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Alpentour 2021

Im Sommer 2021 bin ich drei Wochen lang auf den österreichisch und schweizerischen Alpen gewandert. Von Wanderung bis Hochtour war alles dabei. Dieser Bericht beschreibt mit Bild und Text meine fantastische Zeit.

Im Sommer 2021 bin ich drei Wochen lang auf den österreichisch und schweizerischen Alpen gewandert. Von Wanderung bis Hochtour war alles dabei.
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Das Abenteuer geht weiter!

Servus, grüßt euch.

Für den Sommer 2021 hatte ich mir diesmal etwas ganz Besonderes rausgesucht.

Wie in meinem letzten Bericht schon erwähnt, sollte es auf die Gletscherwelten

der Alpen gehen. Nach der Alpenüberquerung vor mehr als einem Jahr trainierte

ich fast täglich die eigene Kondition, Trittsicherheit und Technik. Um aber über

die Gletscher zu wandern und die Höhenluft auf meinen ersten 4000er Bergen

zu genießen, bedurfte es einer ordentlichen Grundausbildung. Zu diesem Zweck

führte es mich wieder zurück zur Alpinschule Oberstdorf. Diese Bergschule gibt

es nun seit mehr als 30 Jahren und ich kann sie jedem von Euch nur wärmstens

empfehlen. Drei Jahre vor der Alpenüberquerung buchte und lief ich jeweils eine

Tour pro Jahr mit der Bergschule. Zuerst ging es auf den E5 von Oberstdorf

nach Meran. Ein Jahr später vom Königssee zu den drei Zinnen. Und wieder ein

Jahr später eine Woche durch das Karwendelgebirge. Diese drei Touren dienten

mir als Vorbereitung und Verbesserung meiner Wanderskills. Natürlich hatte ich

auch jede Menge Spaß, lernte neue Freunde kennen und hatte den einen oder

anderen Kater am Morgen. Aber ohne die Alpinschule und ohne diese geführten

Touren hätte ich niemals eine Alpenüberquerung geplant oder gar alleine bestritten.

So sollte es auch dieses Jahr werden. Ich buchte mir also Anfang 2021 den

Grundkurs „Fels und Eis“ und kaufte mir noch die dafür notwendige Ausrüstung.

Dieser Kurs ging vom 1. bis zum 4. Juli und startete in Mandarfen.

Mandarfen, für die, die es nicht wissen sollten, befindet sich in Österreich, genauer

gesagt im hinteren Ende des Pitztals. Außerdem buchte ich mir für Ende

Juli einen Platz in einer geführten Gletschertour, welche auf neun 4000er Gipfel

führen sollte. Da es in Deutschland und Österreich keinen dieser Berge gibt, ging

es für mich in die wunderschöne Schweiz.

Aber bevor ich dort loslegen konnte, musste ich erstmal dorthin gelangen. Eine

lange und weite Reise stand mir bevor. Runter nach Österreich in das Pitztal,

danach in das Ötztal und dann noch rüber in die hinterste Schweiz. Und dann

musste ich noch heim!

Anreise

Ich packte einige Tage vor meinem großen Aufbruch meine sieben Sachen und

fuhr am 30. Juni knapp sieben Stunden lang von Wenigentaft nach Mandarfen.

Nun, über die Fahrt brauche ich eigentlich nicht viel zu erzählen. Nur, dass ich

durch knapp fünfzehn Baustellen fuhr, und als ich Österreich passierte, es zu

regnen begann. Und es hörte nicht auf! Die Regenwolken zogen über das ganze

Land. Hoffentlich würde es die nächsten Tage besser werden, dachte ich mir in

diesem Moment. Nach der Ankunft in Mandarfen und dem

Check In im Hotel Mittagskogel gab es erstmal Wellness pur. Dort lösten sich

alle Anspannungen und Nerven, die sich auf der stressigen Fahrt angesammelt

hatten, im Nu auf. Das hatte vielleicht gut getan!


Tag 1

Am nächsten Tag startete ich gelockert, entspannt und mit großer Freude in

den frischen Tag. Zwar regnete es noch, aber das trübte meine Laune keineswegs.

Gegen 12.00 Uhr stand ich am oberen Parkplatz von der Pitztaler

Gletscherexpress-Talstation und erwartete gespannt, wer wohl noch alles dazu

kommen würde. Nachdem alle eingetrudelt waren, begrüßten wir uns und

stellten einander vor. Leider konnte keiner der sieben Personen meinen Namen

richtig aussprechen. Trotz dessen verhielten wir uns alle acht am Anfang sehr

ruhig und liefen im noch anhaltenden Regen zum Taschachhaus. Der Weg dorthin

war anfangs noch gut ausgebaut. Jedoch wandelte sich dieser spätestens nach der

Talstation der Materialseilbahn in einen mittelschweren Bergweg.

Es ging über Felsen, Treppen, Bäche und so manchen steilen Aufstieg. Nach

gut vier Stunden erreichten wir endlich unser Basiscamp für die nächsten

Tage. Das Taschachhaus liegt auf knapp 2400 Metern Höhe und kann bis zu

160 Gäste beherbergen/bewirten. Nach diesen eigentlich leichten 670 Höhenmetern

qualmten meine Füße witziger Weise, wie die Hölle. Grund dafür waren

meine bis dato noch nicht eingelaufenen Hochtourenstiefel. Zwar konnte ich

sie daheim ein paar Mal anziehen, doch reichte dies nicht für den Einsatz im

alpinen Gelände aus. Jedoch lief es sich in diesen Schuhen von Tag zu Tag besser,

sodass ich sie bis heute nicht missen möchte.

Ich würde jedem, der vor hat, auf Gipfel und Gletscher zu steigen,

Schuhe der Kategorie C oder sogar D empfehlen. Diese besitzen eine

harte Sohle und sind anfangs sicherlich klobig und schwer, doch hat man mit

ihnen den besten Tritt in jedem Gelände. Damit meistert ihr jeden schweren

Weg, vorausgesetzt ihr könnt damit umgehen. Wenn man am Berg keine

Ahnung hat, helfen einem auch die besten Schuhe nicht weiter. Am Tag der

Ankunft erhielten wir nach dem Bezug unseres Lagers auch die notwendige

Leihausrüstung. Diese beinhaltete mehrere Bandschlingen, verschiedene

Schnapp- und Verschlusskarabiner, den Klettergurt mit Helm und passende

Steigeisen. Mit diesen Sachen sollten wir uns die nächsten Tage beschäftigen.

Nach all dem Organisatorischen gab es am Abend endlich etwas Warmes zu

essen. Die Nacht verlief leider etwas ungewohnt: Ein schmaler Lagerschlafplatz,

daneben ein schnarchender Bär und das Ungewisse auf Morgen ließen mich

schlecht schlafen.

Der noch gut ausgebaute Weg zur Materialseilbahn.

Der Weg wird steiler.


Tag 2

Am nächsten Tag ging es nach ausreichendem Frühstück, mit der gesamten

Gruppe, in Richtung Taschachferner. Nur zur Info: Ein Ferner ist in Österreich ein

Gletscher. Der Weg dorthin war alles andere als einfach. Es ging über mit Ketten

gesicherte Felspassagen, Schneefelder und Geröllwege. Gut ok, ich will ehrlich

sein. Für mich war der Weg bis zum Gletscher der pure Spaß. Nonstop Action!

Der ein oder andere war da anderer Meinung.

Zuallererst zeigten die beiden Guides uns die Schneehang-Absturzrettung: Erst

normal mit Schuhen, dann den Unterschied mit Steigeisen und zum Schluss mit

dem Einsatz unseres Pickels. Das machte richtig Spaß! Ihr könnt euch vorstellen,

ihr müsstet auf dem Rücken einen steilen Hang runterrutschen und müsstet

sehen, wie ihr am schnellsten zum Stehen kommt. Hammer! Nach diesen vielen

Übungen fing aber der Ernst an. Es ging auf den Gletscher! In zwei Grüppchen

angeseilt sind wir mit den Bergführern über das Eis. Überall hätten Spalten oder

Risse sein können. Jetzt schon übten wir das Gehen in Steigeisen. Wir gingen

bergauf, bergab, seitwärts und auch auf dem Stein. Ja, auf Stein. Hätte ich

vorher auch nicht gedacht. Aber die Stahlzacker halten das locker aus.

Mit Alusteigeisen würde ich das aber nicht machen. Da wäre der Verschleiß zu

groß. In Summe war alles schwerer als gedacht.

Besonders die Technik, wenn man einen sehr steilen Berghang senkrecht bezwingen

will. In Abstand von einem Meter muss man angeseilt in gebückter

Haltung auf allen Vieren und mit dem Pickel in der rechten Hand, hochkriechen.

Da war gefühlt der Hexenschuss schon vorprogrammiert. Doch am nächsten Tag

sollten wir das Gelernte in die Tat umsetzten. Zusätzlich zu dem Ganzen lernten

wir, wie man Eisschrauben verwendet und damit eine Eissanduhr herstellt.

Mit zwei Eisschrauben und einer Bandschlinge konnten wir danach noch unseren

eigenen Sicherungsplatz bauen. Dies wird zum Beispiel in fast senkrechtem

Gelände genutzt. Bis hierhin kam ich ja noch mit, aber als es dann mit den Knoten

anfing, ach du je! Was habe ich dort doch dumm aus der Wäsche geguckt!

Die Bergführer haben mir was von Prusik, Mastwurf, Ankerstich, Sackstich und

Achter erzählen wollen. Besonders für den Achter hab ich lange gebraucht.

Mit ihm konnte man die Anseilschlaufen für die Gruppe herstellen und zwei Seile

miteinander verbinden.

Aber nach dem gesamten Kurs, konnte ich die vielen Knoten fast im Schlaf. So

sollte es ja auch sein. Am Ende dieses lehrreichen Tages gab es noch den Standoder

Sicherungsplatzbau am Felsen. Ich merkte gegen Abend erst, wie erschöpft

ich eigentlich war. Nicht wegen der körperlichen Anstrengung, sondern wegen

des vielen neuen Wissens. Kein Wunder, dass ich daher schon früh ins Bett bin

und in einen tiefen Schlaf fiel. Ich hoffte nur, ich würde über Nacht nicht alleswieder

vergessen.


Dieses Gelände gefällt mir schon mehr.

Die Schneehang-Absturzrettung.

Es geht auf den Gletscher, die Ersten

waren schon drauf.

Der Aufbau des eigenen Standplatzes

am Gletscher war sehr interessant.

Tag 3

Meine Zimmergenossen erzählten mir am nächsten Tag, welch wundersame Geschichten

ich im Schlaf erzählte, und es sich manchmal so anhörte, als würde

ich telefonieren. Ich selber wüsste nur zu gerne, was und warum ich nachts aus

dem Nähkästchen plaudere. Ist bei mir anscheinend normal. Aber was ist schon

normal? Dennoch präsentierte sich der heutige Tag von seiner besten Seite. Der

Sonnenaufgang am Morgen und die Wetterprognosen ließen auf einen sonnigen

Tag hoffen. Das Programm für heute war ganz klar!


Wir schauen zusammen auf unsere große Wanderkarte und schätzen die Dauer

für unseren heutigen Weg ein. Gestartet sind wir gegen 8 Uhr und wanderten

von der Hütte aus in südwestlicher Richtung zu den Bächen. Über eine hölzerne

Brücke und an vielen Steinmännern vorbei ging es in Richtung Sexegertenferner.

Nach Erreichen des Ferners zogen wir die Steigeisen an, teilten uns in zwei

Gruppen auf und klinkten uns mit den Karabinern in das Seil ein. Wir wurden zu

einer Seilschaft, welche sich in ein und demselben Tempo bewegten. Einfach war

das nicht. Man musste sich an das Tempo des Vordermanns anpassen. Wir sind

überwiegend in Serpentinen nach oben gestiegen. Aber teilweise auch auf allen

Vieren gegangen. Das, was wir gestern geübt hatten, konnten wir hier prima

festigen. Nach etwa vier Stunden Fußmarsch erreichten wir unser heutiges Ziel:

Den 3060 Meter hohen Urkundsattel unterhalb des Pitztaler Urkundes. Hier oben

stationierten wir die nächsten zwei bis drei Stunden. Eigentlich war ich jetzt

schon platt gewesen. Aber nach einer zünftigen Brotzeit und einem Powerriegel

hatte ich wieder Kraft für Neues. Die sollte ich auch brauchen, denn jetzt ging

es ans Eingemachte. Es wartete die Spaltenbergung auf uns. Zuerst übten wir

viermal die Rettung über den Mannschaftszug. Wir bildeten hierfür erst eine

große Gruppe, damit jeder einmal gerettet werden musste. Danach ging es in

zwei kleineren Gruppen an die Rettung mit dem T-Anker und der losen Rolle. Das

hört sich jetzt erstmal sehr kompliziert an. Aber wenn man das System richtig

verstanden hat, läuft es wie am Schnürchen. Allerdings hatten wir in der großen

Gruppe auch einen besonderen Fall. Ihr müsst euch vorstellen, eine Seilschafft

mit zwei Frauen und zwei Kerlen muss einen gut 100 Kilo schweren Mann aus

einer Spalte retten. Ich war in diesem Fall an Position zwei und musste mich

ausklinken, um an der Spalte nach dem Rechten zu sehen. Danach kamen die

zwei Mädels und dahinter noch ein Kerl. Die Mädels bekamen die ganze Last zu

spüren. Das war echt nicht ohne. Aber sie haben es geschafft. Respekt!

Nach den kräftezehrenden Übungen stiegen wir wieder auf der anderen Seite

des Urkundsattels ab. Wieder in einer Seilschaft suchten wir uns einen Weg

durch die Schneehänge. Diesmal hatte ich das Glück, unsere Gruppe zu führen.

Mehrmals sind wir im Schnee knietief eingebrochen, rutschten aus und hofften

nur noch auf ein zeitiges Ende. Irgendwann später sind wir am Taschachhaus

unfallfrei angekommen. Jetzt gab es erstmal Kaffee & Kuchen. Das hatten wir

uns redlich verdient.

Zu guter Letzt gab es noch die Möglichkeit, sich von einem Felsvorsprung

30 Meter in die Tiefe abseilen zu lassen. Beim ersten Mal wurden wir vom Bergführer

abgelassen und beim zweiten Mal konnten wir selber Hand anlegen. Wir

nutzten unser Karabiner und den Tube als Bremse. Einfach cool! Das war Action

pur! Nach einem wiederholten sehr leckeren Abendessen und ein paar Bierchen,

erhielten wir die große Rechnung für die letzten Tage. Am nächsten Morgen

stand die geplante Abreise an.


Guten Morgen Österreich!

So hätte jeder Morgen aussehen müssen.

Jetzt geht es an das Eingemachte.

Die Ausrüstung sitzt ....

Zum Schluss konnte ich mich noch aus

30 Metern selbst abseilen.


Tag 4

Nach einem ausreichenden Frühstück gaben wir unsere Leihausrüstung im

Taschachhaus ab. Unsere beiden Bergführer prüften und zählten ganz genau,

dass alle herausgegebenen Teile beisammen waren. Könnte ja sein, dass ein

Langfinger unter uns war. Nach der vollständigen Zählung begaben wir uns auf

den langen, langweiligen Abstieg zum Parkplatz. Hierüber gibt es nicht wirklich

viel zu erzählen. Nur dass wir witzigerweise gesprächiger waren als noch vor

drei Tagen. Wir verstanden uns als Gruppe nach so kurzer Zeit sehr gut. Am

Vorabend hatten wir noch ausgemacht, den beiden Guides einen Obolus zukommen

zu lassen. Im Endeffekt wissen Sie, dass sie zum Schluss immer etwas

bekommen. Es ist ja mittlerweile schon Tradition. Am Parkplatz tauschten wir

noch für die Dropboxbilder unsere Emailadressen aus und verabschiedeten uns.

Das waren vier wirklich interessante Tage.

Doch die Reise endete hier nicht, nein nein. Es warteten noch weitere drei

Wochen auf mich. Für mich ging es jetzt erstmal zurück nach Mandarfen. Leider

war für heute das Hotel Mittagskogel schon ausgebucht. Daher musste ich mich

in dem Frühstückshotel Rifflsee einquartieren. Eigentlich wollte ich heute noch

auf einen der nahen Hausberge steigen, doch das Wetter schien mich nicht zu

mögen. Es regnete, als ich aufbrechen wollte. Die Wetterapp prognostizierte

Regen bis in die Abendstunden. Und so war es auch. Es regnete in Strömen.

