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Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz

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Forschungsbericht<br />

häuslichen Vertrautheit des Betrachters rechnende Kopfputz betont den <strong>in</strong>timen Charakter<br />

der Bildnisse. Die dadurch erzeugte verme<strong>in</strong>tliche Nähe des Dargestellten geht allerd<strong>in</strong>gs<br />

mit entschiedenen Momenten der Distanznahme e<strong>in</strong>her: Sie zeigen sich schon <strong>in</strong> der alle<br />

drei Selbstbildnisse bestimmenden Betonung e<strong>in</strong>er Brille bzw. e<strong>in</strong>es Augenglases, die<br />

sich – jeweils auf unterschiedliche Weise – zwischen Betrachter und Gesicht des Malers<br />

schiebt. Die Brille als Instrument der Schärfung des Blickes verrät zugleich aber dessen<br />

Schwächung. In dem Blatt aus dem Jahr 1775 f<strong>in</strong>det sie ihre Ergänzung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Augenschirm, den der Maler ähnlich e<strong>in</strong>er Schirmmütze über dem Kopftuch trägt, um<br />

se<strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dliches Sehorgan vor Licht zu schützen. Der grüne Schirm führt zu e<strong>in</strong>er<br />

Verschattung des Gesichtes, so daß es sich der Wahrnehmung des Betrachters entzieht,<br />

während sich dieser durch den konzentrierten Blick des Malers fixiert sieht.<br />

Scharfsichtigkeit und visuelle Präzision sowie Krankheit und Verletzlichkeit der Augen<br />

werden dadurch chiastisch verschränkt. Der Akt des Malens selbst wird dabei zwar<br />

mittelbar durch den doppelten Gebrauch von Augenschirm und Brille evoziert, bleibt<br />

aber zugleich im Verborgenen, wie dies e<strong>in</strong>em Maler entspricht, dem niemand beim<br />

Malen zusehen durfte.<br />

Erst das Medium des Pastells läßt dabei, wie gezeigt werden soll, jene Aufspaltung der<br />

Farben zu, mit der Chard<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Bildnis gestaltet hat. So wiederholen sich etwa die Töne<br />

des Halstuches – rosa und blau – fast erschreckend auch <strong>in</strong> den Partien des Gesichts als<br />

unvermittelte Farbflecken. Chard<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Öl entwickelte Malweise f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der Technik<br />

des Pastells damit ihre Fortsetzung, aber auch Weiterentwicklung. Genau jene Intimität<br />

und Verletzlichkeit des Sehens, die Chard<strong>in</strong> auf dem Blatt des Louvre mit se<strong>in</strong>em<br />

Selbstbildnis <strong>in</strong>s Spiel br<strong>in</strong>gt, ist aber auch dem Material zu eigen, dessen er sich zur<br />

Ausführung se<strong>in</strong>es Bildnisses bedient. Denn das Pastell, als dessen erste Meister<strong>in</strong> im 18.<br />

Jahrhundert bekanntlich e<strong>in</strong>e Frau, die Italiener<strong>in</strong> Rosalba Carriera gilt, verlangt vom<br />

Betrachter e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>time Annährung und zw<strong>in</strong>gt dabei Künstler wie Eigner der Blätter,<br />

sich mit der Verletzlichkeit, Leichtigkeit und Zerstörbarkeit des flüchtigen,<br />

lichtempf<strong>in</strong>dlichen Materials ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />

In e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>eren Studie soll der Technik der Pastellmalerei als künstlerischem Medium<br />

zunächst anhand von Chard<strong>in</strong>s Selbstbildnis von 1775 nachgegangen werden. Diese ist<br />

Teil e<strong>in</strong>er größeren Untersuchung zur Ästhetik (vormoderner) künstlerischer Materialien,<br />

<strong>in</strong> der danach gefragt wird, wie sich Kunst <strong>in</strong> unterschiedlichen Materialen realisiert<br />

oder besser: von den Künstlern <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem jeweiligem Material<br />

realisiert wird.<br />

Goyas Kritik der L<strong>in</strong>ie<br />

Wolfram Pichler<br />

Auf ihre allgeme<strong>in</strong>sten formalen Spielzüge h<strong>in</strong> befragt, läßt sich Goyas Kunst bestimmen<br />

als e<strong>in</strong>e Technik des Verb<strong>in</strong>dens von Disparatem und des Aufspaltens von Identischem.<br />

An manchen Stellen se<strong>in</strong>es Werks sche<strong>in</strong>t beides, verb<strong>in</strong>den und trennen, sogar paradox<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>s zu fallen. Dies gilt <strong>in</strong>sbesondere für die Art, wie Goya mit L<strong>in</strong>ien, speziell mit<br />

Umrißl<strong>in</strong>ien umgeht. Ihre traditionelle Funktion, Körper zu umschreiben, vone<strong>in</strong>ander<br />

abzugrenzen und im Bildraum e<strong>in</strong>deutig aufe<strong>in</strong>ander zu beziehen, wird von ihm<br />

regelmäßig <strong>in</strong> Frage gestellt. Der Bildraum wird dann <strong>in</strong>konsistent, und die Beziehungen<br />

von „davor“ und „dah<strong>in</strong>ter“, „getrennt“ und „verbunden“ verlieren ihre E<strong>in</strong>deutigkeit.<br />

Die <strong>in</strong> Arbeit bef<strong>in</strong>dliche Studie wird dieses Phänomen vor dem H<strong>in</strong>tergrund älterer,<br />

speziell italienischer Traditionen des Zeichnens am Beispiel ausgewählter graphischer<br />

Blätter Goyas analysieren.<br />

In der Psychologie und Erkenntnistheorie des 18. Jahrhunderts ist es bekanntlich die<br />

E<strong>in</strong>bildungskraft, die als das Vermögen def<strong>in</strong>iert ist, Unverbundenes zu verb<strong>in</strong>den und<br />

Verbundenes wieder zu trennen. Wie zu zeigen se<strong>in</strong> wird, geraten Goyas zwiespältige<br />

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