Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz
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V<strong>in</strong>cenzo Borgh<strong>in</strong>i,<br />
Selva di notizie, s.a.<br />
<strong>Kunsthistorisches</strong><br />
<strong>Institut</strong> <strong>in</strong> <strong>Florenz</strong>.<br />
Begriff Vasari die Architektur <strong>in</strong> der ersten Ausgabe der „Viten“ unter dem E<strong>in</strong>fluß der<br />
Vitruvstudien noch ganz selbstverständlich als die herausragende Tätigkeit, deren<br />
Ausübung Maler und Bildhauer nobilitierte, so wurde <strong>in</strong> der zweiten Ausgabe der „Viten“<br />
durch die Etablierung der Künste des ‚Disegno’ die Zugehörigkeit der Architektur zur<br />
Sphäre des künstlerischen Handelns fraglich: Nun erschien die Architektur nur über die<br />
Teilhabe am ‚Disegno’, also <strong>in</strong> ihren ästhetischen und ornamentalen Aspekten, mit der<br />
Malerei und Bildhauerei vergleichbar. Die Figur des Künstlerarchitekten wurde folglich<br />
<strong>in</strong> den „Viten“ zum exemplarischen Architektentypus erhoben und gegen alle anderen,<br />
historisch anzutreffenden Varianten des Architektenberufs (den ‚legniauolo’, den<br />
Ste<strong>in</strong>metz, den Befestigungs<strong>in</strong>genieur, den Bauherrenarchitekten, den Dilettanten, den<br />
humanistischen Architekturberater) abgesetzt. Dies kann auf e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
<strong>in</strong> der neugegründeten „Accademia del Disegno“ zurückgeführt werden, die im<br />
Ergänzungsstatut vom Juli 1563 die Mitgliedschaft auf Künstlerarchitekten begrenzte.<br />
E<strong>in</strong>e bisher unpublizierte, differenzierte Begründung der neuen Architekturauffassung<br />
f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der „Selva di notizie“ von V<strong>in</strong>cenzo Borgh<strong>in</strong>i, der zu nämlicher Zeit als<br />
herzöglicher Statthalter der ‚Accademia del Disegno’ amtierte; e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrale,<br />
kommentierte Edition dieses Textes ist Bestandteil der Dissertation. Die Kontroverse<br />
entsp<strong>in</strong>nt sich über die Streitschriften von Benvenuto Cell<strong>in</strong>i und Bernardo Pucc<strong>in</strong>i bis<br />
zu den Traktaten von V<strong>in</strong>cenzo Danti und Giorgio<br />
Sp<strong>in</strong>i. Bemerkenswert an den <strong>in</strong> der Debatte<br />
bezogenen Positionen ist e<strong>in</strong>e Gegnerschaft zwischen<br />
Bildhauern wie Cell<strong>in</strong>i, der die Architektur unverblümt<br />
der Malerei und Skulptur untergeordnet sehen wollte,<br />
und Befestigungs<strong>in</strong>genieuren wie Bernardo Pucc<strong>in</strong>i,<br />
der sich angesichts dieser Entwicklung empört zeigte<br />
und die Abhängigkeit der Architektur vom ‚Disegno’<br />
der Künstler bestritt. Diese Fragen waren brisant, da<br />
sie nicht nur theoretisch disputiert wurden, sondern<br />
auf der Baustelle entstanden, wie man an den<br />
anläßlich des Baus der Uffizien aufgetretenen<br />
Kompetenzstreitigkeiten zwischen Giorgio Vasari als<br />
verantwortlichem Architekten und dem bereits<br />
genannte Pucc<strong>in</strong>i als herzöglichem Bauleiter sehen<br />
kann. So lassen sich an dieser Debatte sowohl die<br />
zunehmende Spezialisierung von Mechanik und<br />
Bauschmuck im späten 16. Jahrhundert, als auch die<br />
e<strong>in</strong>setzende Trennung der Karrieren von Bau<strong>in</strong>genieur<br />
und Architekt exemplarisch untersuchen.<br />
Die „Viten“ unterscheiden sich darüber h<strong>in</strong>aus grundsätzlich von der Tradition der<br />
architekturtheoretischen Traktatliteratur der frühen Neuzeit. Vasari zielt nicht wie die<br />
auf Vitruv basierende Tradition auf die lehrbuchartige Darstellung der Regeln, Verfahren<br />
und ästhetischen Grundsätze der Architektur, sondern stellt durch die historische<br />
Herangehensweise den <strong>in</strong>dividuellen Werdegang e<strong>in</strong>er Auswahl von herausragenden<br />
Architekten und die spezifischen Probleme des Entwurfs und der Ausführung von<br />
konkreten Bauten <strong>in</strong> den Mittelpunkt. Bei der Darstellung des jeweiligen historischen<br />
Hergangs werden stets auch allgeme<strong>in</strong>e Vorstellungen von der Profession des Architekten<br />
artikuliert, die das gesamte Werk der „Viten“ durchziehen und entscheidend prägen.<br />
Diese implizite, historisch differenzierte Architekturtheorie <strong>in</strong> den „Viten“ soll durch<br />
die Untersuchung den Lebensbeschreibungen von Filippo Brunelleschi, Leon Battista<br />
Alberti, Donato Bramante, Antonio da Sangallo dem Jüngeren, Giulio Romano und<br />
Michelangelo freigelegt und rekonstruiert werden.<br />
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Forschungen des wissenschaftlichen Nachwuchses