Statusbericht - Homepage - Kunsthistorisches Institut in Florenz
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Lucca,<br />
S. Michele <strong>in</strong> Foro.<br />
POLITISCHE IKONOGRAPHIE TOSKANISCHER STÄDTE. LUCCA<br />
Max Seidel <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Romano Silva, Istituto storico lucchese<br />
Italienische Kunstgeschichte im Europäischen Kontext<br />
In der neueren Kunstgeschichtsforschung<br />
beobachtet man e<strong>in</strong> anhaltendes Interesse an der<br />
Methode der politischen Ikonographie. In Italien<br />
wurde diese Methode bisher <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie am<br />
Beispiel von Stadtstaaten erprobt, die sich durch<br />
e<strong>in</strong> hohes Maß an politischer Propaganda<br />
auszeichnen. Innerhalb der Toskana-Forschung<br />
gelten als mit besonderem Erfolg erforschte<br />
Musterbeispiele: die Pisaner Dombauten (11./<br />
12. Jahrhundert) als Denkmal der Kreuzzugspropaganda<br />
und somit letztlich der Pisaner<br />
Expansionspolitik im Mittelmeerraum, die<br />
Regierungszeit der „Nove“ <strong>in</strong> der ersten Hälfte<br />
des 14. Jahrhunderts <strong>in</strong> Siena (der weltberühmte,<br />
den Idealstaat vers<strong>in</strong>nbildlichende Freskenzyklus<br />
von Ambrogio Lorenzetti <strong>in</strong> der „Sala della<br />
Pace“ des Sieneser Rathauses; der <strong>in</strong> mehreren<br />
Etappen erfolgte Um- und Neubau des Sieneser Doms als kommunale und deshalb<br />
direkt vom Stadtstaat f<strong>in</strong>anzierte Ruhmestat); die Herrschaft der Medici im <strong>Florenz</strong> des<br />
16. Jahrhunderts (u.a. ikonologische Neu<strong>in</strong>terpretation der Räume des Palazzo Vecchio).<br />
Das Lucca-Projekt unterscheidet sich <strong>in</strong> methodischer H<strong>in</strong>sicht von den genannten<br />
Musterbeispielen vor allem <strong>in</strong> zwei Aspekten. Erstens wird nicht e<strong>in</strong> begrenzter Zeitraum<br />
oder e<strong>in</strong>e bestimmte Herrschaftsform, sondern die „ganze Geschichte“ im Zeitraum<br />
von über e<strong>in</strong>em Jahrtausend von den Karol<strong>in</strong>gern bis zu Mussol<strong>in</strong>i erforscht. Der<br />
historische Längsschnitt ermöglicht e<strong>in</strong>e genauere Erkenntnis der Kont<strong>in</strong>uität der<br />
politischen Leitideen. Kont<strong>in</strong>uität im politischen und historischen Selbstverständnis (und<br />
folglich auch <strong>in</strong> der politischen Ikonographie) war für e<strong>in</strong>en Stadtstaat wie Lucca von<br />
primärer Bedeutung, hatte doch Lucca als e<strong>in</strong>ziger Staat <strong>in</strong> Mittelitalien se<strong>in</strong>e Freiheit<br />
trotz der drohenden Umklammerung durch die die Toskana dom<strong>in</strong>ierende Medici-<br />
Herrschaft bis <strong>in</strong> napoleonische Zeit bewahren können. Im Zentrum von Politik und<br />
politischer Ikonographie stand über viele Jahrhunderte e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Lucca neu erdachte<br />
Freiheitsideologie, die sich auf höchste (die Kommunalpolitik jedoch nicht bee<strong>in</strong>flussende)<br />
Mächte berief. Im Bild des „Christus imperator“ („Volto Santo“) ehrte man dessen<br />
Spiegelbild: die transzendentale Autorität des über die Freiheit Luccas wachenden, ja<br />
diese förmlich staatsrechtlich garantierenden Kaisers. Weitere ikonographische S<strong>in</strong>nbilder<br />
warnten vor der Gefahr e<strong>in</strong>es Umsturzes, vor allem der Errichtung der als Tyrannei<br />
bezeichneten Herrschaft e<strong>in</strong>er Familie (analog den Vorgängen <strong>in</strong> <strong>Florenz</strong> und <strong>in</strong> den<br />
meisten Stadtstaaten <strong>in</strong> Oberitalien – mit Ausnahme von Venedig). An diese Darstellung<br />
des ideologischen Kerngedankens schließen sich <strong>in</strong> unseren Forschungen e<strong>in</strong>e Fülle<br />
thematisch weitausgreifender Untersuchungen an, die hier mit Nennung der e<strong>in</strong>zelnen<br />
Kapitelüberschriften zum<strong>in</strong>dest angedeutet seien: „Il Lucchese a cavallo e San Mart<strong>in</strong>o“,<br />
„Luoghi del potere“, „Altari e patronato“, „Satira musicale“, „Il trionfo di Cesare“,<br />
„Due spade“, „Il difficile pantheon degli eroi“.<br />
Der zweite neuartige Aspekt dieser Forschungen betrifft den Zusammenhang von<br />
politischer Ikonographie und politischer Propaganda. Wie die e<strong>in</strong>gangs genannten<br />
Musterbeispiele zeigen, schien politische Ikonographie bisher alle<strong>in</strong> auf der Grundlage<br />
e<strong>in</strong>er besonders stark entwickelten Propaganda erforschbar zu se<strong>in</strong>. In Lucca h<strong>in</strong>gegen<br />
war politische Propaganda verpönt, ja zeitweise ausdrücklich untersagt. So präsentierte<br />
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