Eigentlich war es auch gut so, schließlich sollten die nächsten Tage sehr sportlich

werden. Gut, dass ich mit dem Auto unterwegs war. Denn so konnte ich meine

gesamte Ausrüstung und Wechselklamotten im Auto lagern.

Ich packte meinen Rucksack für die nächsten Tage so, dass ich nur das Nötigste

mitnahm. Auch an Kleidern sparte ich. Denn je leichter du unterwegs bist, desto

mehr Spaß macht es. Heute gab es leider kein 3-Gänge-Menü, stattdessen gab

es Dosenbier, Dosenbrot und eine Knacker. ;) Für die nächsten Tage hatte ich mir

einiges vorgenommen. Ich wollte mit meinem Auto nach Sölden fahren und den

Aufstieg zur Hochstubaihütte nehmen. Von dort aus sollte es dann mehrere Tage

über die Ötztaler Alpen gehen, bis ich wieder in Sölden ankommen würde. Klingt

erstmal nach einem guten Plan. Aber wir sprechen hier von zwölf Tagen nonstop

Action. Aber Hüttenwandern ist genau mein Ding.

Früh Morgens:

Die Berge waren zwar

wolkenverhangen, doch

war diese Kulisse sehr imposant.


Tag 5

Nach einer doch recht kurzen Nacht im Hotel Rifflsee und einem guten

Frühstück startete ich viel zu spät. Ich hätte gestern doch früher ins Bett gehen

sollen! Infolgedessen fuhr ich um 10.30 Uhr los und kam um 12 Uhr in Sölden

an. Mein Auto parkte ich für die kommenden zwölf Nächte im Parkhaus an der

Gaislachkogelbahn. Ratet mal, was mich diese Dauer kostete? 108 Euro!!! Aber

was wollte ich machen?! Irgendwo muss ich mein Auto einigermaßen sicher

abstellen. Ich bin auf einer zwölftägigen Hüttentour unterwegs. Egal dachte ich

mir. Was kostet schon die Welt, ich will wandern. Möchte man von Sölden auf die

Hochstubaihütte aufsteigen, gibt es zwei mögliche Wege. Man könnte zur Fiegl‘s

Hütte wandern, zum Seekarsee aufsteigen und über Schneefelder zur Himmelsleiter

gelangen. Diese befindet sich einige hundert Meter unterhalb der Hütte.

Der andere Weg, welchen ich übrigens gegangen bin, führte zuallererst auf einer

Forststraße zur Klebealm.

Auf diesem etwa zweistündigen Wegstück, hatte ich mich schwer übernommen:

Ich überholte jeden, den ich vor mir sah, nahm jede Abkürzung, nur um zügig

voranzukommen. Aus zwei Stunden konnte ich somit 1,5 Stunden machen. Mit

schwerer Puste kam ich zügiger als gedacht an der Hütte an. Ich plante die

Energiereserven wieder aufzufüllen und schnell weiter zu ziehen. Somit gab es

den ersten von vielen Kaiserschmarren mit Preiselbeeren. Der war echt lecker!

Blöd war in diesem Augenblick nur, dass ich noch vier Stunden weiterlaufen

musste, bevor ich an meinem Tagesziel ankommen würde. Aufzustehen, wenn

es bekanntlich am schönsten ist, ist am schwersten. Doch es half nichts. Nach

etwa einer Stunde begegnete ich einer jungen Dame, welche von der Hochstubaihütte

herabkam. Wir unterhielten uns lange über unsere einzelnen Vorhaben

und verstanden uns auf Anhieb. Leider liefen wir beide in die genau entgegengesetzten

Richtungen. Sonst hätten wir vielleicht die nächsten Tage noch das

Vergnügen gehabt.

Als ich mich nach unserem interessanten Gespräch umschaute, war ich verwirrt.

Hier waren ja gar keine Bäume mehr. Ach ja, wir passierten schon seit längerem

die Baumgrenze. Das heißt, es wurde von nun an karg und karstig. Das Wetter

wurde schlechter und meine Motivation sank in den Keller. Zeitlich gesehen

waren es noch 1,5 Stunden! Nicht mehr viel! Es schien aber alles schlechter zu

laufen. Selbst die Schafe und Ziegen waren böse zu mir. Sie versperrten mir den

Weg, sodass ich querfeldein um sie drumherum gehen musste. Wenn ein Schafsbock

vor dir steht und den Kopf mit den Hörnern nach unten zu dir senkt, leg

ich es erst gar nicht darauf an. Ab einer Höhe von etwa 2700 Metern begrüßten

mich die Blocksteine und die auf darauf liegenden Schneefelder. Prima! Aber ich

durfte mich ja nicht beschweren. Schließlich wandere ich hier oben in hochalpinem

Gelände, und es ist auch erst Juli. Über die mit Schnee bedeckten

Blockschutthalden zu gehen und sich den passenden Weg zu suchen, gestaltete

sich als sehr schwierig. Dies gehörte für mich heute zu den wohl schwersten Aufgaben.

Nur gut, dass man die Hütte schon von hier aus sehen konnte. Dennoch

war ich noch nicht da. Es dauerte noch locker eine halbe Stunde.


Aber nach etwa 5,5 Stunden Fußmarsch und etwa 1600 Aufstiegshöhenmeter

erreichte ich endlich die Hochstubaihütte. Sie steht auf etwa 3174 Metern Höhe.

Und hier oben übernachtete ich als erstes! Wahnsinn! Eigentlich unglaublich,

oder? Der Wind peitschte erbarmungslos auf mich herab.

Kalte sechs Grad Celsius ließen mich gefühlt fast erfrieren. Die Mischung aus

Kälte und Wind war das große Problem. Der sogenannte Wind-Chill Effekt lässt

uns meist glauben, es wären minus zehn Grad. Aber zum Glück gibt es ja die

Berghütten, in denen man sich aufwärmen kann. In der Hochstubaihütte selbst

ist alles noch so wie um 1900. Alte Dielen, Holzwände und eine urige Atmosphäre

sind Zeugnis der langen Geschichte. Außer der Küche, war der einzige

beheizte Raum die Gaststube. Hier war es mollig warm. Sie wurde multifunktional

genutzt. Als Aufenthaltsraum, Gaststube und Trockenraum für nasse Kleider

und Schuhe. Ja auch Schuhe! Wie es am nächsten Tag roch, wenn alle Schuhe

um den Ofen standen, könnt ihr euch sicher denken.

Nach einem Kleiderwechsel und einer heißen Trinkschokolade lernte ich Claudia

und Siggi kennen. Die beiden kommen aus der Steiermark und sind zwei echte

Österreicher. Der Dialekt der beiden war echt spannend. Sie wanderten, wie

ich später herausfand, auch einen Teil des Ötztaltreks. Wir würden uns also die

nächsten zwei bis drei Tage öfter sehen. Gegen etwa acht Uhr ging im Ötztal die

Sonne unter. Beeindruckend war, wie die Sonne mit ihren letzten warmen, lang

anhaltenden Stahlen in die Gaststube schien. Als ich das bemerkte, begab ich

mich sofort wieder nach draußen. Der wolkenfreie Himmel gab uns eine bombastische

Aussicht. Wir hatten von hier oben einen 180 Grad Weitblick in das

ferne Tal. Die niederstehende Abendsonne verlieh dem Ganzen noch den letzten

Schliff. Man konnte in den letzten Minuten nochmal richtig die Wärme der

Sonne spüren, bevor es wieder sehr kalt wurde. Am Ende dieses Tages lernte

ich noch zwei Mädels aus Wien kennen, die Veterinärmedizin studieren. Ach,

und Maria und Werner, welche auf dem ersten Blick wie ein Pärchen aussahen.

Doch in Wirklichkeit waren es Vater und Tochter. Sehr cool die beiden! Auch diese

Zweiergruppen wollten die nächsten Tage auf dem Ötztaltrek weitergehen.

Einsam wird man hier oben sicher nicht.

Die Landschaft wirkte kalt, grau und finster.

Der Beweiß:

frische 6° C


Für diesen Sonnenuntergang bin ich aber gerne nochmal

nach draußen gegangen. Einfach beeindruckend!

Tag 6

Der nächste Morgen verlief, wie so oft, ruhig und normal. Der Ablauf ist eh

immer meist der gleiche. Nach dem Frühstück, holte ich mir noch einen

ortskundigen Rat vom Hüttenwirt. Dem Rat folgend, änderte ich meine Route für

heute und ging über die Himmelsleiter zum Seekarsee. Eben genau den Weg, den ich

vorhin noch als mögliche Aufstiegsroute für euch beschrieb. Der erste Weg zur

Himmelsleiter ging problemlos. Schwieriger wurden die Himmelsleiter selber und

der Weg zum Seekarsee. Die Himmelsleiter ist eine mit großen Blocksteinen

gebaute Leiter, die direkt am Felshang nach oben oder wie in unserem Fall,

nach unten führt. Der weitere Weg allerdings war ein pickelhart gefrorener

Schneehang. In Serpentinen führte dieser eigentlich nach unten. Doch selbst

die besten Wanderschuhe fanden hier keinen Gripp. So manch einer hat sich

mehrfach auf den Hosenboden gesetzt. Freiwillig und unfreiwillig gleichermaßen.

Ein Vorankommen war meist nur mit Grödel oder Steigeisen möglich. Zum

Glück hatte ich meine Stahlzacker dabei. Anfangs überlegte ich noch, ob ich sie

umsonst mitschleppen würde. Doch spätestens hier wusste ich, Maurice, du hast

alles richtig gemacht! So konnte ich fast sorgenfrei nach unten wandern.

Sorgen hat mir allerdings ein knapp 50-jähriger Mann gemacht. Dieser hat seine

Technik, sein Können und die heutige Etappe total unterschätzt. Er wanderte

mit einem Halbschuh, welcher bei näher Betrachtung wie ein Turnschuh aussah.

Dadurch, dass er null Gripp und null Halt fand, wich er vom eigentlichen Weg

ab und begab sich auf die schon geschmolzenen Blocksteine. Doch hier wusste

er auch nicht weiter. Jeder Stein wurde für ihn zum Hindernis. Viele hatten das

zwar gesehen, sind aber dennoch weiter gegangen. Aber zurücklassen konnte

ich ihn nicht auch noch. Ich legte den Rucksack ab und in der Zwischenzeit, in

der die Steigeisen trocknen konnten, begab ich mich zu ihm. Sich einen Weg zu

dem „verirrten Schaf“ zu suchen war gar nicht so einfach. Schließlich war ja alles

Offroad. Aber nach gut fünf Minuten erreichte ich ihn ohne große Blessuren. Ich

fragte ihn, ob es ihm gut geht und ob er Hilfe bräuchte. Er dachte, dass es über

die Blocksteine leichter zu wandern geht.


Ich half ihm, indem ich ihn auf den eigentlichen Weg zurück brachte. Nach diesem

Schrecken prüfte er sein eigentliches Vorhaben nochmal genau und stieg

zum Schluss nach Sölden ab. Das war auch gut so, denn der weitere Weg ab

dem Seekarsee war schwer und nicht zu unterschätzen. In der Zwischenzeit hatten

mich knapp drei Gruppen überholt. Das spornte mich natürlich weiter an. Ich

packte also meine sieben Sachen wieder ein und überholte Gruppe für Gruppe.

Erst zwei Rentner, dann die beiden Mädels und zum Schluss erreichte ich Claudia

und Siggi. Die beiden lachten als sie mich sahen, wie schnell ich ihren Vorsprung

wieder wettmachte. Sie meinten, ich wäre eine Bergziege und wollten mich vorbeilassen.

Doch ich lehnte dankend ab, denn sie hatten schon ein sportliches

Tempo drauf. Nach dem Überqueren des Warenbaches, ging es für uns steil

bergauf. Nervig waren auch hier, die vielen aggressiven Schafe und Ziegen. Ich

weiß nicht warum, aber sie folgten mir auf Schritt und Tritt. Ich dachte schon,

sie wollten meinen Rucksack plündern. Vielleicht lag es auch daran, dass ich eine

rote Jacke trug. Wer weiß das schon?

Der Weg war weiter oben immer schlechter markiert und es ging über die

ersten Schneefelder. Nach ein paar seilgesicherten Passagen und der ein oder

anderen Kletterpartie erreichten wir den Gipfelgrat. Doch geschafft hatten wir es

noch immer nicht. Nun folgte ein kleiner Abstieg über weitere Schneefelder, um

danach wieder aufzusteigen. An dem Restaurant Jochdohle, welches auf 3149

Metern liegt, trennten sich unsere Wege. Claudia und Siggi wollten zu diesem

Zeitpunkt noch bis zur Siegerlandhütte wandern. Sportlich, das hätte ich mir

nicht zugetraut. Aber für mich ging es weiter nach oben. Unweit vom Restaurant

entfernt befand sich die Gondelstation der Stubaier Gletscherbahn. Von hier aus

ging ich auf das Dach von Tirol. Dieser Aussichtspunkt hält bei gutem Wetter

vieles für einen bereit. Doch hier war mir einfach zu viel los. Viele Menschen

kamen einfach mit der Bergbahn hochgefahren, nur um Fotos zu machen und

den Ausblick zu genießen. Doch ich finde, man sollte sich den Ausblick verdienen.

Direkt gegenüber dem Aussichtspunkt befand sich die Schaufelspitze, mit

sage und schreibe 3332 Metern Höhe. Ihr könnt euch sicherlich denken, dass ich

mich nicht lumpen ließ, diesen Berg auch noch mitzunehmen. Doch um dies zu

schaffen, brauchte ich etwas Festes zwischen den Zähnen. Bier und ein belegtes

Brötchen gaben mir wieder volle Kraft.

Der Aufstieg war keinesfalls leicht. Schlechte Sicht und nasser Untergrund galt

es zu bewältigen. Doch es ging alles gut und ich konnte mich, nachdem ich auf

dem Gipfel ankam, in das Gipfelbuch eintragen. Die Gipfel werden höher! Nach

dem Abstieg traf ich in einer Gedenkgrotte noch die beiden Studentinnen, die

vor mir auf dem Gipfel waren. Sie pausierten hier, um neue Kraft zu tanken.

Ihr hättet sehen müssen, was die beiden alles an Verpflegung dabei hatten!

Unglaublich! So viel hätte ich niemals mit mir herum getragen. Das Wetter

zog sich immer weiter zusammen, sodass wir uns auf den Abstieg machten.

Teilweise konnten wir sogar auf kleinen Schneefeldern mit unseren Schuhen

herunterrutschen. Das klappte meist nur dann, wenn der Schnee pappig und der

Hang steil war. Binnen gut einer Stunde erreichten wir von der Grotte aus die

Hildesheimer Hütte. Wir querten bis dahin noch weitere Schneefelder sowie den

Abstieg auf einem Kletterersteig.


Als wir die Hütte erreichten, checkte man sich ein und bezog sein Zimmer. Witzig

fand ich, dass sich die zwei Mädels für heute ein Bett und ein Schlafsack teilten.

Erst dachte ich, das können die doch nicht bringen. Dann fiel mir wieder ein,

dass die beiden Studenten waren.

Ihr Stil war: minimale Ausrüstung, viel Proviant und nur die Übernachtungen

bezahlen. Im Endeffekt genau das Gegenteil von mir. Aber erleben werden

wir das Gleiche. Ich glaube ab und zu würde uns Minimalismus echt guttun.

Nachdem ich meine Sachen ins Lager stellte, konnte ich noch die nassen

Klamotten im Heizungskeller aufhängen und mich anschließend nach draußen

auf die Terrasse begeben. Und wen sah ich hier? Claudia und Siggi! Ich dachte

die beiden sind schon auf der Siegerlandhütte. Was die wohl hier machen? Als

sie mich sahen, winkten sie mich herbei und meinten, ich soll mich dazusetzten.

Erste Frage von mir.“Was macht ihr denn hier, ihr wolltet doch nur eine Pause

machen?“ Siggi meinte nur, dass sie sich hier festgesessen haben und von einer

Bestellung zur nächsten sind. Außerdem hatte Claudia einfach keinen Bock mehr.

