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Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz

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Asymmetrien des mittelalterlichen Dombaus zu mildern hoffte. Sie bot der Familie Chigi die<br />

Gelegenheit, sich <strong>in</strong> der Kathedrale ihrer Heimatstadt glanzvoll zu präsentieren und das Pontifikat<br />

des Chigi-Papstes zu glorifizieren.<br />

Nicht selbstverständlich ersche<strong>in</strong>t uns heute, daß man im 17. Jahrhundert forderte, die neu<br />

h<strong>in</strong>zukommenden Bauteile großenteils im gotischen Stil zu gestalten, wobei man sich offensichtlich<br />

an Leone Battista Albertis dictum von der „conc<strong>in</strong>nitas universalium partium“ orientierte.<br />

Insbesondere bestand der Papst auf der Bewahrung der Stile<strong>in</strong>heit des Doms, obwohl weder er<br />

noch se<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsarchitekt Bern<strong>in</strong>i besondere Freunde der Gotik waren. So überrascht es weiter,<br />

daß das Äußere der Chigi-Kapelle im Zusammenhang der seicentesken gotischen Marmor-<br />

Südfassade des Doms überhaupt nicht als eigenständiger Baukörper erkennbar ist. Das ausgeprägte<br />

Stilbewußtse<strong>in</strong> der Protagonisten des Umbaus ist sicherlich e<strong>in</strong>e neue Erkenntnis der vorliegenden<br />

Abhandlung, das den Pontifex zu e<strong>in</strong>em überraschenden Maß an Selbstverleugnung veranlaßte,<br />

obwohl er hohe Summen stiftete. Präzise können wir nun auch bestimmen, wer für die Planung<br />

der neuen gotischen Bauteile zuständig war. Es ist der Sieneser Architekt Bartolomeo Giovannelli.<br />

Die Vorschläge Bern<strong>in</strong>is, der sich hier sogar herbeiließ, gotisch zu planen, kamen nicht zum Zuge.<br />

Auch für die architektonische Gestaltung des Innern der Chigi-Kapelle muß der Anteil Bern<strong>in</strong>is<br />

erheblich reduziert werden. Galt er bisher aufgrund mißverstandener Quellen (Golzio) als deren<br />

Architekt, stellt sich aufgrund der Quellenpublikation von Monika Butzek (1996) heraus, daß<br />

deren Inneres im wesentlichen vom Papst <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Architekten Giovannelli<br />

entwickelt wurde. Der Papst legte im Wettbewerb mit se<strong>in</strong>en Vorgängern großen Wert auf die<br />

kostbare Ausstattung des kreisförmigen Kapellen<strong>in</strong>nern mit farbigem Marmor. Besonders se<strong>in</strong>e<br />

Stiftung von acht antiken grünen Säulen (verde antico) aus dem Innern der konstant<strong>in</strong>ischen<br />

Lateransbasilika bestimmte Gliederung und Farbkonzept. Erst bei der Inszenierung des<br />

Gnadenbildes der „Madonna del Voto“ wurden Bern<strong>in</strong>i und se<strong>in</strong> Künstlerteam herangezogen.<br />

Offensichtlich hat er auch Alternativ-Entwürfe zu den Planungen Giovannellis geliefert<br />

(Marmorfußboden, Stuckdekor der Kuppel). Sie tragen zum bern<strong>in</strong>esken Charakter des<br />

Kapellen<strong>in</strong>nern bei. Allerd<strong>in</strong>gs läßt sich se<strong>in</strong>e Autorschaft hier nicht dokumentarisch belegen.<br />

Gänzlich unbekannt war bisher, daß auch die dom<strong>in</strong>ierende Domkuppel nach Entwürfen Bern<strong>in</strong>is<br />

neu gestaltet wurde, wie die von Butzek publizierten Quellen nahe legen. Sie bildet den krönenden<br />

Abschluß der Arbeiten unter Alexander VII. (1665/67). Diese barocke Neugestaltung des Siena<br />

beherrschenden mittelalterlichen Dom-Akzents war durch die große Dunkelheit des Dom<strong>in</strong>nern<br />

veranlaßt, es sollte so mehr Licht <strong>in</strong> den Kuppelraum gelangen. Der Papst befürchtete offenbar,<br />

se<strong>in</strong>e prachtvolle neue Kapelle würde <strong>in</strong> dessen diffusem Dämmerlicht gar nicht wahrgenommen.<br />

Diese Sorge führte auch zur Umgestaltung des nördlichen Pendants der Chigi-Kapelle, der aus<br />

dem Ende des Quattrocento stammenden, ebenfalls kreisförmigen Kapelle Johannes des Täufers.<br />

Um diese Arbeiten <strong>in</strong> ihrem historischen Kontext angemessen darstellen zu können, wurde zunächst<br />

die Kapelle des späten Quattrocento rekonstruiert. Hier ließen sich ebenfalls aufgrund der<br />

umfassenden Quellenarbeit zum Domband neue Erkenntnisse über die Entstehungsgeschichte,<br />

die Autorschaft und die ursprüngliche Gestalt gew<strong>in</strong>nen. Besonders bemerkenswert dürfte die<br />

durch die Quellenlage wahrsche<strong>in</strong>lich gemachte Autorschaft Francesco di Giorgios für den Entwurf<br />

der Kapelle se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Annahme, die durch die Antikenstudien im Architekturtraktat des Malers<br />

und Architekten gestützt wird, mit denen sich Berührungspunkte ergeben. Die neue Zuschreibung<br />

an Francesco di Giorgio wird im übrigen durch e<strong>in</strong>en Zeichnungsfund von anderer Seite gestützt,<br />

der ebenfalls noch E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> den Domband f<strong>in</strong>den soll. Die Neugestaltung des Kapellen<strong>in</strong>nern<br />

unter Alexander VII. war ebenfalls durch große Dunkelheit veranlaßt und sollte das Gegenstück<br />

der Chigi-Kapelle an deren ästhetische Standards angleichen, wobei trotz erheblichem Aufwand an<br />

Marmor und Stuck, e<strong>in</strong> gestalterischer und materieller Abstand zur Papst-Kapelle gewahrt wurde.<br />

Man begnügte sich hier mit künstlerischen Kräften Sienas.<br />

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Die Kirchen von Siena

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