Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz
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Forschungsbericht<br />
DIE KIRCHEN VON SIENA, III, 1:<br />
DER DOM ZU SIENA. ARCHITEKTUR<br />
hrsg. von Anselm Peter Riedl und Max Seidel<br />
Die Bauaufnahme und ihre wissenschaftliche Auswertung<br />
Dethard von W<strong>in</strong>terfeld/Walter Haas<br />
Dem von der Komune errichteten Dom von Siena mit se<strong>in</strong>er im Untergeschoß Giovanni Pisano<br />
zugeschriebenen Westfassade kommt auf Grund se<strong>in</strong>er ungewöhnlichen Form und se<strong>in</strong>er<br />
Zeitstellung zwischen Romanik und Gotik e<strong>in</strong>e besondere kunsthistorische Bedeutung zu. Das<br />
Ziel der Untersuchung war es, auf der Basis e<strong>in</strong>er archäologischen Bauuntersuchung erstmals e<strong>in</strong>e<br />
gesicherte Grundlage für die weitere Erforschung dieses Bauwerks zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
E<strong>in</strong> besonderes Problem ergab sich durch die Tatsache, daß das im Kern aus Backste<strong>in</strong> bestehende<br />
Mauerwerk durch dicke, zweifarbige Marmorschalen weitgehend verdeckt ist und daher weder die<br />
Untersuchungsmethoden für das normale Quaderwerk noch die für das Backste<strong>in</strong>mauerwerk ohne<br />
weiteres anwendbar s<strong>in</strong>d. Korrekturen im Mauerwerk, die sich aus Planänderungen im Bauverlauf<br />
ergaben, s<strong>in</strong>d zum Teil so subtil durchgeführt, daß sie kaum wahrnehmbar s<strong>in</strong>d. Trotzdem gelang<br />
es durch Komb<strong>in</strong>ation aller Untersuchungsmöglichkeiten, den Befunden die zu ihrer Deutung<br />
notwendigen Informationen zu entnehmen. Insgesamt dürfte es sich um den ersten Großbau<br />
mit Marmormauerwerk handeln, der so e<strong>in</strong>gehend untersucht wurde – noch vor dem Dom <strong>in</strong><br />
Pisa. E<strong>in</strong>e der Grundlagen für die Untersuchung bildete die ste<strong>in</strong>gerechte Erfassung des<br />
Baubestandes <strong>in</strong>nen wie außen. Dies geschah über e<strong>in</strong>e Fotogrammetrie, für die e<strong>in</strong> eigenes Verfahren<br />
entwickelt und durch das BMBF als Forschungsprojekt gefördert wurde. Die Auswertung lag <strong>in</strong><br />
Händen der Messbildstelle Dresden. Maßgebliche Ergänzungen an schwer zugänglichen und<br />
erfaßbaren Stellen wurden im Handaufmaß durch die TU Darmstadt durchgeführt und anschließend<br />
digitalisiert. So entstand e<strong>in</strong> Planwerk, das außer den ste<strong>in</strong>gerechten Ansichten zahlreiche Grundrisse<br />
und Schnitte enthält und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Vollständigkeit weit über das für die Darstellung italienischer<br />
Architektur sonst Übliche h<strong>in</strong>ausgeht. Ergänzt wurde diese Dokumentation durch e<strong>in</strong>e fotografische<br />
Erfassung, <strong>in</strong> der auch die gesamte Bauzier enthalten ist. Als methodische Parallelen s<strong>in</strong>d nur die<br />
Dokumentationen zu den Domen von Speyer, Bamberg und – immer noch nicht abgeschlossen<br />
– zum Dom von Regensburg zu nennen.<br />
Für die Baugeschichte ergaben sich zahlreiche grundlegend neue Ergebnisse h<strong>in</strong>sichtlich der Planungsund<br />
Bauvorgänge. Diese spiegeln sich <strong>in</strong> den Schriftquellen <strong>in</strong> der Regel nicht wider. So konnte<br />
gezeigt werden, daß nach der Tätigkeit Giovanni Pisanos ab ca. 1300 nicht weniger als vier<br />
Planvarianten durchgespielt wurden, ehe man für die Westfassade zur endgültigen Lösung gelangte.<br />
Es ließ sich e<strong>in</strong>wandfrei zeigen, daß die Aufstockung des Mittelschiffs <strong>in</strong> unmittelbarem<br />
Zusammenhang mit der Ausführung der Fassade erfolgte und nicht, wie der überwiegende Teil<br />
der Forschung bisher annahm, mehr als e<strong>in</strong> halbes Jahrhundert später. Ferner konnte ermittelt<br />
werden, daß das berühmte Konsolengesims im Langhaus, das bisher als e<strong>in</strong> Indiz für die Tätigkeit<br />
von Giovannis Vater, Nicola Pisano, gewertet wurde, e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong>e nachträgliche H<strong>in</strong>zufügung<br />
aus der Bauzeit der Fassade ist. Diese Form des Gesimses sollte anschließend <strong>in</strong> <strong>Florenz</strong> für den<br />
Dom und Santa Croce prägend werden. Schließlich wurde bei der Aufstockung des Mittelschiffs<br />
der westliche Bogen des Hexagons ausgebrochen und im Verfahren „en sous-œuvre“ um mehr<br />
als 2m höher gesetzt – e<strong>in</strong> äußerst waghalsiges Unterfangen. Auch die ursprüngliche Form des<br />
Langhauses kann nunmehr sicher rekonstruiert werden. Das exakte Aufmaß machte es erstmals<br />
möglich, das alte Hexagon mit se<strong>in</strong>er Kuppel <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit der Aufrissplanung für den<br />
unvollendeten Duomo Nuovo zeichnerisch darzustellen und durch die Höhendifferenzen zu<br />
widerlegen, daß die alte Kuppel unverändert <strong>in</strong> den Neubau übernommen werden sollte und<br />
konnte. Die Verb<strong>in</strong>dung beider Baukörper ist <strong>in</strong> der Art, wie sie <strong>in</strong> den zeitgenössischen<br />
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