Die heutige Etappe von den beiden hatte mich so schon gewundert. Die würde

nur klappen, wenn man sehr früh startet und eine riesige Ausdauer mit dabei

hat. Aber schon morgens waren sie froh, sich den Weg auf zwei Tage eingeteilt

zu haben. Nach ein paar netten geselligen Gesprächen kam der Chef des Hauses

zu uns und nahm die letzten Bestellungen auf. Er wies uns darauf hin, das nun

die letzte Möglichkeit bestände, noch Essen vor dem Abendbrot zu bestellen. Da

ich zuvor Siggi und Claudia sah, wie sie sich eine Pfanne Kaiserschmarrn teilten,

hob ich schnell meinen Arm und bestellte mir auch einen. Er dachte sicherlich,

ich mach nur Spaß, weil es in gut 1,5 Stunden das Abendbrot mit drei Gängen

geben sollte. Aber ich scherzte nicht. Ich meinte nur, ich nehme die Pfanne Kaiserschmarrn

schon mal als Vorspeise, nicht dass ich am Ende noch Hunger habe.

Nachdem ich das sagte, lachten alle und Siggi meinte, ich könnte es ja vertrgen-

Recht hatte er!

Einfach beeindruckend! So viel Schnee!

An diesem Bach verweilte ich einige Zeit.


Auf dem „Top of Tyrol“ hatte man eine

super Aussicht.

Kurz vor der Hildesheimer Hütte noch ein Kreuz

mitgenommen. Yes!

Tag 7

Von meiner selbst gewählten Hüttentour führte der siebte Tag, wie anfangs schon

erwähnt, von der Hildesheimer Hütte zur Siegerlandhütte. Übrigens! Der Weg,

den ich gehe, ist ein Teil des Ötztaltreks. Dieser beginnt eigentlich am Bahnhof

in Oetz und führt im Uhrzeigersinn in insgesamt 23 Etappen einmal um die

Ötztaler Berge. Googelt einfach Ötztaltrek und ihr werdet ungefähr sehen, wo

ich unterwegs war. Aber die vollen 23 Etappen werde ich nicht schaffen. Stattdessen

habe ich mir die 12 Etappen rund um den Ort Sölden rausgesucht. Die

heutige Gehzeit beträgt nur rund 3,5 Stunden. Wenn man auf die Karte schaut,

bin ich von der Hildesheimer Hütte zuerst ein kleines Stück bergab gelaufen. Danach

ging es moderat Richtung Südost zu einer kleinen Anhöhe. Um auf das sogenannte

Gamsplatzl zu kommen, gab es eigentlich nur den Weg mit den stark

gerölligen Serpentinen. Doch ich entschied mich für eine Abkürzung. Ich sah mir

den leicht vereisten Berghang an und dachte, Mensch da geh ich hoch. Nur mit

dem Unterschied, dass es galt knapp 40 - 50 % Steigung zu bewältigen. Ja ich

weiß, ich muss es wieder übertreiben. Aber warum soll ich die Steigeisen einfach

mittragen, wenn ich sie auch benutzen könnte. Außerdem konnte man hier das

Bergaufgehen nochmal üben.

Wenn nicht immer so viel Zeit für das Aus– und Anziehen verloren gehen würde,

könnte man durch solche Aktionen echt viel Zeit sparen. Im Endeffekt überholte

ich all jene, welche mich vorhin beim Umziehen überholten. In Summe hat es

aber trotzdem Spaß gemacht. Oben auf dem Sattel angelangt, fand man viele

aufgetürmte Steinmänner und andere Bauobjekte von den letzten Wanderern.

Der weitere Weg führte wieder 300 Höhenmeter bergab und an dem Triebenkarsee

vorbei. Nachdem ich noch zwei Bäche überquerte, kam ich an der Siegerlandhütte

an. Ich weiß, das hört sich nach nicht viel an, aber es gibt eben auch

ruhige Tage. Gegen 11:30 Uhr war ich leider schon auf der Hütte. War aber auch

gut so. Das Wetter war fürchterlich und sehr unbeständig. Ich trocknete wieder

meine Sachen und wartete auf die Anderen. Wir, und damit meine ich Claudia,

Siggi und ein älteres Ehepaar, sind eigentlich zusammen los. Aber wenn es mir

irgendwann zu langweilig wird, dann laufe ich meist mein eigenes Tempo.


Nach ein paar warmen alkoholfreien Getränken und einem interessanten Gespräch

mit einem anderen Bergsteiger kamen sie endlich. Es wurde aber auch

Zeit. Denn das Wetter zog sich gegen 13:00 Uhr sehr schnell zu und brachte

starken Wind mit. Eigentlich wollte ich nach einer kleinen Stärkung noch auf das

Hohe Eis steigen. Zu diesem hätte ich etwa zwei Stunden gebraucht und 680

Höhenmeter mehr gemacht. Aber was bringt mir die Quälerei bei dem Wetter,

wenn ich nicht mal mehr die Weitsicht hätte genießen können. Stattdessen vertrieb

ich mir mit den anderen die Zeit mit Brettspielen. Claudia, Werner, Maria

und ich spielten „Mensch ärgere dich nicht“ über zwei bis drei Runden. Das hat

vielleicht Spaß gemacht. Apropos Werner und Maria! Die beiden liefen die letzten

drei Tage schon dieselbe Route. Mal traf man sich und mal wieder nicht. Aber die

nächsten Tage sollten wir noch sehr viel mehr Zeit miteinander verbringen.

Ich muss schon sagen, die Zeit von 12 Uhr bis 18 Uhr verging im Schneckentempo.

Ich glaube, ich spreche hier im Namen aller, dass wir gerne noch auf

einen Berg gestiegen wären. Aber was will man machen. Obwohl! Zwischenzeitlich

ist der Werner nochmal in die Bergschuhe geschlüpft und hat sich alleine

auf den Weg zu einem Berg gemacht. Ob er am Ende dann noch bis hoch auf

die Spitze ist, kann ich gar nicht genau sagen. Wir waren aber alle froh, als er

wieder zurück war. Gegen 18 oder 19 Uhr gab es dann endlich Abendbrot. Und

ratet mal, was es vorher wieder gab. Richtig!!! Einen Kaiserschmarrn! Ich könnt

den jeden Tag essen. Satt war ich nach dem Abendbrot auf jeden Fall wieder.

Die Siegerlandhütte wurde an diesem Abend sehr voll. Zu Gast waren ein paar

Holländer, eine geführte Wandergruppe, eine vier köpfige Familie und wir Fünf.

Die geführte Gruppe hat es sich an diesem Abend schwer gut gehen lassen. Wir

konnten die vielen Schnapsrunden gar nicht mehr zählen. Das Gute war ja, dass

der Hüttenwirt noch sein Brennrecht ausüben durfte. Daher stand unten im Keller

auch seine Destille. Er darf pro Jahr rund 100 Liter hochprozentigen Schnaps

steuerfrei produzieren. Ob er sich am Ende auch daran hält, weiß man nicht.

Meiner Meinung nach, bestimmt nicht. Wenn ich überlege, was hier und heute an

Schnaps über den Tresen ging, bedarf es mehr als nur 100 Liter pro Jahr.

Der Triebenkarsee: wunderschön und eiskalt.

Die Siegerlandhütte ist in Sicht.

Die Wolken hängen heute aber auch tief!


Tag 8

Am nächsten Morgen gab es nach einem ausreichenden Frühstücksbuffet eine

ernüchternde Nachricht. Das Wetter würde sich laut Wetterbericht früher zuziehen

als es gestern noch bekannt war. Nur gut, dass wir schon um sechs Uhr

aufgestanden sind, sodass wir früher loslaufen konnten. Mit dem Wir meinte ich

die geführte Wandergruppe, Maria, Werner und mich. Klar, wir gehen alle nicht

zusammen, aber erstmal in die gleiche Richtung. Ärgerlich war nur die unfreundliche

Antwort des Bergführers der Wandergruppe. Der war vielleicht komisch

drauf. Der hätte gestern vielleicht ein paar Schnaps weglassen sollen! Ich wollte

eigentlich nur wissen, wo es heute für die Gruppe hingeht: ob über die zwei

Scharten zur Schneebergalm oder über den langen Abstieg ins Tal. Letzteres

wäre auch mein Weg gewesen. Aber er antwortete nur: „Was geht dich das an!“

Leider Gottes, musste ich mich heute von Claudia und Siggi verabschieden. Für

Sie ging es heute runter ins Tal und weiter Richtung Sölden. Dann sollten noch

ein paar Tage Wellness kommen, bevor es wieder in die schöne Steiermark zurückging.

Mit den beiden hatte ich die letzten Tage sehr viel Spaß gehabt. Nur

schade, dass ich den Kontakt nicht halten konnte. Ich habe weder eine Telefonnummer

noch eine Ahnung, wo sie sich in der Steiermark befinden. Vielleicht

sieht man sich durch Zufall wieder. Ich hoffe es! Aber nichtsdestotrotz geht

meine Reise weiter. Werner und Maria sind an diesem Morgen zehn bis fünfzehn

Minuten vor mir abgereist. Sie waren sich sicher, dass ich schnell zu ihnen aufstoßen

würde. Und so war es auch. Es dauerte nicht lange, bis ich sie wieder eingeholt

hatte. Jetzt galt es, die vor uns laufende Wandergruppe einzuholen und

zu überholen. Gruppen von zehn oder mehr Personen sind meist immer langsamer

als Einzelpersonen. Das schwächste Glied läuft immer vorne. Als wir sie

eingeholt hatten, befanden wir uns unterhalb der Windachscharte. Ab hier wurde

es schwierig, sie zu überholen, da der Platz einfach nicht ausreichte. Und weil

der Bergführer einfach saudumm war. Tut mir leid für den Ausdruck, aber der

Kerl war komplett inkompetent. Ich an seiner Stelle hätte der gesamten Gruppe

eine kurze Pause gegönnt und die drei anderen Wanderer vorbei gelassen. Die

Teilnehmer haben so schon gekeucht.

Oben auf der Scharte passierten wir die österreichisch-italienische Grenze und

konnten endlich überholen. Klar, wir mussten uns auch ein paar dumme Kommentare

gefallen lassen, aber wir blieben stets freundlich. Auf der Windachscharte

konnten wir zudem die ersten gemeinsamen Bilder machen. Es entstanden

zwei Bilder, welche ich mir bis heute immer wieder gerne anschaue. Nach

der kleinen Fotosession, begaben wir uns auf den Abstieg. Unser gemeinsamer

Weg ging leider nur noch bis zu einem großen See. An dem großen Timmler

Schwarzsee trennten sich unsere Wege. Mir war ja bekannt, dass sie auch zu der

Schneebergalm wollten. Aber dass der gemeinsame Weg dann doch so schnell

endete, hätte ich nicht gedacht. Jedoch habe ich Werner und Maria sehr ins Herz

geschlossen, zumal sie sehr nett und höflich waren und ich mit den beiden auf

kurze Dauer echt viel Spaß hatte. Für mich würde es nun auf dem Tiroler Höhenweg

zur Timmelsalm und runter bis zur Passstraße gehen. Danach noch ein

Stück auf der Straße bergauf und ich würde das Gasthaus Hochfirst erreichen.


Aber als ich mich auf den Weg machen wollte, raubte mir der Landschaftsblick

unterhalb des Schwarzsees fast den Verstand.

Hier musste ich einfach inne halten und verlor locker eine halbe Stunde Zeit.

Die Natur war einfach zu prächtig. Ich zählte über zwölf Bäche, welche in alle

Richtungen unterhalb der Gipfel entsprangen und auf dem Plateau mündeten.

Sie füllten die ganze Ebene mit Wasser und somit den Ursprung des Passer. Der

Passer ist ein Fluss, der sich durch das Passaiertal erstreckt und bis nach Meran

fließt. Er mündet in die Etsch, welche vielleicht etwas bekannter sein müsste. Jedenfalls

war der Abstieg neben dem immer größer werdenden Gebirgsfluss sehr

imposant. Ich konnte meine Begeisterung für diesen Teil des Abstiegs gar nicht

in Worte fassen. Mich durchströmte so ein Gefühl von unendlicher Glücklichkeit.

Ich hätte am liebsten die Zeit angehalten, als sich das Tal immer weiter öffnete

und die Flora mich immer mehr begeisterte. Sie sah nicht nur gut aus, sie roch

sogar gut! Ja, die vielen Blumen versprühten einen wunderbar angenehmen

Duft. Diesen Moment hätte ich gerne mit jemandem geteilt. Ihr müsst wissen,

ich habe die letzten Tage nur Felsen und Eis gesehen. Und jetzt pinselt die Natur

mit ihrer Farbpalette einem den besten Ausblick. Da kann einem auch mal ein

Tränchen über die Wange springen. Aber genug der Gefühlsduselei.

Ab der Timmelsalm führte der weitere Weg auf einem gut ausgebauten Forstweg

zur Timmelsjoch-Hochalpenstraße. Als ich die Straße erreichte fing es ausgerechnet

an zu regnen. Super! Jetzt war die Frage, ob ich die Straße bergab oder

bergauf gehen musste. Ich konnte mich ja nicht mehr orientieren, da sich leider

mein Handyakku schon frühzeitig verabschieden musste. Genauer gesagt, oben

bei den Seen. Daher fehlen mir auch die Bilder ab dem Wasserfall. Ich entschied

mich, bergauf zu laufen, da ich morgen eh in die Richtung hätte laufen müssen.

Der Weg von hier bis hoch zum Gasthof Hochfirst war nicht der ungefährlichste.

Damit meine ich, dass ich mitten auf der Straße laufen musste, weil kein Bürgersteig

da war. Und die vielen Autos und Busse hatten auch groß keinen Platz zum

Überholen. Aber wie das Schicksal so will, hatte ich es nach ungefähr 20 Minuten

geschafft. Zwar regnete es schon seit einiger Zeit, aber als ich gegen

13 Uhr am Gasthof ankam, brach das Unwetter hier herein. Hagel, Sturm und

Starkregen wüteten lange. Gut, dass ich im Trockenen saß und mich an einem

Passeier Kaiserschmarrn erfreuen konnte.

Nach dieser Stärkung und einer warmen Dusche, legte ich mich im Bettenzimmer

auf die Ohren. Warum? Ganz einfach. Mir war kalt und langweilig. Ich wollte

bis zum Abendbrot einfach die restliche Zeit totschlagen. Draußen hätte ich

eh nichts machen können. Mein Plan ging vorerst auch auf, aber gegen 16 Uhr

kam ein älterer Mann ins Zimmer und stand vor meinem Bett. Erst erkannte

ich ihn nicht und dann wollte ich meinen Augen nicht glauben. Was zum Teufel

macht Werner hier. Er und Maria sind doch auf der Schneebergalm! Ich war völlig

sprachlos. Als ich ihn fragen wollte, meinte er nur, ich solle mich fertig machen

und runter in die Gaststube kommen. Er wäre zwar schon mal oben gewesen,

doch da hätte ich geschlafen. Auf die Geschichte war ich schwer gespannt. Unten

angekommen, klärten sie mich erstmal auf. Als die beiden auf der Hütte ankamen,

duschten sie und wollten die Klamotten trocknen.


In einem Moment kam Maria auf den Gedanken, sie könnten doch noch die eine

Stunde bergab laufen und mit dem Bus zu mir fahren. Sie hätten morgen ja eh

diesen Weg genommen. Unser beider Ziel war das Brunnenkogelhaus. Gedacht,

gesagt, getan! Als sie kurz vor der Bushaltestelle ankamen, sahen sie den Bus

wie er hielt und wieder weiter fuhr. Aber ohne sie mitzunehmen. Da standen sie

nun. Ich will gar nicht wissen, wie sehr sie sich in diesem Moment ärgerten. Das

ist mir letztes Jahr auch einmal passiert. Nur mit dem Unterschied, dass ich zu

blöd war, den Fahrplan zu lesen.

Doch glücklicherweise kam ein Baustellenfahrzeug vorbei, welches sie mitnahm.

Und da waren sie nun. Ihr Ziel, mich zu überraschen, war ihnen echt gelungen.

Im Endeffekt konnte ich den beiden eigentlich gar nicht genug dafür danken. Ich

dachte schon, ich würde sie ab dem Timmler Schwarzsee nie wieder sehen. So

war ich um einen weiteren Tag in guter Gesellschaft. Wir unterhielten uns

lange, bis es endlich Abendbrot gab.

