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Beschaffung aktuell 09.2022

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Wie erlebt die Hoffmann<br />

Group die <strong>aktuell</strong> sehr volatilen Zeiten?<br />

Borries Schüler: Als herausfordernd. In der Vergangenheit<br />

gab es gelegentlich bei einem Rohstoff<br />

einen Engpass oder ein Preis geriet außer Kontrolle.<br />

Dass alle Rohstoffgruppen zum gleichen Zeitpunkt<br />

eklatant aus dem Ruder laufen, das hatten wir noch<br />

nicht. Dazu kommen die Nachwirkungen von Corona<br />

und die schwierige Lage in China. Zusätzlich hat<br />

die Ukraine-Krise verdeutlicht, wie viele Teile und<br />

Vorprodukte von dort und aus Russland kommen. Dabei<br />

geht es gar nicht nur um Stahl, sondern auch um<br />

weiterverarbeitete Materialien wie Blech oder Guss.<br />

Wie können Einkäufer in diesen Zeiten ihre Versorgung<br />

sicherstellen?<br />

Markus Decker: Meine Empfehlung ist, die <strong>Beschaffung</strong><br />

von C-Artikeln zu automatisieren, um Ressourcen<br />

für das Sourcing kritischer Assets freizusetzen.<br />

Das ist allerdings nur mit wenigen Lieferanten<br />

möglich. Ein mittelständischer Betrieb hat für C-Artikel<br />

oft bis zu 2000 Lieferanten gelistet. Hier müssen<br />

im ersten Schritt die Lieferantenbeziehungen konsolidiert<br />

werden. Erstes Kriterium ist die Lieferperformance:<br />

Wie gut ist der Lieferant? Zweitens der Service:<br />

Was wird über das Produkt hinaus geboten? Und drittens<br />

die Digitalisierungsangebote und die Bereitstellung<br />

von Lieferantendaten. Der strategische Einkauf<br />

sollte sich die unterschiedlichen Warengruppen ansehen,<br />

performante Lieferanten auswählen und so den<br />

Stamm auf maximal 40 Systempartner reduzieren.<br />

Schüler: Wichtig ist zudem ein Verständnis dafür,<br />

was in der Fertigung kritisch ist. Seien es Rohstoffe<br />

oder auch Werkzeuge. Wir haben eine Zeit, in der<br />

Produkte nicht immer in den gewünschten Mengen<br />

verfügbar sind. Einkäufer müssen also wissen, welches<br />

die kritischen Produkte sind und wie sie deren<br />

Verfügbarkeit langfristig absichern können.<br />

Decker: Weil sich Einkäufer auf diese Aufgaben fokussieren<br />

müssen, sehe ich in fünf bis acht Jahren in<br />

jedem Unternehmen Warenausgabesysteme für<br />

C-Artikel stehen. Damit kann man den Bestellprozess<br />

und auch die Ausgabe der Artikel an die Mitarbeiter<br />

komplett automatisieren. Das Einsparpotenzial ist<br />

enorm: Ein Kunde von uns hat errechnet, dass eine<br />

Entnahme aus der Materialausgabe mit allen Folgeprozessen<br />

unter einer Vollkostenbetrachtung zwischen<br />

20 und 25 Euro kostet. Der Kunde hatte rund<br />

1000 Buchungen am Tag. Man kann sich ausmalen<br />

was für eine Summe dabei zusammenkommt.<br />

Gibt es weitere Lösungen, um Einkäufer zu unterstützen?<br />

Decker: Für den akuten Bedarf bei einer Kostenstelle<br />

oder einem Auftrag bekommt der Kunde einen<br />

elektronischen Katalog, über den er zu seinen Konditionen<br />

auf das komplette Sortiment zugreifen kann.<br />

Für bestandsgeführte Artikel gibt es, wie bereits erwähnt,<br />

die Warenausgabesysteme.<br />

Schüler: Eine zusätzliche Lösung ist die digitale<br />

Werkzeugverwaltung. Dort werden Werkzeuge auftragsbezogen<br />

und systematisch abgebildet. Das<br />

macht den künftigen Bedarf planbarer und birgt Potenzial<br />

für eine vorausschauende <strong>Beschaffung</strong>. Wir<br />

sprechen heute häufig über die <strong>Beschaffung</strong> von<br />

Rohstoffen für einen Fertigungsauftrag. Aber oft<br />

sieht der Einkäufer nicht, welche Werkzeuge im Detail<br />

benötigt werden und welche kritisch sind. Dazu<br />

kommt die Konsolidierung der Werkzeugbestände.<br />

Bei den Zerspanungswerkzeugen gibt es zwei Arten:<br />

spezielle und universelle. In der Massenfertigung<br />

kann es sinnvoll sein, mit einem spezialisierten<br />

Werkzeug zu arbeiten, obwohl ich dann mehr Werkzeuge<br />

vorhalten muss. Für Lohnfertiger, die kleine<br />

Losgrößen produzieren, lohnt sich das häufig aber<br />

nicht. Hier sind performante, universelle Werkzeuge<br />

interessant. Es gibt zwar ein gewisses Leistungs-Gap<br />

zum Spezialisten, aber man muss nicht für jede Anwendung<br />

ein separates Werkzeug kaufen. Dadurch<br />

wird weniger Kapital gebunden und man hat mehr<br />

Platz im Lager beziehungsweise Ausgabeschrank.<br />

Klassischerweise deckt ein Universalwerkzeug Stahlund<br />

Edelstahlvarianten sowie gegebenenfalls gewisse<br />

Aluminiumlegierungen ab.<br />

Lassen sich darüber hinaus Einsparpotenziale definieren?<br />

Decker: Der Skontierbetrag sollte nicht vernachlässigt<br />

werden. Bei 2000 Lieferanten habe ich schlechtere<br />

Vereinbarungen und lasse einen Skonto auch<br />

mal verfallen. Das summiert sich. Durch die Reduktion<br />

der Lieferantenbeziehungen hat der Einkauf hingegen<br />

ein stärkeres Verhandlungsmandat gegenüber<br />

seinen Lieferanten und kann bessere Konditionen<br />

und Zahlungsbedingungen erwirken. Wenn dann die<br />

Nachbestellungen über den Ausgabeautomaten automatisiert<br />

werden und bis zur Rechnungsstellung<br />

durchdigitalisiert wird, können Skonti problemlos<br />

mitgenommen werden.<br />

Was macht die Hoffmann Group, um die Versorgungssicherheit<br />

für den Kunden sicherzustellen?<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2022 41

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