 teilnehmen.<br />
Gleichzeitig begann <strong>die</strong> gemeinsame<br />
Arbeit mit russischen Forschergruppen an <strong>de</strong>r<br />
Entwicklung und an <strong>de</strong>m Bau eines Neutrino-<br />
Teleskops <strong>im</strong> Baikalsee.<br />
Als <strong>de</strong>r Wissenschaftsrat nach <strong>de</strong>r Vereinigung<br />
Deutschlands <strong>im</strong> Auftrag <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
<strong>die</strong> Institute <strong>de</strong>r DDR begutachtete, gelangte<br />
er für das Zeuthener Institut rasch zu einer<br />
positiven Empfehlung. Wegen <strong>de</strong>r bereits bestehen<strong>de</strong>n<br />
Zusammenarbeit naheliegend, wur<strong>de</strong><br />
1992 das Institut in das Deutsche Elektronen-<br />
Synchrotron DESY (Sitz Hamburg) integriert.<br />
Unterzeichnung <strong>de</strong>s<br />
Staatsvertrages (1991)<br />
zur Integration <strong>de</strong>s Instituts<br />
für Hochenergiephysik<br />
in das Deutsche<br />
Elektronen-Synchrotron<br />
DESY durch <strong>de</strong>n Senator<br />
für Wissenschaft und Forschung<br />
<strong>de</strong>r Freien und<br />
Hansestadt Hamburg,<br />
Prof. Dr. Leonhard Hajen,<br />
<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sminister für<br />
Forschung und Technologie,<br />
Dr. Heinz Riesenhuber,<br />
und <strong>de</strong>n Minister<br />
für Wissenschaft, Forschung<br />
und Kultur <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s Bran<strong>de</strong>nburg,<br />
Hinrich En<strong>de</strong>rlein. Daneben<br />
Prof. Paul Söding, Institutsleiter<br />
in Zeuthen.<br />
Das Bild links zeigt <strong>die</strong><br />
Max-Planck-Bronzeplastik<br />
von Bernhard Heiliger<br />
vor <strong>de</strong>m Laborgebäu<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s DESY-Zeuthen.<br />
19
20<br />
Forschung in internationaler<br />
Zusammenarbeit<br />
Das langfristig angelegte Forschungs<strong>pr</strong>ogramm<br />
in Zeuthen, vor allem <strong>die</strong> Beteiligung an Exper<strong>im</strong>enten<br />
am DESY und CERN, wird kontinuierlich<br />
fortgeführt und konnte in <strong>de</strong>n letzten Jahren<br />
dank <strong>de</strong>r verbesserten Infrastruktur beträchtlich<br />
erweitert wer<strong>de</strong>n. DESY-Zeuthen ist an<br />
allen vier HERA-Exper<strong>im</strong>enten be<strong>im</strong> DESY in<br />
Hamburg sowie am L3-Exper<strong>im</strong>ent <strong>de</strong>s Elektron-<br />
Positron-Speicherrings LEP am CERN beteiligt.<br />
Die Beiträge erstrecken sich sowohl auf <strong>de</strong>n<br />
Entwurf, Test und Bau einzelner Komponenten<br />
<strong>de</strong>r Exper<strong>im</strong>ente und Detektoren als auch auf<br />
<strong>die</strong> Analyse <strong>de</strong>r Meßdaten und ihre physikalische<br />
und phänomenologische Inter<strong>pr</strong>etation.<br />
Ein mit russischen Instituten begonnenes Forschungs<strong>pr</strong>ojekt<br />
zur Entwicklung eines Neutrino-<br />
Teleskops, mit <strong>de</strong>m kosmische Quellen von<br />
Neutrinos aufgespürt wer<strong>de</strong>n sollen, wird in<br />
einem amerikanisch-<strong>de</strong>utsch-schwedischen<br />
Projekt am Südpol, AMANDA-Projekt genannt,<br />
fortgesetzt. AMANDA soll uns Vorgänge und<br />
Ein großer Teil <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Arbeit spielt<br />
sich am Rechner ab<br />
Zeuthener Forschungsgruppe<br />
be<strong>im</strong> Einbau eines<br />
Detektors in <strong>de</strong>n HERA-<br />
Beschleuniger<br />
Lehrlinge an einer numerisch<br />
gesteuerten Fräsmaschine<br />
in Zeuthen<br />
Auf <strong>de</strong>r Suche nach Neutrinos<br />
am Baikalsee<br />
Objekte <strong>im</strong> fernen <strong>Welt</strong>all erschließen, von <strong>de</strong>nen<br />
wir kein sichtbares Licht empfangen, und<br />
so ein neues Fenster in <strong>de</strong>n Kosmos öffnen.<br />
Ein neuer Schwerpunkt für DESY-Zeuthen wird<br />
<strong>die</strong> rechnergestützte theoretische Elementarteilchen-Forschung.<br />
Hierzu wer<strong>de</strong>n speziell auf <strong>die</strong><br />
anstehen<strong>de</strong>n Probleme ausgerichtete massivparallele<br />
Rechner genutzt.<br />
Ausbildung in Zeuthen<br />
Ein beson<strong>de</strong>res Anliegen von DESY-Zeuthen ist<br />
<strong>die</strong> enge Zusammenarbeit mit Hochschulen,<br />
unter an<strong>de</strong>rem mit <strong>de</strong>r benachbarten Fachhochschule<br />
Wildau, <strong>de</strong>n 3 Berliner Universitäten<br />
und <strong>de</strong>r Universität Leipzig. Außer<strong>de</strong>m bietet<br />
DESY-Zeuthen Ausbildungsplätze für Industriemechaniker<br />
und -elektroniker an; dazu wur<strong>de</strong>n<br />
eigene Lehrwerkstätten eingerichtet. Für<br />
Physiklehrer wer<strong>de</strong>n Weiterbildungskurse angeboten,<br />
um sie mit <strong>de</strong>m neuesten Stand <strong>de</strong>r<br />
Forschung vertraut zu machen.
Das Luftbild von DESY-Hamburg mit <strong>de</strong>m eingezeichneten HERA-Ringverlauf vermittelt einen Eindruck<br />
von <strong>de</strong>n gewaltigen Ausmaßen <strong>de</strong>r unterirdischen Beschleuniger-Anlage.<br />
Ein Blick in <strong>de</strong>n HERA-Tunnel unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> (links: HERA-West; rechts <strong>de</strong>r östliche Teil)
22<br />
HERA - Das „Super-Mikroskop“<br />
Mit HERA in <strong>de</strong>n<br />
Sub-Mikrokosmos<br />
Mit <strong>de</strong>m Teilchenbeschleuniger HERA (Hadron-<br />
Elektron-Ring-Anlage) bei DESY in Hamburg,<br />
einer <strong>de</strong>r größten und kompliziertesten Maschine,<br />
<strong>die</strong> Menschen je gebaut haben, wollen <strong>die</strong><br />
Forscher noch weiter in das Innere <strong>de</strong>r subatomaren<br />
<strong>Welt</strong> vordringen. Grundlegen<strong>de</strong> Fragen<br />
<strong>de</strong>r Elementarteilchenphysik bedürfen <strong>de</strong>r<br />
Klärung: Wie sind Protonen wirklich aufgebaut?<br />
Enthalten <strong>die</strong> Quarks noch kleinere Teilchen?<br />
Gibt es Phänomene, <strong>die</strong> nicht ins Standardmo<strong>de</strong>ll<br />
<strong>de</strong>r Teilchenphysik passen? Erste Ergebnisse<br />
zeigen, daß sich <strong>im</strong> Proton sehr viel mehr<br />
Teilchen tummeln als bisher vermutet; hier wer<strong>de</strong>n<br />
wir wahrscheinlich noch einige Überraschungen<br />
erleben.<br />
Das Gehe<strong>im</strong>nis <strong>de</strong>s Protons<br />
Seit einigen Jahren ist bekannt, daß <strong>die</strong> Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>s Protons vor allem durch drei<br />
Quarks, sie wer<strong>de</strong>n als Valenzquarks bezeichnet,<br />
in seinem Inneren best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Träger <strong>de</strong>r starken Kraft, <strong>die</strong> Gluonen, halten<br />
sie zusammen. Die Gluonen sind dabei so zahlreich,<br />
daß sie gleichsam einen See darstellen,<br />
in <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Valenzquarks schw<strong>im</strong>men. Aufgrund<br />
<strong>de</strong>r quantenmechanischen Unschärfe-Relation<br />
können sich <strong>die</strong> Gluonen für extrem kurze Zeit<br />
in Quark-Antiquark-Paare verwan<strong>de</strong>ln. Das be<strong>de</strong>utet,<br />
daß bei <strong>de</strong>n Elektron-Proton-Kollisionen,<br />
wie sie mit HERA erzeugt wer<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> auf<strong>pr</strong>allen<strong>de</strong>n<br />
Elektronen nicht nur <strong>die</strong> Valenzquarks<br />
abtasten, son<strong>de</strong>rn ebenso <strong>de</strong>n See von Materie<br />
und Ant<strong>im</strong>aterie <strong>im</strong> Innern <strong>de</strong>s Protons - und<br />
damit, wenn auch eher indirekt, <strong>die</strong> Gluonen.<br />
Momentaufnahme vom<br />
Innenleben <strong>de</strong>s Protons<br />
(stark schematisiert):<br />
Im Proton gibt es drei<br />
„Valenzquarks“, <strong>die</strong> durch<br />
<strong>de</strong>n Austausch von<br />
Gluonen aneinan<strong>de</strong>r gebun<strong>de</strong>n<br />
sind. Die Quantentheorie<br />
erlaubt <strong>de</strong>n<br />
Gluonen, sich für kurze<br />
Zeit in Quark-Antiquark-<br />
Paare zu verwan<strong>de</strong>ln. Das<br />
Proton enthält somit<br />
Valenzquarks, Gluonen<br />
und zusätzlich sehr viele,<br />
kurzlebige Quark-Antiquark-Paare.<br />
Gluonen<br />
Quark-Antiquark-Paar<br />
Valenzquark<br />
Das Auge HERA<br />
Proton<br />
HERA stößt in ein neues Territorium <strong>de</strong>r Physik<br />
vor. Zum ersten Mal wer<strong>de</strong>n Elektronen und<br />
Protonen in zwei verschie<strong>de</strong>nen Ringen gespeichert<br />
und zur Kollision gebracht. Auf <strong>die</strong>se<br />
Weise läßt sich eine Schwerpunktsenergie von<br />
300 GeV erreichen - über 10mal mehr als bisher.<br />
Mit HERA erkennt man Strukturen von weniger<br />
als 10 -16 cm - das ist ein Tausendstel <strong>de</strong>s<br />
Protonendurchmessers. Außer<strong>de</strong>m wird ein<br />
neuer Bereich <strong>de</strong>r „kleinen x-Werte“ erschlossen;<br />
x gibt <strong>de</strong>n Impulsanteil eines getroffenen<br />
Quarks o<strong>de</strong>r Gluons am Gesamt<strong>im</strong>puls <strong>de</strong>s<br />
Protons an. Gegenüber früheren Exper<strong>im</strong>enten<br />
kann HERA <strong>de</strong>n erforschbaren Bereich von x<br />
um <strong>de</strong>n Faktor 1000 auf 10 -5 verkleinern.<br />
Damit ist es möglich, <strong>die</strong> Quantenchromodynamik<br />
(QCD) in ganz neuen kinematischen<br />
Bereichen zu testen. Die QCD ist <strong>die</strong> Theorie<br />
<strong>de</strong>r starken Wechselwirkung und beschreibt das<br />
Zusammenspiel <strong>de</strong>r Quarks und Gluonen, <strong>die</strong><br />
Kräfte zwischen ihnen und auch <strong>die</strong> Kräfte innerhalb<br />
<strong>de</strong>s Atomkerns. Die QCD ist aber bei<br />
weitem noch nicht so gut erforscht wie etwa<br />
<strong>die</strong> elektromagnetische Theorie. Die Messungen<br />
an HERA über<strong>pr</strong>üfen einen neuen Aspekt<br />
<strong>de</strong>r QCD und sind <strong>de</strong>shalb von größtem Interesse<br />
für <strong>die</strong> Physik.
Das Forschungs<strong>pr</strong>ogramm am Teilchenbeschleuniger<br />
HERA hat verschie<strong>de</strong>ne, sich ergänzen<strong>de</strong><br />
Schwerpunkte:<br />
• Die Untersuchung <strong>de</strong>r inneren Struktur <strong>de</strong>s<br />
Protons.<br />
• Die Erweiterung unseres Verständnisses <strong>de</strong>r<br />
fundamentalen Kräfte und damit <strong>de</strong>r Wechselwirkung<br />
zwischen <strong>de</strong>n Bausteinen <strong>de</strong>r Materie.<br />
• Die Aufklärung <strong>de</strong>s Mechanismus für <strong>die</strong> Verletzung<br />
<strong>de</strong>r Raum-Zeit- und Teilchen-Antiteilchen-Spiegelungssymmetrien<br />
<strong>de</strong>r Naturkräfte<br />
(„CP-Verletzung“).<br />
• Die Suche nach noch unbekannten Teilchen<br />
und /o<strong>de</strong>r neuen fundamentalen Kräften.<br />
Jet<br />
Elektron<br />
Blick in <strong>de</strong>n HERA-Tunnel.<br />
Deutlich zu erkennen sind<br />
<strong>die</strong> hellen su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>n<br />
Ablenkmagnete <strong>de</strong>s Protonenbeschleunigers.<br />
Links daneben liegt <strong>die</strong><br />
Heliumtransferleitung,<br />
welche <strong>die</strong> su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>n<br />
Komponenten von<br />
HERA mit -268,7 o C kaltem<br />
Helium versorgt. Unterhalb<br />
<strong>de</strong>s Protonenbeschleunigers<br />
steht <strong>de</strong>r<br />
Elektronenbeschleuniger.<br />
Seine rötlichen AblenkundFokussierungsmagnete<br />
sind normalleitend.<br />
Ein „Ereignisbild“ eines<br />
Elektron-Proton-Zusammenstoßes<br />
bei HERA<br />
In einem frontalen Stoß<br />
schlägt das Elektron ein<br />
Quark aus <strong>de</strong>m Proton.<br />
Dabei wird das Elektron<br />
abgelenkt.<br />
Die aus <strong>de</strong>r übertragenen<br />
Energie neu gebil<strong>de</strong>ten<br />
Teilchen fliegen in Richtung<br />
<strong>de</strong>s gestoßenen<br />
Quarks.<br />
H1 und ZEUS -<br />
<strong>die</strong> Kollisionsforscher<br />
An zwei Stellen <strong>im</strong> HERA-Ring kreuzen sich <strong>de</strong>r<br />
Elektronen- und <strong>de</strong>r Protonenstrahl. In <strong>de</strong>n meisten<br />
Fällen passiert dabei so gut wie nichts. Wie<br />
zwei aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<strong>de</strong> Mückenschwärme<br />
durchdringen sich <strong>die</strong> Teilchenpakete. Nur bei<br />
je<strong>de</strong>r zehnmillionsten Begegnung gibt es einen<br />
Volltreffer: Ein Elektron stößt frontal auf ein<br />
Quark (o<strong>de</strong>r Antiquark) <strong>im</strong> Proton.<br />
Zur genaueren Untersuchung <strong>de</strong>r Teilchenkollisionen<br />
haben Forscherteams aus insgesamt<br />
19 Län<strong>de</strong>rn zwei Exper<strong>im</strong>entieranlagen für<br />
HERA entwickelt und aufgebaut. Diese bei<strong>de</strong>n<br />
häusergroßen Detektoren H1 und ZEUS messen<br />
nahezu alles, was man über <strong>die</strong> auseinan<strong>de</strong>rfliegen<strong>de</strong>n<br />
Reaktions<strong>pr</strong>odukte <strong>de</strong>r Kollisionen<br />
erfahren kann: Wohin ist das Elektron mit<br />
welcher Energie gestreut wor<strong>de</strong>n? Welche Energie<br />
haben <strong>die</strong> Teilchen, <strong>die</strong> aus <strong>de</strong>n getroffenen<br />
Quarks entstan<strong>de</strong>n sind? In welche Richtung<br />
bewegt sich <strong>de</strong>r Strahl von neuen Teilchen?<br />
23
24<br />
High-Tech aus Zeuthen<br />
Die Exper<strong>im</strong>ente an <strong>de</strong>m HERA-Ringbeschleuniger<br />
in Hamburg spielen <strong>im</strong> Forschungs<strong>pr</strong>ogramm<br />
von DESY-Zeuthen eine zentrale Rolle.<br />
Arbeitsgruppen aus Zeuthen sind an <strong>de</strong>n vier<br />
gegenwärtig in Hamburg laufen<strong>de</strong>n Exper<strong>im</strong>entier<strong>pr</strong>ogrammen<br />
beteiligt. Die aufgezeichneten<br />
Meßdaten wer<strong>de</strong>n aufbereitet, analysiert,<br />
statistisch ausgewertet und mit Unterstützung <strong>de</strong>r<br />
theoretischen Physiker auf ihre physikalischen<br />
Aussagen hin untersucht und inter<strong>pr</strong>etiert.<br />
Seit Beginn <strong>de</strong>s Forschungs<strong>pr</strong>ogramms mit <strong>de</strong>n<br />
Exper<strong>im</strong>enten H1 und ZEUS <strong>im</strong> Sommer 1992<br />
wur<strong>de</strong> <strong>die</strong> Leistung <strong>de</strong>r Detektoren und <strong>de</strong>r<br />
Speicherringe von HERA stetig verbessert. Um<br />
<strong>die</strong> Effizienz und <strong>die</strong> Meßgenauigkeit zu erhöhen,<br />
aber auch um weitere, <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>r Forschungsarbeiten<br />
neu aufgeworfene Fragestellungen<br />
zu untersuchen, wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong>mer wie<strong>de</strong>r<br />
Ergänzungen und Verbesserungen <strong>de</strong>r Detektoren<br />
notwendig.<br />
So entschloß man sich <strong>im</strong> Fall <strong>de</strong>s H1- Detektors<br />
zum Bau eines beson<strong>de</strong>ren Spektrometers<br />
für Teilchen in Vorwärtsrichtung, das heißt in<br />
Richtung <strong>de</strong>s Protonenstrahls. Dieses Vorwärts-<br />
Spektrometer erlaubt <strong>die</strong> genaue Untersuchung<br />
<strong>de</strong>r „Trümmer“ eines Protons, <strong>die</strong> übrigbleiben,<br />
nach<strong>de</strong>m durch das auftreffen<strong>de</strong> Elektron ein<br />
Quark aus <strong>de</strong>m Proton herausgestoßen wor<strong>de</strong>n<br />
ist.<br />
Gewaltige Ausmaße<br />
n<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>r ZEUS-Detektor<br />
von HERA an (rechts)<br />
Szintillations-Faser-Detektor<br />
für das Vorwärts-<br />
Spektrometer <strong>de</strong>s H1-Detektors<br />
Zylindrische Driftkammer<br />
eines Detektors<br />
Für <strong>de</strong>n Bau eines solchen Spektrometers war<br />
das Zeuthener Institut aufgrund seines seit 1988<br />
bestehen<strong>de</strong>n Forschungs<strong>pr</strong>ogramms zur Entwicklung<br />
von räumlich und zeitlich hochauflösen<strong>de</strong>n<br />
Detektoren aus szintillieren<strong>de</strong>n Fasern<br />
beson<strong>de</strong>rs <strong>pr</strong>ä<strong>de</strong>stiniert. Bei <strong>die</strong>ser Detektor-<br />
Technologie wer<strong>de</strong>n in lichtleiten<strong>de</strong> Kunststofffasern<br />
Substanzen eingebracht, <strong>die</strong> in extrem<br />
kurzer Zeit nach <strong>de</strong>m Durchgang eines Teilchens<br />
Licht aussen<strong>de</strong>n. Hochempfindliche Nachweisgeräte,<br />
Elektronenvervielfacher o<strong>de</strong>r Photosensoren<br />
genannt, fangen <strong>die</strong> schwachen Lichtblitze<br />
auf und wan<strong>de</strong>ln sie in elektrische Signale um.<br />
Auf <strong>die</strong>se Weise wird <strong>de</strong>r Ort und <strong>die</strong> Zeit eines<br />
Teilchendurchgangs mit großer Genauigkeit<br />
best<strong>im</strong>mt. Die Eigenschaften szintillieren<strong>de</strong>r Fasern<br />
sind auch für an<strong>de</strong>re Forschungsbereiche<br />
interessant. So halfen <strong>die</strong> bisher erzielten Erkenntnisse<br />
aus <strong>de</strong>r Teilchenphysik schon bei<br />
Entwicklungen und ersten Anwendungen in <strong>de</strong>r<br />
Therapie von Tumoren <strong>de</strong>s Auges.
