01.09.2022 Aufrufe

Alnatura Magazin September 2022

Italien Spezial: A tavola in Apulien // Zu Besuch bei Olivenölproduzenten in Süditalien // Naturdrogerie: Gepflegtes Haar im Sommer

Italien Spezial: A tavola in Apulien // Zu Besuch bei Olivenölproduzenten in Süditalien // Naturdrogerie: Gepflegtes Haar im Sommer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ZU BESUCH BEI POLVANERA<br />

ZU BESUCH BEI POLVANERA<br />

»Kalkgestein, Sonne und<br />

eine Meeresbrise – mehr braucht<br />

es nicht für guten Wein.«<br />

Filippo Cassano,<br />

Inhaber Weingut Polvanera<br />

Der<br />

ehrliche<br />

Primitivo<br />

Inmitten einer einzigartigen apulischen Landschaft mit Weingütern, Steinmauern und<br />

Flaum-Eichen liegt das Landgut Polvanera mit seinem tief in den Kalkstein gegrabenen<br />

Weinkeller. Viel Sonne und eine stete Meeresbrise tun ihr Übriges, um den Primitivo-Trauben<br />

die Substanz zu verleihen, die den Wein von Polvanera so ehrlich macht.<br />

P<br />

ietra è Poesia« lesen wir auf einem<br />

Schild auf der Autobahn in Richtung<br />

Bari, der Hauptstadt Apuliens. Die<br />

drei Worte haben eine wunderbare Melodie:<br />

»Pietra è Poesia« – Gestein, das ist Poesie.<br />

Die historischen Städte Apuliens sind aus<br />

dem hellen Kalkstein der Hochebene Alta<br />

Murgia gebaut und verleihen ihnen eine<br />

unaufdringliche Eleganz. Olivenbäume überleben<br />

die Trockenheit und Sommerhitze<br />

dank des gespeicherten Wassers im ausgespülten<br />

Kalkgestein. Regenwasser hat in<br />

den Felsen unterirdische Seen und Flüsse<br />

geschaffen. Grotten werden zu Touristenattraktionen.<br />

Die Wurzeln von Weinreben<br />

dringen tief in das an Mineralien so reiche<br />

Gestein ein. Sie geben dem Wein der Alta<br />

Murgia einen unverwechselbaren Charakter.<br />

GESTEIN, DAS IST POESIE<br />

»Dalla Pietra«, deutsch »Aus dem Stein«, sind<br />

Urgedanke und Philosophie von Polvanera-<br />

Gründer und Önologe Filippo Cassano, mit<br />

denen er sein Weingut aufbaute: »Die Natur<br />

bietet alles, was es für ein guten Wein<br />

braucht: die Sonne des Südens, einen humusarmen,<br />

aber an Mineralien reichen Boden,<br />

wenig Regen und vor allem den Meereswind<br />

von der Adria und dem Ionischen Meer, der<br />

über die hoch gelegene Ebene weht. Und natürlich<br />

die robuste Traube Primitivo Gioia del<br />

Colle.« Filippo Cassano wollte immer einen<br />

ehrlichen Primitivo, einen, dem seine Herkunft<br />

und vor allen Dingen das Gestein, auf<br />

dem er wächst, anzumerken ist. Um den<br />

reinen Geschmack nicht durch Holznoten zu<br />

verändern, verzichtet er ganz bewusst darauf,<br />

den Wein in Holzfässern reifen zu lassen.<br />

Filippo Cassano setzt auf Edelstahltanks,<br />

Flaschenreifung und auf Bio.<br />

Der Primitivo<br />

Im 17. Jahrhundert entdeckte<br />

der Geistliche Filippo Indellicati<br />

in seinem gemischten Weingarten<br />

in Gioia del Colle eine Rebe,<br />

die früher als die anderen reifte<br />

und dadurch von Krankheiten<br />

und Schimmel weitestgehend<br />

verschont blieb. Die Traube war<br />

im Mittelalter von Menschen<br />

aus Kroatien mitgebracht worden,<br />

als diese vor den Osmanen<br />

flüchteten. Filippo Indellicati<br />

nannte die Traube Primativo –<br />

die Erste. Später wurde sie in<br />

AUF ANHIEB EIN FINALIST<br />

Der Erfolg gibt ihm recht: Sein Primitivo<br />

Gioia del Colle findet sich <strong>2022</strong> in renommierten<br />

Weinführern wie »I vini di Veronelli«<br />

und »Doctor Wine« wieder. Gerne erzählt<br />

Ehefrau Maria ihren Gästen bei einer Verkostung,<br />

wie es zu der Erfolgsgeschichte<br />

kam: Filippo kaufte 1999 zehn Hektar<br />

Land und pflanzte die Rebsorte Primitivo<br />