Die „à la carte“ servierten Gerichte schmeckten vorzüglich, nur schade, dass

sie nicht lange in meinem Magen blieben. Der weitere Abend wurde nach einem

Absacker anders, als erst gedacht. Es sollte nämlich nicht bei einem bleiben. Es

folgten Schnappsrunden, welche der Gasthof zu meiner Zeit frei Haus spendierte.

Und ab hier wurde es kritisch. In der Stube saßen zirka 10 Personen und die

beiden jungen Chefs des Hauses. Ich glaube, einer war Deutscher und der andere

ein Italiener. Aber beide waren sehr cool drauf. Vielleicht ein bisschen zu cool.

Die beiden hatten, wie der Hüttenwirt der Siegerlandhütte, ihre eigene Destille

im Keller stehen. Wie viel sie nun für den Eigenbedarf brennen durften, wird ihr

Geheimnis bleiben. Wir waren aber auch in Italien, da ist die Gesetzeslage eine

ganz andere. Aber was sie brannten, war sehr gut. Sie kamen zuerst mit einem

eigens hergestellten Enzian um die Ecke. Der war schon weltklasse, aber nun

folgten noch sieben weitere verschiedene Sorten. Aufgetischt wurde unter anderem

Nussler, Johannisbeerschnaps, Grappa, Zirbengeist und Zirbenlikör. Zuerst

wurde jeder von den acht Schnäpsen hintereinander einmal probiert. Später

häuften sich dann Zirbe und Obstler auf meinem Tisch.

Großes Erstaunen bekam ich von Werner, als ich zwischenzeitlich noch mit meinem

restlichen Rotwein den Schnaps spülte. Dass ich mich am nächsten Tag

nicht mehr an die Reihenfolge erinnern konnte, könnt ihr sicherlich gut verstehen.

In der Zwischenzeit wurde aus den Boxen Discomusik abgespielt, als wären

wir auf einer Elektroparty. Dass aber ein bis zwei Etagen über uns die Übernachtungsgäste

schliefen, kümmerte niemanden von uns. Die Boxen wurden lauter,

die Musik härter, wir tanzten und hatten einfach nur Spaß. Für den deutschen

Hotelchef war aber nach kurzer Zeit schon Rio. Er lag betrunken in seinem Stuhl,

mit dem Kopf nach vorne und schlief felsenfest. Erst schwer ausgeschenkt und

dann den Stoff nicht vertragen! Das sind mir die Richtigen. Nein Spaß. Auch geil

war der Moment, als der italienische Chef die Espressomaschine als Nebelmaschine

missbrauchte. Er schaltete die Dampfdüsen an und tanzte davor.

Er wusste ganz genau, wie man die Stimmung richtig anheizen konnte. Dieser

Abend war legendär. Ich hatte bisher noch nie so viel Gastfreundschaft, mit einmal

erlebt. Ich meine, welches Hotel besäuft sich abends auf eigene Kosten mit

den Gästen?! Keines!


Es gab eigentlich nur eine winzige kleine Regel zu beachten. Die beiden Chefs

meinten am Anfang noch, dass sie einen hohen Verschleiß an Reinigungskräften

haben und wir die Zimmer morgen wieder ordentlich verlassen sollten. Nicht,

dass die Arbeit so schwer sei, sondern weil sie nach einiger Zeit freiwillig gehen.

Was sie wohl damit meinten? Wer weiß das schon, jedenfalls feierten wir kräftig

bis in die Nacht hinein. Wenn ich grob durchrechne, waren es mindestens zwölf

Schnäpse, die ich mir wohlwollend einverleibte. Zwischendurch habe ich ja noch

die Schnäpse von Maria bekommen. Ich hatte an diesem Abend einen echt guten

Tag. Die Kurzen schmeckten und gingen runter wie Wasser.

Nur blöd wenn irgendwann der schwarze Mann mit dem schweren Hammer

kommt. Ich erinnere mich weder wann die Nacht endete noch ob man mich ins

Bett brachte. Was ich aber weiß, war der Moment als ich mich in die Waagerechte

legte. Ihr könnt es euch sicherlich denken. Mir war kotzübel! Zum Glück

wählte ich mein Bett wohlbedacht. Der Weg zum Balkon war nämlich kürzer als

der Weg zum WC. Ja, richtig gehört! Ich bin raus und hab mich von der dritten

Etage aus auf das Vordach des Erdgeschosses übergeben. Blöd nur, dass es nicht

mehr geregnet hat und das Dach aus Schilf bestand. Ach, die guten Nudeln und

der leckere Apfelstrudel. Aber so ist das halt. Gut war nur, dass ich am nächsten

Tag keine Kopfschmerzen hatte.

Werner du Granate. Schön war es bisher ...

Die Landschaft wirkt kalt und grau. Doch fließen

hier viele Gebirgsbäche zusammen.

Der Beweis:

Sieben Flaschen Schnaps stehen auf dem Tisch.

Und die gute Laune des italienischen Chefs in der

Mitte ist deutlich zu spüren.


Tag 9

Trotzdem hatte ich für heute keinen Bock mehr auf Wandern. Für Maria und mich

gab es zum Frühstück nicht wirklich viel. Zwei kleine Brötchen und ein Croissant

mussten reichen. Ihr ging es zum Glück genauso wie mir. Der einzige, der genüsslich

seinen Kaffee schlürfte, war unser Werner. Er meinte nur, hätte er die

Schlagzahl von gestern mitgehalten, wäre er gleich zweimal besoffen. Ich kenn

aber leider auch nicht meine Grenzen! Aber Fakt ist, der Schnaps von gestern

war kein Fusel. Sonst wäre ich heut nicht auf die Beine gekommen. Das war echt

guter Stoff. Jede Sorte hat geschmeckt und nicht einer hat im Abgang gebrannt.

Also entweder haben sie ihn für teures Geld eingekauft oder sie beherrschen

das Schnapsbrennen wie Profis. Was mich aber am meisten verwundert hat, war

der Chef der gestern zuerst den Geist aufgegeben hatte. Er stand um sechs Uhr

schon wieder auf den Beinen, hatte ein Glas Rotwein in der Hand und bediente

uns munter weiter. Wie kann das sein? Maria meinte nur, es gebe drei Möglichkeiten.

Entweder ist er Alkoholiker oder voll im Training oder er zieht sich morgens

das weiße Pulver durch die Nase. Normal war der nicht.

Der Höhepunkt war, als er sich in Festtagsuniform in seinen dicken BMW setzte

und ins Tal düste. Dem anderen Chef ging es hingegen nicht so prächtig. Er lag

gefühlt noch im Koma und schlief seinen großen Rausch aus. Das hätte ich am

liebsten auch gerne gemacht, aber wir mussten uns auf die Socken machen.

Für heute nahmen wir ausnahmsweise den Bus. Ich Großkotz hatte doch gestern

noch gemeint, ich würde heute den Fußweg nehmen und die ganzen 1100

Höhenmeter laufen wollen. Das hätte ich in meinem jetzigen Zustand niemals

geschafft. Uns ging es echt dreckig. Aber jetzt mal ganz im Ernst! Was will man

schon machen, wenn man zum Schnapssaufen eingeladen wird. Jedenfalls war

ich froh, als ich im Bus saß. Mit der Busfahrt sparten wir uns satte 500 Höhenmeter.

Somit mussten wir nur noch 600 Meter an Höhe überwinden. Jaaa, nur

noch! Gebraucht haben wir für das restliche Stück satte fünf Stunden. Als wir mit

dem Bus am oberen Ende des Timmelspass ankamen, liefen wir prompt in die

falsche Richtung. Wir konnten aber auch die Hand nicht mehr vor Augen sehen.

So neblig war es. Nach einem kurzen Stück kam mir zum Glück die Eingebung,

dass wir eigentlich in die andere Richtung laufen müssten.

Wie ich darauf kam, weiß ich bis heute nicht.

Nachdem wir die Bushaltestelle wieder kreuzten, fanden wir den Einstieg auf den

Erzherzog-Eugen Weg. Auf diesem und später auf dem Hochstubaiweg ging es

bis zum Brunnenkogelhaus. Der Aufstieg war im verkaterten Zustand schwerer

als gedacht. Unser richtiger Weg führte uns über steile Anstiege, seilgesicherte

Passagen und so manchen abschüssigen ausgesetzten Weg. Doch zum Ende hin

waren wir alle drei froh, die Hütte unfallfrei erreicht zu haben. Nach der ganzen

Anstrengung gab es auch die erste Belohnung des Tages. Nein, nicht ein Bier!

Sondern ein herrlicher 360° Rundumblick! Grund dafür war wohl auch, dass

das Brunnenkogelhaus auf der Spitze des gleichnamigen Berges erbaut wurde.

Von hier war zum Beispiel der zweithöchste Berg Österreichs, die Wildspitz, gut

sichtbar. Man konnte sogar zurück zur Hildesheimer Hütte blicken.


Uns wurde im Vorfeld der Sonnenauf- beziehungsweise der Sonnenuntergang

sehr empfohlen. Doch da viele Wolken am Abend aufgezogen sind und das

Abendrot nicht richtig durchkam, musste ich weiter auf meinen traumhaften

Sonnenuntergang warten. Dennoch genoss ich jede Sekunde des Abends. Ich

verweilte lange auf der Außenterrasse und blickte weit in Richtung Obergurgel

und Vent hinein. Nach einem leckerem Abendessen und der zweiten verlorenen

Partie „Mensch ärgere dich nicht“ machten wir drei uns in einem Dreistockbett

bequem.

Im Vergleich zu mir schaut Maria noch gut aus.

Mir liegt jedenfalls der Kater noch in den Knochen.

Da hilft selbst Wasser nicht mehr.

Meinen Humor verlier ich aber dennoch nicht.

Es muss schließlich weitergehen.

Was hatten wir einen Ausblick von der

Sonnenterrasse.


Schön war es hier oben

Die beiden ehem. Pächter des Gasthof Hochfirst:

Martin und Thomas

Tag 10

Heute Morgen hab ich den verflixten Sonnenaufgang schon wieder verpasst. Ich

schlief in der letzten Nacht wie ein Bär. Zum Glück schnarchte ich nicht, denn das

hätte in dem kleinen Zimmerchen sicherlich niemand gewollt. An diesem Morgen

konnte ich endlich wieder richtig frühstücken. Währenddessen unterhielten

wir uns mit einer jungen Familie, welche am Nachbartisch saß. Sie berichteten,

dass sie vor zwei Tagen ebenfalls auf dem Gasthof Hochfirst waren. Wir fragten

sie, ob sie nach dem Abendbrot dasselbe wie wir erlebt hatten. Und wer hätte

es gedacht! Auch sie bekamen dieselbe Gastfreudschaft zu spüren. Nur mit

dem Unterschied, dass sie sich schneller aus der Gaststube verabschiedeten. Sie

meinten, sie hätten sich das nach den ersten Runden schon denken können. Zumal

hatten sie auch noch die Kinder im Schlepptau. Also wenn ich eins und eins

zusammenrechne, geben die sich wohl jeden Abend die Kante.

Man könnte jetzt vermuten, sie wären Alkoholiker und schniefen das weiße Pulver.

Aber das wäre nicht gerecht. Vielleicht macht ihnen die Arbeit einfach so

viel Spaß, dass sie es jeden Abend richtig ausklingen lassen. Jedenfalls bedanke

ich mich hiermit recht herzlich bei den beiden Chefs Martin und Thomas. Nachfolgend

ist es natürlich sehr schade, dass sie seit September 2021 das Gasthaus

nicht mehr betreiben. Die persönlichen und privaten Gründe, sind aber sicherlich

begründet. Denn man hat denen, den Spaß in ihren Augen wirklich angesehen.

Aber widmen wir uns jetzt wieder dem sechsten Tag der Ötztalrunde. Heute folgte

ich nach dem Check-Out zum letzten Male Werner und Maria. Für die beiden

ging es bergab Richtung Windachalm. Der Weg führte östlich des Brunnenkogelhaus,

durch das Schönkar und nach gut 450 Tiefenmetern trennten sich unsere

Wege. Der Abschied fiel schwerer als gedacht, doch ich war mehr als froh sie

kennengelernt zu haben. Wir wünschten uns gegenseitig alles Gute und gingen

leider fortan getrennte Wege. Jedoch blieben wir noch einige Zeit weiterhin in

Kontakt. Bilder wurden ausgetauscht und ab und zu berichtete ich von meinen

weiteren Etappen. Meistens in Form einer WhatsApp Story. Auch hier muss ich

mich nochmal bei Werner und Maria bedanken. Ich bin wirklich froh, einen Teil

meiner Tage im Ötztal mit den beiden verbracht zu haben. Vielleicht sehen wir

uns irgendwann mal wieder. Vergessen werde ich euch beide sicherlich nicht.


Mein weiterer Weg führte mich rund um den Brunnenkogel bis runter nach Sölden.

Zwischenzeitlich kam ich sogar an einem Kletterparcours vorbei. Dieser

befand sich leicht unterhalb von der Stabele Alm. Da ich am heutigen Tage

noch viel Zeit hatte, entschied ich mich für ein paar kleine Kletterrunden. Denn

wenn ich schon die Ausrüstung mitschleppe, kann man sie auch mal benutzen.

Ich entschied mich für eine mittelschwere Route der Kategorie C. Wenig später

gesellte sich auch ein holländisches Ehepaar zu mir. Diese beiden hatten weder

die Übung noch die richtige Erfahrung um überhaupt eine Klettersteigroute zu

bewältigen. Sie meinten nur, ich solle schon mal vorgehen und sie würden sich

später mal ran tasten. Ich hoffe nur, die beiden haben sich nicht überschätzt.

Bis nach Sölden waren es noch gut 300 Abstiegsmeter, bis ich wieder zu meinem

Auto kam. Hier tauschte ich meine alte Wäsche gegen frische aus und rüstete

mich für die nächsten Tage neu. Den restlichen Tag verbrachte ich im Tal. Erst

stillte ich meinen Hunger, kaufte noch ein paar Riegel ein und fuhr anschließend

mit dem Bus nach Obergurgel. Nach meiner Ankunft traute ich meinen Augen

nicht. Im Zentrum des Ortes sah ich Sanitäter, eine große Menschenmasse und

es wurde lautstark Musik abgespielt. Hier und da sah ich Menschen, welche in

das Ziel mit Wanderstöcken rannten. Was ich nicht wusste war, dass vom 9. bis

zum 10. Juli ein Gletscher Trailrun stattfand.

Die Leute, die hier mitmachten, haben in zirka fünf bis sechs Stunden fünfzig

oder sechzig Kilometer bewältigt. Eine Megaleistung! Es ging rund um Obergurgel

und der Run war in der Endphase. Auf dem Weg zu meinem heutigen Hotel

kamen mir einige Läufer entgegen. Manche in guter Verfassung und andere,

welche überhaupt nicht mehr konnten. Ich ziehe aber vor allen meinen Hut. Lust

auf ein solches Event hätte ich zwar auch, doch ich glaube, dafür müsste ich

meine Kondition bei weitem verbessern. Ich konzentriere mich lieber auf lange

ausdauernde Etappen.

Mein Hotel war für heute das Hotel Schönblick, welches sich etwa 300 Meter

vom Ortskern und in schöner Lage zu den Bergen befand. Geil war der Wellnessbereich

im Keller des Hauses. Dem Gast wurden drei verschiedene Saunen angeboten,

welche natürlich schon auf mich warteten. Nach diesem wunderbaren

Vergnügen und dem ein oder anderen Bierchen legte ich mich in mein großes

Doppelbett. Ach ich sage euch! Ab und an, alleine in einem eigenen Zimmer zu

schlafen, hat echt seine Vorteile.

Einsam zieht sich der Weg in das Tal.

Hier nahm ich Abschied von Maria und Werner.


Tag 11

Am 11. Juli begann im Ötztaler Berggebiet der zweite Teil meiner Reise. Nach einem

großen Frühstück, an welchem ich natürlich großen Gefallen fand, packte ich

meine sieben Sachen und startete in Richtung Ramolhaus. Erst dachte ich noch,

dass der Joachim vom letzten Jahr mich für die nächsten Tage begleiten würde.

