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UNDERDOG #67

Schwerpunkt: Anti everything

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das. Doch auch heute noch merke ich,

dass ich meine radikalen politischen

Ansichten in Bezug auf feministische

oder queere Theorie danach ausrichte,

wer vor mir steht. Persönlich würde ich

mich als QueerFeministin* beschreiben,

treffe ich jedoch auf Menschen, die noch

nie was von Sexismus,

Unterdückungsmechanismen, Patriarchat

und mehr als zwei Geschlechtern gehört

haben, bzw. sich noch nie damit

auseinandergesetzt haben, fange ich

eher grundsätzlich mit feministischen

Grundlagen an und gebe mich eher als

selbstbewusste Frau*/ Feministin (was

auch immer sich die Leute auch darunter

vorstellen). Alles andere würde

wahrscheinlich keinen Sinn machen, die

Leute würden denken, ich sei verrückt

und zumachen. Was ich damit sagen will

ist, dass Verhalten und damit verbunden

auch Veränderungen im Verhalten immer

kontextgebunden zu betrachten,

anzugehen und zu bearbeiten sind.

Beispiel: Wenn meine Eltern noch nie

was von trans* und queer gehört haben,

dann muss ich eben auf einer Ebene

beginnen, die sie eventuell verstehen

können, beispielsweise, dass es

bestimmte gesellschaftliche

Ungleichheiten zwischen Männern* und

Frauen* gibt, exemplarisch sind hierbei

ungleiche Löhne – das werden sie

vermutlich in irgendeiner Form aus ihrer

Lebensrealität kennen, oder sie kennen

Leute, die davon betroffen sind und

können darüber besser verstehen, was

die Ansatzpunkte sind. Im besten Fall

kann man sich dann peu á peu

vorarbeiten! Bewege ich mich aber in

Kreisen, die selbst an und mit diesen

Themen und Grundsätzen arbeiten,

nehme ich auch radikalere Positionen ein

und kann da aber auch inhaltlich ganz

anders und viel fundierter diskutieren –

bestimmte Grundannahmen sind dabei

klar/ Konsens (z.B., dass wir im

Patriarchat leben und dass das

wesentlich zur Unterstützung des

kapitalistischen Systems beiträgt). In

diesem Fall übernehme ich ganz klar

queer-feministische Positionen.

Vergleichen wir beide genannten

Situationen/ Beispiele, dann erscheinen

sie grundverschieden. Sind sie auch. Und

dennoch sehe ich in beiden Optionen ein

Aufbrechen normativer Rollen- und

Gesellschaftsstruktur. Ein erster Schritt

dahin ist immer überhaupt erst mal eine

Thematisierung von Unterdrückungsund

Ausschlussmechanismen aller Art –

ein Aufdecken und Sichtbarmachen, um

Menschen die Möglichkeit zu nehmen,

einfach darüber hinwegzusehen und zu

ignorieren, als haben sie mit all dem nix

zu tun und seien davon auch nicht

betroffen. Ein persönliches Beispiel aus

meiner Sozialisation ist eher klassisch.

Wahrscheinlich werden das auch andere

kennen. Ich wollte als Kind gerne ein

BMX-Fahrrad haben, mein Cousin hatte

eins, ich fand’s total cool und habe es mir

zum Geburtstag gewünscht – bekommen

habe ich dann ein rosa Mädchen-

Fahrrad…oder als mein kleiner Cousin

anfing, sich einen Puppenwagen zu

wünschen und alle Erwachsenen etwas

panisch und hilflos wirkten und sich

Sorgen um seine spätere sexuelle

Orientierung machen…das hört sich jetzt

zwar plakativ an, dass sich jede halbwegs

aufgeklärte Person kaum mehr vorstellen

kann, dass sich dieses Klischee nach wie

vor bewahrheitet. Und doch sind es viel

zu oft vorkommende reale

Alltagssituationen, die vielen in

irgendeiner Form bekannt vorkommt. In

meiner Familie habe ich irgendwann

aufgehört zu schweigen, wenn am

gemeinsamen Tisch mit Grillgut und

Alkohol ein rassistischer und/ oder

homophober Witz gerissen wurde.

Seitdem war ich der Störfaktor, der die

vermeintliche Harmonie wissentlich

kaputt macht – selbstverständlich haben

es ja auch alle nie so gemeint und meine

Mutter stand oft heulend in der Küche

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