Gioia del Colle an. Nach drei Jahren<br />

konnte er die ersten Trauben ernten<br />

und 6 000 Flaschen abfüllen. Mit dem in<br />

Italien urtypischen dreirädrigen Kleintransporter<br />

Piaggio vertrieb er seinen Wein<br />

im Umkreis von 30 Kilometern. Drei Jahre<br />

später stand ein Journalist vor seiner Tür, er<br />

hätte von einem sehr guten Wein gehört<br />

und würde ihn gerne verkosten. Vom Geschmack<br />

beeindruckt, spornte er Filippo<br />

dazu an, den Wein für den renommierten<br />

Veronelli-Wettbewerb einzusenden. Doch<br />

Filippo wollte erst nicht: »Ich hatte nicht<br />

einmal ein Etikett.« Am Ende willigte er ein,<br />

suchte zwei Abfüllungen heraus, schrieb<br />

auf zwei Zettel Polvanera 16 und Polvanera<br />

17 – die Zahlen stehen für den Alkoholgehalt.<br />

Er befestigte sie mit Klebeband an den<br />

Flaschen und schickte diese fort, ohne<br />

Gioia del Colle<br />

Primitivo umbenannt. Als dann der<br />

produzierte Wein auch noch deutlich<br />

besser schmeckte als die gemischten<br />

Weine, bauten immer<br />

mehr Bauern von Gioia del Colle<br />

diese Traube an. So verbreitete sie<br />

sich mit der Zeit in ganz Apulien.<br />

1987 bekam der Primitivo Gioia del<br />

Colle die Ursprungsbezeichnung<br />

DOC – Denominazione di origine<br />

controllata (Geschützte Ursprungsbezeichnung).<br />

Im Jahr 2000 wurde<br />

das Konsortium zum Schutz des Primitivo<br />

Gioia del Colle gegründet.<br />

Oben: Polvanera – ein<br />

Familienprojekt. Vier<br />

Generationen arbeiten<br />

Hand in Hand.<br />

Rechts: Acht Meter tief wurde der Weinkeller<br />

in das Felsgestein gehauen. Die<br />

gewonnenen Steine wurden für Trockenmauern<br />

rund um das Weingut genutzt.<br />

große Erwartungen zu hegen. 8 000 Weinproduzenten<br />

nahmen an dem Wettbewerb<br />

teil. Doch das Unglaubliche geschah. Der<br />

Wein von Polvanera kam ins Finale der besten<br />

20 Weine und schaffte es auf Platz 18!<br />

Danach klingelten bei ihm die Telefone heiß.<br />

DIE MUTTER DES PRIMITIVO<br />

Aber Filippo ist kein Mensch, der sich auf<br />

seinen Lorbeeren ausruht. Polvanera zeichnet<br />

ein Mix aus Tradition und Inno vation aus.<br />

Filippo hört den Alten gerne zu. »Man lernt<br />

nie aus«, sagt er, und er hat seine Überzeugungen:<br />

»Eine gesunde Wein pflanze sollte<br />

weder Dünger noch Pflanzenschutz brauchen.«<br />

Polvanera arbeitet deshalb gemeinsam<br />

mit einem Forschungs zentrum für Landwirtschaft<br />

an einem neuen Projekt: Auf<br />

einem seiner Weingärten wurde erstmals in<br />

Italien eine sehr alte Traubensorte gepflanzt.<br />

Sie heißt Argane und wurde in Österreich<br />

gefunden. »Sie ist die Mutter des Primitivo,<br />

wahrscheinlich vieler anderer Rebsorten,<br />

und sehr widerstandsfähig«, erklärt Filippo<br />

Cassano. Es bleibt spannend. KK<br />

Visitenkarte Primitivo<br />

Gioia del Colle IGT:<br />

• Gioia del Colle, Weinberg Marchesana;<br />

roter, eisenhaltiger Boden über<br />

Kalkfelsen<br />

• Ausbau: sechs Monate in Edelstahltanks;<br />

drei Monate in der Flasche<br />

• Alkoholgehalt: 14 Prozent<br />

• Farbe: tiefes Rubinrot mit<br />

veilchenblauen Reflexen<br />

• Nase: kräftige Aromen von reifen<br />

Kirschen, Brombeeren, Sauerkirschen<br />

und feine Ausklänge<br />

von Veilchen und<br />

Wildminze<br />

• Gaumen: voller,<br />

langer und weicher<br />

Geschmack, im<br />

Abgang zeigt<br />

sich ein schöner<br />

Bittermandelton<br />

22 <strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>September</strong> <strong>2022</strong> <strong>Alnatura</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>September</strong> <strong>2022</strong> 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!