Aber dem war wohl nicht so. Wisst ihr noch wen ich meine? Ich meine den Joachim,

den ich auf der Lizumer Hütte kennengelernt habe. Die alte Dampflok! Ich

schrieb ihm zwischenzeitlich, dass er, wenn er Lust und Zeit haben sollte, sich

gerne ab dieser Etappe anschließen kann. Lust hatte er, wohl aber keine Zeit.

Aber als Zirkusinhaber und Organisator von Events hat man eben auch viel Verantwortung.

Vielleicht passt es ein anderes Mal. Laut Wegbeschreibung waren

es gut 4,5 Stunden Fußmarsch bis zur Hütte. Gelaufen bin ich auf der nördlichen

Seite der Gurgler Ache, gleichbleibend ansteigend den Ramolweg/ Jungschützenweg

bergauf. Anfangs, das muss ich zugeben, hatte ich Probleme mit meiner

Kondition und der richtigen Geschwindigkeit. Doch später fand ich mein Tempo

und spurtete relativ zügig den Berg hinauf. Wieder und wieder überholte ich andere

Wanderer und brachte bald einen großen Abstand zwischen uns. Am Ende

blieb ich mit 3,5 Stunden sehr gut unterhalb der Zeit der Wegbeschreibung.

Das liest sich jetzt sicherlich, als ob ich alles als ein Wettrennen sehen würde.

Doch für mich war es das nie. Ich gehe einfach gerne an meine Grenzen und

versuche sie, wenn möglich, höher zu setzten. Und Wanderer, die sich vor mir

befinden, motivieren mich meistens immer dazu sie zu überholen. Als ich auf

dem Ramolhaus in 3006 Meter Höhe ankam, wollte ich nur noch eins: schnell

ins Warme. Aber der phänomenale Blick auf den umliegenden Gletscher, ließ

mich dennoch draußen verweilen. Der Gurgler Ferner erstreckt sich auf einer

Höhe von 2600 Metern besonders schön. Als ich so in die Ferne schaute, kam

mir der Gedanke einer eventuellen zukünftigen Hochtour. Ich könnte mit einer

passenden Gruppe von der Fidelitashütte früh loslaufen und auf dem Gletscher

zum Bankkogel und weiter zur Settinger Hütte steigen. In diesem Gebiet dann

auf die italienische Seite runter und anschließend irgendwo wieder zurück nach

Obergurgel. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Am heutigen Abend lernte ich noch Fabian kennen. Er kommt zwar aus Deutschland,

lebt und arbeitet aber in Österreich. Was ich sofort an ihm merkte war, dass

er nicht normal von Hütte zu Hütte wandert. Für ihn ging es auf dem L1 über die

Alpen. Ausgerechnet genau die Route, welche ich eigentlich im Jahr 2020 zuerst

machen wollte. Doch im Nachhinein war ich ja heil froh mich umentschieden zu

haben. Wir zwei teilten uns für heute Abend den gleichen Tisch und das gleiche

Zimmer. Für morgen hatten wir auch zeitweise dieselbe Strecke geplant. Am

Abend dachte ich noch, man könnte morgens um halb sechs frühstücken. Doch

hatte ich mich leider um eine halbe Stunde vertan und stand wegen dem Sonnenaufgang

schon um 5 Uhr auf.


Rückblick nach Obergurgl

Die Landschaft wechselt ihre Farben:

von sattigem Grün ....

... bis hin zu dem verwittertem Grau.

Tag 12

Der heutige Tag stand zwar wettertechnisch schon im Sinne des Sonnenscheins,

doch ich wollte mir nicht noch einmal den Sonnenaufgang entgehen lassen. Die

Sonne ging gegen etwa dreiviertel sechs auf. Eigentlich die beste Voraussetzung,

oder? Nicht ganz. Ohne Essen keine Leistung! Gestartet bin ich heute kurz vor

7 Uhr und habe mich nach gut einer halben Stunde schon verlaufen. Das fängt

ja gut an, dachte ich mir. Nach ein bisschen rumfragen und dummstellen, wurde

mir der Einstieg zum Randjoch gezeigt. Laut der Wegbeschreibung hätte ich wieder

einen Teil weiter runtergehen und anschließend schräg den östlichen Berghang

wieder raufgehen müssen. Aber warum runter und wieder hoch, wenn ich

auch gleich hoch gehen kann. Daraufhin bin ich mit ein paar Klettereinlagen und

vorsichtigen Tritten querfeldein über das lose Geröll gegangen. Das hätte zwar

hier und da auch in die Hose gehen können, aber dank der GPS Führung und der

groben Richtung hab ich den Einstieg problemlos gefunden. Übrigens! Fabian ist

gut eine Stunde vor mir schon losgegangen. Er hatte selbst Proviant dabei, sodass

er kein Frühstück brauchte. Da das Wetter ihm in die Karten spielte, wollte

er gleich zwei Etappen an einem Tag meistern. Für mich galt es aber, ihn wieder

einzuholen. Doch das war schwerer als gedacht. Der Abstieg von dem Joch war

steinig und abschüssig. Hier und da waren zwar Passagen gesichert, doch musste

ich dennoch Vorsicht walten lassen.


Schnee, Eis und Blockschutt wechselten sich dauerhaft ab. Aber nach einiger

Zeit sah ich ihn schon in der Ferne. Dass ich ihn einhole, war nur eine Frage

der Zeit. Nicht weil ich bedeutend schneller war, sondern weil er mehr Gewicht

dabei hatte und daher langsamer lief. Das tat er richtig so! Er brauchte für eine

eventuelle Nacht in den Bergen zusätzlich zur Grundausrüstung mindestens einen

Biwaksack, eine Isomatte, mehrere Vorräte und einen dickeren Schlafsack.

Sein Rucksack wog mindestens fünfzehn Kilo. Nachdem ich ihn einholte, liefen

wir einige Meter zusammen, bevor ich ihn wieder verließ. Er war schlichtweg zu

langsam für mich. Ist nicht böse gemeint. Aber wir alle brauchen unser eigenes

Tempo. Eigentlich war abgemacht, dass wir uns nochmal auf der nächsten Hütte

treffen und ein Bierchen schlürfen, doch er ist wohl gleich weiter gegangen.

Schade! Auf der Martin Busch Hütte gönnte ich mir wiedermal einen Kaiserschmarrn

und machte für gut eine halbe Stunde ein Mittagsschläfchen.

Da ich den restlichen halben Tag nicht ungenutzt lassen wollte, startete ich nach

der kurzen Siesta meine nächste Tour. Es ging auf die 3457 Meter hohe Kreuzspitze.

Der bis dato höchste Berg in meiner Karriere. Nach einem anfänglich

trägen Start, sammelte ich meine Kraft und bezwang in knapp zwei Stunden die

950 Höhenmeter bis zum Gipfel. Da war ich echt zügig, zumal der Weg zum Ende

hin immer steiler und abschüssiger wurde. Oben angekommen, bot sich mir eine

spektakuläre Aussicht. Nicht nur, dass Gipfelkreuz war bewegend, sondern auch

der Blick in das umliegende Land. Einfach wunderschön! Ihr hättet das sehen

müssen. Gut, dass ich viele Fotos gemacht habe! Ich stand auf einem Gipfel

weit über den Wolken. Man sah einfach alles. Ich verweilte einige Zeit hier oben.

Außerdem rief ich meine Eltern an und stärkte mich für meinen bevorstehenden

Abstieg. Dieser ging logischerweise schneller als der Aufstieg. Jedoch nicht unbedingt

einfacher.

Verwundert hatte mich ein Mann, der mit seinem Hund hier hochgegangen ist.

Ich will damit sagen, die beiden verstanden sich tadellos. Oder aber, der Mann

hatte seinen Hund sehr gut trainiert. Denn käme einer von beiden ins Rutschen,

würden sie beide herunter stürzen. Das erste sportliche Stück bergab, ging über

einen schneebedeckten Grathang. Hier durfte man sich erst recht keine Fehler

erlauben. Doch mit viel Konzentration und der richtigen Technik meisterte ich

diese Schlüsselstelle problemlos. Der restliche Weg bis runter zur Hütte war nun

nur noch ein Klacks. Das Schwierigste war geschafft. In Summe war ich heute

knapp acht Stunden unterwegs. Wenn ich grob zusammenrechne, waren es

1600 Höhenmeter im Aufstieg und 2000 Meter im Abstieg. Das genügte mir für

heute. Aber ohne das heutige Wetter, hätte ich niemals so viel geschafft. Leider

prognostizierte der Wetterbericht für morgen schlechteres Wetter. Kann man

denn nicht mal zwei oder drei Tage Glück haben? Wohl nicht. Aber was will man

machen?! So ist das halt.


Endlich: „Der langersehnte Sonnenaufgang“

Die gutbesuchte Martin Busch Hütte

Der Schneegrat war schön rutschig.

Aber der Aufstieg immer lohnt, wenn oben ein

Kreuz thront.

Tag 13

Heute bin ich aus wettertechnisch schlechten Aussichten wieder kurz vor 7 Uhr

losgezogen. Der Wetterbericht kündigte für den Nachmittag schlechtes Sturmund

Regenwetter an. Er sollte leider auch Recht behalten. Mit einem unguten

Gefühl im Magen und noch nicht vollständig aufgeladener Kraft ging es Richtung

Saykogel. Was mich beunruhigte, war nicht nur das Wetter, sondern dass gefühlt

niemand denselben Weg ging. Alle sind entweder zur Similaunhütte oder ins Tal

abgestiegen. Aber was mir schnell auffiel, war die Änderung in der Vegetation.

Block-und Felsgestein lösten wiedermal die Gras- und Weidewiesen ab. Das unbeständige

Wetter kündigte sich schon früh gegen zirka 9 Uhr an. Zwar ohne

Regen, dafür aber mit einem kräftigen anhaltenden Sturm. Er war teilweise so

stark, dass er mich auf abschüssigen Stellen von links nach rechts oder anders

herum schuppste. Fürchterlich, wenn es auf beiden Seiten steil herunter geht.

Aber nach dieser Zitterpartie erreichte ich nach etwa zwei Stunden die Spitze

des kreuzlosen Saykogels. Ich war zwar nun oben, doch musste ich auch wieder

nach unten kommen. Und hier muss ich mir nun ein paar schwere Fehler eingestehen.

Ich fand den weiteren Weg nicht. Ich sah einen womöglichen Weg, welcher

sich wenig später als Niete entpuppte. Nach etwa 30 Metern sah ich weder

Wegpunkte noch Fußabdrücke.


Ich begab mich aus Versehen in sehr gefährliches Gelände. Eigentlich hätte ich

es sehen müssen, doch es sah zu vielversprechend aus. Der Blick auf die Karte

und den GPS Standort offenbarte die Wahrheit. Ich war komplett in der falschen

Richtung. Also den gleichen Weg wieder zurück und im ersten Moment gleich eine

kleine Gerölllawine losgetreten. Das meine ich mit gefährlich. Das hätte auch

schlimmer ausgehen können. Nachdem ich wieder auf dem Gipfel stand, ging

ich ein kurzes Stück bergab, bevor ich den weiteren Weg wieder fand. Nochmal

Glück gehabt! In der Zwischenzeit sah ich dann doch einige mutige Wanderer,

welche mir folgten. Ob sie auch den Weg runter vom Berg übersehen werden?

Hoffentlich nicht! Für mich ging es aber weiter. Nach ein paar Kletterstellen,

schwierigen Passagen und einer kleiner Brotzeit in Form eines Müsliriegels, ließ

ich den Saykogel hinter mir. Auf der weniger steilen „Ebene“ angekommen, folgte

man den gut sichtbaren Fußspuren anderer Wanderer.

Von hier konnte ich auch schon das in der Entfernung liegende Hochjochhospiz

sehen. Gesehen, gefunden und schon fing es an zu regnen. Karma? Es hörte

nicht mehr auf! Aber egal! Immer weiter. Mich trennte nur noch gut eine Stunde

Fußmarsch bis zur warmen Stube der Hütte. Nachdem ich drei Brücken und noch

einen kleinen Aufstieg zum Schluss meistern musste, erreichte ich klitschnass

die Hütte. Geschafft! Und Gott sei Dank, hatte das Hochjochhospiz auch einen

Trockenraum. Welch ein Glück! Nach einem Kleiderwechsel und einem weiteren

Kaiserschmarrn, war meine Gefühlslage wieder im Lot. Um zirka 15 Uhr brach

über uns das Gewitter herein, nur gut, dass ich schon längst angekommen war.

Am selben Abend unterhielt ich mich noch mit vier Frauen, welche wohl alle bei

derselben Bank arbeiteten. Jeder für sich in einer anderen Abteilung. Die vier

hatten ebenfalls wie Fabian eine Alpenüberquerung geplant. Nur mit dem Unterschied,

dass sie die vielen Etappen auf mehrere Urlaube verteilten. In geselliger

Runde, mit viel Spaß und Witz verbrachten wir den Abend in guter Laune.

Die meisten laufen heute zur Similaunhütte,

doch ich nicht! Auf zum Hochjochhospiz!

In der Ferne kann man meine heutige Bleibe

schon sehen.


Jetzt sieht man das Hochjochhospiz richtig.

Die rotweißen Fensterläden find ich spitze.

Dieser Kaiserschmarrn ist mal eine Portion ganz

nach meinem Geschmack.

Tag 14

An diesem Morgen ging es jedoch schon wieder früh los. Der Grund war, wie gestern

auch schon, Schlechtwetter! Dieses Mal sollte es schon gegen 12 oder 13

Uhr zu regnen beginnen. Demnach startete meine Tour heute wieder um Punkt 7

Uhr. Von den Mädels konnte ich mich leider nicht verabschieden, da es jeder der

Anwesenden eilig hatte. Gut war nur, dass meine Klamotten von gestern wieder

trocken waren. Denn nasse Kleidung und Schuhe anzuziehen, ist das Ekligste,

was es gibt. Eklig war aber auch etwas anderes. Bestes Beispiel war meine Hose.

Sie war zwar trocken, doch durch das mehrmalige Trocknen fing sie langsam an,

selber dazustehen. Nicht, dass sie mir noch davonläuft! Oder meine Wanderstrümpfe!

Sie waren mittlerweile durch den ganzen Schweiß so trocken, das ich

sie hätte zerreißen können. Und von meinen Bergschuhen will ich gar nicht erst

anfangen. Aber so ist das halt, wenn man viele Tage am Stück unterwegs ist. Es

musste nun weiter gehen. Bei kühlen Temperaturen und einer weiteren gefallenen

Schneefallgrenze machte ich mich los.

Das imposante an diesem Mittwochmorgen waren die vielen Berghänge. Es hatte

in der Nacht so viel geschneit, dass ich fast dachte, wir hätten Winter. Alle

Berge oberhalb der Grenze von 2600 Metern waren schneebedeckt. Das sah

wunderschön aus. Wie so vieles auf meiner bisherigen Tour. Eine Kulisse, wie ich

sie nur aus Filmen kannte. Und hier in dieser Landschaft ging mein Weg auf die

3128 Meter hohe mittlere Guslarspitze. Also im Endeffekt sehr weit oberhalb der

aktuellen Schneefallgrenze. Demnach könnt ihr euch sicherlich vorstellen, dass

ich den Winter im Sommer erlebte. Aber mit gut zehn Zentimeter Neuschnee

rechnete auch ich nicht. Die eigentlich gut sichtbaren Wegmarkierungen waren

vollständig verschwunden. Da ich der Erste war, welcher den Weg in Richtung

Gipfel nahm, konnten andere Wanderer einfach meinen Wegspuren folgten. Ich

aber war froh, mein GPS Gerät in der Hand zu halten. Zum Spaß lief ich auch

einmal ganz kurz im Kreis. Auf der Spitze angekommen und ich sage euch, es

war bergauf nicht einfach, stand ein schönes Gipfelkreuz. Es bestand aus Metall

und wurde in der Mitte mit einer großen Edelweißblume verziert.

Es verschönerte für einen kurzen Moment die perfekte Aussicht.


In der Zeit, bis sich das Wetter zusammenzog, genoss ich jeden Augenblick.

Natürlich wurden von mir viele Fotos geschossen und so manches Video gedreht.