Halbleitertechnologie<br />
Zur weiteren Verbesserung <strong>de</strong>r Meßgenauigkeit<br />
und Erschließung neuer Beobachtungsmöglichkeiten<br />
wur<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Detektor H1 zusätzlich<br />
ein Silizium-Spur<strong>de</strong>tektor in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>r Industrie entwickelt und gebaut. Silizium<br />
(Si) ist das Halbleitermaterial, aus <strong>de</strong>m Transistoren<br />
und integrierte Schaltungen hergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Für <strong>die</strong> Herstellung <strong>de</strong>r Si-Strukturen<br />
<strong>de</strong>s Detektors, in <strong>de</strong>nen be<strong>im</strong> Durchgang eines<br />
Teilchens ein elektrisches Signal entsteht, wird<br />
<strong>die</strong> gleiche Technologie verwen<strong>de</strong>t wie für <strong>die</strong><br />
Fertigung von integrierten Schaltungen. Auf<br />
<strong>die</strong>se Weise lassen sich äußerst feine, beispielsweise<br />
streifenförmige Strukturen auf Si-Scheiben<br />
herstellen, mit <strong>de</strong>nen <strong>die</strong> Bahnen hindurchfliegen<strong>de</strong>r<br />
Teilchen sehr exakt - etwa 0,01mm genau,<br />
das ist ein Fünftel eines Haardurchmessers<br />
- best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Ein Blick in das Innere <strong>de</strong>s<br />
Kalor<strong>im</strong>etergehäuses von<br />
H1(oben)<br />
Der Blick in das Innere<br />
<strong>de</strong>s ZEUS-Detektors zeigt<br />
einen Ausschnitt <strong>de</strong>r gesamten<br />
Apparatur, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Größe eines Zweifamilienhauses<br />
hat. Im Zentrum<br />
<strong>de</strong>s Zylin<strong>de</strong>rs <strong>pr</strong>allen<br />
Elektronen mit sehr hoher<br />
Energie auf Protonen.<br />
Dabei entstehen neue<br />
Teilchen, <strong>die</strong> <strong>im</strong> Innern<br />
<strong>de</strong>s Zylin<strong>de</strong>rs mit empfindlichen<br />
Son<strong>de</strong>n sichtbar<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
(rechtes Bild)<br />
Der H1-Detektor während<br />
<strong>de</strong>s Zusammenbaus<br />
(linkes Bild)<br />
Außer <strong>de</strong>n Arbeiten zur Detektorentwicklung<br />
befassen sich <strong>die</strong> Wissenschaftler in Zeuthen<br />
intensiv mit <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Messungen<br />
an HERA aufgezeichneten Daten. Das Ziel ist,<br />
<strong>de</strong>n Aufbau <strong>de</strong>r Nukleonen aus <strong>de</strong>n Quarks<br />
und Gluonen <strong>im</strong> einzelnen „auszuleuchten“ und<br />
herauszufin<strong>de</strong>n, ob er sich <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>r<br />
QCD-Theorie verstehen läßt. Möglicherweise<br />
stößt man dabei auf etwas ganz Unerwartetes.<br />
Erste Ergebnisse <strong>de</strong>r<br />
HERA-Exper<strong>im</strong>ente H1 und ZEUS<br />
Das Proton hat eine sehr komplexe innere Struktur:<br />
Die drei Valenzquarks sind von einer großen<br />
Zahl nie<strong>de</strong>renergetischer Gluonen und<br />
ständig entstehen<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r vergehen<strong>de</strong>r<br />
Quark-Antiquark-Paare umgeben.<br />
Außer<strong>de</strong>m ent<strong>de</strong>ckte man das „Doppel-<br />
Gesicht“ <strong>de</strong>r Photonen. Zum einen besitzen sie<br />
<strong>die</strong> Eigenschaften von Lichtquanten, zum<br />
an<strong>de</strong>ren können sie sich mit einer gewissen<br />
Wahrscheinlichkeit auch wie eine Wolke von<br />
Quarks und Gluonen verhalten.<br />
Schließlich wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r schon lange ausstehen<strong>de</strong><br />
direkte Nachweis erbracht, daß <strong>die</strong> bisher<br />
stets als punktförmig erscheinen<strong>de</strong> schwache<br />
Wechselwirkung, eine <strong>de</strong>r vier fundamentalen<br />
Naturkräfte, tatsächlich eine endliche Reichweite<br />
hat und sich damit in <strong>de</strong>n Rahmen <strong>de</strong>r<br />
übrigen Naturkräfte einfügt.<br />
25
26<br />
HERMES<br />
und das Spinrätsel <strong>de</strong>s Protons<br />
Für das Verhalten <strong>de</strong>r Elementarteilchen ist ihr<br />
Eigendreh<strong>im</strong>puls, <strong>de</strong>n man auch Spin nennt,<br />
von grundlegen<strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung. Alle Bausteine<br />
<strong>de</strong>r Materie sind damit ausgestattet. Mit <strong>de</strong>r<br />
Kernspinresonanz-Tomographie fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Spin<br />
<strong>de</strong>s Protons bereits eine <strong>pr</strong>aktische Anwendung<br />
in <strong>de</strong>r medizinischen Diagnostik. Aber wie er<br />
zustan<strong>de</strong> kommt, ist ungeklärt.<br />
Bis vor einigen Jahren glaubte man verstan<strong>de</strong>n<br />
zu haben, wie sich <strong>de</strong>r Spin aus <strong>de</strong>n Dreh<strong>im</strong>pulsen<br />
<strong>de</strong>r drei Valenzquarks, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Eigenschaften<br />
<strong>de</strong>s Protons und Neutrons <strong>im</strong> wesentlichen<br />
festlegen, zusammensetzt. Doch neuere<br />
Exper<strong>im</strong>ente haben daran Zweifel aufkommen<br />
lassen: Die drei Quarks tragen nur etwa 30 %<br />
<strong>de</strong>s Spins. Woher <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>s Eigendreh<strong>im</strong>pulses<br />
<strong>de</strong>s Protons und Neutrons stammt, ist<br />
plötzlich wie<strong>de</strong>r rätselhaft gewor<strong>de</strong>n.<br />
Das HERMES-Exper<strong>im</strong>ent<br />
Seit 1995 arbeitet an HERA ein neuer Detektor.<br />
Er soll das Rätsel lösen, wie <strong>de</strong>r Spin <strong>de</strong>s Protons<br />
auf <strong>die</strong> einzelnen Konstituenten verteilt ist,<br />
welchen Anteil <strong>die</strong> Gluonen und <strong>die</strong> Quark-<br />
Antiquark-Paare übernehmen. Das Exper<strong>im</strong>ent<br />
beruht auf folgen<strong>de</strong>m Prinzip: Die Wucht eines<br />
Elektron-Quark-Stoßes hängt davon ab, ob ihre<br />
Spins parallel o<strong>de</strong>r antiparallel zueinan<strong>de</strong>r<br />
gerichtet sind. Dieser Unterschied sollte mit<br />
HERA beson<strong>de</strong>rs gut herauszufin<strong>de</strong>n sein, da<br />
<strong>die</strong> Elektronen in HERA durch <strong>die</strong> Abstrahlung<br />
von Synchrotronlicht transversal polarisiert<br />
wer<strong>de</strong>n; bei bis zu 70 % <strong>de</strong>r Elektronen lassen<br />
sich <strong>die</strong> Spins alle in <strong>die</strong>selbe Richtung drehen.<br />
Im HERMES-Detektor trifft <strong>die</strong>ser Strahl dann<br />
auf eine Gaszelle, <strong>die</strong> polarisiertes Helium o<strong>de</strong>r<br />
<strong>Was</strong>serstoff enthält. Die Spins <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
Reaktionspartner sind damit parallel o<strong>de</strong>r antiparallel<br />
zueinan<strong>de</strong>r ausgerichtet. Nun kann<br />
Der Bau von Driftkammern<br />
zur Erkennung <strong>de</strong>r<br />
Teilchenspuren und <strong>de</strong>r<br />
Messung <strong>de</strong>r Teilchen<strong>im</strong>pulse<br />
für das HERMES-<br />
Spektrometer war ein<br />
höchst diffiziles Geschäft.<br />
Im Lichtkegel <strong>de</strong>r Taschenlampe<br />
reflektieren nur <strong>die</strong><br />
dickeren Drähte; <strong>die</strong> feineren<br />
sind mit bloßem<br />
Auge kaum zu sehen.<br />
Je<strong>de</strong> Driftkammer wird<br />
sorgfältig getestet, bevor<br />
sie in <strong>de</strong>n HERMES-Detektor<br />
eingebaut wird.<br />
untersucht wer<strong>de</strong>n, inwieweit <strong>die</strong> Spinrichtung<br />
je<strong>de</strong>s getroffenen Quarks mit <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s<br />
Helium- o<strong>de</strong>r <strong>Was</strong>serstoffkerns übereinst<strong>im</strong>mt.<br />
Dieser Versuch könnte so schließlich das Gehe<strong>im</strong>nis<br />
um <strong>de</strong>n Protonenspin lüften.
Driftkammern aus Zeuthen<br />
Zeuthener Wissenschaftler sind seit Anbeginn<br />
am HERMES-Exper<strong>im</strong>ent dabei. Heute beteiligen<br />
sich 29 Gruppen von Instituten und Universitäten<br />
aus 10 Län<strong>de</strong>rn. Zusammen mit Forschern<br />
<strong>de</strong>r Universität Erlangen-Nürnberg und<br />
<strong>de</strong>s Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Hei<strong>de</strong>lberg<br />
übernahm Zeuthen <strong>de</strong>n Entwurf, Bau,<br />
Test, Einbau und Betrieb <strong>de</strong>r Driftkammern,<br />
einer <strong>de</strong>r größten Teile <strong>de</strong>s HERMES-Detektors.<br />
Mit <strong>die</strong>sen Driftkammern wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> nach <strong>de</strong>r<br />
Kollision mit <strong>de</strong>n ausgerichteten Atomkernen <strong>de</strong>s<br />
Targets abgelenkten HERA-Elektronen aufgespürt;<br />
ihre Ablenkwinkel und Impulse können<br />
best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n. Dazu wird <strong>die</strong> Flugbahn vor<br />
und nach <strong>de</strong>m Passieren eines starken Magnetfelds<br />
exakt vermessen.<br />
Im Prinzip ist <strong>die</strong> Driftkammer ein dünnwandiger<br />
Kasten, ca. 4 m lang, 1 m breit und 20 cm<br />
tief, <strong>de</strong>r ein spezielles Gasgemisch und einige<br />
tausend haarfeine, in verschie<strong>de</strong>nen Richtungen<br />
gespannte Drähte enthält. Die Drähte sind abwechselnd<br />
mit einer Hochspannungsquelle und<br />
mit Verstärkern und Meßelementen verbun<strong>de</strong>n.<br />
Durchquert ein elektrisch gela<strong>de</strong>nes Teilchen<br />
<strong>die</strong>se Kammer, so kolli<strong>die</strong>rt es mit Gasatomen.<br />
Die dabei freigesetzten schwachen elektrischen<br />
Ladungen „driften“ - gelenkt von Hochspannungsfel<strong>de</strong>rn<br />
- zu <strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Meßelektronik<br />
verbun<strong>de</strong>nen Drähten, wobei ihre Ankunftszeit<br />
Vorsichtig wird ein Driftkammermodul<br />
in <strong>de</strong>n<br />
HERMES-Detektor eingesetzt.<br />
Ein Kranz von jeweils 12<br />
doppelten Szintillationszählern,<br />
<strong>die</strong> in Photonenelektronenvervielfacher<br />
mün<strong>de</strong>n. Er gehört zum<br />
Testaufbau eines HERA-<br />
Exper<strong>im</strong>ents.<br />
und ihre Stärke exakt registriert wer<strong>de</strong>n. Alle<br />
Signale zusammen wer<strong>de</strong>n von schnellen Rechnern<br />
ausgewertet. So ist <strong>die</strong> Flugbahn je<strong>de</strong>s Teilchens<br />
auf etwa 0,1 mm genau rekonstruierbar<br />
- und <strong>die</strong>s viele tausendmal in <strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong>.<br />
Damit ist <strong>die</strong> Kammer das wesentliche Instrument<br />
für <strong>die</strong> <strong>pr</strong>äzise Rekonstruktion <strong>de</strong>r Bahn<br />
eines gestreuten Elektrons.<br />
Parallel zur Entwicklung und zu <strong>de</strong>n Tests <strong>de</strong>r<br />
Driftkammern mußten natürlich auch betriebsgerechte<br />
Rechner<strong>pr</strong>ogramme entwickelt wer<strong>de</strong>n,<br />
<strong>die</strong> eine äußerst genaue Auswertung <strong>de</strong>r<br />
Daten erlauben.<br />
Wo stehen wir?<br />
Die bisherigen Messungen <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s<br />
HERMES-Exper<strong>im</strong>ents haben <strong>de</strong>n geringen<br />
Anteil <strong>de</strong>r Quarks am Spin <strong>de</strong>s Protons und<br />
<strong>de</strong>s Neutrons bestätigt. Es gelang jedoch bislang<br />
nicht zu klären, wie <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>s Dreh<strong>im</strong>pulses<br />
entsteht. Haben möglicherweise <strong>die</strong><br />
Gluonen einen sehr großen Beitrag daran?<br />
O<strong>de</strong>r gibt es größere Rotationsbewegungen <strong>im</strong><br />
Innern <strong>de</strong>s Protons und Neutrons? Weitere, sehr<br />
schwierige Messungen sind nötig, um <strong>die</strong>se<br />
Fragen befriedigend zu beantworten.<br />
27
28<br />
HERA-B<br />
Wie symmetrisch ist <strong>die</strong> <strong>Welt</strong>?<br />
Die Tatsache, daß das Universum nahezu ausschließlich<br />
aus Materie besteht und Ant<strong>im</strong>aterie<br />
so gut wie nicht vorkommt, stellt <strong>die</strong> Elementarteilchenphysik<br />
vor eines ihrer größten Probleme.<br />
Denn alle S<strong>im</strong>ulationen <strong>de</strong>s Urknalls<br />
an <strong>de</strong>n Teilchenbeschleunigern führten stets zur<br />
exakt gleichen Anzahl von Teilchen und Antiteilchen.<br />
Diese Symmetrie zwischen Materie und<br />
Ant<strong>im</strong>aterie hängt eng mit <strong>de</strong>r Symmetrie zwischen<br />
rechts und links und <strong>de</strong>r Umkehr <strong>de</strong>r<br />
Zeitrichtung zusammen; <strong>die</strong> Physiker nennen<br />
sie „CP-Symmetrie“.<br />
Erstmals 1964 wur<strong>de</strong> eine ganz kleine Verletzung<br />
<strong>de</strong>r Teilchen-Antiteilchen- o<strong>de</strong>r CP-Symmetrie<br />
(damit <strong>im</strong>plizit auch <strong>de</strong>r T(Zeit)-Symmetrie)<br />
beobachtet; und zwar bei Exper<strong>im</strong>enten<br />
mit K-Mesonen. Weshalb aber nur bei <strong>die</strong>sen,<br />
relativ seltenen und seltsamen Teilchen? Enthalten<br />
sie etwa <strong>de</strong>n Schlüssel zur Entstehung<br />
<strong>de</strong>r Materie? Um <strong>die</strong> CP-Verletzung zu verstehen,<br />
ist es unumgänglich, <strong>die</strong>ses Phänomen<br />
auch in an<strong>de</strong>ren Teilchenzerfällen zu suchen.<br />
Den Schlüssel zum Verständnis <strong>de</strong>r CP- und<br />
damit <strong>de</strong>r Materie-Ant<strong>im</strong>aterie-Asymmetrie vermutet<br />
man heute in <strong>de</strong>r heißen Anfangszeit <strong>de</strong>s<br />
Universums. Das war <strong>die</strong> Zeit, als <strong>die</strong> schweren<br />
Quarks <strong>de</strong>r zweiten und dritten Familie einen<br />
wesentlichen Teil <strong>de</strong>r Materie stellten. Bei<br />
<strong>de</strong>n zweitschwersten Quarks, <strong>de</strong>n b-Quarks,<br />
sollte man dann eine signifikante Abweichung<br />
von <strong>de</strong>r Quark-Antiquark-Symmetrie fin<strong>de</strong>n.<br />
Eine Driftkammer für das<br />
HERA-B-Exper<strong>im</strong>ent wird<br />
gebaut.<br />
Die Suche nach einer CP-Verletzung bei <strong>de</strong>n b-<br />
Quarks wird <strong>de</strong>shalb weltweit mit großem<br />
Nachdruck verfolgt. In <strong>de</strong>n USA und in Japan<br />
wer<strong>de</strong>n neue Beschleuniger eigens zur Klärung<br />
<strong>die</strong>ser Fragen gebaut. HERA ist hierfür ebenfalls<br />
geeignet, da sich mit Protonenbeschleunigern<br />
wie HERA b-Quarks und B-Mesonen,<br />
<strong>die</strong> aus b-Quarks aufgebaut sind, erzeugen<br />
lassen.<br />
In <strong>de</strong>m geplanten „HERA-B-Exper<strong>im</strong>ent“ sollen<br />
<strong>die</strong> B-Mesonen durch Wechselwirkung von<br />
Protonen mit einem Target in großer Zahl erzeugt<br />
und in einem Spektrometer nachgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n. Die Schwierigkeit hierbei liegt in<br />
<strong>de</strong>n enormen Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n Detektor.<br />
Denn er muß in <strong>de</strong>r Lage sein, <strong>die</strong> B-Mesonen<br />
wirksam aus einem milliar<strong>de</strong>nfach höheren<br />
Untergrund an<strong>de</strong>rer Teilchen herauszufiltern.
