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Holsteiner KlöönSNACK - Ausgabe Kiel / Eckernförde - August 2022

Das Magazin für die Region Kiel / Eckernförde - Aktuelle, lokale Berichterstattung von Menschen aus der Region für die Region

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Inspektor Weimar<br />

Wer die Amtsverwaltung in<br />

Achterwehr besuchen möchte,<br />

erreicht diese über den „Inspektor-Weimar-Weg“.<br />

Der namengebende<br />

Inspektor Weimar, der so<br />

sehr mit seinem Inspektorenamt<br />

verbunden war, dass der „Inspektor“<br />

für die örtliche Bevölkerung<br />

zu einem Namensbestandteil<br />

wurde, soll hier vorgestellt<br />

werden.<br />

Im Jahre 1893 übernahm Friedrich<br />

Weimar von dem früh verstorbenen<br />

Vorgänger Friedrich<br />

Beuck das Inspektorenamt auf<br />

Gut Hohenschulen. Der Inspektor<br />

dort war ein „Gutsbeamter“,<br />

der die verantwortliche Oberaufsicht<br />

über die drei Güter Hohenschulen,<br />

Marutendorf und<br />

Nehmten am Großen Plöner See<br />

– zeitweilig auch Groß Nordsee –<br />

hatte. Damit war er Dienstvorgesetzter<br />

weiterer Gutsbeamter<br />

und aller Gutsarbeiter vom Vogt<br />

bis zum Tagelöhner. Vorbild dieses<br />

Verwaltungsaufbaus war das<br />

staatliche Beamtensystem. Seit<br />

1892 war Ludwig Mogens Graf<br />

Plessen-Cronstern Besitzer der<br />

drei Güter. Da der Graf damals<br />

als preußischer Gesandter am<br />

Hessischen Hof in Darmstadt<br />

und ab 1894 als Kaiserlicher Gesandter<br />

in Athen meistens ortsabwesend<br />

war, brauchte er für<br />

seine holsteinischen Güter einen<br />

tüchtigen und loyalen Gutsbeamten,<br />

der mit weitgehenden<br />

Vollmachten ausgestattet auch<br />

weitreichende Entscheidungen<br />

treffen konnte.<br />

Inspektor Weimar<br />

Dazu kam eine Besonderheit der<br />

damaligen schleswig-holsteinischen<br />

Kommunalverfassung. Bis<br />

1927/28 gab es auf dem Lande<br />

eine Doppelstruktur: Neben<br />

den Landgemeinden – wie<br />

Felde, Ottendorf und ab<br />

1899 Melsdorf – gab es als<br />

„Schwester-Einheiten“ die<br />

selbstständigen Gutsbezirke. Sie<br />

hatten die gleichen kommunalen<br />

Rechte und Pflichten wie die<br />

Landgemeinden, die allerdings<br />

bei dem Gutsbesitzer als dem<br />

„geborenen“ nicht etwa gewählten<br />

Gemeindevorsteher lagen.<br />

Selbstständige Gutsbezirke waren<br />

z. B. Quarnbek und eben Hohenschulen<br />

und Marutendorf.<br />

Da nun der Besitzer Graf Plessen-Cronstern<br />

dauernd ortsabwesend<br />

war, hatte er die kommunalen<br />

Aufgaben an seinen Inspektor<br />

übertragen. So war Gutsinspektor<br />

Weimar seit 1894 Landwirtschaft.<br />

auch Amtsvorsteher des Amtes<br />

Marutendorf, zu dem Hohenschulen<br />

und Blockshagen gehörten.<br />

Ausgeübt hat Weimar das<br />

Amt bis 1919 und nach Kommunalreform<br />

von 1928 bis 1942. Inspektorat<br />

und Amtsstube befanden<br />

sich im Herrenhaus von Hohenschulen.<br />

Dort wohnte auch<br />

die Familie Weimar, die Ehefrau<br />

Henriette, die Töchter und der<br />

