Innovationsreport Binnenschifffahrt 2022
GRUSSWORTE VON VOLKER WISSING, CLAUDIA MÜLLER, REINHARD LÜKEN | DST: Herausforderungen und Innovationen | AUTONOME SYSTEME | WERFT DES JAHRES: Hitzler | EMISSIONSFREIE »ELEKTRA« | INNOVATIVE SCHIFFE | MOTOREN UND ABGASTECHNIK | KRANTECHNIK
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INNOVATIONSREPORT <strong>2022</strong> | BINNENSCHIFFFAHRT DER ZUKUNFT<br />
Herausforderungen und Innovationen<br />
© DST<br />
Neue Designs sind gefragt: Schiffsumströmung eines kleinen, neu am<br />
DST konzipierten Containerschiffes im Versuchskanal in Duisburg<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> steht durch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserstraßen,<br />
die geforderte Umstellung auf klimaneutrale Antriebe und den drohenden Fachkräftemangel<br />
vor großen Herausforderungen. Diesen muss sie mit innovativen Entwicklungen begegnen<br />
Das vorrangige Ziel jeder Schiffsentwicklung<br />
ist stets die Verbesserung<br />
der Wirtschaftlichkeit des Schiffstrans -<br />
ports – allerdings unter bestimmten<br />
Randbedingungen. Dazu gehören beispielsweise<br />
die zu transportierenden Güterarten<br />
und -mengen, die Gewässerbedingungen,<br />
Schleusenabmessungen und<br />
Besatzungsvorschriften.<br />
In den letzten Jahrzehnten waren diese<br />
Randbedingungen relativ konstant und<br />
führten zu immer größeren Schiffseinheiten.<br />
Mit der größeren Verdrängung<br />
sinkt der spezifische Leistungsbedarf.<br />
Gleichzeitig kann ein größerer Propeller<br />
installiert werden, dessen Wirkungsgrad<br />
mit dem Durchmesser zunimmt. Der<br />
Wirkungsgrad des Dieselmotors konnte<br />
in Laufe der Jahre ebenfalls verbessert<br />
werden. So wurde das moderne Binnenschiff<br />
zum energieeffizientesten Verkehrsträger.<br />
Für die seltenen Niedrigwasserperioden<br />
wurden Ergänzungen<br />
wie der Flextunnel erfunden, die auch<br />
den Betrieb bei mäßigem Niedrigwasser<br />
erlauben.<br />
In nur wenigen Jahren sind allerdings<br />
viele Herausforderungen, unter anderem<br />
durch stark veränderte Randbedingungen,<br />
aufgetaucht, die neue Entwicklungen<br />
erzwingen.<br />
Die Klimaprognosen lassen ausge -<br />
dehnte und häufigere Niedrigwasserperioden<br />
in den nicht staugeregelten Flüssen<br />
erwarten. Hiervon ist ganz besonders die<br />
Rheinschifffahrt betroffen, weswegen<br />
auch bereits im Jahr 2018 Entwicklungen<br />
für flachgehende Binnenschiffe angestoßen<br />
wurden. Wegen des im flachen<br />
Wasser begrenzten Tiefgangs müssen die<br />
Länge und Breite des Schiffes maximiert<br />
werden, um eine ausreichende, wirtschaftlich<br />
vertretbare Tragfähigkeit zu erreichen.<br />
Gleichzeitig wird durch die geringe<br />
Wassertiefe die Geschwindigkeit<br />
begrenzt.<br />
Leistungsbedarf ist entscheidend<br />
Diese Grenze ist grundlegend strömungstechnisch<br />
begründet und kann<br />
durch keine konstruktive Maßnahme<br />
überwunden werden: Ab einer Tiefen-<br />
Froudezahl von 0,7 steigt der Leistungsbedarf<br />
stark an, und das Schiff erfährt einen<br />
starken Absunk und eine starke Vertrimmung,<br />
die zur Grundberührung führen<br />
kann. So ist zum Beispiel bei einer<br />
Wassertiefe von 1,8 m die Schiffsgeschwindigkeit<br />
auf 10,5 km/h begrenzt.<br />
Bei einem kleinen Tiefgang muss auch<br />
der Propellerdurchmesser entsprechend<br />
verkleinert werden. Um die erforderliche<br />
Antriebsleistung in das Wasser übertragen<br />
zu können, werden dann zwei oder<br />
mehr Propeller notwendig. Um den Wirkungsgrad<br />
möglichst hoch zu halten, werden<br />
diese in Tunneln angeordnet. Hier<br />
besteht die Gefahr, dass bei Stoppmanövern<br />
die Propeller von achtern Luft<br />
ansaugen. Um dies zu verhindern, ist eine<br />
entsprechende Gestaltung des Hinterschiffs<br />
vorzunehmen oder eine Bugstrahlanlage<br />
vorzusehen, die bei Stoppma -<br />
növern ausreichend Schub erzeugt.<br />
Es sind auch weitere Konzepte denkbar,<br />
wie zum Beispiel externe Zusatzantriebe<br />
mit kleinen Propellern, die bei<br />
Bedarf – ähnlich einem Außenbordmotor<br />
– am Heck angebracht werden und<br />
bei extremem Niedrigwasser als Antrieb<br />
dienen.<br />
Eine weitere Alternative mit ebenfalls<br />
sehr hohem Wirkungsgrad und uneingeschränkter<br />
Flachwassertauglichkeit ist<br />
das Schaufelrad bzw., in der modifizierten<br />
Form, die Blattkette. Während die geringe<br />
Drehzahl des Schaufelrads und die<br />
Momentstöße in Kombination mit dem<br />
Dieselmotor zu Schwierigkeiten führen,<br />
ist ein elektrischer Antrieb hierfür ohne<br />
weiteres geeignet.<br />
Damit bei reduziertem Tiefgang und<br />
entsprechend reduzierter Verdrängung<br />
ausreichend Ladung transportiert werden<br />
kann, ist es nötig, das Strukturgewicht<br />
zu minimieren. Dies kann durch<br />
eine Verringerung der Seitenhöhe und<br />
andere Materialien erreicht werden. An-<br />
10<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>2022</strong>