CP- und T- Symmetrie<br />
Symmetrien (Invarianzen) gehören in <strong>de</strong>n Konzepten<br />
und Theorien <strong>de</strong>r Physik zu <strong>de</strong>n Grund<strong>pr</strong>inzipien.<br />
Vor allem <strong>die</strong> Invarianz unter <strong>de</strong>r<br />
„Ladungskonjugation“ C (Än<strong>de</strong>rung aller Teilchen<br />
in Aniteilchen und umgekehrt), <strong>die</strong><br />
Invarianz unter <strong>de</strong>r „Paritätsoperation“ P (Spiegelung<br />
aller Raumkoordinaten) und <strong>die</strong><br />
Invarianz bei <strong>de</strong>r Umkehr <strong>de</strong>r Zeit (T-Symmetrie)<br />
sind hier zu nennen. Ein allgemeines Theorem<br />
<strong>de</strong>r Quantenfeldtheorie besagt, daß alle<br />
Wechselwirkungen invariant sind unter <strong>de</strong>r sukzessiven<br />
Anwendung <strong>de</strong>r drei Symmetrieoperationen<br />
C, P und T.<br />
CP-Symmetrie ist <strong>de</strong>shalb <strong>im</strong> wesentlichen<br />
gleichbe<strong>de</strong>utend mit Zeitumkehr (T)-Symmetrie,<br />
welche besagt, daß physikalische Prozesse<br />
grundsätzlich ebenso vorwärts wie rückwärts<br />
laufen können. Das heißt, <strong>die</strong> Richtung <strong>de</strong>r Zeit<br />
<strong>im</strong> Mikrokosmos ist nicht festgelegt.<br />
Wäre <strong>die</strong> CP-Symmetrie exakt gültig, so hätte<br />
sich <strong>die</strong> gesamte Materie und Ant<strong>im</strong>aterie <strong>im</strong><br />
<strong>Welt</strong>all gegenseitig vernichtet - statt Materie<br />
gäbe es nur Strahlung.<br />
<strong>Was</strong> tut sich in Zeuthen?<br />
Wissenschaftler und Ingenieure von DESY-<br />
Zeuthen arbeiten seit 1992 an <strong>de</strong>r Konzeption<br />
und Vorbereitung <strong>de</strong>s HERA-B-Exper<strong>im</strong>ents. Für<br />
sie stehen dabei, gemeinsam mit <strong>de</strong>r Berliner<br />
Humboldt-Universität, verschie<strong>de</strong>ne diffizile<br />
Aufgaben an:<br />
• Die Entwicklung und <strong>de</strong>r Bau von vielen<br />
Quadratmeter großen Driftkammern, um <strong>die</strong><br />
Spuren <strong>de</strong>r B-Mesonen aufzufin<strong>de</strong>n (zusammen<br />
mit DESY-Hamburg und Instituten<br />
in Holland, Rußland und China).<br />
• Die Entwicklung einer „Prozessorfarm“, das<br />
heißt eines speziellen Rechnersystems aus<br />
100 o<strong>de</strong>r mehr leistungsfähigen Prozesso-<br />
Rechner-S<strong>im</strong>ulation <strong>de</strong>s<br />
HERA-B-Detektors mit<br />
Teilchenspuren:<br />
HERA-B-Anlage mit voller<br />
Teilchen<strong>pr</strong>oduktion<br />
(oben) und nach <strong>de</strong>r Selektion<br />
<strong>de</strong>r interessieren<strong>de</strong>n<br />
Teilchen (unten)<br />
ren, das <strong>die</strong> sehr schnelle Rekonstruktion<br />
und Filterung von Ereignissen <strong>im</strong> Echtzeitbetrieb<br />
erlaubt.<br />
• Die Erstellung umfangreicher Rechner<strong>pr</strong>ogramme,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> interessanten B-Mesonen-<br />
Spuren aus einer Unzahl stören<strong>de</strong>r Teilchen<br />
herausfiltern. Dabei spielen s<strong>im</strong>ulierte Exper<strong>im</strong>ente<br />
zur Er<strong>pr</strong>obung <strong>die</strong>ses Vorhabens<br />
eine wesentliche Rolle. All <strong>die</strong>s erfor<strong>de</strong>rt<br />
jahrelange Vorbereitungen.<br />
29
30<br />
High-Tech <strong>im</strong> Detektorbau<br />
Die Beschleunigerexper<strong>im</strong>ente werfen <strong>im</strong>mer<br />
wie<strong>de</strong>r Fragestellungen auf, <strong>die</strong> neue technologische<br />
Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>die</strong> erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Instrumente stellen. Die häusergroßen Detektoren<br />
müssen daher ständig erweitert, umgebaut<br />
und <strong>de</strong>n neuen Zielen angepaßt wer<strong>de</strong>n.<br />
Beispielsweise wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> H1-Exper<strong>im</strong>ent am<br />
Hamburger Speicherring HERA ein Detektorteil<br />
mit sehr hoher Orts- und Zeitauflösung benötigt.<br />
Zum einen sollte <strong>die</strong> Meßgenauigkeit<br />
verbessert wer<strong>de</strong>n, zum an<strong>de</strong>ren waren ganz<br />
neue Beobachtungsgelegenheiten möglichst<br />
nahe am Wechselwirkungspunkt bei <strong>de</strong>r Elektronen-Protonen-Kollision<br />
zu schaffen.<br />
Die Entwicklung eines geeigneten Detektorteils<br />
bot vielfältige technologische Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />
<strong>die</strong> in enger Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r Industrie<br />
und mit Forschungsinstituten in Deutschland,<br />
England und Tschechien bewältigt wer<strong>de</strong>n<br />
konnten.<br />
Eine <strong>de</strong>r Sensor-Ebenen<br />
vor <strong>de</strong>m Einbau in <strong>die</strong><br />
Trägerstruktur. Das Modul<br />
besteht aus Streifen-Sensoren<br />
und Hybri<strong>de</strong>n; letztere<br />
sind mit elektronischen<br />
Bauelementen bestückteMiniatur-Leiterplatten.<br />
Die ganze Scheibe<br />
soll das Strahlrohr umschließen;<br />
sie kann zur<br />
Montage in zwei Teile zerlegt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Sensoranordnung<br />
- eine perspektivische<br />
Konstruktionsübersicht.<br />
Der Innendurchmesser<br />
beträgt etwa 10 cm, <strong>de</strong>r<br />
Außendurchmesser 30<br />
cm.<br />
Das untere Bild zeigt links<br />
<strong>die</strong> Siliziumscheiben eines<br />
Flächen-Sensors; rechts<br />
<strong>die</strong> Oberfläche eines<br />
Streifen-Sensors.<br />
Das neue, das Strahlrohr umschließen<strong>de</strong><br />
Detektorteil besteht aus vier ringförmigen, senkrecht<br />
zum Strahlrohr angeordneten Ebenen von<br />
Siliziumhalbleitern. Je<strong>de</strong> Ebene ist mit trapezförmigen,<br />
unterschiedlich strukturierten Siliziumscheiben<br />
besetzt; dabei unterschei<strong>de</strong>t man<br />
zwischen Flächen-Sensoren (<strong>im</strong> Bild kariert) und<br />
Streifen-Sensoren (schraffiert). Die Flächen-<br />
Sensoren zeigen an, wann ein Teilchen durch<br />
<strong>de</strong>n Detektor geht. Mit <strong>de</strong>n Streifen-Sensoren<br />
wird <strong>die</strong> Spur <strong>de</strong>s Elektrons, <strong>die</strong> vom Wechselwirkungspunkt<br />
<strong>de</strong>s H1-Detektors kommt, sehr<br />
genau vermessen.
Die Silizium-Scheiben je<strong>de</strong>s Flächen-Sensors<br />
sind in 8 Reihen und 4 Spalten, also 32 Fel<strong>de</strong>r<br />
unterteilt. Durchquert ein elektrisch gela<strong>de</strong>nes<br />
Teilchen <strong>die</strong>se Scheiben, so wird ein Signal ausgelöst;<br />
<strong>die</strong>ses startet <strong>die</strong> eigentliche Messung.<br />
Auf <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>r Streifen-Sensoren befin<strong>de</strong>n<br />
sich1281 konzentrisch angeordnete,<br />
streifenförmige Dio<strong>de</strong>n-Strukturen mit einer<br />
Breite von 12 μm (wegen ihrer Feinheit <strong>im</strong> Bild<br />
nicht erkennbar). Je<strong>de</strong> zweite von ihnen ist mit<br />
einer Ausleseelektronik verbun<strong>de</strong>n. Sobald <strong>de</strong>r<br />
H1-Detektor <strong>de</strong>n Durchgang eines gela<strong>de</strong>nen<br />
Teilchens signalisiert, wer<strong>de</strong>n in allen Ebenen<br />
<strong>die</strong> Durchstoßpunkte <strong>de</strong>r Teilchen durch <strong>die</strong><br />
getroffenen Streifen registriert. Aus <strong>de</strong>ren Koordinaten<br />
können dann <strong>die</strong> Spuren <strong>de</strong>r hindurchgeflogenen<br />
Teilchen rekonstruiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Die erste Auswertung <strong>de</strong>r von einem Streifen-<br />
Sensor kommen<strong>de</strong>n Signale erfolgt unmittelbar<br />
bei <strong>de</strong>n Dio<strong>de</strong>n-Strukturen in speziellen<br />
elektronischen Schaltkreisen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> ankommen<strong>de</strong>n<br />
Signale verstärken, zwischenspeichern<br />
und <strong>die</strong> zeitlich passen<strong>de</strong>n Signale zur Weiterverarbeitung<br />
freigeben. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r fünf in <strong>de</strong>m<br />
oberen Bild sichtbaren Halbleiterchips enthält<br />
Vorverstärker zur seriellen Auslese von 128<br />
Streifen und mißt nur 3,2 mm mal 6,2 mm.<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong>die</strong> Siliziumstrukturen <strong>de</strong>r Streifen-<br />
Sensoren mit speziellen Leiterplatten, <strong>de</strong>n Hybri<strong>de</strong>n,<br />
verklebt wur<strong>de</strong>n, muß <strong>die</strong> Verbindung<br />
zwischen <strong>de</strong>n einzelnen Auslesestreifen und <strong>de</strong>r<br />
Leiterplatte hergestellt wer<strong>de</strong>n. Das geschieht<br />
unter <strong>de</strong>m Mikroskop mit einem „Bon<strong>de</strong>r“,<br />
einer speziellen Apparatur, <strong>die</strong> <strong>die</strong> nur 25 μm<br />
dicken Aluminiumdrähte in einem Abstand von<br />
48 μm auf zwei Reihen mit Ultraschall anschweißt.<br />
Streifensensor mit elektronischen<br />
Auslese-Chips<br />
Verkleben <strong>de</strong>r Siliziumstrukturen<br />
mit <strong>de</strong>m<br />
„Bon<strong>de</strong>r“ unter einem<br />
Mikroskop<br />
Die Silizium-Sensoranordnung<br />
vor <strong>de</strong>m Einbau<br />
in <strong>de</strong>n H1-Detektor. Der<br />
untere, hier noch leere<br />
Teil <strong>de</strong>r Sensorstruktur ist<br />
abgesenkt, so daß sie<br />
über das links zu erkennen<strong>de</strong><br />
Strahlrohr gefahren<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Wie<strong>de</strong>r<br />
geschlossen wur<strong>de</strong> sie<br />
später in <strong>de</strong>n H1-Detektor<br />
geschoben - natürlich<br />
ohne <strong>die</strong> <strong>im</strong> Bild sichtbare<br />
silberfarbige Montagekonstruktion.<br />
31
32<br />
Der Mini-Urknall<br />
Der HERA-Beschleuniger ist ein Supermikroskop<br />
für das Innerste <strong>de</strong>r Materie. Der<br />
Elektron-Positron-Colli<strong>de</strong>r LEP <strong>de</strong>s Europäischen<br />
Teilchenforschungszentrums CERN bei<br />
Genf dagegen ist ein Instrument, mit <strong>de</strong>m sich<br />
<strong>die</strong> Umwandlung von Energie in Materie und<br />
umgekehrt bis zu sehr hohen Energien beson<strong>de</strong>rs<br />
gut untersuchen läßt. Man kann damit gewissermaßen<br />
einen Mini-Urknall erzeugen.<br />
Der LEP-Ring hat einen Umfang von 27 Kilometern.<br />
Gebaut wur<strong>de</strong> er, um eine <strong>de</strong>r fundamentalen<br />
Kräfte näher zu erforschen - <strong>die</strong><br />
schwache Kraft. Diese für <strong>die</strong> Energie<strong>pr</strong>oduktion<br />
<strong>de</strong>r Sonne und best<strong>im</strong>mte Formen <strong>de</strong>r<br />
Radioaktivität verantwortliche Kraft wird wie <strong>die</strong><br />
an<strong>de</strong>ren Naturkräfte durch sogenannte Austauschteilchen,<br />
in <strong>die</strong>sem Fall sind es <strong>die</strong> W +<br />
-,<br />
W -<br />
- und Z- Bosonen, vermittelt.<br />
Energie und Masse<br />
sind äquivalent<br />
Ein GeV, o<strong>de</strong>r Giga-Elektronenvolt, ist eine<br />
Energieeinheit, <strong>die</strong> von Teilchenphysikern auch<br />
als Masseeinheit benutzt wird. Nach Einsteins<br />
Formel E = mc 2 sind Masse (m) und Energie (E)<br />
äquivalent (c ist <strong>die</strong> Geschwindigkeit <strong>de</strong>s Lichts).<br />
Teilchenphysiker geben darum <strong>die</strong> Masse eines<br />
Teilchens in Giga-Elektronenvolt (GeV) an. Ein<br />
GeV ist <strong>die</strong> Energie, <strong>die</strong> man auf sehr kleinem<br />
Raum konzentrieren muß, um ein Proton zu<br />
erzeugen; sie beträgt etwa 1/1000 <strong>de</strong>r kinetischen<br />
Energie einer Fliege.<br />
Wenn Teilchen mit hoher Energie miteinan<strong>de</strong>r<br />
kolli<strong>die</strong>ren, kann ein Teil <strong>die</strong>ser Energie in Masse<br />
umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, so daß neue Teilchen<br />
entstehen. Nach <strong>die</strong>sem Prinzip ist es bei LEP<br />
möglich, <strong>die</strong> sehr masse- und energiereichen<br />
W- und Z-Bosonen zu erzeugen.<br />
Die Punkte <strong>de</strong>s Graphen<br />
zeigen <strong>die</strong> Zahl <strong>de</strong>r Z-<br />
Bosonen, <strong>die</strong> bei unterschiedlichen<br />
Energien erzeugt<br />
wur<strong>de</strong>n. Die verschie<strong>de</strong>nen<br />
Kurven sind<br />
Vorhersagen für zwei, drei<br />
und vier Familien von<br />
Materieteilchen. Es zeigt<br />
sich, daß <strong>die</strong> rote Kurve<br />
als Vorhersage für drei<br />
Familien <strong>de</strong>n Daten genau<br />
ents<strong>pr</strong>icht.<br />
σ (nb)<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Energie (GeV)<br />
Hadronen<br />
Nν=2<br />
Nν=3<br />
Nν=4<br />
88 90 92 94 96<br />
Aus drei Familien entstand <strong>die</strong> <strong>Welt</strong><br />
In einer ersten Phase bis Herbst 1995 wur<strong>de</strong>n<br />
mit LEP Elektronen- und Positronenstrahlen gegenläufig<br />
auf etwa 45 GeV beschleunigt und<br />
zur Kollision gebracht. Diese Energie ist gera<strong>de</strong><br />
hoch genug, um Z-Bosonen zu erzeugen.<br />
En<strong>de</strong> 1995, nach<strong>de</strong>m über 15 Millionen Z-Teilchen<br />
beobachtet wor<strong>de</strong>n waren, konnte <strong>die</strong><br />
Masse <strong>de</strong>s Z-Teilchens zu 91,1884 ± 0,0022<br />
GeV - ungefähr so viel wie 97 <strong>Was</strong>serstoffatome<br />
- best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n, eine <strong>de</strong>r genauesten Messungen<br />
<strong>de</strong>r Elementarteilchenphysik.<br />
Die mit LEP gewonnenen Daten ließen eine sehr<br />
interessante Aussage zu: Die Natur scheint<br />
genau drei Familien von Quarks und Leptonen<br />
vorgesehen zu haben, nicht mehr und nicht<br />
weniger. Allerdings bestehen alle Dinge, <strong>die</strong> uns<br />
umgeben, wir selbst natürlich eingeschlossen,<br />
aus Teilchen, <strong>die</strong> ausschließlich <strong>de</strong>r ersten <strong>de</strong>r<br />
drei Familien angehören. Offenbar waren <strong>die</strong><br />
zwei an<strong>de</strong>ren Familien, schwerere Kopien <strong>de</strong>r<br />
ersten, nur am Anfang <strong>de</strong>s Universums dabei.<br />
Warum es aber zu Anfang genau drei Familien<br />
gab statt einer einzigen, ist bisher ein Rätsel.