Diese Aussicht von hier oben auf die schneeweiß gepuderte Berglandschaft

war phänomenal. Doch noch schöner und vor allem noch weißer, wird es

in der Schweiz werden. Aber dazu kommen wir ja später noch. Der Abstieg von

der Guslarspitze bis zur Vernagthütte war anfangs ganz schön rutschig. Ich

legte mich sogar einmal richtig auf meinen Hosenboden. Aber nach gut 1,5

Stunden erreichte ich die Hütte, auf welcher ich nicht übernachten werde. Ja

richtig gehört. Ich war noch nicht an meinem Ziel angelangt. Und Zeit zum Einkehren

hatte ich leider auch nicht, da die Schlechtwetterfront mich verfolgte! Ich

wusste, dass mich die Regen- und Schneefront aus dem Süden bald einholen

würde. Demzufolge legte ich noch einen Gang mehr ein und spurtete nach der

Vernagthütte weiter in Richtung Breslauer Hütte. Auf den Schildern stand eine

Gehzeit von ungefähr 2:15 Stunden, welche ich versuchte zu unterbieten. Nicht

aus Wettbewerbsgründen, sondern dem Wetter geschuldet. Da sich der Weg

nach dem ersten Anstieg in einen Höhenweg wandelte, konnte ich nun endlich

volle Fahrt aufnehmen. Ich war echt zügig unterwegs. Teilweise nutzte ich sogar

die Stöcke als Antriebshilfe, was ich nur sehr selten mache. Bin ich erst einmal

im richtigen Modus, kann ich Meter für Meter schruppen.

Nach einer Weile gesellte sich der aus dem Tal kommende dichte Nebel dazu. Habt

ihr eigentlich schon mal den Geruch von richtig dichtem Nebel wahrgenommen?

Er ist modrig, weich und sehr angenehm zu atmen. Witzig! Dieser Nebel hielt für

einige Zeit auf meiner Höhe an, bis er wieder in das Tal sank. Aus einiger Entfernung

sah ich schon die Hütte und dachte, ich hätte es gleich geschafft. Doch

es waren noch einige Kehren und Wegabschnitte zu meistern. Gut war nur, dass

es zumeist nur auf ein und derselben Höhe entlang ging. Knapp eine Stunde vor

Erreichen des heutigen Ziels fing es dann doch an zu regnen beziehungsweise

zu schneien. Mal Regen und mal wieder Schnee. Fast wie im April. Doch wurde

ich zum Glück nicht richtig nass. Nach einer Gesamtgehzeit von etwa fünf Stunden

erreichte ich die Breslauer Hütte. Sie liegt auf einer Höhe von 2844 Metern

Höhe, nur unweit unterhalb der Wildspitze. Die Breslauer und die Vernagthütte,

liegen soweit ich es gesehen habe, auf den Wegstrecken des Adlerweges. Ach ja,

der Adlerweg. Diesen Fernwanderweg quer durch Österreich werde ich vielleicht

nächstes Jahr im Sommer in Angriff nehmen. Aber bis dahin vergeht noch viel

Zeit. Erstmal muss ich noch die Hochtour in der Schweiz meistern.

Die Breslauer Hütte ist von innen und außen schön anzusehen. Doch der Service

und das Essen lassen zu wünschen übrig. Ich sag mal so, man kann eben nicht

immer das große goldene Ganze haben. Die Verständigung mit dem Personal,

welches halt kein Deutsch sprach, war nicht immer ganz einfach.

Essenstechnisch erfüllten Sie auch nicht den eigentlich guten bis sehr guten

Standard. Vielleicht bin ich aber auch verwöhnt. Vieles ist meist nur Geschmackssache.Man

kann ja eigentlich froh sein, dass man überhaupt etwas zur Stärkung

hier oben bekommt. Schließlich muss ich sehen, dass ich meine verbrauchten

Kalorien wieder auffülle. Denn wenn ich mich nach 10 Tagen so anschaue, habe

ich abgenommen und an Oberschenkelmuskeln zugenommen.

Also essen, essen, essen.


Den Abend verbrachte ich mit Wanderern, welche ich vor zwei Tagen auf dem

Saykogel traf. Die beiden, welche ich erst als Pärchen sah, kannten sich vor der

Tour fast gar nicht. Einzig und allein eine Anfrage auf eine Hüttentour über

Facebook brachte sie zusammen. Wir drei unterhielten uns über unsere bisherigen

und nachfolgenden Touren. Gegen etwa 17:00 Uhr hängte der Hüttenwirt

auch den Wetterbericht für morgen heraus. Dieser verhieß nichts Gutes. Die

Schneefallgrenze bleibt auf 2600 Meter, dazu gesellt sich weiterer Regen und

Schnee von Süden. Der Gefrierpunkt würde auf etwa 3000 Metern Höhe eintreten.

Mit diesen Nachrichten hätte eigentlich niemand gerechnet. Jeder hoffte

auf eine Besserung. Da ich mir in Bezug auf den morgigen Tag unsicher war,

fragte ich nach der Meinung eines Bergführers. Dieser meinte, ich soll nach Vent

absteigen und mit dem Bus nach Sölden und weiter Richtung Braunschweiger

Hütte fahren. Doch da mein morgiger Tag der letzte wäre, würde das wenig

Sinn machen. Ich müsste ja übermorgen mit dem Bus eh wieder nach Sölden zu

meinem Auto fahren. Also, was mach ich morgen, dachte ich mir. Früh aufstehen,

sechs Stunden über einen eingeschneiten Höhenweg laufen, dann auf 3000

Meter steigen und alleine über den nachfolgenden Skigletscher wandern? Oder

absteigen und nach Sölden fahren?

Letztendlich entschied ich mich für Letzteres, obwohl mich die zwei, welche mit

mir am Tisch saßen, für ihre Tour überreden wollten. Ihr Plan war es, trotz der

Ansage des Bergführers und des Wetterberichtes auf den vorderen 3562 Meter

hohen Brochkogel zu steigen. Der Witz daran ist, wir müssten früh aufstehen, einen

nicht markierten schwarzen Weg benutzen, über Blockschutt und Berggrate

steigen und das bei vielleicht minus 3 - 4 °C. Und von den heutigen und morgigen

Neuschneemengen ganz zu schweigen. Verrückt! Ich meine, machbar wäre

es. Aber wieso sollte ich mich stressen. Klar für die zwei wäre es ihr höchster

bisheriger Berg. Aber wenn ich in weniger als einer Woche auf der 4563 Meter

hohen Zumsteinspitze stehe, warum sollte ich mitgehen. Nein, Nein. Ich habe

ihnen dankend abgelehnt und wünschte stattdessen viel Erfolg. Ich dachte mir,

ich muss es ja nicht drauf anlegen.

... ohne Worte! Ich konnte mich gar nicht mehr satt sehen.


Eine beeindruckende Landschaft.

Eines der bisher schönsten Gipfelkreuze.

Tag 15

Am heutigen Morgen stand ich um sieben Uhr auf und war mir sicher, das Richtige

getan zu haben, denn es schneite ununterbrochen. Nach einem sättigenden

Frühstück und dem Rüsten für den letzten Abstieg im Ötztal startete ich in Richtung

Tal. Und ich muss schon sagen, das Beste kommt immer am Schluss. Der

Schnee verwandelte sich, je weiter ich runter kam, in Regen. Ich wurde trotz

Regenbekleidung sacknass, egal ob von innen oder von außen. Als ich kurz vor

Vent war, verpasste ich den Bus, der mich eigentlich nach Sölden mitnehmen

sollte. Ärgerlich! Der nächste sollte nämlich erst wieder in einer Stunde vorbeikommen.

Egal, dachte ich mir. Dann warte ich halt, habe ja den ganzen Tag Zeit.

In der Zwischenzeit wollte ich meine Wanderstöcke vom Dreck befreien und fiel

in das nächste Fettnäpfchen. Ich säuberte sie im hohen Gras und als ich das

tat, brach ich meinen erst schon leicht verbogenen Stock vorne an der Spitze

ab. So ein Pech aber auch! Ich suchte die Spitze vergeblich. Die Leute schauten

mich nach einer Weile schon komisch an. Aber meine Stöcke haben auch schon

einiges mitgemacht. Wenn ich mir ausmale, in wie vielen Situationen sie mir

Halt und Sicherheit gegeben hatten, dann Lob und Ehre. Nach einer gefühlten

Ewigkeit kam dann endlich der Bus. Er brachte mich sicher nach Sölden zum

Parkhaus zurück. Hier wechselte ich meine Sachen, nahm mein Auto und fuhr

zwei Straßen weiter zum Hotel Grauer Bär. Gut war, dass dieses Hotel mir eine

Übernachtung früher geben konnte.


Eigentlich wäre ich ja erst morgen angereist. Als ich in meinem Zimmer war, hatte

ich endlich die Möglichkeit, meine seit 10 oder 11 Tagen getragenen Sachen

durchzuwaschen. Ich spreche hier von Socken, Pulli und Hose. Man, dass war

vielleicht bitternötig! Was mich aber sehr überraschte, war mein Longshirt aus

Merinowolle. Es stank überhaupt nicht. So wie es der Hersteller warb. Daumen

hoch! Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, wenn ich mich zwischen zwei Touren

im Hotel befinde, packe ich als Erstes meinen Rucksack für die kommende Tour

neu vor. Mein Vorteil war, dass ich genügend Frischwäsche mitgenommen hatte

und diese im Auto deponieren konnte. Nun konnte man entscheiden, was man

braucht und was eher nicht. An Ausrüstung hatte ich für die drei Touren so viel,

wie noch nie mit dabei. Das lag daran, dass sich alle Touren stark unterschieden.

Zum Beispiel konnte ich mir in 4000 Metern Höhe gut den Einsatz von Skihose

und Daunenjacke vorstellen. Wenn es da richtig kalt wird, bist du froh, wenn du

eine schützende Isolationsschicht mit dabei hast. Man weiß ja nie.

Das hätte ich wiederum nicht für die letzten 10 Tage gebraucht. Das sind alles

so Unterschiede. Nach dem Organisatorischen kam meine Zeit der Entspannung.

Richtig! Die Sauna. Mittlerweile buche ich mich nur noch in Hotels ein, welche

einen Wellnessbereich mit anbieten. Denn entspannen muss man sich auch mal.

Die Mischung aus Bergsteigen und Wellness ist mir in diesem Urlaub wirklich

gut gelungen. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Und die gestrige schwere Entscheidung,

schon einen Tag früher in das Tal abzusteigen, bereute ich überhaupt

nicht. Warum auch? Zwei Tage Halbpension, Wellness und Wohlfühlgarantie, was

will man mehr. Obwohl, ich muss schon sagen, ich habe mir am ersten Abend ein

Eigentor geschossen. Das Abendessen von der Halbpension ging von 18:00 bis

20:30 Uhr. Ich Blödmann dachte aber bis 21:30 Uhr und kam zehn Minuten vor

Ende. Das gefiel in diesem Moment dem Personal wohl nicht wirklich. Aber ich

denk, der Kunde ist König. Jedenfalls beeilte ich mich mit den vier Gängen und

war nach gut einer halben Stunde schon wieder fertig und verschwunden. Man

war mir das peinlich. Aber was soll‘s. Ich bin das Hotelleben halt nicht gewöhnt.

Die nächsten drei Tage wurden übrigens ziemlich entspannt.

Das Hotelzimmer des „Grauen Bär“ war

echt schick und modern.

Endlich mal wieder ein richtiges Bett.


Tag 16

Heute schlief ich aus, frühstückte in Ruhe und besorgte noch ein paar letzte

Dinge. Eventuell, wenn es das Wetter zulässt, könnte ich auch eine kleine Runde

in Sölden um die Häuser ziehen. Ein bisschen Sightseeing schadet ja nicht. Und

am Abend hatte ich noch den letzten Versuch gehabt, pünktlich und in Ruhe zu

Abend zu essen.

Tag 17

Am 17. Tag bin ich früher aufgestanden, um meine Fahrt in die Schweiz anzutreten.

Geplant sind etwa sechs bis sieben Stunden Fahrt. Mit einer Pause oder

zwei, könnte ich auch sieben oder acht Stunden unterwegs sein. Wer weiß denn

schon, wie der Verkehr werden würde. Übrigens! Ich musste mir für Österreich

eine 10- Tages-Vignette und die Vignette für den Arlbergtunnel holen. Und für

die Schweiz wurde sogar eine Jahresvignette fällig. Ich wollte doch nur mal kurz

für fünf oder sechs Tage einreisen. Diese „Kuhschweizer“ rauben einem noch das

letzte Hemd. Ach und noch etwas. Zu meiner Zeit war ja Corona. Ich musste

mich für meine Einreise sogar online registrieren lassen. Ganz schön viel Arbeit

für das alles. Aber Spaß kostet eben! So, nach zwei Tagen Wellness und der Fahrt

durch gleich drei Länder bin ich nun endlich in der hintersten Ecke der Schweiz

angekommen. Genauer gesagt, im Wallis. Zu meiner knapp 8,5-stündigen langen

Fahrt von Sölden rüber nach Zermatt gibt es ein bisschen was zu erzählen.

Mir war ja bekannt, dass die Österreicher und Schweizer bekannt für ihre Tunnel

sind, doch dass ich durch so viele Tunnel fahren musste, hätte ich nie und

nimmer gedacht.Da ist zum Beispiel der Arlbergtunnel ganze 14 Kilometer lang.

Aber wenn man während der Fahrt denkt, wie lange dauert es denn noch, ist

man schon an der österreichisch-liechtensteinischen Grenze. Im Vorfeld wusste

ich, dass sich die Preise zwischen Österreich und der Schweiz stark unterscheiden

würden. Und da in Lichtenstein mit der Schweizer Währung bezahlt und

gehandelt wird, mussten auch die Spritpreise höher sein. Die Spritpreise unterschieden

sich mit satten 60 Cent pro Liter. Deshalb tankte ich kurz vor der

Grenze nochmal richtig auf.

Und hier geschah mir ein wirklich dummes Missgeschick. Ich sagte mir: „Hier

mach ich den Tank aber randvoll, schließlich will ich erst wieder in Deutschland

tanken.“ Also tankte ich bis zum Stoppen des Zapfhahnes und danach noch ein

wenig weiter. Wir alle wissen doch, dass dann noch ein bisschen mehr geht. Nur

blöd, wenn der Diesel zum Schluss sogar noch selber aus dem Tank läuft. Das

war eigentlich nicht meine Absicht. Aber jetzt wusste ich, er war voll. Mehr konnte

jetzt nicht mehr reingehen. Aber sind wir doch mal ganz ehrlich, diese eins bis

zwei Liter bei einem Preis von 1,20 € kann man noch verkraften. Aber nach dem

Tanken ging es wieder ohne Probleme weiter. Selbst die Grenzkontrollen ließen

mich in Ruhe. Ich meine, welchen Grund hätten sie denn auch?


Ein junger Alleinreisender in einem kleinen silbernen Polo kann man doch nicht

verdächtigen. Jedoch blieb ich dem nachfolgenden Stau nicht verschont. Dieser

bildete eine fast 15 Kilometer lange zähfließende Karawane. Was für ein Elend!

Ja eigentlich auch logisch. Alle Österreicher, Bayern und Schweizer, wollten in

ihren wohlverdienten Urlaub. Aber irgendwann verließ ich zum Glück die Autobahnen

und begab mich auf die Passstraßen. Erst wurden der Oberalbpass und

dann der Furkapass von mir und meinem silbernen Blitz bezwungen. Welche

wunderschöne Aussicht hat man von den Pässen in die niedergehenden Täler!

Ich sah sogar schon die noch weit entfernten 4000er Berge. Einfach nur episch!

Aber weit nach Sankt Niklaus war es nicht mehr. Das Navi wollte mich zwar ab

und an verarschen, doch ich bin nicht blöd. Dann nehm ich halt den Atlas. Aber

es ist trotzdem immer wieder gut, ein Navi zu haben. Ohne es hätten mich schon

viele Blitzer erwischt. In Sankt Niklaus angekommen, buchte ich mich im wunderbaren

Hotel La Reserva ein. Das Hotel hatte zum Glück noch eine hauseigene

Pizzeria. Welch ein Zufall! Ich erkundigte mich zwar im Vorfeld über das Hotel,

doch von einer Pizzeria hab ich nichts gelesen. Wie gut nur, denn mein Magen

schreite förmlich schon danach! Ein Bier und eine Pizza und ich war glücklich.

