Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz
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Die Apsis im Osten des Domes<br />
Peter Anselm Riedl<br />
Die Apsis im Osten des Sieneser Domes überrascht durch ihre ger<strong>in</strong>ge Tiefe. Er<strong>in</strong>nerungen an<br />
illusionistische Raumerweiterungen stellen sich e<strong>in</strong>, etwa an den (wenn auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Flachheit<br />
noch viel radikaleren) Bramanteschen Sche<strong>in</strong>chor von S. Maria presso San Satiro <strong>in</strong> Mailand von<br />
1479 ff. Die erste auf die Sieneser Apsis bezogene Nachricht vom 23. Juni 1506 nennt allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht alle<strong>in</strong> ästhetische, sondern auch funktionale Gründe für die damals nur als Projekt existierende<br />
Raumzutat, nämlich die Notwendigkeit, Platz für e<strong>in</strong>en neuen Kanonikerchor zu gew<strong>in</strong>nen. Es<br />
wird gesagt, daß die neue Apsis „secundum modellum magistri Francisci Georgii“ ausgeführt<br />
werden solle, wobei freigestellt wurde, den älteren Entwurf – Francesco di Giorgio war bereits<br />
1502 gestorben – abzuwandeln.<br />
Realisiert wurde die Nische erst e<strong>in</strong>e Generation später, nämlich zwischen Dezember 1534 und<br />
Oktober 1536: Die Ostwand des Domes wurde im entsprechenden Bereich ausgehöhlt und glatt<br />
ausgemauert. Basis dieser Arbeiten war offenkundig e<strong>in</strong> Entwurf Baldassare Peruzzis, der se<strong>in</strong>erseits<br />
als Reaktion auf das heute verlorene Modell Francesco di Giorgios zu verstehen se<strong>in</strong> mag. E<strong>in</strong>e<br />
Zeichnung und mehrere Vertragsdokumente lassen sich mit Peruzzis Tätigkeit für die Domopera<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen. Peruzzis Entwurf sieht für die Apsis e<strong>in</strong>e reiche Stuck- und<br />
Freskendekoration vor. Das mittlere Feld ist als Fensteröffnung mit e<strong>in</strong>er figurativen Verglasung<br />
ausgelegt.<br />
Es gibt e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis darauf, daß Peruzzi <strong>in</strong> die erste Phase der Ausführung der Apsis selbst<br />
<strong>in</strong>volviert war, dann aber wegen Differenzen Siena verlassen habe. Was die Großgliederung der<br />
Apsis, nicht aber das ikonographische Programm angeht, sollte Peruzzis Konzeption jedenfalls<br />
verb<strong>in</strong>dlich bleiben. Mit Stuckornamenten und Fresken ausgestattet wurde die neugeschaffene<br />
Apsis dann seit September 1535 durch Domenico Beccafumi (Schlußzahlung vom 2. Mai 1544).<br />
Die Apsis hat später e<strong>in</strong>ige Veränderungen erfahren. Das zentrale Fenster wurde möglicherweise<br />
schon 1558, spätestens aber 1812 zugesetzt. Die Stützenschäfte der Nische wurden 1610/11 um<br />
üppige Rankenreliefs bereichert. Am Ersche<strong>in</strong>ungsbild des Sieneser Dom<strong>in</strong>nenraumes hat die<br />
Apsis nicht unerheblich Anteil. Architektonisch mehr e<strong>in</strong>e aus der Not geborene Tugend als e<strong>in</strong><br />
Zeugnis besonderen Raff<strong>in</strong>ements, <strong>in</strong>terpretiert sie das für den Gesamtraum so bestimmende<br />
Rundbogenthema an wichtiger Stelle auf ihre eigene, neue stilistische Akzente setzende Weise.<br />
Baldassarre Peruzzis Entwürfe für e<strong>in</strong>en Umbau des Sieneser Doms (um 1531/32)<br />
Matthias Quast<br />
Von 1520 bis 1527 war Baldassarre Peruzzi (1481–1536) als zweiter Architekt auf der Baustelle von<br />
St. Peter, der großen Ideenwerkstatt der Architektur der Hochrenaissance, tätig gewesen und mit<br />
der Problematik der ungewöhnlich großen Kuppelwölbung vertraut geworden. Zwischen 1521<br />
und 1523 hatte er zudem Entwürfe für e<strong>in</strong>e Vollendung von S. Petronio <strong>in</strong> Bologna geliefert. Ab<br />
1527 ist er wieder <strong>in</strong> Siena greifbar als Regierungsbaumeister der Sieneser Republik und als<br />
Dombaumeister, und um 1531/32 entstehen – offensichtlich ohne Auftrag – e<strong>in</strong>e Reihe von<br />
Entwürfen, die e<strong>in</strong>en gewaltigen Domumbau ausdenken. Sieben Grundrißzeichnungen s<strong>in</strong>d<br />
erhalten, sechs im Gab<strong>in</strong>etto Disegni e Stampe der Uffizien und e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek <strong>in</strong> Wien. Diese Blätter, die <strong>in</strong> He<strong>in</strong>rich Wurms Tafelband Baldassarre Peruzzi:<br />
Architekturzeichnungen (Tüb<strong>in</strong>gen 1984) zusammengestellt s<strong>in</strong>d, werden nun erstmals systematisch<br />
analysiert.<br />
Nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>grenzung des Entstehungszeitraums auf 1531/32 aufgrund von Indizien, die sich<br />
auf den Blättern selbst f<strong>in</strong>den – etwa <strong>in</strong> der Form diverser Beschriftungen oder andere Orte<br />
betreffender Skizzen – , geht es vor allem darum, die <strong>in</strong> Technik und Ausführung höchst<br />
unterschiedlichen und oft komplexen Zeichnungen überhaupt lesbar zu machen.<br />
Die Grundrisse zeigen mal den ganzen Bau, mal den Vierungsbereich mit den Anschlüssen an die<br />
Schiffe, mal davon wiederum nur Details. E<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d als Ideenskizzen <strong>in</strong> Rötel h<strong>in</strong>geworfen,<br />
andere stellen präzise, mit Maßangaben versehene lavierte Federzeichnungen dar. Zuweilen liegen<br />
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Die Kirchen von Siena