Hoffen auf SUSY<br />
Je<strong>de</strong> Energieerhöhung eines Teilchenbeschleunigers<br />
bringt uns tiefer in <strong>de</strong>n Mikrokosmos und<br />
näher zur Entstehung <strong>de</strong>r <strong>Welt</strong>. Das Standardmo<strong>de</strong>ll<br />
re<strong>pr</strong>äsentiert unseren gegenwärtigen<br />
Stand auf <strong>de</strong>r Suche nach einer universellen<br />
Theorie. Ein nächster Schritt könnte uns zur<br />
„Supersymmetrie“ führen - einer vielvers<strong>pr</strong>echen<strong>de</strong>n<br />
I<strong>de</strong>e zur Vereinheitlichung <strong>de</strong>r Kräfte.<br />
Hiernach müßte für je<strong>de</strong> bekannte Teilchenart<br />
ein „supersymmetrischer“ Partner existieren.<br />
Bisher konnten <strong>die</strong>se allerdings noch nicht ent<strong>de</strong>ckt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Wie erhalten Teilchen ihre Masse?<br />
Es mag überraschen, daß <strong>de</strong>r so häufig gebrauchte<br />
physikalische Begriff Masse bisher<br />
überhaupt nicht verstan<strong>de</strong>n ist. Eine mögliche<br />
Erklärung gibt <strong>de</strong>r sogenannte Higgs-Mechanismus,<br />
benannt nach seinem Erfin<strong>de</strong>r, einem<br />
englischen Physiker. Danach ist unser gesamter<br />
Raum stets von einem Energiefeld erfüllt.<br />
Dieses Energiefeld bremst <strong>die</strong> Teilchen, wodurch<br />
sie Trägheit erhalten und damit Masse. Diejenigen<br />
Teilchen, <strong>die</strong> stärker mit ihm wechselwirken,<br />
sind schwerer als <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. Denkbar<br />
ist, daß so <strong>die</strong> unterschiedlichen Massen <strong>de</strong>r<br />
Quarks und Leptonen erklärt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Mit <strong>de</strong>m Higgs-Feld sollte ein neues Teilchen,<br />
das Higgs-Teilchen, verbun<strong>de</strong>n sein - eine Art<br />
Energieschwingung <strong>de</strong>s Vakuums. Doch für ein<br />
solches Teilchen konnte bisher noch kein Anzeichen<br />
gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Bei einem Empfang stehen<br />
viele Personen - das<br />
Higgs-Feld - gelangweilt<br />
herum. Dies ist <strong>de</strong>r „leere“<br />
Raum. Plötzlich betritt<br />
eine bekannte Persönlichkeit<br />
- ein Teilchen - <strong>de</strong>n<br />
Raum. Sofort scharen sich<br />
<strong>die</strong> Anwesen<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n<br />
Prominenten, behin<strong>de</strong>rn<br />
ihn be<strong>im</strong> Vorankommen<br />
... und verleihen ihm dadurch<br />
träge Masse.<br />
Wie kann man sich <strong>die</strong><br />
Entstehung eines Higgs-<br />
Teilchens vorstellen? Ein<br />
Störenfried - <strong>die</strong> Energie<br />
einer Teilchenkollision -<br />
ruft eine überraschen<strong>de</strong><br />
Neuigkeit in <strong>de</strong>n Raum.<br />
Sofort bil<strong>de</strong>n sich angeregte<br />
Diskussionsrun<strong>de</strong>n<br />
- <strong>die</strong> Higgs-Teilchen.<br />
(Quelle: CERN)<br />
Das Higgs-Feld und <strong>die</strong> träge<br />
Masse - anschaulich gemacht<br />
33
34<br />
Arbeiten <strong>de</strong>r Zeuthener Gruppe<br />
In <strong>de</strong>r L3-Forschungsgruppe arbeiten nahezu<br />
50 Institute aus verschie<strong>de</strong>nen europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn sowie aus China, In<strong>die</strong>n und <strong>de</strong>n USA<br />
an einem <strong>de</strong>r vier Detektoren <strong>de</strong>s Speicherrings<br />
LEP am CERN zusammen, darunter eine Team<br />
aus Zeuthen.<br />
Für <strong>de</strong>n Detektor <strong>de</strong>s L3-Projekts kam mit <strong>de</strong>r<br />
z-Kammer ein wichtiger Teil <strong>de</strong>s zentralen Spurkammer-Systems<br />
aus Zeuthen. Es ist eine zweilagige,<br />
zylindrische Drahtkammer mit Elektro<strong>de</strong>n<br />
aus 4 mm breiten, ring- und helixförmigen<br />
Streifen. Diese wer<strong>de</strong>n elektronisch ausgelesen<br />
und geben <strong>die</strong> Koordinaten <strong>de</strong>r Teilchenbahnen<br />
in Richtung <strong>de</strong>r Strahlachse. Die Kammer, <strong>die</strong><br />
Ausleseelektronik mit zugehöriger Software und<br />
<strong>die</strong> Programme zur geometrischen Rekonstruktion<br />
<strong>de</strong>r Teilchenspuren wur<strong>de</strong>n in Zeuthen entwickelt.<br />
Die Elektronik für ein neues<br />
Detektorteil <strong>im</strong> L3-Exper<strong>im</strong>ent<br />
wird in Zeuthen<br />
entwickelt und getestet.<br />
Die zylin<strong>de</strong>rförmige<br />
Drahtkammer zum Nachweis<br />
<strong>de</strong>r Teilchenspuren<br />
<strong>im</strong> L3-Exper<strong>im</strong>ent vor <strong>de</strong>m<br />
Einbau in <strong>de</strong>n Detektor.<br />
Um neue Beobachtungsmöglichkeiten für<br />
Exper<strong>im</strong>ente bei noch höheren Energien zu<br />
erschließen, mußten am L3-Detektor Erweiterungen<br />
vorgenommen wer<strong>de</strong>n. Dazu war <strong>de</strong>r<br />
Einbau eines Präzisions-Koordinaten<strong>de</strong>tektors<br />
auf <strong>de</strong>r Basis von Silizium-Halbleiter-Material<br />
erfor<strong>de</strong>rlich. Die Elektronik und <strong>die</strong> Software<br />
für das Datenaufnahmesystem <strong>de</strong>s neuen Detektors<br />
wur<strong>de</strong>n in Zeuthen entwickelt.<br />
Eine Hauptaufgabe <strong>de</strong>r Exper<strong>im</strong>ente an LEP, wie<br />
auch an zukünftigen Beschleunigern, ist <strong>die</strong> Suche<br />
nach <strong>de</strong>n Higgs-Teilchen, <strong>de</strong>m wichtigsten<br />
fehlen<strong>de</strong>n Stück <strong>im</strong> Elementarteilchen-Puzzle<br />
<strong>de</strong>s Standarmo<strong>de</strong>lls. Zur Entwicklung opt<strong>im</strong>aler<br />
Suchstrategien wer<strong>de</strong>n zusammen mit russischen<br />
Gastwissenschaftlern sehr <strong>de</strong>taillierte<br />
Berechnungen <strong>de</strong>r Higgs-Teilchen-Erzeugung<br />
und <strong>de</strong>r möglichen Störreaktionen über einen<br />
weiten Energiebereich durchgeführt. Doch bis<br />
heute ist <strong>die</strong> Suche erfolglos geblieben.
Auf <strong>de</strong>m Weg zum<br />
Neutrino-Teleskop<br />
Eines <strong>de</strong>r wichtigen ungelösten Probleme <strong>de</strong>r<br />
Astrophysik betrifft <strong>de</strong>n Urs<strong>pr</strong>ung <strong>de</strong>r höchstenergetischen<br />
kosmischen Strahlen.<br />
Bis in <strong>die</strong> 50er Jahre spielte <strong>die</strong> aus <strong>de</strong>m fernen<br />
Kosmos ständig auf uns einfallen<strong>de</strong> Strahlung<br />
eine führen<strong>de</strong> Rolle bei <strong>de</strong>r Erforschung <strong>de</strong>r<br />
Elementarteilchen - bei wachsen<strong>de</strong>r Konkurrenz<br />
<strong>de</strong>r Beschleuniger. Viele neue Teilchen wur<strong>de</strong>n<br />
in <strong>de</strong>r kosmischen Strahlung ent<strong>de</strong>ckt, so auch<br />
das Positron, das Antiteilchen <strong>de</strong>s Elektrons. Die<br />
Eigenschaften <strong>die</strong>ser Teilchen ließen sich jedoch<br />
wesentlich genauer untersuchen, als man nicht<br />
mehr auf das zufällige Eintreffen von Teilchen<br />
aus <strong>de</strong>m Kosmos warten mußte, son<strong>de</strong>rn <strong>die</strong><br />
Teilchen an <strong>de</strong>n Beschleunigern in gezielten<br />
Exper<strong>im</strong>enten zu beobachten lernte.<br />
Astrophysik in Zeuthen<br />
Die kosmische Strahlung ist für <strong>die</strong> Teilchenphysik<br />
<strong>de</strong>nnoch interessant geblieben. So entwickeln<br />
Zeuthener Forscher heute ein Instrument<br />
zur Beobachtung <strong>de</strong>r von kosmischen Beschleunigern<br />
erzeugten Neutrinos. Diese Untersuchungen<br />
heben sich aus <strong>de</strong>m übrigen<br />
Forschungsrahmen bei DESY heraus; sie unterstreichen<br />
<strong>die</strong> enge Beziehung zwischen<br />
Elementarteilchenphysik und Astrophysik.<br />
N<br />
AMANDA<br />
S<br />
Zeuthener Forscher <strong>de</strong>s<br />
„AMANDA“-Projekts am<br />
Südpol<br />
Das Prinzip <strong>de</strong>s Neutrinoteleskops<br />
mit <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> als<br />
„Filter“<br />
Eisjagd nach Neutrinos<br />
Boten aus <strong>de</strong>m Kosmos<br />
Zum Auffin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r kosmischen Beschleuniger,<br />
viel gewaltiger als <strong>die</strong> irdischen, bedarf es <strong>de</strong>r<br />
Suche nach Teilchen, <strong>die</strong> in <strong>de</strong>n galaktischen<br />
Magnetfel<strong>de</strong>rn nicht abgelenkt wer<strong>de</strong>n. Diese<br />
Teilchen müssen <strong>de</strong>shalb elektrisch neutral sein.<br />
Die Photonen, <strong>die</strong> Träger <strong>de</strong>r elektromagnetischen<br />
Strahlung, besitzen <strong>die</strong>se Eigenschaft,<br />
aber sie wer<strong>de</strong>n leicht absorbiert: durch kompakte<br />
Materieansammlungen, <strong>die</strong> viele kosmische<br />
Objekte umgeben, durch Staubwolken,<br />
<strong>die</strong> sich zwischen uns und <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n<br />
Objekt befin<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r - bei hohen Energien -<br />
durch <strong>die</strong> vom Urknall übriggebliebene Radiostrahlung,<br />
in <strong>de</strong>r <strong>die</strong> kosmische Materie wie in<br />
einem Meer schw<strong>im</strong>mt. Photonen geben uns<br />
daher nur ein lückenhaftes Bild. Dieses ließe<br />
sich vervollständigen, wenn auch <strong>die</strong> von kosmischen<br />
Beschleunigern erzeugten Neutrinos,<br />
ebenso elektrisch neutral, untersucht wer<strong>de</strong>n<br />
könnten. Die Neutrinos geben Zeugnis von Vorgängen<br />
<strong>im</strong> Universum, <strong>die</strong> we<strong>de</strong>r mit normalen<br />
Fernrohren noch mit Radioteleskopen o<strong>de</strong>r<br />
Satelliten zugänglich sind.<br />
35
36<br />
Kosmische Strahlung<br />
Höchstenergetische kosmische Strahlung besteht<br />
aus Protonen, leichten und schweren<br />
Atomkernen, <strong>de</strong>ren Energien bis zu 10 12 GeV<br />
reichen. Die größten Teilchenbeschleuniger auf<br />
<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, in Hamburg, Genf und bei Chicago,<br />
katapultieren Protonen auf gera<strong>de</strong> ein Milliardstel<br />
<strong>die</strong>ser Energie, auf ca. 1 TeV (=1000 GeV).<br />
Kosmische Beschleuniger<br />
als Teilchenquellen<br />
Die Quellen von Teilchen mit Energien bis zu<br />
100 TeV können zum Beispiel <strong>die</strong> Pulsare sein.<br />
Sie sind schnell rotieren<strong>de</strong> kompakte Neutronensterne,<br />
<strong>die</strong> eine expan<strong>die</strong>ren<strong>de</strong> Supernovahülle<br />
von innen mit Protonen bombar<strong>die</strong>ren.<br />
Zu <strong>de</strong>n kosmischen Teilchenbeschleunigern<br />
gehören ebenso Doppelsternsysteme aus einem<br />
Neutronenstern und einem Normalstern. In<br />
solchen Systemen wird Materie vom Normalstern<br />
abgesaugt und in Form einer riesigen<br />
Scheibe um <strong>de</strong>n Neutronenstern gewirbelt. In<br />
<strong>de</strong>n gigantischen elektromagnetischen Fel<strong>de</strong>rn<br />
in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Neutronensterns wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong><br />
Teilchen auf höchste Energien gejagt.<br />
Noch gewaltiger sind <strong>die</strong> Wirbel, <strong>die</strong> sich um<br />
<strong>die</strong> kompakten Kerne „aktiver“ Galaxien aufbauen.<br />
In ihnen, o<strong>de</strong>r in einem <strong>de</strong>r von solchen<br />
Kernen häufig ausgehen<strong>de</strong>n gigantischen Jets,<br />
können Teilchen bis auf höchste Energien beschleunigt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Was</strong> sind Neutrinos?<br />
Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen<br />
aus <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Leptonen. Sie sind<br />
möglicherweise ebenso masselos wie Photonen.<br />
Ihre bemerkenswerteste Eigenschaft besteht<br />
jedoch in ihrer geringen Neigung, mit <strong>de</strong>r<br />
Umgebung in Wechselwirkung zu treten.<br />
Man schätzt, daß auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> eine Fläche von<br />
<strong>de</strong>r Größe einer Fingerkuppe in je<strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong><br />
von etwa 65 Milliar<strong>de</strong>n Neutrinos, <strong>die</strong> bei <strong>de</strong>n<br />
energieerzeugen<strong>de</strong>n Prozessen <strong>de</strong>r Sonne entstehen,<br />
durchdrungen wird. Der Mensch ist also<br />
pausenlos einem unvorstellbaren Bombar<strong>de</strong>ment<br />
<strong>die</strong>ser Teilchen ausgesetzt. Allerdings<br />
scheinen <strong>die</strong> Neutrinos we<strong>de</strong>r Mensch noch <strong>die</strong><br />
gesamte Erdkugel überhaupt wahrzunehmen<br />
- <strong>de</strong>shalb sind sie auch völlig harmlos. Erst eine<br />
Wand von 1000 Lichtjahren (rund 10 000 000<br />
000 000 000 km) Blei könnte ein solches Neutrino<br />
wirksam aufhalten.
