Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz
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Forschungsbericht<br />
Studien zur ‘Dip<strong>in</strong>tura’ der Scienza Nuova von Giambattista Vico<br />
Thomas Gilbhard<br />
Das Forschungsprojekt zum Problem der „Bildlichkeit“<br />
im Werk des neapolitanischen Gelehrten Giambattista Vico<br />
(1668-1744) ist als e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Untersuchung<br />
angelegt, bei der kunsthistorische, speziell ikonologische<br />
Aspekte ebenso zum Tragen kommen wie philosophieund<br />
buchhistorische. Die Frage nach der Bildlichkeit im<br />
Werke Vicos konkretisiert sich anhand der elaborierten<br />
Konstellation von Bild und Text, mit der das Hauptwerk<br />
Vicos, die Scienza Nuova, anhebt. Dem als Frontispiz<br />
vorangestellten Kupferstich, welcher von dem<br />
neapolitanischen Künstler Domenico Antonio Vaccaro für<br />
die Auflage von 1730 entworfen wurde, folgt e<strong>in</strong>e<br />
umfassende Erläuterung dieses Bildes unter dem Titel<br />
„Spiegazione della Dip<strong>in</strong>tura Proposta al Frontespizio, Che<br />
serve per l’Introduzione dell’Opera“ aus der Feder Vicos.<br />
Die „Dip<strong>in</strong>tura“ und die nachfolgende Ekphrasis der<br />
„Spiegazione“ eröffnen also den Zugang zum Werk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
elaborierten Konstellation, deren <strong>in</strong>niger Bild-Text<br />
Beziehung es e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>utiösen Analyse zu unterziehen gilt,<br />
nicht zuletzt e<strong>in</strong>gedenk des besonderen vom Autor damit<br />
verbundenen Anspruches, daß die Betrachtung und Deutung der „Dip<strong>in</strong>tura“ dem<br />
Leser ermöglichen soll, die „Idee des Werkes“ zu erfassen. Insofern neuere Editionen<br />
diesem Exordium von Vicos Werk gewöhnlich wenig Beachtung geschenkt haben, ist<br />
es unerläßlich auf die orig<strong>in</strong>äre Gestaltung der Erstdrucke zu rekurrieren und Fragen<br />
der Editionsgeschichte, der Titelblattikonographie und Buchgestaltung mit <strong>in</strong> die<br />
Untersuchung e<strong>in</strong>zubeziehen, um dem „typographischem Ikonismus“ der<br />
Orig<strong>in</strong>aldrucke gerecht werden zu können.<br />
E<strong>in</strong>e detailverbundene Interpretation hat sich sodann auf e<strong>in</strong>zelne Elemente der<br />
„Dip<strong>in</strong>tura“ zu richten, wobei <strong>in</strong>sbesondere die Bildtradition der „Metaphysica“ <strong>in</strong><br />
Betracht gezogen werden und e<strong>in</strong>e Konfrontation mit der Bildtradition von „Fortuna“,<br />
„Prudentia“ und „Providentia“ zur Klärung ambiguer Momente <strong>in</strong> der Darstellung der<br />
vichianischen „Dip<strong>in</strong>tura“ beitragen soll; des weiteren ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Exkurs auf die<br />
Überlieferung der Tabula Cebetis, die Vico <strong>in</strong> diesem Kontext explizit erwähnt, e<strong>in</strong>zugehen.<br />
Schließlich ist mit Bezugnahme auf die poetische Logik, wie sie im zweiten Buch der<br />
Scienza Nuova vorgetragen wird, die allegorische Dimension von Vicos eigenen Verfahren<br />
<strong>in</strong> der „Spiegazione“ zu bedenken. Diese Überlegungen zu den erkenntnistheoretischen<br />
Grundlagen des vichianischen Bilddenkens führen auf den Begriff des Ingeniums, welcher<br />
bereits <strong>in</strong> der Kunstliteratur der Renaissance zum Leitbegriff künstlerischer Kreativität<br />
avancierte. Vico überführt dieses Konzept des Ingeniums aus e<strong>in</strong>er Tradition, die ihre<br />
Quellen <strong>in</strong> der antiken Rhetorik und Poetik hat, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Geistmetaphysik und thematisiert<br />
es als e<strong>in</strong>e facultas der mens, als Fähigkeit, Ähnlichkeiten zu erkennen und zwischen<br />
verschiedenen und mitunter weitause<strong>in</strong>anderliegenden D<strong>in</strong>gen Verb<strong>in</strong>dungen zu sehen<br />
und ausf<strong>in</strong>dig zu machen. Als e<strong>in</strong>er solchen Fähigkeit, allererst Beziehungen zu setzen,<br />
steht das Ingenium nicht nur an zentraler Stelle der Inventio-Debatte, sondern bezeichnet<br />
zugleich das methodische Moment, an dem sich das Paradigma der Anschaulichkeit des<br />
Denkens erweist.<br />
34<br />
Frontispiz der<br />
Scienza Nuova von<br />
Giambattista Vico,<br />
1730.