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Wilfried Härle: Vertrauenssache (Leseprobe)

»Glaube« bedeutet sowohl festes Vertrauen als auch eine nicht beweisbare Vermutung. Diese beiden Elemente machen miteinander die Besonderheit von »glauben« aus. Vom Beginn unseres Lebens an sind wir darauf angewiesen, auf Menschen und Botschaften zu vertrauen, für deren Glaubwürdigkeit wir keine Beweise haben. Auch die Wissenschaft basiert letztlich auf Glaubensüberzeugungen. Beim Glauben an Gott aber geht es darum, das ganze Leben einer unsichtbaren Macht anzuvertrauen. Das ist nicht immer leicht, Zweifel können aufkommen. Wilfried Härle ist in ganz Deutschland bekannt für seine dem Menschen nahe und darum verständliche Theologie. Erneut legt er ein packendes Werk vor, das Zerreißproben zwischen Glaube und Zweifel nicht auslässt. Aber es zeigt auch, wie Zweifel den Glauben reinigen kann und Glaube als Gottvertrauen sich gerade in schweren Zeiten als tragfähig erweist.

»Glaube« bedeutet sowohl festes Vertrauen als auch eine nicht beweisbare Vermutung. Diese beiden Elemente machen miteinander die Besonderheit von »glauben« aus. Vom Beginn unseres Lebens an sind wir darauf angewiesen, auf Menschen und Botschaften zu vertrauen, für deren Glaubwürdigkeit wir keine Beweise haben. Auch die Wissenschaft basiert letztlich auf Glaubensüberzeugungen. Beim Glauben an Gott aber geht es darum, das ganze Leben einer unsichtbaren Macht anzuvertrauen. Das ist nicht immer leicht, Zweifel können aufkommen.
Wilfried Härle ist in ganz Deutschland bekannt für seine dem Menschen nahe und darum verständliche Theologie. Erneut legt er ein packendes Werk vor, das Zerreißproben zwischen Glaube und Zweifel nicht auslässt. Aber es zeigt auch, wie Zweifel den Glauben reinigen kann und Glaube als Gottvertrauen sich gerade in schweren Zeiten als tragfähig erweist.

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Kapitel 2: Christlicher Glaube als Vertrauen auf Gott<br />

Gerhard Tersteegen (1697–1769) hat das in seinem bekannten<br />

Lied „Gott ist gegenwärtig“ faszinierend ausgedrückt<br />

in der Bitte an Gott: „Lass mich … dich wirken lassen“ (EG<br />

165,6). In den acht Strophen dieses Liedes kommt das Verb<br />

„lassen“ neun Mal vor. Es ist das Schlüsselwort dieses ganzen<br />

Liedes und gehört unverzichtbar in die Definition von<br />

„Vertrauen“.<br />

Aber diese Definition ist in einer Hinsicht noch zu ungenau,<br />

weil sie zu formal ist. Sie könnte unter Umständen<br />

auch für Phänomene wie Angst, Furcht, Wut oder Hass<br />

gelten. An der bisherigen Definition fehlt offensichtlich<br />

noch das positive Moment, das für den Begriff „Vertrauen“<br />

charakteristisch ist und ihn von solchen negativ motivierten<br />

Verhaltensweisen unterscheidet. Dieses positive Element<br />

im Vertrauen besteht darin, dass ein Mensch, der auf<br />

jemanden oder etwas vertraut, dies tut in der Hoffnung,<br />

dass ihm Gutes zuteil wird. Das muss nicht immer Angenehmes<br />

oder Lustvolles sein, wohl aber etwas, das dem<br />

Wohl des Menschen dient, das also für ihn ein hohes Gut<br />

oder sogar das höchste Gut (summum bonum) ist.<br />

Von daher lässt sich nun präzisieren: Glaube als Vertrauen<br />

meint das Sich-gewinnen-Lassen für die Hinwendung<br />

bzw. Hingabe an ein Gegenüber in der Hoffnung auf<br />

Gutes.<br />

Daraus ergibt sich eine Einsicht, die sowohl das Wesen<br />

des Glaubens als auch die Verfassung des Menschen betrifft:<br />

– Glaube als Vertrauen ist eine Ausrichtung und Bewegung<br />

auf ein positives Ziel hin, das traditionell zu Recht<br />

mit Begriffen wie „Glück“, „Seligkeit“ oder „Glückselig-<br />

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