Wie fängt man Neutrinos?<br />
Die Reaktionsfreudigkeit <strong>de</strong>r Neutrinos n<strong>im</strong>mt<br />
zu, so wie ihre Energie wächst. Im Energiebereich<br />
von ungefähr 1TeV <strong>pr</strong>allt schon je<strong>de</strong>s<br />
hun<strong>de</strong>rtste Neutrino, das <strong>die</strong> Er<strong>de</strong> durchquert,<br />
mit einem Atomkern <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zusammen.<br />
Bei einer solchen Kollision verwan<strong>de</strong>lt sich das<br />
Neutrino häufig in ein Myon, eine Art schweres<br />
Elektron. Dieses Myon übern<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>n größten<br />
Teil <strong>de</strong>r Energie <strong>de</strong>s Neutrinos und fliegt in<br />
<strong>die</strong> nahezu gleiche Richtung weiter. Die Myonen<br />
wer<strong>de</strong>n relativ wenig von Materie abgebremst,<br />
viel weniger als ihr leichter Bru<strong>de</strong>r, das Elektron,<br />
das schon nach wenigen Metern steckenbleibt.<br />
Wenn ein Myon seine Bahn durch <strong>Was</strong>ser o<strong>de</strong>r<br />
Eis zieht, strahlt es einen Lichtkegel ab, ähnlich<br />
<strong>de</strong>m Überschallkegel eines Düsenflugzeugs.<br />
Auf <strong>die</strong>ses schwache bläuliche Leuchten - nach<br />
seinem Ent<strong>de</strong>cker Cherenkov-Licht genannt -<br />
lauern <strong>die</strong> Lichtsensoren <strong>de</strong>r Forscher.<br />
Die geplanten Neutrino-Teleskope sollen aus<br />
einer Vielzahl von Lichtsensoren, sogenannten<br />
Photovervielfacherröhren, bestehen. Sie fangen<br />
das Cherenkov-Licht auf und wan<strong>de</strong>ln <strong>die</strong> winzigen<br />
Lichtblitze in elektrische Signale um. Die<br />
Photosensoren befin<strong>de</strong>n sich in druckfesten, 25-<br />
60 cm großen Glaskugeln. Sie überspannen<br />
<strong>im</strong> Eis o<strong>de</strong>r <strong>Was</strong>ser gitterförmig ein möglichst<br />
großes Volumen. Die Sensoren registrieren <strong>die</strong><br />
relative Ankunftszeit und <strong>die</strong> Stärke eines Lichtblitzes.<br />
Aus <strong>de</strong>m Vergleich <strong>de</strong>r Ankunftszeiten<br />
an <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Sensoren berechnet man<br />
zunächst <strong>die</strong> Lage <strong>de</strong>s Lichtkegels, daraus <strong>die</strong><br />
Bahn <strong>de</strong>s Myons und aus <strong>die</strong>ser schließlich<br />
<strong>die</strong> Richtung <strong>de</strong>s Neutrinos. Die Position <strong>de</strong>r<br />
Neutrinoquelle am H<strong>im</strong>mel ist damit gefun<strong>de</strong>n.<br />
Das Prinzip <strong>de</strong>s Neutrino-<br />
Teleskops: Ein Neutrino<br />
durchdringt <strong>die</strong> Erdkugel<br />
und gelangt von unten in<br />
<strong>die</strong> km-dicke Eiskappe<br />
<strong>de</strong>s Südpols. Bei <strong>de</strong>r Kollision<br />
mit einem Atom<br />
verwan<strong>de</strong>lt es sich in ein<br />
Myon, das fast <strong>die</strong> gleiche<br />
Flugrichtung beibehält.<br />
Bei seinem Weg durch<br />
das Eis bleibt ein Lichtkegel,<br />
das Cherenkov-Licht<br />
zurück. Photosensoren,<br />
<strong>die</strong> wie Perlen an Schnüren<br />
<strong>im</strong> Eis hängen, erfassen<br />
das Licht und wan<strong>de</strong>ln<br />
es in elektrische Signale<br />
um.<br />
Obiges Detail: Eine <strong>de</strong>r<br />
Glaskugeln, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Lichtsensoren<br />
enthalten. Die<br />
obere Kugelhälfte ist undurchsichtig,<br />
um unerwünschte<br />
Signale abzublocken.<br />
Er<strong>de</strong> & Neutrinoteleskop:<br />
Nur Neutrinos können <strong>die</strong><br />
Erdkugel durchqueren und<br />
<strong>im</strong> Sensor einen Lichtblitz<br />
auslösen. Das Neutrinoteleskop<br />
beobachtet <strong>de</strong>n<br />
Kosmos durch <strong>die</strong> Er<strong>de</strong><br />
hindurch.<br />
N<br />
AMANDA<br />
S<br />
37
38<br />
Die Er<strong>de</strong> als Filter<br />
Um stören<strong>de</strong> Myonen und an<strong>de</strong>re Teilchen aus<br />
Reaktionen <strong>de</strong>r kosmischen Strahlung mit <strong>de</strong>r<br />
Erdatmosphäre auszusortieren, fiel <strong>de</strong>n Forschern<br />
ein raffinierter Filter ein: Sie berücksichtigen<br />
einfach nur Myonen, <strong>die</strong> von unten kommen.<br />
Kein Teilchen außer <strong>de</strong>m Neutrino ist<br />
fähig, <strong>die</strong> Erdkugel zu durchqueren. Dringt ein<br />
Myon von unten in <strong>de</strong>n Detektor ein, dann muß<br />
es mit nahezu absoluter Sicherheit von einem<br />
Neutrino erzeugt wor<strong>de</strong>n sein.<br />
Der Zeuthener Forschungsbeitrag<br />
<strong>Welt</strong>weit gibt es mehrere Vorhaben für <strong>de</strong>n Bau<br />
eines letztlich etwa 1 km 3<br />
umspannen<strong>de</strong>n Neutrino-Teleskops.<br />
Am weitesten fortgeschritten<br />
sind bisher <strong>die</strong> Projekte BAIKAL und AMANDA,<br />
an <strong>de</strong>nen DESY-Zeuthen beteiligt ist.<br />
Der Baikalsee bietet mehrere Vorteile für ein solches<br />
Vorhaben. Sein <strong>Was</strong>ser ist sehr klar. Durch<br />
<strong>die</strong> große Tiefe ist <strong>die</strong> von oben einfallen<strong>de</strong><br />
kosmische Strahlung auf ein Hun<strong>de</strong>rttausendstel<br />
geschwächt. Und <strong>im</strong> Winter ist er mit einer<br />
Eisschicht be<strong>de</strong>ckt, <strong>die</strong> als natürliche Plattform<br />
<strong>die</strong> Vormontage und das Verankern <strong>de</strong>r Instrumente<br />
<strong>im</strong> See wesentlich erleichtert.<br />
Russische und Zeuthener<br />
Wissenschaftler auf <strong>de</strong>m<br />
zugefrorenen Baikalsee.<br />
Sie <strong>pr</strong>äparieren einen <strong>de</strong>r<br />
ca. 200 Photosensoren,<br />
<strong>die</strong> in <strong>de</strong>n See eingebracht<br />
wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Im Jahr 1993 installierte das Zeuthener Institut<br />
zusammen mit russischen Partnerinstituten <strong>im</strong><br />
Baikalsee das weltweit erste funktionsfähige<br />
Teilstück eines zukünftigen Unterwasserteleskops.<br />
Diese Anlage enthält inzwischen fast 200<br />
an Trossen befestigte Photosensoren.<br />
Die schwierige wirtschaftliche und politische<br />
Lage Rußlands führte allerdings zu Verzögerungen<br />
und Unwägbarkeiten be<strong>im</strong> weiteren<br />
Ausbau <strong>de</strong>r Baikalsee-Anordnung. Deshalb hat<br />
sich <strong>die</strong> Zeuthener Gruppe seit 1995 <strong>de</strong>m<br />
AMANDA-Projekt zugewandt.<br />
Eine Zeuthener Forschergruppe<br />
mit einsatzbereiten<br />
Glaskugeln, in <strong>de</strong>nen<br />
sich <strong>die</strong> Photosensoren<br />
(linkes Bild) befin<strong>de</strong>n.
AMANDA (Antarctic Muon And Neutrino<br />
Detector Array) ist ein Projekt, welches das Eis<br />
über <strong>de</strong>m Südpol als Medium für ein zukünftiges<br />
großes Neutrino-Teleskop nutzen will. Bereits<br />
1994 installierten <strong>die</strong> amerikanischen und<br />
schwedischen Partner eine Testanordnung in<br />
einer Tiefe von 800-1000 m. Hier beeinträchtigen<br />
jedoch Luftblasen <strong>die</strong> Durchsichtigkeit <strong>de</strong>s<br />
Eises. Deshalb wur<strong>de</strong> 1996 eine neue Testanordnung<br />
aus 86 Lichtsensoren, befestigt an vier<br />
Trossen, in <strong>die</strong> Tiefe von 1520-2000 m hinabgelassen.<br />
Dies war ein voller Erfolg, <strong>de</strong>nn<br />
hier ist <strong>die</strong> Eisqualität viel besser - Fazit: Ein<br />
Neutrino-Teleskop am Südpol ist damit realisierbar.<br />
Daraufhin wur<strong>de</strong> <strong>die</strong> Anlage 1997 um<br />
216 Photosensoren erweitert. Man hofft, sie über<br />
mehrere Jahre schrittweise bis auf ein Gesamtvolumen<br />
von etwa 1 km 3<br />
ausbauen zu können.<br />
Die Zeuthener Forscher befassen sich hierbei<br />
mit <strong>de</strong>r Entwicklung, <strong>de</strong>m Bau und <strong>de</strong>m Test<br />
von Lichtsensoren-Anordnungen, von Laserlichtquellen<br />
zur Zeiteichung und mit speziellen<br />
elektronischen Einrichtungen zur Suche nach<br />
Supernova-Ausbrüchen, außer<strong>de</strong>m mit S<strong>im</strong>ulationen<br />
<strong>de</strong>r Detektoren und natürlich mit <strong>de</strong>r<br />
Auswertung <strong>de</strong>r Meßdaten.<br />
Die Bohranlage zum Einbringen<br />
<strong>de</strong>r Photosensoren<br />
in das Südpolareis;<br />
<strong>im</strong> Hintergrund ist <strong>die</strong><br />
Versorgungsstation zu erkennen.<br />
Montage <strong>de</strong>r optischen<br />
Sensoren am Südpol<br />
Die benötigten kilometertiefen<br />
Löcher in <strong>de</strong>r<br />
antarktischen Eiskappe<br />
erzielt man mit Bohrvorrichtungen,<br />
<strong>die</strong> heißes<br />
<strong>Was</strong>ser verwen<strong>de</strong>n. In<br />
<strong>die</strong>se Löcher wer<strong>de</strong>n dann<br />
<strong>die</strong> Lichtsensoren an Trossen<br />
heruntergelassen.<br />
Eine ausgefeilte Bohrtechnologie<br />
sorgt dafür, daß<br />
be<strong>im</strong> späteren Einfrieren<br />
<strong>die</strong> Sensoren nicht durch<br />
<strong>de</strong>n Eisdruck beschädigt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
<strong>Was</strong> kann ein Neutrino-Teleskop<br />
sonst noch?<br />
Ein zukünftiges Neutrino-Teleskop vers<strong>pr</strong>icht<br />
über <strong>die</strong> astrophysikalische Fragestellung hinaus<br />
noch an<strong>de</strong>rweitigen Nutzen. Ein Beispiel<br />
ist <strong>die</strong> Suche nach <strong>de</strong>r kosmischen Dunkelmaterie.<br />
Dies ist <strong>de</strong>r Stoff, aus <strong>de</strong>m vermutlich<br />
über neun Zehntel <strong>de</strong>r kosmischen Materie<br />
besteht, <strong>de</strong>n aber noch nie jemand direkt nachgewiesen<br />
hat. Phänomenal wäre auch das Aufspüren<br />
magnetischer Monopole o<strong>de</strong>r von<br />
Quarkbällen, bei <strong>de</strong>nen es sich um Relikte aus<br />
<strong>de</strong>r Frühphase <strong>de</strong>s Universums han<strong>de</strong>ln könnte.<br />
Mit Neutrino-Teleskopen kann man ferner <strong>die</strong><br />
in <strong>de</strong>r Erdatmosphäre erzeugten Myonen ultrahoher<br />
Energie und <strong>die</strong> Eigenschaften <strong>de</strong>r Neutrinos<br />
selbst untersuchen. Außer<strong>de</strong>m ist <strong>de</strong>nkbar,<br />
mit hochenergetischen Neutrinostrahlen<br />
aus einem Beschleuniger, <strong>die</strong> man mit Unterwasserteleskopen<br />
nachweist, <strong>die</strong> Er<strong>de</strong> wie bei<br />
einer Computertomographie zu durchleuchten.<br />
Schließlich gibt es noch einen ökologischen<br />
Aspekt: Unterwasserteleskope messen automatisch<br />
das Eigenleuchten <strong>de</strong>s Sees o<strong>de</strong>r Ozeans,<br />
in <strong>de</strong>m sie angeordnet sind. Sie eröffnen damit<br />
hochinteressante Möglichkeiten, das langfristige<br />
Verhalten von Biolumineszenz, <strong>Was</strong>serverschmutzung<br />
und <strong>de</strong>r <strong>Was</strong>serdynamik zu<br />
stu<strong>die</strong>ren. Die <strong>im</strong> Eis <strong>de</strong>s Südpols befindlichen<br />
Nachweisgeräte können darüber hinaus wichtige<br />
Erkenntnisse zur Glaziologie beitragen.<br />
39
40<br />
Superrechner s<strong>im</strong>ulieren <strong>die</strong> Realität<br />
Unentbehrliche Werkzeuge <strong>de</strong>r<br />
theoretischen Teilchenphysik<br />
Immer kompliziertere Rechnungen sind erfor<strong>de</strong>rlich,<br />
um <strong>die</strong> komplexen Prozesse <strong>im</strong> Mikrokosmos<br />
zu verstehen. Wie sieht <strong>die</strong> starke Kraft<br />
aus, <strong>die</strong> zwischen <strong>de</strong>n Quarks wirkt? Warum<br />
treten Quarks nie einzeln in <strong>de</strong>r Natur auf?<br />
Wo herkömmliche mathematische Verfahren<br />
versagen, helfen S<strong>im</strong>ulationsrechnungen. Die<br />
Mo<strong>de</strong>llierung von äußerst vielschichtigen Vorgängen<br />
durch Rechenoperationen wird heute<br />
in vielen Forschungsbereichen eingesetzt. Mit<br />
ihrer Hilfe kann man nicht nur das Wettergeschehen,<br />
son<strong>de</strong>rn auch <strong>die</strong> Reaktionen einzelner<br />
Elementarteilchen theoretisch nachbil<strong>de</strong>n.<br />
Dieser vielvers<strong>pr</strong>echen<strong>de</strong> und bereits<br />
erfolgreich beschrittene Weg trägt <strong>im</strong>mer mehr<br />
dazu bei, <strong>die</strong> Prozesse in <strong>de</strong>r Elementarteilchenwelt<br />
zu untersuchen und zu verstehen.<br />
Für <strong>die</strong> umfangreichen, sich gleichartig wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong>n<br />
Rechenarbeiten, wie sie bei numerischen<br />
S<strong>im</strong>ulationen von Elementarteilchen<br />
auftreten, wur<strong>de</strong>n von Teilchenforschern <strong>de</strong>s<br />
Istituto Nazionale di Fisica Nucleare in Rom<br />
spezielle Rechner entwickelt. Sie wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />
Firma Quadrics Supercomputing World (QSW)<br />
in Rom hergestellt. Diese Parallelrechner arbeiten<br />
mit bis zu 512 Prozessoren nach <strong>de</strong>m SIMD<br />
Der bran<strong>de</strong>nburgische<br />
Minister für Wissenschaft,<br />
Forschung und Kultur,<br />
Steffen Reiche, läßt sich<br />
von Dr. Peter Wegner, Leiter<br />
<strong>de</strong>r Gruppe „Rechnen“<br />
(<strong>im</strong> Bild vorne links)<br />
<strong>die</strong> Funktionsabläufe <strong>de</strong>r<br />
neuen Höchstleistungsrechner<br />
erklären. Im Hintergrund<br />
verfolgen Ministerialrätin<br />
Dr. Ursula<br />
Kleinhans, Vertreterin <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s Bran<strong>de</strong>nburg <strong>im</strong><br />
DESY-Verwaltungsrat, sowie<br />
Prof. Paul Söding, Leiter<br />
<strong>de</strong>s Bereichs „Forschung“<br />
in Zeuthen, <strong>die</strong><br />
Präsentation.<br />
Bei einem Rechner mit<br />
SIMD-Architektur läuft jeweils<br />
das gleiche Programm<br />
auf allen Prozessoren<br />
vollständig synchron<br />
ab. Je<strong>de</strong>r Prozessor<br />
bearbeitet <strong>die</strong> gleichen<br />
Befehle <strong>im</strong> gleichen Zeittakt,<br />
und er kann mit seinen<br />
nächsten Nachbarn<br />
sehr schnell Daten austauschen.<br />
(single instruction multiple data)-Prinzip; sie<br />
können in je<strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong> mehr als 20 Milliar<strong>de</strong>n<br />
Rechenschritte ausführen.<br />
Einsatz in Zeuthen<br />
Im Zeuthener Rechenzentrum sind mehrere<br />
solcher vergleichsweise <strong>pr</strong>eiswerten, äußerst<br />
leistungsfähigen Quadrics-Spezialrechner <strong>im</strong><br />
Einsatz. Damit besitzt DESY-Zeuthen eine <strong>de</strong>r<br />
leistungsstärksten Rechenanlagen Deutschlands<br />
zur Lösung theoretischer Probleme <strong>de</strong>r Elementarteilchenphysik.<br />
Die Rechner stehen in enger<br />
Abst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>m Höchstleistungsrechenzentrum<br />
(HLRZ) in Jülich, an <strong>de</strong>m DESY als<br />
Partner beteiligt ist, auch Nutzern universitärer<br />
Gruppen zur Verfügung. Die international<br />
zusammengesetzten Benutzergruppen haben<br />
dabei über Datenleitungen von ihren He<strong>im</strong>atinstituten<br />
Zugang zu <strong>de</strong>n Quadrics-Rechnern.<br />
Mehrere umfangreiche Projekte <strong>de</strong>r Elementarteilchentheorie<br />
wur<strong>de</strong>n auf <strong>die</strong>se Weise bearbeitet.
