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Beschaffung aktuell 09.2022

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MEINUNG «<br />

Das verkannte Problem der<br />

heimischen Wertschöpfung<br />

Gestrichene Flüge, nicht entladene Container, brachliegende Baustellen,<br />

ausbleibende Handwerker – die Arbeiterlosigkeit ist allgegenwärtig<br />

und lässt auch die scheinbar so stabilen heimischen<br />

Wertschöpfungsketten reißen. Bietet also die von Globalisierungsskeptikern<br />

vielfach geforderte Rückführung der Wertschöpfungsketten<br />

(Reshoring) bei weitem nicht so viel Sicherheit wie landläufig<br />

vermutet wird?<br />

Der bisherige Chef der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele<br />

warnt in der Wirtschaftswoche, dass die echte Arbeiterlosigkeit<br />

erst noch komme. Seine düstere Prognose: Bis 2040 wird Deutschland<br />

wohl rund 8,7 Millionen Fachkräfte verlieren. Hierauf müssen<br />

sich unsere Unternehmen einstellen. Die Fachkräftesicherung ist<br />

zum entscheidenden Zukunftsthema geworden für unsere Wirtschaft.<br />

Den Einkäufern kann ich nur raten, präventiv zu eruieren,<br />

welche Risiken die Arbeiterlosigkeit für ihre Lieferketten bedeutet.<br />

Die Unternehmen stehen vor einer gewaltigen quantitativen und qualitativen Herausforderung.<br />

Es folgen in den nächsten zwanzig Jahren nicht genügend junge Menschen auf<br />

die Anzahl derjenigen, die in Rente gehen. Gleichzeitig verändert sich die Arbeitswelt in<br />

einem rasanten Tempo. Es entstehen neue Jobs, die jedoch – und darin liegt ein Teil des<br />

Problems – zumeist eine höhere oder zumindest gänzlich<br />

andere Qualifikation verlangen.<br />

»Alle Anstrengungen<br />

werden nicht ausreichen,<br />

um die Fachkräftelücke<br />

zu schließen.«<br />

Um den Fachkräftebedarf langfristig zu decken, muss an<br />

mehreren Stellschrauben gedreht werden. Zunächst muss<br />

das vorhandene Arbeitskräftepotenzial in unserem Lande<br />

voll ausgeschöpft werden. Ganz wichtig ist es dafür, die<br />

Anreize und Möglichkeiten für Jugendliche zum erfolgreichen<br />

Start in einer Ausbildung nach dem Schulabschluss zu verbessern. Dies impliziert<br />

auch, dass die Wertigkeit gewerblicher Arbeit wieder stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein<br />

tritt. Wichtig ist auch, dass Ältere – soweit sie dazu gesundheitlich in der Lage<br />

sind – bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können, und dass auch Inklusion stärker gelebt<br />

wird. Darüber hinaus muss mehr für die Qualifizierung getan werden.<br />

Prof. Dr. Robert<br />

Fieten,<br />

wissenschaftlicher<br />

Berater der<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

<strong>aktuell</strong> , Köln<br />

Doch machen wir uns keine Illusionen. Alle diese Anstrengungen werden nicht ausreichen,<br />

um die Fachkräftelücke zu schließen. Zuwanderung ist deshalb wichtig, um damit<br />

auch den Folgen des demografischen Wandels zu begegnen. Die Bundesregierung hat das<br />

Problem erkannt und will das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vereinfachen.<br />

Arbeiterlosigkeit wird in den kommenden Jahren zu einem rasant wachsenden Risiko für<br />

unsere Wertschöpfungsketten. Dies darf nicht verkannt werden. Die Einkäufer sollten<br />

sich daher beim Lieferantenmanagement nicht nur auf die technische und wirtschaftliche<br />

Performance der externen Geschäftspartner und deren finanzielle Stabilität fokussieren.<br />

Bei Lieferantenbesuchen sollten sie sich auch ein Bild von deren personeller Ausstattung<br />

machen. Es darf nicht vergessen werden, dass Fachpersonal eine wesentliche<br />

Komponente des Kapitals von externen Partnern in den Wertschöpfungsketten ist.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2022 67

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