Willkommen in der Schweiz.

In der hintersten Ecke befindet sich das Wallis.

Ohne Worte: „Einfach Lecker“


Tag 18

An diesem Morgen lachte mein Herz, als es das reichhaltige Buffet sah. Wie gut

nur, dass ich genügend Zeit mitbrachte. Wohl genährt und mit festen Zielen für

heute, machte ich mich auf. Zuerst beschaffte ich mir die kunstvoll verzierten

Schweizer Franken. Danach fuhr ich nach Randa, welches sich nur wenige Fahrminuten

entfernt befand. Oberhalb von Randa, als Verbindung des Europaweges,

befand sich die bis dato längste Fußgängerhängebrücke der Alpen. Und dort

wollte ich hin. Der Plan war, ich lass das Auto in Randa stehen und laufe ohne

Gepäck in Richtung Hängebrücke. Gesagt, getan und nach einer Stunde stand

ich schon vor der Brücke. Eigentlich hatte ich ja den ganzen Tag Zeit, doch da

hier fast jeder hoch gehen wollte, überholte ich die Leute gnadenlos. Ich zeigte

vollen Körper- und Stockeinsatz. Dass einer meiner Stöcke kaputt war, störte

mich nur wenig. Nach der Tour würde er so oder so in die Tonne wandern. Aber

es lohnte sich! Die Charles-Kuonen-Hängebrücke ist 494 Meter lang und erreicht

eine Höhe von 85 Metern. Nach Überqueren dieses monumentalen Meisterwerkes

und dem Genießen des phänomenalen Ausblickes wanderte ich noch auf die

nahegelegene Europahütte. Eine kleine Mahlzeit und ein paar photogene Ansichten

gaben mir die völlige Zufriedenheit.

Den Abstieg gestaltete ich mir besonders gut. Ich schnürte mir meine Bergstiefel

fest an und mit der neu gewonnen Kraft joggte oder rannte ich relativ schnell

den Abhang hinunter. Das klingt jetzt vielleicht brutal, waghalsig oder leichtsinnig,

aber das habe ich schon öfter gemacht. Vielleicht kennt ihr es auch unter

dem Sport: Trail Running. Ohne Gepäck kann man sich den eventuell langweiligen

Abstieg so etwas aufregender gestalten. Mit der richtigen Technik kann es

sogar knieschonender sein. Grund dafür ist, dass ihr eure Beine nicht punktuell

belastet, sondern den Schwung mitnehmt. Viele kleine Schritte und den ein oder

anderen Sprung in die Höhe helfen euch die Kontrolle zu bewahren. Ich hätte in

meinem Fall vielleicht nicht die Hochtourenschuhe anziehen sollen, denn diese

sind bretthart. Aber es klappte gut. Witzig war, dass sich nach kurzer Zeit ein

weiterer „Trailrunner“ dazugesellte. Noch besser war aber seine Begründung, als

wir unten ankamen und ich mich mit ihm unterhielt. Ich wollte ja, wie gesagt,

Abwechslung. Er hingegen hatte seine Katze noch im Auto und die Fenster geschlossen.

Und das bei strahlendem Sonnenschein im Hochsommer. Na schönen

Dank auch! Hoffentlich ging es der Katze noch gut!

Nach einem aktiven Erlebnistag fuhr ich nach Herbriggen zu dem Hotel Bergfreund.

Ich buchte mir doch bei der Alpinschule Oberstdorf die

„Monte Rosa Tour“. Treffen sollten wir uns in dem 3-Sterne Hotel um 18:00 Uhr.

Nach einigen Stunden des Wartens lernte ich den Bergführer Michael kennen.

Jetzt fehlten nur noch die restlichen zwei Wanderfreunde. Diese waren nach

kurzer Zeit ebenfalls eingetrudelt und hießen Michael und Christian. Witzig war,

dass die beiden aus Jena kamen. Im Endeffekt waren wir drei Thüringer und ein

Italiener. Ja, unser Bergführer war Italiener. Nach ein paar Kennenlerngesprächen

und dem ein oder anderen frisch gezapftem Bier wusste jeder grob über

den anderen Bescheid. Das für die Tour nötige Gletscherequipment wurde vor

unserem Abendessen gemeinsam zurechtgelegt.


Die Autos wurden sicher geparkt, Rechnungen beglichen und das morgige

Tagesziel noch besprochen. Nun war es endlich wieder so weit. Das Abenteuer

konnte weiter gehen. Ich war am Abend richtig auf die Hochtour mit ihren zehn

4000er Bergen gespannt. Mal sehen, was die nächsten fünf Tage noch so mit

sich bringen würden.

Der Ort Randa ist schon sehr alt und

geschichtsträchtig.

Es braucht schon viel Schwindelfreiheit, um

über auf dieser Hängebrücke zu laufen.

Tag 19

Heute ging es wieder früh aus den Federn.

Ich glaube, gegen halb sechs klingelte mein Wecker. Wir mussten frühstücken,

die Sachen packen und wurden mit einem Transfer nach Zermatt gefahren. Dort

liefen wir zur Talstation der Bergbahn Matterhorn Express. Diese fuhr uns von

Zermatt (auf ca. 1600 Meter Höhe) bis auf das kleine Matterhorn mit 3800

Metern Höhe. Oben angekommen, erreichte man nach ein paar Treppenstufen

von der Bahnstation aus die Aussichtsplattform. Von hier hatte man einen wahnsinnigen

Blick auf Gipfel wie zum Beispiel Matterhorn und Breithorn. Nach einer

Foto- und Videosession, nahmen wir das Breithorn in Angriff. Dieser 4164 Meter

hohe Berg ist nur unweit von unserem Startpunkt entfernt. Wir zogen uns die

Steigeisen an und wanderten das erste Mal zusammen in Seilschaft. Der Weg

dorthin gestaltete sich Anfangs leichter, als gedacht. Doch sobald das Gelände

steiler wurde, stieg auch mein Puls und ich spürte das erste Mal den geringer

werdenden Sauerstoff in der Luft.


Man spürt einen Druck auf der Brust und dass die Beine schwerer werden, als ob

Betonklötze dranhängen würden. Ab hier seilten wir vier uns in kurzen Abständen

von ca. 1,5 Metern an und hielten das Tempo gering. Es war nun gut, dass

ich die letzten beiden Wochen schon mehrmals auf den 3000er verbracht hatte.

Zum Glück kamen wir ohne Probleme oder körperliche Beschwerden auf dem

Gipfel an. Welch ein Panorama hatten wir von hier oben! Wahnsinn! Man konnte

so viel sehen! Das Matterhorn in seiner vollen Pracht, den Mount Blanc, die

Ortlergruppe und die nächsten Berge der noch kommenden Tage. Der Abstieg

ging im Vergleich zu dem Aufstieg rasend schnell. Bergab ist es immer einfacher,

dachte ich mir. Doch nachher wusste ich es besser. Der nun noch folgende Weg

führte über knapp 15 Kilometer tiefen Schnee, welcher mit zunehmender

Wärme immer matschiger wurde. Am Anfang hielt er uns noch aus, doch nach

oder während der Mittagshitze taut der gefrorene Schnee zu einer Art Sülze auf.

Man brach gefühlt bei jedem Schritt ein wenig tiefer ein und genau dieser Effekt

raubte mir die gesamte Kraft. Letzten Endes war ich froh, nach einer Tortour des

Schneestiefelns auf unserer Hütte zu sein.

Das Rifugio Guide Della Val D‘ayas auf nur 3425 Metern Höhe liegt, wie der

Name schon sagt, auf italienischer Seite. Über den Tag verteilt, liefen wir bergauf

über die schweizerische Grenze auf die Gipfel und stiegen dann wieder zum

Schlafen nach Italien ab. Die heutige Hütte ist im Großen und Ganzen gut ausgestattet.

Einzig die sanitären Anlagen, überzeugten mich überhaupt nicht. Aber

wie sich herausstellen sollte, sollte es auf den nächsten zwei Hütten nicht anders

werden. Meine Geschäfte wurden also in den kommenden zwei Tagen schwieriger

als erwartet. Aber was soll‘s? Ich hatte ja nicht die Komfortversion gebucht.

Diese hätte ich aber genommen, wenn es sie gäbe. Die Preise für Halbpension

und Übernachtung lagen hier oben im Schnitt bei 80 Euro. Und da wir alle die

Regeneration unserer Muskeln und Gelenke vorsahen, tranken wir auch keinen

Alkohol. Denn sie sollten es uns in den nächsten Tagen noch danken. Einen besonderen

Moment erlebten wir, als eine Gruppe von vielleicht fünf oder sechs

Steinböcken sich auf den Weg zu unserer Hütte machte. Man hätte meinen können,

sie wollten regelrecht einkehren. Sie hatten keine Furcht vor dem Menschen

und gingen fast bis auf die Terrasse.

Grund dafür waren die alten gemauerten Wände eines Schuppens. Der alte Mörtel

oder Speis lagert im Laufe der Zeit Salze und Mineralien an der Oberfläche

ab. Und da Salz wie eine Droge für Wildtiere ist, ist ihnen selbst der Mensch

egal. So hautnah hätte ich mit solchen Prachtexemplaren nie gerechnet. Ich

kenne persönlich viele, welche um jeden Preis frei lebende Steinböcke sehen

wollen würden. Und hier auf dieser Hütte kommen sie einfach zu uns. Wie krass

ist denn bitteschön das! Nach der Tourenplanung und dem ein oder anderen

Resümee legten wir vier uns so gegen zehn Uhr abends in unser gemeinsames

Zimmer.


Der Gipfel des Breithorns in greifbarer Nähe.

Die Eisriesen des Monte Rosa Massiv werden die

nächsten Tage meine Ziele werden.

Wahnsinn! Was für ein Glück und eine Erfahrung.

So hautnah wilde Steinböcke zu beobachten.

Tag 20

Der Plan für heute sah vor, nach dem Frühstück gegen halb sechs oder halb sieben

zu starten und erstmal denselben Weg von gestern wieder einen Teil zurückzulaufen.

Diesem folgten wir natürlich stets gehorsam. Zu unserem Glück, oder

besser gesagt dank der Natur, ist der Schnee morgens gefroren. Diese Gegebenheit

konnten wir gut für unseren ersten Aufstieg nutzen. Nach dem Erreichen

der ersten Anhöhe folgte eine eisige Ebene. Hatte man diese auch bezwungen,

konnte man sich unterhalb des Castors kurz ausruhen und neue Kraft tanken,

denn Kraft und Ausdauer brauchte man für den Aufstieg auf jeden Fall. Der Castor

ist mit 63 Metern vielleicht nur unwesentlich höher als das Breithorn, aber

sehr viel steiler und schwieriger zu besteigen. Mittlerweile wurde es voll

unterhalb des Berges. Immer mehr Bergsteiger sammelten sich am Castor. Manche

sind schon aufgestiegen, andere sind noch auf dem Weg. Wir hatten eine

Gruppe von knapp zehn Personen vor uns, welche hier und da Schwierigkeiten

hatten, voranzukommen. Man darf aber das normale Wandern oder Bergsteigen

nicht mit einer Hochtour vergleichen.

Ihr müsst euch vorstellen, ihr seid angekettet und lauft mit Steigeisen über Fels

und Eis. Und der Abstand zum Vordermann beträgt gerademal zwei Meter. Ich

selber empfand das Gehen mit Steigeisen auf Felsen als schwierig und gewöhnungsbedürftig.

Jeder Schritt knirscht und wackelt. Aber bei jedem Untergrundwechsel

die Steigeisen aus- und anzuziehen, würde viel zu viel Zeit kosten. Die


letzten Meter des Aufstieges sind wir auf allen Vieren gekrochen, weil das Gelände

so steil wurde, dass man sich mit dem Pickel in den Händen schon festhalten

konnte. Die letzte Passage wurde dann nochmal spannend. Unser Bergführer

schraubte eine Eisschraube in den Hang, an der ich mich sichern musste. Ich

kam von unserer Gruppe an zweiter Stelle und bildete nun den Vordermann. Der

Bergführer hechtete in schnellem Schritte die verbleibenden zwanzig oder dreißig

Meter bis zur Spitze. Dort sicherte er sich und das Seil, an dem wir hingen,

mit Hilfe einer Eisschraube, Karabinern und Bandschlingen. Nun musste ich das

Tempo für die Gruppe vorgeben. Langsam, Schritt für Schritt rammten wir unsere

Stahlspitzen in das Eis und stiegen im Gleichschritt aufwärts. Oben angekommen

ging der Weg auf einem sehr schmalen zugeschneiten Grad weiter, bis wir

schließlich auf der Spitze des Castors ankamen. Dumm nur, dass dieser Gipfel

eigentlich kein Gipfel ist. Er wird bis heute offiziell nicht als einer angesehen und

gilt nur als Erhebung oder Kamm. Aber das war uns egal. Für mich ist der Castor

der zweite 4000er der Tour.

Von seinem Gipfel hatten wir eine wunderbare Aussicht auf den Lyskamm und

das weitere Monte Rosa Massiv. Die vielen Bilder beschreiben diese Momente

leider nur ansatzweise. Ich sage euch, über den Wolken zu stehen, erfüllte mich

hier mit großer Freude. Voller Begeisterung stiegen wir auf der anderen Seite

des Gipfels wieder ab. Auch hier ging es ab und zu wieder über Felspassagen,

aber so langsam gewöhnte man sich daran. Danach wanderten wir gemütlich

auf einer flachen Schneeebene nach Italien. Der Schnee wurde zwar wieder zu

einer Art Sülze, aber wir erreichten irgendwann das Rifugio Quintino Sella. Sie

liegt auf 3585 Metern etwas höher als die letzte Übernachtungshütte. Nach dem

Check-In legte ich mich für ein kleines Mittagsschläfchen hin, da mich die Tour

heute ganz schön forderte. Meist liegt es an den langen Schneestrecken. Jeder

Schritt, welcher einsackt oder rutscht, kostete mich auch heute sehr viel Kraft.

Am späten Nachmittag suchten wir als Gruppe noch ein Geocache. Ja richtig

gehört! Aber darauf bin nicht ich gekommen. Michael und Christian betreiben

schon seit Jahren Geocaching. Sie sind dafür schon auf Bäume geklettert, haben

sich abgeseilt, fahren hunderte Kilometer für ein paar Funde und nehmen auch

die Caches auf 4000 Meter mit. Verrückt!

Zur Hütte kann ich nicht viel sagen. Außer, dass die sanitären Anlagen wieder

mal nicht der modernen Zeit entsprachen. Selbst den Menschen im dunklen

Mittelalter ging es besser. Sie konnten sich wenigstens hinsetzen. Ich muss es

an dieser Stelle einfach mal beschreiben, das glaubt mir ja sonst keiner. Es war

meist immer ein Raum, mit vielleicht zehn Abteilungen, für beide Geschlechter.

In jedem Abteil war am Boden nur eine Metallschale mit Loch. Mehr nicht! Da

konnte man froh sein, wenn an der Tür ein Griff zum Festhalten war. Selbst die

Spülung fehlte. Im Flur standen dafür mehrere 10-Liter-Kanister, welche die

Spülung ersetzen sollten. Welch ein Fortschritt! Diese Italiener! Davon habe ich

mal keine Fotos gemacht. Wenigstens konnte die Hütte bei ihren Speisen

überzeugen.


Rechts auf dem Grat sind wir langgelaufen.

Kaum vorstellbar!

Die Wolken ziehen sich langsam zusammen,

hoffentlich hält das Wetter die nächsten Tage.

Tag 21

Heute ging es leider früh aus dem Bett. Wir hatten viel vor! Aber nicht nur aus

organisatorischen Gründen, sondern auch wieder wetterbedingt. Ein großer Vorteil

bei Hochtouren im Sommer ist, wie schon gesagt, der morgendliche Frost.

