11.07.2022 Aufrufe

VNW-Magazin Ausgabe 3/2022

Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.

Das VNW-Magazin erscheint fünf Mal im Jahr. Neben Fachartikeln enthält es Berichte und Reportagen über die Mitgliedsunternehmen des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen - den Vermietern mit Werten.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

12 <strong>VNW</strong><br />

Hamburgserste<br />

Baugenossenschaftsgründerin<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg herrscht im Norden Deutschlands große<br />

Wohnungsnot. Eine Lösung ist die Gründung von Wohnungsgenossenschaften.<br />

1927 rückt mit Adele Reiche erstmals eine Frau an die Spitze<br />

einer Baugenossenschaft.<br />

Hamburg. Die Revolution von 1918/19 brachte für einen Großteil<br />

der Bevölkerung lang ersehnte Veränderungen mit sich. Das<br />

Frauenwahlrecht wurde eingeführt und die ersten demokratischen<br />

Wahlen bildeten endlich die wirklichen politischen Kräfteverhältnisse<br />

ab.<br />

Die neuen Regierungen im Reich und in den Ländern standen<br />

allerdings vor gewaltigen Herausforderungen. Die Folgen des<br />

verlorenen Krieges waren zu bewältigen, die Nahrungsmittelversorgung<br />

musste sichergestellt werden und die allgegenwärtige<br />

Wohnungsnot forderte Lösungen.<br />

Während des Ersten Weltkrieges war die Bautätigkeit weitgehend<br />

zum Erliegen gekommen. Nach dem Kriegsende heimkehrende<br />

Soldaten, die jetzt eine Familie gründen wollten, fanden keine<br />

Wohnung. Wohnraumbewirtschaftung und Mietenkontrolle<br />

wurden eingesetzt, um den Mangel zu verwalten.<br />

Wohnungsversorgung wird staatliche Aufgabe<br />

Die Dringlichkeit des Wohnungsbaus kam auch in der Verfassung<br />

der Weimarer Republik zum Ausdruck, in der die Wohnraumversorgung<br />

nunmehr als staatliche Aufgabe gesehen wurde. In Art.<br />

155 der neuen Verfassung wurde als Ziel ausgegeben, „jedem<br />

Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien,<br />

besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende<br />

Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern“.<br />

Land auf Land ab wurde vor Ort nach Lösungen gesucht und<br />

wurden Wohnungsunternehmen in kommunaler Trägerschaft<br />

oder in der Rechtsform der Genossenschaft gegründet. Auch in<br />

Hamburg wurden ab 1919 zahlreiche Baugenossenschaften ins<br />

Leben gerufen.<br />

Ausgangspunkt für Gründungen waren häufig verbindende<br />

Gemeinsamkeiten etwa im Beruf. So entstand beispielsweise der<br />

Bauverein der Finanzbeamten oder die Baugenossenschaft der<br />

Buchdrucker. Gleich drei Genossenschaften widmeten sich in<br />

Hamburg dem Verfassungsauftrag und bauten für Kinderreiche.<br />

Erstmals eine Frau an der Spitze<br />

Die 1927 gegründete Baugenossenschaft für kinderreiche Familien<br />

e.Gen.m.H. zeichnete sich dadurch aus, dass mit Adele Reiche<br />

erstmalig eine Frau an der Spitze einer Hamburger Baugenossenschaft<br />

stand, die sich auch politisch für Kinder, Frauen und Familien<br />

einsetzte. Soweit bekannt ist, hatte zuvor nur die Baugenossenschaft<br />

Finkenwärder 1922 ein weibliches Vorstandsmitglied,<br />

das als Kassiererin fungierte.<br />

Adele Reiche, geb. Cords, wurde am 16. Juni 1875 in Hamburg<br />

geboren. Sie besuchte die Volksschule und absolvierte anschließend<br />

von 1892 bis 1896 das Lehrerinnenseminar. Sie arbeitete<br />

als Volksschullehrerin, bis sie nach ihrer Heirat 1906 aus dem<br />

Schuldienst ausschied.<br />

1907 wurde ihr Sohn Egon geboren. Während des Ersten<br />

Weltkrieges war sie ab 1915 als Kriegshilfslehrerin wieder im<br />

Staatsdienst tätig. Adele Reiche war Mitglied der SPD und wurde<br />

1919 nach der Einführung des Frauenwahlrechts in die Hamburgische<br />

Bürgerschaft gewählt, der sie bis 1931 angehörte.<br />

Aufgabenfeld öffentliche Jugendfürsorge<br />

Adele Reiche war eine engagierte Politikerin, die sich für soziale<br />

Themen und die Rechte der Frauen einsetzte. Als Bürgerschaftsabgeordnete<br />

war sie Mitglied der Behörde für öffentliche Jugendfürsorge.<br />

Besonders wichtig waren ihr gesunde Lebensverhältnisse<br />

für Kinder und Familien sowie bessere Bildungschancen.<br />

Dass eine große Anzahl von Kindern das Armutsrisiko erhöhte,<br />

war auch für Adele Reiche keine neue Erkenntnis. Sie trat für<br />

eine Geburtenkontrolle ein und setzte dabei auf eine Aufklärung<br />

der Frauen. 1930 gründete sie zusammen mit der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten<br />

Paula Henningsen die Hamburger Ortsgruppe<br />

des „Reichsverbandes für Geburtenregelung und Sexualhygiene“.<br />

Der Verband lehnte den Paragraph 218 ab und klärte Frauen<br />

über Verhütungsmöglichkeiten auf.<br />

f

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!