atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 4 ı Juli56KTG-FACHINFOEnergieunternehmens Fennovoima im nordfinnischenPyhäjoki ist endgültig gescheitert. Ursprünglich wollte derfinnische Betreiber das Kraftwerk ab 2007 in Zusammenarbeitmit E.ON und mit Reaktoren von Toshiba oderAreva errichten. Nach Fukushima zog sich E.ON zurückund die Finnen fanden einen neuen Partner in der Rosatom-TochterRAOS. Das Kraftwerk sollte nunmehr gemäßeines 2013 unterzeichneten Liefervertrages mit einerneuen Version der WWER 1200-Reaktoren ausgestattetwerden, wobei es aber bei Hanhikivi zu großen PlanungsundBauverzögerungen kam. Schon im Herbst 2021verlangte das finnische Verteidigungsministerium zudemeine Neubewertung des Projekts aus Sicherheitsgründen.Wachsenden Druck auf den finnischen Betreiber übtedann der Ukraine-Krieg aus. Deshalb kündigten dieFinnen vor wenigen Tagen den Vertrag mit RAOS, wasnoch Rechtsstreitigkeiten mit Rosatom/RAOS nach sichziehen kann.Quelle: www.heise.de/tp/features/Aus-fuer-finnischrussisches-Atomkraftwerk-7075569.html/Ihre KTG-GeschäftsstelleDr. Jürgen W. SchmidtDarüber hinaus stellen die Beschwerdeführer fest, dassvom Betrieb von Kernkraftwerken, welche die heutigenEU-Anforderungen erfüllen, keine wesentliche Grundrechtsgefährdungmehr ausgehe, und es deshalb auchnicht mehr im freien Ermessen des Gesetzgebers stehe,die Nutzung dieser Kernkraftwerke zuzulassen oder nicht,da ohne ihre Nutzung die Maßnahmen zum Klimaschutzerheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben. Eine realitätsgerechteAbwägung von Risiken und Nutzen ergebeaus Sicht der Beschwerdeführer, dass ein pauschalesVerbot der Kernenergienutzung nicht mehr verhältnismäßigsei. Die Beschwerde stellt auch auf das Erforderniseines international ausgerichteten Handelns des Staatesbeim globalen Schutz des Klimas ab. Dieses verpflichte ihn– so das BVerfG in seinem Klimabeschluss 2021 – imRahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutzhinzuwirken. Da die internationale Gemeinschaft durchvon ihr beauftragte Institutionen wie das InternationalPanel on Climate Change (IPCC), die International EnergyAgency (IEA) oder die EU-Kommission die Nutzung sichererKernkraftwerke für vertretbar und für wichtig zumErreichen der Klimaziele erachte, sei ein nationales Verbotder Kernenergienutzung aus Sicht der Beschwerdeführermit dieser Verpflichtung nicht vereinbar.KTG-Fachinfo 12/2022 vom 26.04.2022Verfassungsbeschwerdegegen Ausstieg aus der KernenergieSehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder der KTG,am 22. April 2022 wurde eine Verfassungsbeschwerdegegen den Ausstieg aus der Kernenergie beim Bundesverfassungsgerichtin Karlsruhe eingereicht. Ein großerTeil der zwölf Beschwerdeführer ist im pro-nuklearenVerein Nuklearia e.V. engagiert.Zur Begründung verweisen die Beschwerdeführer u. a.darauf, dass die Schutzpflicht des Staates für Leben undkörperliche Unversehrtheit auch die Verpflichtungumfasse, Leben und Gesundheit vor den Gefahren desKlimawandels zu schützen, wie dies in der Entscheidungdes Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz imvergangenen Jahr festgestellt worden sei. Da aber derVerzicht auf die Nutzung der klimaneutralen Kernenergieaktuell die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle,Mineralöl und Erdgas erhöhe, führe dies zu höheren CO₂-Emissionen, was die Klimaerwärmung verstärke und dieLuft verschmutze. Beides gefährde die Gesundheit derBeschwerdeführer.Auch wird geltend gemacht, dass ohne Kernenergie dieEnergieversorgung weniger robust sei, wodurch auch diegrundrechtlich umfassend geschützte Freiheit derBeschwerdeführer gefährdet werde, da es in Krisensituationenleichter zu großen Versorgungsstörungen undVerbrauchseinschränkungen kommen könne.Die Beschwerdeführer monieren, dass der Gesetzgeberdie Risiken durch den Atomausstieg bislang nicht erkanntund sie nicht gegen die neu zu bewertenden Risiken derKernenergie abgewogen habe. Dazu sei er aberverpflichtet, wenn neue Tatsachen oder Einschätzungenvorlägen.Nuklearia nahm die öffentliche Zeichnung undEinreichung der Verfassungsbeschwerde zum Anlass füreine Informationsveranstaltung und eine Demonstrationin der Karlsruher Innenstadt. Nun ist abzuwarten, ob dasBundesverfassungsgericht die Beschwerde zum Anlassnimmt, den Ausstieg aus der Kernenergienutzung gemäßAtomgesetz von 2011 zu revidieren, der in einerEntscheidung des Gerichts von 2016 weitgehend gebilligtwurde, oder eher seine Entscheidung zum Klimaschutzgesetzvon 2021.Ihre KTG-GeschäftsstelleNicolas WendlerKTG-Fachinfo
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