Sohn Fritz, der im Ersten Weltkrieg<br />

gefallen ist. Als Friedrich<br />

Weimar 1934 mit 76 Jahren das<br />

Inspektorat abgab, kaufte er sich<br />

von dem Ersparten in Achterwehr<br />

eine kleine Landstelle.<br />

Weimar stammte aus dem Hessischen.<br />

Geboren wurde er am 30.<br />

April 1858 in Cubach bei Wiesbaden.<br />

Er war Sohn des Gemeindevorstehers<br />

und Kirchenrechnungsführers<br />

Heinrich Weimar.<br />

Bis zur Konfirmation hatte er die<br />

örtliche Bürgerschule besucht,<br />

und anschließend bekam er drei<br />

Jahre Privatunterricht. Nach Abschluss<br />

seiner Schulzeit arbeitete<br />

er in der väterlichen Landwirtschaft.<br />

Dort sei er auch in<br />

das Verwaltungs- und Rechnungswesen<br />

eingeführt worden,<br />

wie er in seinem Bewerbungsschreiben<br />

schreibt. Diese Herkunft<br />

konnte er nie ganz verleugnen,<br />

denn sein Plattdeutsch behielt<br />

zeitlebens eine hessische<br />

Färbung. Nach Norddeutschland<br />

kam er durch die Marine. Als 22-<br />

Jähriger wurde er zur Marineartillerie<br />

nach Friedrichsort eingezogen.<br />

Nach dem Ende seiner<br />

Dienstzeit zog es ihn wieder zur<br />

Aufgestiegen<br />

zum Gutssekretär auf Gut Dobersdorf<br />

im Kreis Plön scheinen<br />

sich seine außerordentlichen<br />

Qualitäten bis nach Nehmten zu<br />

Graf Plessen herumgesprochen<br />

zu haben.<br />

Für die Ortschronistik bedeutende<br />

Leistungen Weimars sind seine<br />

Tagebücher und die meist wöchentlich<br />

verfassten Tätigkeitsberichte<br />

an seinen Chef, den<br />

Grafen Plessen. Darin geht es vor<br />

allem um die Landwirtschaft in<br />

den drei Gütern, da in seine<br />

Dienstzeit aber auch, der Bau der<br />

Eisenbahn und des Nord-Ostsee-<br />

Kanals fallen, finden sich auch<br />

dazu interessante Details. Es<br />

ging aber auch um das tägliche<br />

Leben in den Gütern: So war seit<br />

den Zeiten der Leibeigenschaft<br />

Historie<br />

St. Pauli-Coac<br />

will den erste<br />

Solb<br />

vor En<br />

die medizinische Versorgung eine<br />

Aufgabe der Gutsherrschaft<br />

gewesen. Dass Reste dieser Tradition<br />

bis zur Wende des 19.<br />

zum 20. Jahrhundert überdauert<br />

hatten, zeigt die folgende Notiz<br />

Weimars vom 26. Dezember<br />

1898 an seinen Chef: „Der alte<br />

Schmüser [in Marutendorf] hat<br />

in den letzten Tagen auch wieder<br />

einen schweren Krankheitsanfall<br />

gehabt, wird aber anscheinend<br />

besser. Da ihm der Arzt Portwein<br />

verordnet hat, habe ich entsprechend<br />

der früheren Abmachung<br />

6 Flaschen reinen Portwein angekauft<br />

und ihm zunächst 3 davon<br />

zu Weihnachten als ein Geschenk<br />

von Euer Hochgeboren<br />

hingebracht, wofür er vielmals<br />

dankt.“<br />

Am 17. Juli 1957 ist Inspektor<br />

Friedrich Weimar im Alter von<br />

99 Jahren gestorben.<br />

Mai <strong>2022</strong>, Karsten Dölger, Gemeinschaft<br />

KulturGut im Amt<br />

Achterwehr,<br />

www.ge-kulturgut.de<br />

Fußb<br />

das H<br />

lässt<br />

21

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