Projekte und Anwendungen<br />
Projekte in <strong>de</strong>r theoretischen Elementarteilchenphysik<br />
sind numerische S<strong>im</strong>ulationen<br />
• <strong>de</strong>r Stärke <strong>de</strong>r Kraft zwischen Quarks<br />
und Gluonen als Funktion <strong>de</strong>r Energie<br />
• <strong>de</strong>s Aufbaus <strong>de</strong>s Protons aus Quarks und<br />
Gluonen<br />
• <strong>de</strong>r Umwandlungen verschie<strong>de</strong>ner<br />
Quarks ineinan<strong>de</strong>r<br />
• <strong>de</strong>r Phasenübergänge <strong>im</strong> Universum kurz<br />
nach <strong>de</strong>m Urknall<br />
und <strong>die</strong> Entwicklung von Algorithmen für <strong>die</strong> Einem mo<strong>de</strong>rnen Hochleistungsrechner<br />
- das Bild<br />
• schnelle Erzeugung von Zufallszahlen zeigt einige <strong>de</strong>r Super-<br />
• effiziente Berechnung von Eigenwerten. rechner in Zeuthen - sieht<br />
man seine <strong>im</strong>mense Lei- Sind <strong>die</strong> Abstän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Größenordnung eines<br />
stungskraft nicht an. Femtometers (1 fm = 0,000 000 000 001 mm),<br />
so n<strong>im</strong>mt <strong>die</strong> Kraft <strong>de</strong>rart hohe Werte an, daß<br />
sich <strong>die</strong> Quarks in einer Quarkverbindung nicht<br />
mehr als etwa einen bis zwei Femtometer voneinan<strong>de</strong>r<br />
entfernen können. Deshalb kann ein<br />
Quark nie einzeln, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong>mer nur <strong>im</strong> Verbund<br />
mit an<strong>de</strong>ren beobachtet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die genaue Beschreibung <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Aufbau<br />
<strong>de</strong>r Nukleonen und damit <strong>de</strong>s Kerns wichtigen<br />
starken Kraft - also <strong>de</strong>r Kraft, <strong>die</strong> zwischen <strong>de</strong>n<br />
Quarks wirkt - erfolgt durch <strong>die</strong> Quantenchromodynamik,<br />
abgekürzt QCD. Nach <strong>die</strong>ser<br />
Theorie kann man sich <strong>die</strong> starke Kraft als eine<br />
Art Gummiband vorstellen. Be<strong>im</strong> Auseinan<strong>de</strong>rziehen<br />
- <strong>die</strong> Abstän<strong>de</strong> sind groß - spannt sich<br />
das Band: Die anziehen<strong>de</strong> Kraft ist stark. Bei<br />
sehr kleinen Abstän<strong>de</strong>n dagegen hängt das<br />
Band durch: <strong>die</strong> Kraft ist schwach. Die<br />
S<strong>im</strong>ulationsrechnungen haben gezeigt:<br />
Die Kraft zwischen Quark<br />
und Antiquark wur<strong>de</strong> mit<br />
Hilfe numerischer S<strong>im</strong>ulationen<br />
<strong>de</strong>r QCD für verschie<strong>de</strong>ne<br />
Abstän<strong>de</strong> berechnet.<br />
Bei einem für<br />
Quarkverbindungen großen<br />
Abstand von 1,5<br />
Femtometer wur<strong>de</strong> <strong>die</strong><br />
Anziehung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />
Quarks so groß wie <strong>die</strong><br />
Gewichtskraft eines 10 t(!)<br />
schweren Gegenstan<strong>de</strong>s.<br />
Gemeinsam zum Teraflop<br />
Wegen <strong>de</strong>s großen Potentials für <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
und <strong>de</strong>r guten Erfahrungen mit <strong>de</strong>n<br />
Parallelrechnern wird ihre Entwicklung in enger<br />
Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Forschern in Rom<br />
weiter vorangetrieben. Das Ziel ist, in einigen<br />
Jahren eine Leistung von mehreren 100 Milliar<strong>de</strong>n<br />
bis zu einer Billion Rechenschritte <strong>pr</strong>o<br />
Sekun<strong>de</strong> (man nennt es 1 Teraflops) zu erreichen.<br />
Damit wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r rechnergestützten Physik<br />
bei DESY und an <strong>de</strong>n Universitäten vielvers<strong>pr</strong>echen<strong>de</strong><br />
neue Möglichkeiten eröffnet. Auch<br />
außerhalb <strong>de</strong>r Elementarteilchenphysik zeichnen<br />
sich interessante Anwendungsmöglichkeiten<br />
für <strong>de</strong>rartige Höchstleistungsrechner ab.<br />
41
Vorbeschleuniger<br />
Strahlumlenkung<br />
m<strong>pr</strong>ession<br />
e -<br />
letzte<br />
ussierung<br />
e -<br />
e +<br />
om<strong>pr</strong>ession<br />
Vorbeschleuniger<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
e -<br />
e +<br />
Linearbeschleuniger<br />
Linearbeschleuniger<br />
Strahlumlenkung<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
St<br />
Elek<br />
für d<br />
Str<br />
42<br />
Die Zukunft<br />
Mit HERA für <strong>die</strong> Elementarteilchenphysik und<br />
DORIS/PETRA für Forschungen mit Synchrotronstrahlung<br />
verfügt DESY über mo<strong>de</strong>rne, weltweit<br />
einmalige Anlagen. Sie dürften zumin<strong>de</strong>st bis<br />
zum Jahr 2010 interessante, aufschlußreiche<br />
physikalische Ergebnisse liefern. Eine verantwortungsvolle<br />
Planung <strong>de</strong>r Forschung <strong>de</strong>nkt<br />
jedoch schon heute an <strong>die</strong> Zeit danach. Wohin<br />
geht <strong>die</strong> Entwicklung von Elementarteilchenphysik<br />
und Synchrotronstrahlung? Welche Fragestellungen<br />
erwarten neue Forschergenerationen?<br />
Mit welchen Exper<strong>im</strong>entieranlagen<br />
wird es möglich sein, <strong>die</strong> Antworten zu fin<strong>de</strong>n?<br />
Zwischen <strong>de</strong>r konzeptionellen Planung, <strong>de</strong>n<br />
ersten technischen Voruntersuchungen und <strong>de</strong>r<br />
Realisierung einer großen Beschleunigeranlage<br />
liegt erfahrungsgemäß eine Zeitspanne von 15<br />
bis 20 Jahren. Deshalb müssen schon jetzt Maßnahmen<br />
ergriffen wer<strong>de</strong>n, um Entscheidungen<br />
über ein künftiges Projekt vorzubereiten.<br />
Ein Linearcolli<strong>de</strong>r als Folge<strong>pr</strong>ojekt<br />
Um <strong>die</strong> erfor<strong>de</strong>rlichen Entscheidungsgrundlagen<br />
zu schaffen, hat DESY <strong>im</strong> Rahmen eines internationalen<br />
Forschungsverbunds bereits mit <strong>de</strong>n<br />
Untersuchungen zur konkreten Planung für ein<br />
Folge<strong>pr</strong>ojekt begonnen: einen 30 km langen<br />
Elektron-Positron-Linearcolli<strong>de</strong>r mit integrierten<br />
Röntgenlasern. Außer<strong>de</strong>m ließe sich hierin ein<br />
mo<strong>de</strong>rner Beschleuniger für <strong>die</strong> kernphysikalische<br />
Forschung einbeziehen. In <strong>de</strong>m Linearcolli<strong>de</strong>r<br />
wer<strong>de</strong>n zwei Strahlen, ein Positronenund<br />
ein Elektronenstrahl, in zwei gegeneinan<strong>de</strong>rgerichteten<br />
linearen Strecken auf 250 GeV<br />
beschleunigt und zur Kollision gebracht. Es<br />
entsteht hierbei eine Art Mini-Urknall, <strong>de</strong>ssen<br />
Energie weit über das bisher Erreichte hinausgeht.<br />
Die Wissenschaftler kommen damit noch<br />
näher an <strong>de</strong>n Anfang <strong>de</strong>s Universums heran<br />
- auf weniger als eine Billionstel Sekun<strong>de</strong>!<br />
Längen-Kom<strong>pr</strong>ession<br />
Dämpfungsring<br />
Elektronenquelle<br />
Elektronenquelle<br />
Positrionenquelle<br />
Dämpfungsring<br />
Vorbeschleuniger<br />
e -<br />
letzte<br />
Fokussierung<br />
e -<br />
e +<br />
Längen-Kom<strong>pr</strong>ession<br />
Schematische Darstellung<br />
<strong>de</strong>s bei DESY konzipierten<br />
Elektron-Positron-Linearcolli<strong>de</strong>rs<br />
mit integrierten<br />
Quellen für kohärente<br />
Synchrotronstrahlung <strong>im</strong><br />
Röntgenbereich. Gemeinsam<br />
mit 26 Instituten aus<br />
acht Län<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n Entwicklungsarbeiten<br />
für einen<br />
Linearcolli<strong>de</strong>r mit su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>n<br />
Resonatoren<br />
durchgeführt. Hierzu wird<br />
eine Testanlage <strong>im</strong> Hamburg<br />
gebaut. Sie soll nach<br />
abgeschlossenen Beschleunigertests<br />
zu einer<br />
kohärenten Synchrotronstrahlungsquelle<br />
<strong>im</strong><br />
vakuum-ultravioletten<br />
Wellenlängenbereich erweitert<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Vorbeschleuniger<br />
Strahlumlenkung<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
e -<br />
e +<br />
Linearbeschleuniger<br />
Linearbeschleuniger<br />
Strahlumlenkung<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
Strahlabsorber<br />
Intensive Quellen<br />
für Exper<strong>im</strong>ente mit<br />
kohärenter<br />
Röntgenstrahlung<br />
Elektron-Positron-Kollisionen<br />
für <strong>die</strong> Teilchenphysik<br />
Strahlabsorber<br />
Kernphysik-Exper<strong>im</strong>ente<br />
Aus <strong>de</strong>m Beschleuniger kann man einen<br />
extrem gut gebün<strong>de</strong>lten Elektronenstrahl herauslenken<br />
und ihn durch ein spezielles Magnetsystem<br />
führen. Auf <strong>die</strong>se Weise läßt sich höchst<br />
intensive, laserähnlich fokussierte Röntgenstrahlung<br />
erzeugen.<br />
30 km
Für Weiterentwicklung<br />
und Konkurrenzfähigkeit<br />
In <strong>de</strong>r Elementarteilchenforschung setzt DESY<br />
damit <strong>die</strong> Tradition fort, sein Forschungs<strong>pr</strong>ogramm<br />
komplementär zum Europäischen<br />
Zentrum CERN anzulegen. Die Exper<strong>im</strong>ente an<br />
<strong>de</strong>m Linearcolli<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n sich mit <strong>de</strong>nen an<br />
<strong>de</strong>m zukünftigen Proton-Proton-Speicherring<br />
LHC be<strong>im</strong> CERN (Fertigstellung <strong>im</strong> Jahr 2005)<br />
ergänzen. Die bei<strong>de</strong>n Anlagen wür<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m<br />
Weg zu einer alles umfassen<strong>de</strong>n Theorie <strong>de</strong>r<br />
Materie und zur Weiterentwicklung <strong>de</strong>r Kosmologie<br />
i<strong>de</strong>al zusammenwirken. Da <strong>de</strong>r Linearcolli<strong>de</strong>r<br />
mehrere Röntgenlaser treiben kann, wird<br />
<strong>die</strong> fruchtbare Symbiose zwischen Teilchenphysik<br />
und Forschung mit Synchrotronstrahlung bei<br />
DESY fortgeführt und auf ein qualitativ neues<br />
Niveau gehoben. Ein Röntgenlaser könnte molekulare<br />
Strukturen mit atomarer Auflösung<br />
räumlich abtasten und zugleich <strong>de</strong>n Ablauf<br />
chemisch-biologischer Prozesse zeitlich in <strong>de</strong>n<br />
feinsten Details zeigen. Die technologischen<br />
Entwicklungen <strong>de</strong>r Teilchenphysik könnten so<br />
in <strong>de</strong>r Chemie, Medizin, Biologie und Festkörperphysik<br />
neue Wege öffnen.<br />
Wegen <strong>de</strong>r weltweit erkannten wissenschaftlichen<br />
Chancen, <strong>die</strong> durch einen Linearcolli<strong>de</strong>r<br />
eröffnet wer<strong>de</strong>n, soll <strong>die</strong> Anlage in internationaler<br />
Zusammenarbeit geplant, entwickelt,<br />
errichtet und betrieben wer<strong>de</strong>n. Um <strong>die</strong>s zu<br />
realisieren, könnte ein <strong>pr</strong>ojektbezogenes internationales<br />
Forschungszentrum auf Zeit in<br />
Deutschland geschaffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Testaufbau <strong>de</strong>s su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>nLinearbeschleunigers<br />
bei DESY-Hamburg.<br />
Technologische Grenzen<br />
hinausschieben<br />
Für <strong>die</strong> Beschleunigungsstrecke <strong>de</strong>s DESY-<br />
Linearcolli<strong>de</strong>r sollen su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong> Hohlraumresonatoren<br />
verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Dies hat große<br />
technische Vorteile, spart Energie und führt zu<br />
besseren physikalischen Parametern als bei<br />
Beschleunigern in konventioneller, normalleiten<strong>de</strong>r<br />
Technologie, wie sie in <strong>de</strong>n USA und in<br />
Japan geplant sind. Jedoch erfor<strong>de</strong>rt ein su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>r<br />
Linearcolli<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Entwicklung einer sehr<br />
ans<strong>pr</strong>uchsvollen neue Technologie und stellt<br />
<strong>de</strong>shalb ein ehrgeiziges Innovations<strong>pr</strong>ojekt dar.<br />
Know-how aus Zeuthen<br />
Für <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s Colli<strong>de</strong>r-Prototyps in Hamburg<br />
wer<strong>de</strong>n in Zeuthen, in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>r<br />
Technischen Universität Berlin (Institut für Theoretische<br />
Elektrotechnik), <strong>die</strong> Monitore zur exakten<br />
Überwachung <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r Strahlen in <strong>de</strong>n Beschleunigern<br />
entwickelt und gefertigt. Ferner<br />
arbeitet DESY-Zeuthen an <strong>de</strong>r Konzeption eines<br />
zukünftigen Detektors für Exper<strong>im</strong>ente an einem<br />
Linearcolli<strong>de</strong>r. Dazu wer<strong>de</strong>n physikalische<br />
Prozesse, <strong>die</strong> man voraussichtlich an <strong>de</strong>m<br />
Linearcolli<strong>de</strong>r wird beobachten können, auf<br />
Rechnern s<strong>im</strong>uliert. So erhält man schon jetzt<br />
ein Bild davon, was <strong>die</strong> Wissenschaftler von <strong>de</strong>n<br />
Exper<strong>im</strong>enten <strong>de</strong>r Zukunft erwarten können.<br />
Solche Vorarbeiten sind wichtig: Durch sie fin<strong>de</strong>t<br />
man <strong>die</strong> opt<strong>im</strong>alen Strategien für <strong>die</strong> Konzeption<br />
<strong>de</strong>s Beschleunigers, <strong>de</strong>s Detektors und<br />
<strong>de</strong>r durchzuführen<strong>de</strong>n Exper<strong>im</strong>ente, um zu neuen<br />
wissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen<br />
und auch in 10 bis 20 Jahren zum Fortschreiten<br />
<strong>de</strong>r Erkenntnisse von Aufbau <strong>de</strong>r Materie<br />
und <strong>de</strong>r Entstehung <strong>de</strong>s Universums weiter beitragen<br />
zu können.<br />
g<br />
le<br />
le<br />
e<br />
g<br />
Vorbeschleuniger<br />
Strahlumlenkung<br />
om<strong>pr</strong>ession<br />
e -<br />
letzte<br />
kussierung<br />
e -<br />
e +<br />
-Kom<strong>pr</strong>ession<br />
Vorbeschleuniger<br />
43<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
e -<br />
e +<br />
Linearbeschleuniger<br />
Linearbeschleuniger<br />
Strahlumlenkung<br />
und -kom<strong>pr</strong>ession<br />
S<br />
Ele<br />
für<br />
S
44<br />
DESY auf einen Blick<br />
Gründung, Rechtsform, Mitgliedschaft<br />
DESY wur<strong>de</strong> am 18. Dezember 1959 in Hamburg<br />
als selbständige Stiftung bürgerlichen<br />
Rechts gegrün<strong>de</strong>t.<br />
In <strong>de</strong>r Satzung heißt es: „Zweck <strong>de</strong>r Stiftung<br />
ist <strong>die</strong> För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r naturwissenschaftlichen<br />
Grundlagenforschung vor allem durch <strong>de</strong>n<br />
Bau und Betrieb von Hochenergiebeschleunigern<br />
und <strong>de</strong>ren wissenschaftliche Nutzung,<br />
insbeson<strong>de</strong>re <strong>die</strong> Forschung mit Teilchen und<br />
Synchrotronstrahlung, sowie Forschungs- und<br />
Entwicklungsarbeiten, <strong>die</strong> damit <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
stehen.“<br />
Seit <strong>de</strong>m 1. Januar 1992 ist das frühere Institut<br />
für Hochenergiephysik <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie <strong>de</strong>r Wissenschaften<br />
<strong>de</strong>r DDR in Zeuthen ein Teilinstitut<br />
von DESY. - DESY ist Mitglied <strong>de</strong>r Hermann von<br />
Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren<br />
(HGF).<br />
Etat und Finanzierung<br />
Die jährlichen Zuwendungen betragen für DESY-<br />
Hamburg ca. 250 Mio DM bei 1050 Planstellen,<br />
für DESY-Zeuthen ca. 25 Mio DM bei 127<br />
Planstellen. Sie wer<strong>de</strong>n gemäß <strong>de</strong>r für Großforschungseinrichtungen<br />
üblichen Regelung zu<br />
90% vom Bund (Bun<strong>de</strong>sministerium für Bildung,<br />
Wissenschaft, Forschung und Technologie) und<br />
zu 10% vom Land Hamburg bzw. Bran<strong>de</strong>nburg<br />
getragen.<br />
Lehre und Ausbildung<br />
An <strong>de</strong>r bei DESY durchgeführten Forschung in<br />
Hamburg und Zeuthen sind ständig etwa 1000<br />
Diploman<strong>de</strong>n, Doktoran<strong>de</strong>n und Nachwuchswissenschaftler<br />
beteiligt. Fast <strong>die</strong> Hälfte von<br />
ihnen kommt aus <strong>de</strong>m Ausland. Darüber hinaus<br />
bil<strong>de</strong>t DESY in Hamburg 60 und in Zeuthen<br />
20 Lehrlinge in gewerblich-technischen Berufen<br />
aus.<br />
DESY-Hamburg mit <strong>de</strong>m<br />
HERA-Ringverlauf<br />
DESYs Organisation<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
Bei DESY angestellt (Doktoran<strong>de</strong>n, Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
und Nachwuchswissenschaftler mitgerechnet)<br />
sind:<br />
• In Hamburg:<br />
1390 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
davon 300 Wissenschaftler<br />
• In Zeuthen:<br />
Etwa 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
davon 65 Wissenschaftler.
