Beschaffung aktuell 09.2022
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» MANAGEMENT<br />
Fertigungsplattformen im Überblick<br />
Mit breitem Netzwerk gegen<br />
Engpässe<br />
Produzierende Unternehmen und deren Einkaufsorganisationen kämpfen mit den<br />
äußeren Einflüssen der letzten Jahre. Durch Krieg und Pandemie verursachte<br />
Engpässe bei Material und Logistik verlangen nach Alternativen in der <strong>Beschaffung</strong><br />
von Bauteilen und sind so Katalysator für Fertigungsplattformen. Diese können<br />
aufgrund ihrer breiten Lieferantenbasis Handlungsfähigkeit sicherstellen.<br />
Bei der Lieferantenauswahl gibt es<br />
zwei Optionen, Single- oder Multi-<br />
Sourcing. Unternehmen, die auf einen<br />
Lieferanten vertrauen, können von einem<br />
Vertrauensverhältnis und möglichen Bündelungseffekten<br />
profitieren. Fällt dieser<br />
Lieferant aus, hat der Einkauf allerdings<br />
ein Problem. Umgekehrt verhält es sich<br />
beim Multi-Sourcing, wo mehrere Lieferanten<br />
zur Verfügung stehen. Fällt einer<br />
aus, steht meist der nächste parat. Allerdings<br />
ist die Zusammenarbeit hier nicht<br />
so intensiv.<br />
Eine Möglichkeit, die Vorteile beider Strategien<br />
bei der <strong>Beschaffung</strong> von Bauteilen<br />
und -gruppen zu kombinieren, können<br />
Fertigungsplattformen darstellen. Diese<br />
bieten Zugriff auf ein breites Lieferantenportfolio<br />
und verschiedene Fertigungstechnologien<br />
– von spanabhebenden Verfahren<br />
über die Kunststoffverarbeitung<br />
und den Druckguss bis hin zur additiven<br />
Fertigung. Die Plattformen zeichnen sich<br />
eigenen Angaben zufolge dadurch aus,<br />
dass sie sowohl dem Einkauf als auch dem<br />
Lohnfertiger zeitintensive Abstimmung<br />
abnehmen und Prozesse automatisieren –<br />
zum Beispiel die Auswahl des passenden<br />
Lieferanten oder die Preiskalkulation.<br />
Gleichzeitig fungieren die Betreiber als<br />
zentrale Ansprechpartner für den Anwender<br />
und wickeln oftmals Zahlung und<br />
Logistik ab. In Zeiten von Engpässen und<br />
Lieferantenausfällen lassen sich so Versorgungsrisiken<br />
streuen.<br />
Benjamin Schwab, Co-Gründer und CMO<br />
der Fertigungsplattform Facturee, beschreibt<br />
es so: „Unsere Fertigungspartner<br />
sind selbstverständlich zum Teil auch von<br />
den <strong>aktuell</strong>en Geschehnissen betroffen.<br />
Dennoch zeigt sich gerade ein maßgeblicher<br />
Vorteil der Online-Fertigung: Unsere<br />
Kunden spüren die Entwicklungen im<br />
Markt in viel geringerem Ausmaß als bei<br />
der konventionellen <strong>Beschaffung</strong>.“ Auch<br />
der Geschäftsführer und Co-Gründer der<br />
Plattform Laserhub, Christoph Rößner,<br />
sieht das so: „Alle genannten Herausforderungen<br />
treffen auch auf unser Netzwerk<br />
an Fertigungspartnern und damit<br />
auch auf uns selbst zu. Unsere Plattform<br />
hat allerdings den klaren Vorteil, dass sie<br />
durch die Breite des Netzwerks etliche<br />
negativen Effekte deutlich abfedern<br />
kann.“<br />
Krisen als Katalysator<br />
Auch am Netzwerk der <strong>Beschaffung</strong>splattform<br />
Easy2Parts ziehen die Herausforderungen<br />
bei der <strong>Beschaffung</strong> von Vormaterial<br />
nicht spurlos vorbei. Robert Hilmer,<br />
Co-Founder und CEO der Easy2Parts<br />
GmbH: „Viele unserer Fertigungspartner<br />
haben gut gefüllte Auftragsbücher, allerdings<br />
auch Herausforderungen bei der<br />
<strong>Beschaffung</strong> von Halbzeugen. Hier unterstützen<br />
wir durch ein großes Händlernetzwerk<br />
und das intelligente Verteilen<br />
von Anfragen. So können die Fertigungsbetriebe<br />
die Aufträge effizienter abwickeln<br />
und haben mehr Sicherheit in den<br />
Lieferketten.“ Die Plattform bietet dem<br />
Anwender über ihr Lieferantennetzwerk<br />
hinaus die Möglichkeit, bestehende Lieferanten<br />
in das System einzubinden. Nutzer<br />
bestellen direkt in der Plattform. Der Sta-<br />
tus lässt sich vom Produktionsstart bis<br />
zum Wareneingang verfolgen. Dabei bietet<br />
das Netzwerk verschiedene Fertigungs-<br />
und Oberflächenverfahren sowie<br />
Schweiß- und Montagebetriebe. „So kann<br />
die gesamte Abwicklung der Fertigungsbauteile<br />
und Baugruppen über eine Plattform<br />
abgebildet werden“, betont der Geschäftsführer.<br />
Die nächsten Ziele des Unternehmens<br />
sind die Integration von mehr<br />
Auswertungsmöglichkeiten und eine engere<br />
Verknüpfung mit ERP- und <strong>Beschaffung</strong>ssystemen.<br />
Die cwmk GmbH ist 2017 unter dem Markenname<br />
Facturee in der DACH-Region<br />
gestartet. Die rund 2000 Fertigungspartner<br />
kommen aus den Bereichen CNC-<br />
Bearbeitung, Blechbearbeitung, additive<br />
Fertigung und Oberflächentechnik. Für jedes<br />
Projekt wird KI-gestützt ein geeigneter<br />
Fertiger im Hinblick auf Qualität, Preis<br />
und Lieferzeit ausgewählt. Schwab: „Momentan<br />
schaffen wir es noch, unsere<br />
Preise weitestgehend stabil zu halten und<br />
geben Preiserhöhungen <strong>aktuell</strong> nicht an<br />
unsere Kunden weiter. Zudem behalten<br />
wir unsere bisherige Angebotsgültigkeit<br />
von mindestens 14 Tagen weiter bei.“ Im<br />
Gegensatz zu vielen Mitbewerbern bildet<br />
die Plattform nicht sofort einen Preis, da<br />
dies aufgrund des notwendigerweise eingebauten<br />
Sicherheitspuffers mit höheren<br />
Kosten sowie beim Anfrageprozess mit<br />
zusätzlichem manuellem Aufwand für die<br />
Kunden verbunden sei. „Wir streben die<br />
Preisführerschaft unter den Online-Fertigern<br />
an. Darüber hinaus setzen wir auf einen<br />
niedrigschwelligen Zugang, indem<br />
36 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 09 | 2022