Beschaffung aktuell 09.2022
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alle Persönlichkeiten wiederfinden. Ins Projekt nur<br />
die Motivierten zu holen, führt am Ende zu einem<br />
bösen Erwachen.<br />
Westerveld: Hilfreich sind digitale Tools, ein digitales<br />
Kanban-Board, über das sich die Beteiligten ihre<br />
Ressourcen selbst einteilen können. Aber: Auch<br />
das braucht Begleitung und muss konsequent gepflegt<br />
werden. Kanban ersetzt nicht das Projekt -<br />
management!<br />
Yarah Westerveld ist<br />
Senior Consultant bei<br />
amc<br />
Wird in die Aus- und Weiterbildung des Einkaufs<br />
ausreichend investiert?<br />
Breidenbach: Dazu möchte ich etwas vorweg -<br />
schicken. Was Projektleiter und Projektleiterinnen oft<br />
vergessen: Sie arbeiten in den meisten Digitalprojekten<br />
nicht mit den Talenten von Google oder Amazon<br />
zusammen, sondern mit Menschen, die ihren Job gut,<br />
aber auch mal weniger gut machen. Das ist wichtig,<br />
damit man versteht, wieso die Dinge intern wie extern<br />
nicht immer so umgesetzt werden, wie man sich das<br />
als Projektteam vorstellt. Da braucht es – auch angesichts<br />
des Fachkräftemangels – einfach eine gesunde<br />
Portion Realismus.<br />
Bild: amc<br />
… und im Einkauf?<br />
Breidenbach: Auch hier gilt es, die Menschen nicht<br />
zu überfordern, sondern in die Personalentwicklung zu<br />
investieren. Die Rollen und Funktionen im Einkauf<br />
werden in der digitalen Welt neu definiert. Das kann<br />
für den einen gut funktionieren,<br />
vielleicht braucht sie oder<br />
er aber auch ein Einsatzfeld an<br />
anderer Stelle. Hier sehe ich HR<br />
in der Pflicht, schließlich will<br />
man die knappen Fachkräfte<br />
nicht verlieren, sondern halten<br />
– und sei es an anderer Stelle<br />
im Unternehmen. Moderner<br />
Einkauf bedeutet Zusammenarbeit,<br />
Kommunikation und netzwerken.<br />
Es sitzt niemand mehr<br />
alleine mit seinem Telefon vor dem PC. Das Problem<br />
ist: Viele Führungskräfte haben Angst, das mit ihrem<br />
Team offen zu besprechen.<br />
Westerveld: Es muss klar sein, welche Rollen brauchen<br />
wir für die neue Organisation. Welche Anforderungen<br />
stellen wir, was ist im Team an Skills vorhanden,<br />
was nicht. Was muss neu gelernt werden, welche<br />
Personen können die neuen Rollen ausfüllen. Der<br />
Work load im Einkauf ist hoch. Viele Leute kommen<br />
nicht mehr mit. Wir müssen den Einkauf schulen und<br />
systematisch entwickeln. Wenn der Druck zu hoch<br />
wird, suchen sich die Menschen eine neue Beschäftigung.<br />
Für den Einkauf wäre das fatal.<br />
»Wenn der Druck zu<br />
hoch wird, suchen sich<br />
die Menschen eine<br />
neue Beschäftigung.<br />
Für den Einkauf wäre<br />
das fatal. «<br />
Yarah Westerveld<br />
Wenn der Einkauf immer mehr Aufgaben mit immer<br />
weniger Fachkräften erledigen muss, ist Digitalisierung<br />
dann nicht der Königsweg?<br />
Breidenbach: Digitalisierung im Einkauf ist unverzichtbar,<br />
schon allein aus Gründen der Datentransparenz,<br />
Agilität und Resilienz.<br />
Gleichzeitig hilft sie, die<br />
Arbeit im Einkauf so zu organisieren,<br />
dass ich Aufgaben<br />
besser verteilen und portionieren<br />
kann. Digitale Strukturen<br />
erlauben, Themen gemeinsam<br />
zu bearbeiten, Teilzeitkräfte zu<br />
integrieren, ermöglichen auch<br />
für die Führung Tandemmodelle.<br />
Die meisten Stellen im<br />
Einkauf sind als Vollzeitjobs<br />
ausgeschrieben. Eltern, die in Teilzeit arbeiten wollen,<br />
bewerben sich oft gar nicht. Auch die Integration<br />
ausländischer Fachkräfte ist oft schwierig. Doch perfekte<br />
Deutschkenntnisse bringt nun mal nicht jeder<br />
mit. Hier ist ein Umdenken gefragt. Die Basis für<br />
mehr Flexibilität legt die Digitalisierung. Ausfüllen<br />
muss es – wie immer – der Mensch.<br />
Westerveld: Hier kann der Einkauf sehr viel von<br />
den IT-Abteilungen lernen. Die sind sehr flexibel aufgestellt,<br />
arbeiten mit Ticketsystemen, oftmals remote<br />
und sehr international. Das kann auch für den digital<br />
organisierten Einkauf ein Modell für die Zukunft sein.<br />
Das Gespräch führte Annette Mühlberger.<br />
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