Glossar<br />
A<br />
AMANDA<br />
Antarctic Muon And Neutrino Detector<br />
Array: Ein amerikanisch-schwedisch<strong>de</strong>utsches<br />
Projekt zum Bau eines großen<br />
Neutrino-Teleskops am Südpol.<br />
Antiteilchen/Ant<strong>im</strong>aterie<br />
Zu je<strong>de</strong>m Teilchen gehört ein Antiteilchen:<br />
Masse, Spin und Lebensdauer<br />
sind gleich, Ladungsvorzeichen und<br />
magnetisches Moment entgegengesetzt.<br />
Das Photon ist mit seinem Antiteilchen<br />
i<strong>de</strong>ntisch. Trifft ein Teilchen auf<br />
sein Antiteilchen, so wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> vernichtet;<br />
<strong>die</strong> Energie wird in Quarks, Leptonen<br />
o<strong>de</strong>r Photonen umgesetzt. Deshalb<br />
existieren innerhalb <strong>de</strong>r normalen<br />
Materie keine Antiteilchen. Sie lassen<br />
sich kurzzeitig mittels hoher Energie erzeugen<br />
und sichtbar machen. Gekennzeichnet<br />
sind sie durch das Symbol <strong>de</strong>s<br />
Teilchens mit einem Querstrich darüber.<br />
Austauschteilchen<br />
Spezielle Teilchen, auch Bosonen genannt,<br />
welche <strong>die</strong> Wechselwirkungen<br />
zwischen <strong>de</strong>n Materieteilchen vermitteln.<br />
Zu je<strong>de</strong>r Grundkraft gehören ein o<strong>de</strong>r<br />
mehrere spezifische Bosonen.<br />
B<br />
B-Mesonen<br />
Mesonen, bei <strong>de</strong>nen entwe<strong>de</strong>r das<br />
Quark o<strong>de</strong>r das Antiquark ein schweres<br />
b- (o<strong>de</strong>r b)-Quark ist.<br />
Beschleuniger<br />
Anlagen, in <strong>de</strong>nen elektrisch gela<strong>de</strong>ne<br />
Teilchen wie Elektronen o<strong>de</strong>r Protonen<br />
durch elektrische Fel<strong>de</strong>r auf hohe Energien<br />
gebracht wer<strong>de</strong>n. Man benötigt sie<br />
zur Untersuchung von Teilchen und <strong>de</strong>ren<br />
Wechselwirkungen. Zugleich <strong>die</strong>nen<br />
sie als Quelle von intensiver elektromagnetischer<br />
Strahlung - <strong>de</strong>r Synchrotronstrahlung.<br />
Bosonen<br />
→ Austauschteilchen<br />
C<br />
CERN<br />
Europäisches Forschungszentrum für<br />
Teilchenphysik in Genf (Conseil Européen<br />
pour la Recherche Nucléaire).<br />
Cherenkov-Strahlung (-Licht)<br />
Diese Strahlung tritt auf, wenn ein gela<strong>de</strong>nes<br />
Teilchen in einem Medium<br />
schneller ist als das Licht; es entsteht ein<br />
Lichtkegel ähnlich <strong>de</strong>m Machschen Kegel<br />
be<strong>im</strong> Flug eines Geschoßes mit<br />
Überschallgeschwindigkeit.<br />
Colli<strong>de</strong>r<br />
→ Linearcolli<strong>de</strong>r<br />
CP-Symmetrie<br />
Prozesse laufen gleicherweise ab, wenn<br />
alle Raumkoordinaten gespiegelt<br />
(Paritätsoperation P) und <strong>die</strong> Ladungsvorzeichen<br />
und magnetischen Momente<br />
<strong>de</strong>r beteiligten Teilchen umgedreht wer<strong>de</strong>n<br />
(Ladungskonjugation C). Diese Symmetrie<br />
ist eng mit <strong>de</strong>r Symmetrie <strong>de</strong>r<br />
Richtung <strong>de</strong>r Zeit verbun<strong>de</strong>n. Einfacher:<br />
Im Mikrokosmos ist es unwesentlich, ob<br />
ein Prozeß vor- o<strong>de</strong>r rückwärts, links<br />
o<strong>de</strong>r rechts herum o<strong>de</strong>r mit Materieo<strong>de</strong>r<br />
Ant<strong>im</strong>aterieteilchen abläuft. In <strong>de</strong>r<br />
Teilchenphysik scheint <strong>die</strong>se Symmetrie<br />
universell zu gelten; einzige bisher gefun<strong>de</strong>ne<br />
Ausnahme - <strong>de</strong>r Zerfall <strong>de</strong>r K-Mesonen.<br />
Nur durch eine Verletzung <strong>de</strong>r CP-<br />
Symmetrie läßt sich erklären, weshalb<br />
<strong>de</strong>r Kosmos überwiegend aus Materie und<br />
nicht allein aus Strahlung besteht.<br />
D<br />
DESY<br />
Deutsches Elektronen-Synchrotron, das<br />
Forschungszentrum für Teilchenphysik<br />
und Untersuchungen mit Synchrotronstrahlung<br />
mit Sitz in Hamburg und einem<br />
Teilinstitut in Zeuthen.<br />
Detektor<br />
In <strong>de</strong>r Teilchenphysik ein zumeist komplexes<br />
Instrument aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Einzelgeräten zum Nachweis von Elementarteilchen<br />
und ihren Reaktionen,<br />
durch elektronische Aufzeichnung ihrer<br />
Spuren und Messung ihrer Energie.<br />
D<strong>im</strong>ensionen<br />
10 -15 f(femto) 1 Billiardstel<br />
10 -12 p(pico) 1 Billionstel<br />
10 -9 n(nano) 1 Milliardstel<br />
10 -6 μ(mikro) 1 Millionstel<br />
10 -3 m(milli) 1 Tausendstel<br />
1<br />
10 3 k(kilo) Tausend<br />
10 6 M(Mega) Million<br />
10 9 G(Giga) Milliar<strong>de</strong><br />
10 12 T(Tera) Billion<br />
10 15 P(Peta) Billiar<strong>de</strong><br />
Driftkammer<br />
Spezielle Detektorkomponente zum<br />
Nachweis <strong>de</strong>r Spuren gela<strong>de</strong>ner Teilchen.<br />
E<br />
Elektron<br />
Stabiles, elektrisch negativ gela<strong>de</strong>nes<br />
Elementarteilchen aus <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r<br />
Leptonen; Träger <strong>de</strong>s elektrischen Stromes;<br />
zusammen mit Proton und Neutron<br />
ein Grundbaustein <strong>de</strong>r Atome.<br />
Elektronenvolt (eV)<br />
Maßeinheit für <strong>die</strong> Energie und für <strong>die</strong><br />
Masse von Teilchen. 1eV ist <strong>die</strong> Energie,<br />
<strong>die</strong> ein Elektron aufn<strong>im</strong>mt, wenn<br />
es durch eine elektrische Potentialdifferenz<br />
von 1 Volt beschleunigt wird.<br />
Die Masse <strong>de</strong>s Elektrons beträgt 0,5<br />
MeV (=10 -27<br />
Gramm). Das Proton, <strong>de</strong>r<br />
Kern <strong>de</strong>s <strong>Was</strong>serstoffatoms, hat eine<br />
Masse von ca.1 Milliar<strong>de</strong> eV (=1GeV).<br />
Elementarteilchenphysik<br />
Gebiet <strong>de</strong>r Physik, das sich mit <strong>de</strong>n fundamentalen<br />
Bausteinen <strong>de</strong>r Materie und<br />
<strong>de</strong>n <strong>die</strong>se zusammenhalten<strong>de</strong>n Kräften<br />
befaßt. Die wichtigsten instrumentellen<br />
Hilfsmittel sind Teilchenbeschleuniger, in<br />
<strong>de</strong>nen elektrisch gela<strong>de</strong>ne Teilchen hoher<br />
Energie zur Kollision gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />
Die dabei ablaufen<strong>de</strong>n Prozesse<br />
wer<strong>de</strong>n mit Detektoren untersucht.<br />
Elementarteilchen<br />
Man unterschei<strong>de</strong>t Materie- und Kraftteilchen.<br />
Erstere bil<strong>de</strong>n <strong>die</strong> kleinsten Einheiten<br />
<strong>de</strong>r Materie. Sie sind <strong>im</strong> Urknall<br />
entstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r gößere Teil von ihnen<br />
ist nach Bruchteilen von Sekun<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r<br />
zerfallen. Von <strong>de</strong>n wenigen ver<br />
G<br />
45
G<br />
46<br />
bliebenen stabilen Teilchen bil<strong>de</strong>n 2<br />
Arten von Quarks und <strong>die</strong> Elektronen<br />
<strong>die</strong> gesamte beständige Materie. Die<br />
„ausgestorbenen“ Teilchenarten lassen<br />
sich <strong>im</strong> Beschleuniger für kurze Zeit erzeugen.<br />
F<br />
Farbladung<br />
Eine Eigenschaft von Quarks und Gluonen.<br />
Die Farbladung ist <strong>die</strong> Quelle <strong>de</strong>r<br />
starken Kraft. Leptonen besitzen keine<br />
Farbladung.<br />
G<br />
GeV<br />
Energieeinheit; → Elektronenvolt<br />
Gluonen<br />
Austauschteilchen <strong>de</strong>r starkenKraft (von<br />
„glue“, engl. für „Le<strong>im</strong>“). Die Gluonen<br />
übertragen <strong>die</strong> Kraft aufgrund ihrer<br />
Farbladungen. Sie wur<strong>de</strong>n 1979 bei<br />
DESY erstmals direkt beobachtet.<br />
H<br />
H1<br />
Name eines Elektron-Proton-Kollisions<strong>de</strong>tektors<br />
an <strong>de</strong>r Speicherringanlage<br />
HERA. Forschungsschwerpunkte<br />
am H1-Detektor sind: Die Aufklärung<br />
<strong>de</strong>r inneren Struktur <strong>de</strong>s Protons, <strong>die</strong><br />
Erweiterung <strong>de</strong>s Verständnisses <strong>de</strong>r fundamentalen<br />
Kräfte und <strong>die</strong> Suche nach<br />
neuen Teilchen.<br />
Hadronen<br />
Sammelbegriff für aus Quarks und Antiquarks<br />
bestehen<strong>de</strong> Teilchen wie Protonen,<br />
Neutronen o<strong>de</strong>r Mesonen.<br />
HERA<br />
Hadron-Elektron-Ring-Anlage: <strong>die</strong> erste<br />
und weltweit einzige Elektron-Proton-<br />
Kollisionsanlage. Sie wur<strong>de</strong> bei DESY<br />
entwickelt, gebaut und 1991 in Betrieb<br />
genommen. HERA ist das gegenwärtig<br />
stärkste „Mikroskop“ für das Innere <strong>de</strong>r<br />
Materie. Das mit HERA durchgeführte<br />
Forschungs<strong>pr</strong>ogramm zur Untersuchung<br />
<strong>de</strong>s Innenlebens <strong>de</strong>s Protons und <strong>de</strong>r<br />
Natur <strong>de</strong>r es zusamenhalten<strong>de</strong>n Kräfte<br />
begann 1992 und wird gewiß bis<br />
ca. 2010 interessante Fragestellungen<br />
bereithalten.<br />
HERA-B<br />
Ein HERA-Exper<strong>im</strong>ente<strong>pr</strong>ojekt zur<br />
Untersuchung <strong>de</strong>r CP-Verletzung <strong>im</strong><br />
System von Teilchen, <strong>die</strong> ein schweres<br />
b-Quark enthalten (B-Mesonen).<br />
Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft<br />
Deutscher Forschungszentren<br />
(HGF)<br />
Dachverband von 16 nationalen Forschungszentren<br />
in Deutschland. Die<br />
HGF-Zentren verfolgen langfristige Forschungsziele<br />
<strong>de</strong>s Staates in wissenschaftlicher<br />
Autonomie. Dazu betreiben<br />
sie große Anlagen o<strong>de</strong>r bearbeiten<br />
komplexe Projekte, gemeinsam mit<br />
Universitäten, Forschungseinrichtungen<br />
und <strong>de</strong>r Industrie. HGF-Grundfinanzierung:<br />
90% vom Bund, 10% von <strong>de</strong>n<br />
jeweiligen Sitzlän<strong>de</strong>rn.<br />
HERMES<br />
Ein HERA-Exper<strong>im</strong>ente<strong>pr</strong>ojekt zur<br />
Untersuchung <strong>de</strong>r Herkunft <strong>de</strong>s Dreh<strong>im</strong>pulses<br />
(Spins) <strong>de</strong>r Nukleonen.<br />
Higgs-Teilchen<br />
Hypothetisches Teilchen (benannt nach<br />
<strong>de</strong>m englischen Physiker Higgs), das <strong>im</strong><br />
Standardmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Elementarteilchen<br />
erwartet wird. Es wür<strong>de</strong> <strong>die</strong> Herkunft <strong>de</strong>r<br />
Masse <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Teilchen erklären:<br />
Die Teilchen erhalten ihre Masse<br />
unter <strong>de</strong>m Einfluß <strong>de</strong>s zum Higgs-Teilchen<br />
gehören<strong>de</strong>n Higgs-Fel<strong>de</strong>s, das unseren<br />
gesamten Raum gleichmäßig erfüllt.<br />
K<br />
Kraft, fundamentale<br />
Es gibt 4 Arten von Grundkräften: <strong>die</strong><br />
Schwerkraft, <strong>die</strong> schwache, <strong>die</strong> elektromagnetische<br />
und <strong>die</strong> starke Kraft. Die<br />
Kräfte entstehen durch <strong>de</strong>n Austausch<br />
<strong>de</strong>r sogenannten Austauschteilchen<br />
zwischen <strong>de</strong>n Materieteilchen.<br />
L<br />
Ladung<br />
In <strong>de</strong>r Teilchenphysik <strong>die</strong>jenige Eigenschaft<br />
von Elementarteilchen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Quelle für ihre Wechselwirkungen darstellt.<br />
Es gibt 3 Arten: <strong>die</strong> schwache, <strong>die</strong><br />
elektrische Ladung und <strong>die</strong> Farbladung.<br />
L3<br />
Name für einen Elektron-Positron-<br />
Kollisions<strong>de</strong>tektor an <strong>de</strong>r Speicherringanlage<br />
LEP am CERN.<br />
LEP<br />
Kürzel für Large Electron Positron Colli<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>n weltweit größten Elektron-Positron-<br />
Speicherring am CERN (Genf) mit einem<br />
Umfang von 27 km.<br />
Leptonen<br />
Sie bil<strong>de</strong>n zusammen mit <strong>de</strong>n Quarks<br />
<strong>die</strong> Grundbausteine <strong>de</strong>r Materie. Man<br />
unterschei<strong>de</strong>t 3 Paare (je ein elektrisch gela<strong>de</strong>nes<br />
Teilchen und ein Neutrino): Elektron<br />
und Elektron-Neutrino, Myon und<br />
Myon-Neutrino, Tau und Tau-Neutrino.<br />
Linearbeschleuniger<br />
Lineare Struktur von Vakuumkammern<br />
und Beschleunigungsstrecken mit elektrischen<br />
Fel<strong>de</strong>rn; sie bün<strong>de</strong>ln und beschleunigen<br />
elektrisch gela<strong>de</strong>ne Teilchen<br />
wie Elektronen und Protonen.<br />
Linearcolli<strong>de</strong>r<br />
Zwei gegeneinan<strong>de</strong>rgerichtete, lineare<br />
Beschleuniger, <strong>die</strong> höchstenergetische<br />
Elektron-Positron-Kollisionen erzeugen.<br />
Als internationales Projekt wird bei DESY<br />
ein Linearcolli<strong>de</strong>r von 30 km Länge und<br />
einer Kollisionsenergie von 500 bis 800<br />
GeV entworfen.<br />
Luminosität<br />
Maß für <strong>die</strong> Trefferrate zwischen <strong>de</strong>n<br />
beschleunigten Teilchen und damit für<br />
<strong>die</strong> neben <strong>de</strong>r Energie wichtigste Qualität<br />
eines Beschleunigers. Sie wird um so<br />
größer, je mehr Teilchen in einem „Paket“<br />
gespeichert und je dichter sie gepackt<br />
sind. Je höher <strong>die</strong> Luminosität ist,<br />
um so mehr Teilchenkollisionen können<br />
von <strong>de</strong>n Detektoren registriert wer<strong>de</strong>n.