In den Nächten kann die Schneedecke auf den Gletschern wieder frieren und erleichtert

uns das Vorankommen. Je früher man also von der Hütte startet, desto

einfacher hat man es im Laufe des Tages. Denn wenn der gefrorene Schnee erst

wieder taut, kostet jeder Schritt wieder mehr Kraft. Bei uns war es frühmorgens

noch dunkel und alle Gruppen sind mit Taschenlampen auf den Köpfen denselben

Weg von gestern wieder zurückgegangen. Unterhalb des Lyskamms trennte

sich dann die Spreu vom Weizen. Die einen sind Richtung Castor, die anderen auf

den Lyskamm und wieder andere sind mit uns auf den Paso Naso

zur Ludwigshöhe. Der Paso Naso ist eine Art Hochplateau, welcher vom Lyskamm

aus leicht ansteigend verläuft. Ist man lange eintönig bergauf gelaufen, befindet

man sich kurz vor der 4341 Meter hohen Ludwigshöhe. Der dritte Gipfel auf unsere

Tour lies sich im Vergleich zu den anderen noch kommenden relativ einfach

besteigen. Nachfolgend hielt die Tour viele kleine Leckerbissen für uns bereit.

Der nächste Berg auf unserer Liste war das Schwarzhorn. Er ist zwar zwanzig

Meter tiefer, aber dafür technisch schwieriger. Michael, unser Bergführer, ist hier

wieder als Erster hoch, um uns von oben zu sicheren. Es galt wieder, eine steile

Eisflanke emporzuklettern. Anschließend ging es noch teilweise schwierig über

Felsblöcke und Kletterpassagen, bis man schließlich unfallfrei auf dem engen

Gipfelplatz ankam. Hier oben thronte noch eine silberne Mutter Gottes, welche

mit mir erstmal ein Foto machen musste. Ich bin zwar nicht der christlichste

Mensch, aber wann findet man schon Statuen auf den Gipfeln?! Außerdem war

ich heil froh, hier oben zu sein. Nach einer ganz kurzen Pause kam schon die

andere Wandergruppe und unser möglicher Abstieg über die Aufstiegsroute war

versperrt. Aber das wusste unser Bergführer ja schon. Er bereitete in der Zwischenzeit

schon das Seil für die nächste Aktion vor. Nun stand das Abseilen an.

Das Seil wurde über die „Klippe“ geworfen und an zwei Punkten festgemacht.

Mittels Bremsverstärker (Tube), Karabinern und Rundschlinge, seilten wir uns

ab. Das war kaum zu glauben. Ich dachte ich wäre in einem Actionfilm.


Nur gut, dass ich das schon im Grundkurs geübt hatte! Jedoch verklemmte ich

mich während des Abseilens mit meinen Steigeisen im Fels, als ich mich mit

den Beinen abstoßen wollte. Zum Glück befreite ich mich irgendwie und kam

unten heil an. Was für ein Schreck! Dem Schwarzhorn gegenüber befand sich

das Balmenhorn. Dieser Berg war wieder einige Meter tiefer als der letzte, aber

trotzdem sehr interessant. Der Aufstieg erfolgte über steile Stellen, die mit einem

dicken Seil gesichert waren. Hier und da hätte man auch darauf verzichten

können, aber sicher ist sicher. Auf dem breiten Gipfel befanden sich eine Biwakhütte

und eine große Statue, welche Christus zeigte. Auch mit dieser ließ ich

mich ablichten, um ja nichts später zu vergessen.

Die anderen beiden suchten in der Zwischenzeit nach ihrem zweiten Geocache,

das sich hinter der Hütte befand. Sie waren so sehr gewillt den Fund zu sichern,

dass sie sogar an den „menschlichen, organischen Geschäften“ vorbei mussten.

Das war zwar eine Sauerei, aber an jedem Ort, wo Menschen übernachten,

müssen manche auch auf das Klo gehen. Ich fand nur die Reaktion von Christian

sowas von lustig, dass ich lachen musste. Er meinte nur so: „Oh man, hier ist ja

alles vollgekackt!“ Ach wie lustig! Nach dem witzigen oder traurigen Erlebnis auf

dem Balmenhorn folgte der Abstieg Richtung Vincentpyramide.

Und hier war für mich eigentlich Schluss. Ich hatte absolut keine Kraft und Ausdauer

für irgendeinen weiteren Gipfel. Letzten Endes wäre er auch nur ein weiterer

auf meiner Liste und selbst mit 4215 Metern Höhe nicht einmal höher als

die Ludwigshöhe. Also, warum das Ganze, dachte ich mir so. Ich wäre unten

geblieben und hätte auf die drei gewartet. Doch unser Italiener munterte mich

auf und meinte es wäre schlimmer, als es aussah. Ihr könnt euch das Weitere

sicherlich denken. Ich bin mitgegangen und war am Ende doch froh, meinen inneren

Schweinehund besiegt zu haben. Der Abstieg runter auf 3625 Meter zum

Rifugio Gnifetti entschärfte mich aber bis auf das Letzte. Der Schnee war weich

und jegliche Kraft in den Beinen war verschwunden. Hier und da fiel ich zu Boden

und raffte mich wieder auf. Nur gut, dass ich angeseilt war! Kennt ihr diese

Filmszenen, in denen Sklaven hinter den Pferden gezogen werden und kilometerweite

Märsche laufen müssen. Irgendwann geht das Laufen in Stolpern über,

bis sie kraftlos zusammenbrechen würden. So habe ich mich gefühlt. Und so sah

das bei mir bestimmt auch aus. Aber ich erreichte irgendwann die Hütte und war

froh, alles gemeistert zu haben.

Über unserem Rifugio stand etwas weiter oben noch eine kleine Kapelle. So langsam

verstand ich, wie gläubig die Italiener waren. Im Hause sind uns aber auch

die Zimmer aufgefallen. Es fanden auf engstem Raume neun Personen Platz.

Die Betten stapelten sich einfach in die Höhe. Vier links, vier rechts und ein Bett

stand in der Raummitte. So einfach bekommt man die Leute unter. Nach vollzogenem

Mittagsschlaf und ausnahmsweise dem einen oder anderen Bier gab es

ein zünftiges Abendbrot. Das Hüttenpersonal ging relativ oft mit großen Platten

durch den Speisesaal und man konnte sich somit mehrmals Essen nehmen. Das

war super, denn es schmeckte vorzüglich. Danke dafür! Der weitere Abend verlief

relativ ruhig. Da wir uns heute das Zimmer mit einer anderen Gruppe teilten,

passten wir uns an die anderen an, um niemanden beim Schlafen zu stören.


„Über den Wolken ..., muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“

Tag 22

Der vorletzte Tag unserer Hochtour startete wieder in aller Frühe. Wie auch die

Tage zuvor, ging es auf demselben Weg von gestern wieder zurück. Wir stiegen

auf den Paso Naso und ließen die Ludwigshöhe von gestern links liegen. Eigentlich

rechts! Nach Überschreiten des Ostpasses, welcher auf italienisch Colle del

Lys genannt wird, begaben wir uns zum Fuße der Parrotspitze. Hier auf guten

4400 Meter Höhe, erlebten wir einen der schönsten Augenblicke. Die Aussicht

belohnte uns wahnsinnig. Wir hatten einen klaren Himmel und die Wolkendecke

befand sich weit unter uns. Dieses Bild bewegt mich bis heute. Das war echt

einer der schönsten Momente auf meinen bisherigen Touren. Nach dem Abstieg

von unserem achten Gipfel folgte der Aufstieg zu den letzten beiden Gipfeln.

Zuerst bestiegen wir den höchsten Gipfel unserer Tour, die Zumsteinspitze und

danach ging es auf die bekannte Signalkuppe. Zu beiden Gipfelaufstiegen gibt es

aber noch etwas zu erzählen.

Der Weg zur 4563 Meter hohe Zumsteinspitze war anfangs recht unproblematisch.

Hier und da sahen wir zwar die ersten großen Spalten, aber das kümmerte

uns nur wenig. Der Weg zur Spitze kümmerte uns dafür mehr, da er steil und

abschüssig war. Wenn man hier zu schnell geht, kommt man außer Puste und ist

man unvorsichtig, kann man die ganze Gruppe gefährden. Aber unsere Gruppe

war ja klein. Und jeder wusste, was er machte. Auf der Spitze befand sich die

nächste christliche Statue. Diesmal relativ klein. Es war eine goldene Marienstatue.

Kommen wir noch zum letzten Berg unserer Tour, der Signalkuppe. Auf ihr

wurde die höchstgelegene Berghütte Europas erbaut. Ihr Name ist Capanna

Regina Margherita. Der Bau dieser Hütte wurde 1890 mit Sprengarbeiten

begonnen und endete gut drei Jahre später.


Namensgebung war Königin Margarethe von Italien. Diese bestieg am 8. August

1893 den Gipfel der Signalkuppe und nächtigte in der Hütte. Einzigartig

historisch. Bis heute nächtigen müde Bergsteiger auf 4559 Meter. Ob sie gut

schlafen, sei dahin gestellt, denn viele berichten von unruhigen Nächten, da

manche die Höhe nicht vertragen. Deshalb übernachteten wir zum Beispiel auf

der schweizerischen Monte Rosa Hütte. Es erwartete uns ein Abstieg von knochenbrechenden

1700 Höhenmetern. Wie auch der Abstieg von gestern war

auch dieser langweilig und kräftezehrend. Den einzigen Unterschied fand man

im Untergrund. Wir querten auf dem Gletscher viele Spalten, Risse und Löcher.

Teilweise stürzten wir sogar in Löcher und versanken bis zur Hüfte. Jetzt macht

sich das Anseilen bezahlt. Langezeit marschierten wir auf Schnee und Gletscher,

bis sich ein Ende entdecken ließ. Steine, Fels, Blockschutt und grünes Gras, was

hab ich euch vermisst! Als wäre es für mich die Entdeckung des Jahrhunderts.

Sofort legte ich die gesamte Hochtourenausrüstung ab und freute mich auf den

restlichen Weg. Wir legten aber erst noch eine kleine Pause ein, um unsere

Steigeisen zu trocknen. Schließlich will man den Rucksack nicht von innen nass

machen. Nach der Pause, bin ich wie eine Gazelle durch die Gegend geschossen.

Voller Freude sprang ich von A nach B, von Stein zu Stein. Einen richtigen

Weg gab es nicht. Er wurde nur mit Stangen grob markiert. Das Gefühl, frei zu

wandern, nicht angekettet zu sein, war wunderbar. Später, hat es Christian und

mich noch zu einem Wettlauf in Richtung Monte Rosa Hütte getrieben. Warum?

Keine Ahnung. Nach einiger Zeit erreichte ich die überaus moderne Berghütte,

welche mit Solar und Photovoltaik ausgestattet war, als Erster. Und wer hätte es

gedacht, die Schweizer legen mehr Wert auf Hygiene als die Italiener.

Zumindest was die Hütten angeht. Ich sag nur Dusche und WC! Optimal war

auch Essen, Getränke, Zimmer und die Bedienung. Das war fast schon wieder

Wellness. Nein, das war Wellness! Da fehlte nur noch die Sauna.

Dieses Bild lässt mich bis heute noch Gänsehaut bekommen. Einfach unbeschreiblich!!!


Beste Sicht bei anhaltend gutem Wetter

Berg Heil auf der Zumsteinspitze.

Im Hintergrund ist links das Matterhorn zu sehen.

Die Eisstärke der Bergflanken ist echt mächtig.

Die Capanna Regina Margherita liegt auf

eindrucksvollen 4559 Metern Höhe.

Wahnsinn, dass man sie vor 130

Jahren ohne technischen Fortschritt erbaute.


Tag 23

Der letzte Tag ist angebrochen. Heute mussten wir ausnahmsweise mal nicht in

aller Früh aufstehen. Mit einer anstrengenden Hochtourenwoche und dem langen

Abstieg vom Vortag in den Beinen ging es nach dem ausreichenden Frühstück

auf den Weg zur Station Rotenboden der Gornergratbahn. Erst ging es

über Blockstein und felsige feste Wege, dann nochmal über einen Restgletscher.

Kurz vor der Gornergratbahn angekommen, sah man schon die vielen Menschen,

welche sich nur hier hochfahren ließen. Die haben sich bestimmt gefragt, von wo

wir herkamen. Hier verabschiedeten der Bergführer und ich uns von Christian

und Michael. Die beiden wollten noch hoch auf den Gornergrat und waren noch

nicht müde. Respekt ihr beiden! Mir und dem Bergführer Michael war das zeitige

Eintreffen der Gornergratbahn nur Recht. Diese brachte uns relativ zügig nach

Zermatt, wo auch wir uns voneinander verabschiedeten. Ach das hätte ich ja fast

vergessen! Auch unser Bergführer erhielt traditionsgemäß von uns ein kleines

Trinkgeld als Dankeschön. Auch wenn es ja eigentlich sein Job ist. Aber eine nette

Geste darf nie fehlen.

In Zermatt deckte ich mich mit Verpflegung noch etwas ein. Den restlichen Tag

schlenderte ich durch die Gegend und erkundete die historische Stadt. Einquartiert

war ich im Hotel Basecamp. Der Betreiber war ein großer Bergsteiger, der

schon auf vielen Gipfeln stand. Jedes seiner Zimmer war nach einem seiner bestiegenen

Berge benannt. Ich schlief im obersten Stock, im Zimmer Elbrus.

Für jedes Zimmer schrieb er einen Reisebericht, wie und was alles auf der Tour

passierte. Ist es Zufall oder ein Zeichen, das ich im Elbruszimmer schlafe. Denn

der Elbrus steht eigentlich noch auf meiner Liste. Ein paar der Seven Summits

will ich nämlich in Zukunft noch in Angriff nehmen. Auf jeden Fall zum Beispiel

den Kilimandscharo, den Elbrus und den Aconcagua.

Ein Gletscher welcher schneefrei ist, nennt man aper. Hier konnte man die Gletscherspalten

sehr gut sehen. Man musste sich nicht Anseilen. Wahnsinn wie wild Mutter Natur doch sein kann!


Hier sieht man das bekannte Matterhorn nochmmal in seiner vollen Pracht.

Heimreise

Der letzte Tag stand ganz im Sinne der Heimreise. An sich bin ich zuerst mit der

Bahn von Zermatt nach Herbriggen gefahren, wo ich mein Auto vor einigen Tagen

abstellt habe. Anschließend bin ich in leicht übermüdeten Zustand zurück nach

Obergoms gefahren, um über den Grimselpass nach Zürich zu gelangen. Von

dort bin ich in Richtung Bodensee gefahren, wo ich noch eine alte Bekannte traf.

Vielleicht sagt euch der Name Marietta noch etwas. Mit ihr bin ich 2020 mit dem

Fahrrad vom Bodensee nach Bellwald und weiter zum Lago Maggiore gefahren.

Das war ein Höllentrip. Wahnsinn! Erst zu Fuß über die Alpen und dann nochmal

mit dem Fahrrad. Ich musste doch bekloppt gewesen sein. Ich glaube aber eher,

ich bin es immer noch. Nach einem kurzen Nickerchen auf einem Parkplatz bin

ich entspannt wieder nach Hause gefahren. Über die A81 und A7 ging es relativ

problemlos. Das Einzige, was mich beunruhigte, war die in Deutschland wütende

Gewitterfront. Zeitweise kam der Regen in solchen Massen herunter, dass ich die

Geschwindigkeit auf 80 km/h drosseln musste und das, obwohl ich der einzige

auf der Autobahn war. Später fuhr ich dann versehentlich eine Ausfahrt zu früh

ab und befand mich wieder auf der A7 in Richtung Bayern. Eigentlich hätte ich

damit kein Problem gehabt, doch mein Urlaub neigte sich dem Ende. Aber letzten

Endes erreichte ich spät Abends gesund und munter meine Heimat. Meine

Familie schloss mich in die Arme und ich hatte viel zu berichten. Rückblickend

bin ich auf jeden Tag stolz, den ich meisterte, und hoffe, es wird nicht mein

letzter Urlaub gewesen sein. Sicherlich werden noch mehr dieser Unternehmungen

auf mich zukommen. Zum Beispiel werde ich 2022 in den Osterferien den

in Nepal liegenden Annapurna Circuit mit dem DAV Summit bestreiten, oder im

Sommer desselben Jahres mehrere Wochen quer durch Österreich wandern. Ob

ich über alle meine Touren wieder einen Bericht schreiben werde, bleibt bis jetzt

noch offen. Aber wenn ja, werdet ihr auf jeden Fall von mir hören. Für mich ist

Bergsteigen mein Hobby und mein Leben. Und wenn euch der Bericht gefallen

hat, lasst es mich wissen. Ich freue mich über jegliche Kritik von euch.

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