M<br />
Materie<br />
Alle bisher bekannte Materie besteht aus<br />
<strong>de</strong>n Grundbausteinen Quarks und Leptonen<br />
(wovon es je 6 verschie<strong>de</strong>ne Arten<br />
gibt). Die Materie unserer Er<strong>de</strong> ist<br />
hauptsächlich aus Protonen, Neutronen<br />
und Elektronen aufgebaut, <strong>de</strong>n Bausteinen<br />
aller Atome; <strong>die</strong> Protonen und Neutronen<br />
ihrerseits bestehen aus u- und<br />
d-Quarks.<br />
Meson<br />
Ein Teilchen, das aus einem Quark und<br />
einem Antiquark besteht. Die Mesonen<br />
sind Reaktions<strong>pr</strong>odukte hochenergetischer<br />
Prozesse; sie zerfallen<br />
innerhalb von Millionstelsekun<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>nnoch<br />
können sie in Detektoren beobachtet<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Mikrokosmos<br />
Bezeichnung für <strong>die</strong> Strukturen innerhalb<br />
sehr kleiner Zellen <strong>de</strong>s Universums;<br />
<strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>im</strong> Innern <strong>de</strong>r Atome und damit<br />
<strong>im</strong> Innern <strong>de</strong>r Materie; <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>de</strong>r<br />
Elementarteilchen und <strong>de</strong>ren Wechselwirkungen.<br />
N<br />
Neutrino<br />
Elementarteilchen aus <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r<br />
Leptonen. Zu je<strong>de</strong>r elektrisch gela<strong>de</strong>nen<br />
Leptonen-Spezies gehört eine Neutrino-Spezies.<br />
Nach heutiger Kenntnis<br />
sind Neutrinos masselos, elektrisch neutral<br />
und schwach wechselwirkend. Deswegen<br />
können sie Materie ungehin<strong>de</strong>rt<br />
passieren. Milliar<strong>de</strong>n von Neutrinos<br />
durchdringen uns in je<strong>de</strong>r Sekun<strong>de</strong>.<br />
Neutrino-Teleskop<br />
Großräumige Meßanordnung zum<br />
Nachweis kosmischer Neutrinos, <strong>die</strong> bei<br />
Elementarteilchen<strong>pr</strong>ozessen <strong>im</strong> fernen<br />
Universum entstehen, und zur Best<strong>im</strong>mung<br />
ihrer Herkunftsrichtung.<br />
Neutron<br />
Elektrisch nicht gela<strong>de</strong>nes Teilchen, das<br />
aus drei Quarks (udd) zusammengesetzt<br />
ist. Die Neutronen bil<strong>de</strong>n zusammen<br />
mit <strong>de</strong>n Protonen <strong>die</strong> Atomkerne.<br />
Nukleon<br />
Oberbegriff für <strong>die</strong> Bausteine <strong>de</strong>s Atomkerns:<br />
Protonen und Neutronen, <strong>die</strong><br />
selbst aus Quarks aufgebaut sind.<br />
P<br />
Parallelrechner<br />
Ein Rechner, bei <strong>de</strong>m ein Programm<br />
durch mehrere Prozessoren gleichzeitig<br />
abgearbeitet wird; <strong>die</strong> Rechenzeit<br />
kann dadurch erheblich verkürzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Photon (Lichtquant)<br />
Austauschteilchen <strong>de</strong>r elektromagnetischen<br />
Wechselwirkung. Das Photon ist<br />
masselos und elektrisch neutral.<br />
Photovervielfacher<br />
Hochempfindliches Nachweisgerät für<br />
sehr schwache Licht<strong>im</strong>pulse, <strong>die</strong> in elektrische<br />
Impulse umgewan<strong>de</strong>lt und<br />
gleichzeitig verstärkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Polarisation<br />
Man s<strong>pr</strong>icht von Polarisation, wenn <strong>die</strong><br />
Dreh<strong>im</strong>pulse(Spins) von Teilchen in eine<br />
best<strong>im</strong>mte Richtung eingestellt sind.<br />
Positron<br />
Das Antiteilchen zum Elektron; daher<br />
elektrisch positiv gela<strong>de</strong>n.<br />
Proton<br />
Positiv gela<strong>de</strong>nes Teilchen, das aus<br />
Quarks(uud) zusammengesetzt ist. Protonen<br />
bil<strong>de</strong>n zusammen mit <strong>de</strong>n Neutronen<br />
<strong>de</strong>n Atomkern.<br />
Q<br />
Quantenchromodynamik (QCD)<br />
Die Theorie <strong>de</strong>r starken Wechselwirkung,<br />
d.h. <strong>de</strong>r Kraft zwischen Quarks, <strong>die</strong><br />
durch Austausch von Gluonen entsteht.<br />
Quarks<br />
Fundamentale Bausteine <strong>de</strong>r Materie.<br />
Wie bei <strong>de</strong>n Leptonen gibt es sechs verschie<strong>de</strong>ne<br />
Quarks, zusammengefaßt<br />
zu 3 Paaren: das Up- und Down-, das<br />
Charm- und Strange- und das Top- und<br />
Bottom-Quark (Kürzel: u-, d-, c-, s-, tund<br />
b-Quark). Quarks treten stets ent-<br />
we<strong>de</strong>r als Quark-Antiquark-Paare o<strong>de</strong>r<br />
als Dreierkombination aus 3 Quarks<br />
o<strong>de</strong>r 3 Antiquarks auf. Sie sind Bausteine<br />
<strong>de</strong>r Protonen, Neutronen und Mesonen.<br />
R<br />
Resonator<br />
Wichtige Komponente von Beschleunigern;<br />
es sind metallische Hohlkörper,<br />
in <strong>de</strong>nen elektromagnetische Fel<strong>de</strong>r<br />
schwingen, <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Beschleunigung <strong>de</strong>s<br />
Teilchenstrahls <strong>die</strong>nen. Gewöhnlich<br />
wer<strong>de</strong>n Resonatoren aus Kupfer hergestellt<br />
und sind normalleitend; neuerdings<br />
baut man aber auch su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong><br />
Resonatoren, <strong>die</strong> aus Niob bestehen.<br />
S<br />
Schwache Wechselwirkung<br />
Eine <strong>de</strong>r fundamentalen Wechselwirkungen<br />
zwischen Elementarteilchen.<br />
Sie ermöglicht <strong>die</strong> Kernfusion in Sternen<br />
und damit das Leuchten <strong>de</strong>r Sonne und<br />
verursacht <strong>de</strong>n Zerfall mancher Atomkerne.<br />
Sie wird durch Austausch von Wund<br />
Z-Bosonen übertragen.<br />
Speicherring<br />
Anlage mit einer ringförmigen evakuierten<br />
Röhre, in <strong>de</strong>r auf hohe Energien<br />
beschleunigte Elektronen o<strong>de</strong>r Protonen<br />
über mehrere Stun<strong>de</strong>n umlaufen<br />
können. Speicherringe wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n<br />
Beschleunigeranlagen <strong>de</strong>r Teilchenphysik<br />
und zur Erzeugung von<br />
Synchrotronstrahlung eingesetzt.<br />
Spektrometer<br />
Eine Nachweisapparatur, mit <strong>de</strong>r <strong>die</strong> bei<br />
einem Prozeß erzeugten Teilchen in best<strong>im</strong>mten<br />
räumlichen Richtungen registriert<br />
und in <strong>de</strong>r ihre Energien gemessen<br />
wer<strong>de</strong>n können.<br />
Spin<br />
Eigendreh<strong>im</strong>puls von Elementarteilchen,<br />
<strong>die</strong> sich wie ein Kreisel um sich<br />
selbst zu drehen scheinen. Der Spin<br />
kann nur best<strong>im</strong>mte „gequantelte“ Werte<br />
annehmen. Bei Materieteilchen<br />
(Quarks, Leptonen) hat er <strong>de</strong>n festen<br />
Wert h/4π (h=Plancksche Konstante).<br />
G<br />
47
G<br />
48<br />
Standardmo<strong>de</strong>ll<br />
Die heutige, sehr gut bestätigte, wenngleich<br />
vorläufige Theorie <strong>de</strong>r Elementarteilchen<br />
- das heißt ihrer schwachen,<br />
elektromagnetischen und starken Wechselwirkungen.<br />
Sie beschreibt <strong>die</strong>se zwar<br />
sehr genau, läßt aber viele grundlegen<strong>de</strong><br />
Fragen <strong>de</strong>r Elementarteilchenphysik<br />
unbeantwortet.<br />
Streuung/Streu<strong>pr</strong>ozeß<br />
Vorgang bei <strong>de</strong>r Kollision von Teilchen<br />
in Speicherringen. Das „gestreute“, also<br />
abgelenkte Teilchen (z.B. ein Elektron)<br />
überträgt einen Teil seines Impulses und<br />
seiner Energie auf das streuen<strong>de</strong> Teilchen<br />
(z.B. ein Proton), wobei zugleich<br />
neue Teilchen erzeugt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Su<strong>pr</strong>aleitung<br />
Eigenschaft einiger Metalle bei sehr tiefen<br />
Temperaturen: Der elektrische Wi<strong>de</strong>rstand<br />
wird Null; d.h. elektrischer<br />
Strom fließt verlustfrei ohne Energieverbrauch.<br />
Mo<strong>de</strong>rne Beschleuniger nutzen<br />
su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong> Magnete und Hochfrequenzresonatoren,<br />
<strong>die</strong> bei Temperaturen<br />
nahe <strong>de</strong>m absoluten Nullpunkt arbeiten.<br />
Synchrotron<br />
Die mo<strong>de</strong>rne Version <strong>de</strong>r Ringbeschleuniger.<br />
Die Bahn <strong>de</strong>s umlaufen<strong>de</strong>n Teilchenstrahls<br />
bleibt während <strong>de</strong>r Beschleunigung<br />
nahezu unverän<strong>de</strong>rt. Dies<br />
erfor<strong>de</strong>rt ein Magnetfeld (es hält <strong>die</strong><br />
Teilchen auf ihrer Bahn), das synchron<br />
mit <strong>de</strong>r Energiezunahme anwächst.<br />
Synchrotronstrahlung<br />
Intensive, gebün<strong>de</strong>lte und breitbandige<br />
elektromagnetische Strahlung, <strong>die</strong> an<br />
<strong>de</strong>n Synchrotrons <strong>de</strong>r Elementarteilchenforscher<br />
anfänglich als Störeffekt<br />
ent<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong>. Sie entsteht, wenn<br />
gela<strong>de</strong>ne Teilchen mit sehr hohen Geschwindigkeiten<br />
durch ein magnetisches<br />
Feld abgelenkt wer<strong>de</strong>n. Ihre einzigartigen<br />
Eigenschaften ermöglichen vielfältige<br />
Anwendungen in <strong>de</strong>r Materialforschung,<br />
<strong>de</strong>r Oberflächenphysik, <strong>de</strong>r<br />
Chemie, Biologie, medizinischen Diagnostik<br />
u.a. Auch DESY verfolgt ein breites<br />
Forschungs<strong>pr</strong>ogramm mit <strong>de</strong>r<br />
Synchrotronstrahlung.<br />
Szintillator<br />
Durchsichtige Festkörper, Flüssigkeiten<br />
o<strong>de</strong>r Gase, <strong>die</strong> angeregt durch ionisieren<strong>de</strong><br />
Strahlung kurze Lichtblitze emittieren,<br />
<strong>die</strong> dann mit Photosensoren<br />
nachgewiesen wer<strong>de</strong>n können.<br />
Szintillatoren fin<strong>de</strong>n wegen ihrer hohen<br />
zeitlichen und räumlichen Auflösung<br />
breite Anwendung in <strong>de</strong>n Detektoren<br />
<strong>de</strong>r Teilchenphysik und neuerdings auch<br />
in <strong>de</strong>r medizinischen Diagnostik.<br />
T<br />
Target<br />
Auf <strong>de</strong>utsch: Ziel. In einem Objekt wie<br />
einem dünnen Draht o<strong>de</strong>r einem kleinen<br />
Gasvolumen wer<strong>de</strong>n durch Beschuß<br />
mit energiereichen Teilchen<br />
Reaktionen ausgelöst und sodann in<br />
einem Spektrometer beobachtet.<br />
Teilchenfamilie<br />
Quarks und Leptonen geordnet nach<br />
ihren Eigenschaften; je<strong>de</strong> Familie besteht<br />
aus 2 Quarks und 2 Leptonen. Die<br />
drei Familien sind: 1. Up-Quark, Down-<br />
Quark, das Elektron und sein Neutrino;<br />
2. Charm-Quark, Strange-Quark<br />
und das Myon nebst seinem Neutrino;<br />
3. Top-Quark, Bottom-Quark, das Tau<br />
und Tau-Neutrino. Die gewöhnliche<br />
Materie ist allein aus <strong>de</strong>r ersten Teilchenfamilie<br />
gebil<strong>de</strong>t.<br />
Teilchenstrahl<br />
Viele Milliar<strong>de</strong>n von stabilen, schnell<br />
und gerichtet fliegen<strong>de</strong>n Teilchen wie<br />
Elektronen, Protonen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Antiteilchen.<br />
Möglichst viele Teilchen wer<strong>de</strong>n<br />
in ein möglichst kleines Volumen<br />
fokussiert (<strong>im</strong> Interesse einer hohen<br />
Trefferwahrscheinlichkeit). So entstehen<br />
Teilchenpakete, <strong>die</strong> mehrere Zent<strong>im</strong>eter<br />
lang und von sehr kleinem Querschnitt<br />
sind und <strong>die</strong> <strong>im</strong> Vakuumrohr<br />
eines Beschleunigers gegeneinan<strong>de</strong>r<br />
gelenkt wer<strong>de</strong>n.<br />
TESLA<br />
Kurzname für TeV-Energy Superconducting<br />
Linear Accelerator, einer bei<br />
DESY vorangetriebenen Entwicklung für<br />
einen Linearcolli<strong>de</strong>r. TESLA arbeitet mit<br />
su<strong>pr</strong>aleiten<strong>de</strong>n Beschleunigerstrukturen<br />
<strong>im</strong> Frequenzbereich von1,3 GHz und<br />
Beschleunigerspannungen von mehr als<br />
20 Millionen Volt <strong>pr</strong>o Meter.<br />
V<br />
Vakuumrohr<br />
Wichtige Beschleunigerkomponente;<br />
damit möglichst wenige Partikel eines<br />
Teilchenstrahls durch Kollision mit Luftmolekülen<br />
verlorengehen, läuft <strong>de</strong>r<br />
Strahl in einem Rohr, in <strong>de</strong>m ein Höchstvakuum<br />
herrscht.<br />
Valenzquarks<br />
Bezeichnung für <strong>die</strong> drei Quarks, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Eigenschaften <strong>de</strong>s Nukleons maßgeblich<br />
best<strong>im</strong>men. Der Ausdruck<br />
„Valenzquarks“ wur<strong>de</strong> eingeführt, um<br />
<strong>die</strong>se drei Quarks von <strong>de</strong>n Quarks und<br />
Antiquarks <strong>im</strong> Nukleon zu unterschei<strong>de</strong>n,<br />
in <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> ebenfalls <strong>im</strong> Nukleon<br />
vorhan<strong>de</strong>nen Gluonen für sehr<br />
kurze Zeit verwan<strong>de</strong>ln können.<br />
W<br />
W-Bosonen<br />
Elektrisch gela<strong>de</strong>ne Austauschteilchen<br />
<strong>de</strong>r schwachen Wechselwirkung mit einer<br />
Masse von 80 GeV.<br />
Wechselwirkung<br />
Allgemein: gegenseitige Beeinflussung<br />
zweier Elementarteilchen. Sie äußert<br />
sich dadurch, daß <strong>die</strong> Teilchen Kräfte<br />
aufeinan<strong>de</strong>r ausüben; häufig führt sie<br />
be<strong>im</strong> Zusammentreffen <strong>de</strong>r Teilchen<br />
auch zu Streu- o<strong>de</strong>r Umwandlungs<strong>pr</strong>ozessen;<br />
hierbei können Teilchen zum<br />
Beispiel vernichtet o<strong>de</strong>r neue Teilchen<br />
gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Z<br />
Z-Boson<br />
Neutrales Austauschteilchen <strong>de</strong>r schwachen<br />
Wechselwirkung mit einer Masse<br />
von 91 GeV.<br />
ZEUS<br />
Name für einen Elektron-Proton-<br />
Kollisions<strong>de</strong>tektor an <strong>de</strong>r Speicherringanlage<br />
HERA (siehe auch H1).
Herausgeber:<br />
DESY Zeuthen<br />
Platanenallee 6<br />
D-15738 Zeuthen<br />
Tel.: 033762/77-0<br />
Fax: 033762/77-330<br />
E-mail: <strong>de</strong>syinfo@ifh.<strong>de</strong><br />
http://www.ifh.<strong>de</strong><br />
DESY<br />
Deutsches Elektronen-Synchrotron<br />
Notkestraße 85<br />
D-22607 Hamburg<br />
Tel.: 040/8998-0<br />
Fax: 040/8998-3282<br />
E-mail: <strong>de</strong>syinfo@<strong>de</strong>sy.<strong>de</strong><br />
http://www.<strong>de</strong>sy.<strong>de</strong><br />
Konzeption und Text:<br />
Paul Söding, Annette Schulz, Manfred Ritschel<br />
Gestaltung, Layout, Umsetzung:<br />
WiTec-PR, Dr. Ritschel & Partner, Karlsruhe<br />
Grafiken:<br />
CERN (Titel, S. 6; 33; 36)<br />
DESY (S.13; 23re; 29; 30; 44)<br />
alle übrigen: Christine Ritschel, WiTec-PR<br />
Fotos:<br />
Kai Desler<br />
Christel Engelhardt<br />
Peter Ginter<br />
Wolfgang Lachnit<br />
Manfred Schulze-Alex<br />
Moiken Sörensen-Pehrs<br />
Christian Spiering<br />
Kerstin Stolze<br />
Heike Thum-Schmielau<br />
DESY<br />
Druck: ENGELHARDT & BAUER, Karlsruhe<br />
Redaktionsschluß: Februar 1998<br />
Diese Broschüre kann kostenlos bezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, unter Nennung<br />
<strong>de</strong>r Quelle gerne gestattet.
Deutsches<br />
Elektronen-Synchrotron