11.07.2022 Aufrufe

atw - International Journal for Nuclear Power | 04.2022

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information. www.nucmag.com

Ever since its first issue in 1956, the atw – International Journal for Nuclear Power has been a publisher of specialist articles, background reports, interviews and news about developments and trends from all important sectors of nuclear energy, nuclear technology and the energy industry. Internationally current and competent, the professional journal atw is a valuable source of information.

www.nucmag.com

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

atw Vol. 67 (2022) | Ausgabe 4 ı Juli

Völkerrecht ein besonderes Schutzregime für

gefahrträchtige Einrichtungen bereithält und

gleichwohl unternommene Angriffe auf solche

Einrichtungen als Kriegsverbrechen einstuft

(siehe oben, I.). Darüber hinaus obliegt die

Landesverteidigung dem Staat: Er hat die

Verpflichtung, die für die Landes- und Bündnisverteidigung

erforderliche Befähigung und

Mittel sicher- und bereitzustellen (siehe oben,

II.). Dieser Aufgabe kann kein Betreiber – egal ob

bei einer konventionellen oder nuklearen Anlage

– ernsthaft gerecht werden.

Dementsprechend sind kriegerische Ereignisse –

anders als terroristische Sabotageakte – bei richtiger

Differenzierung kein Gegenstand atomrechtlicher

Schutzpflichten. Denn auch die beste

Anlagensicherung kann das Ereignis „Krieg“

nicht ausschließen oder die dagegen zu ergreifenden

Maßnahmen der Landesverteidigung

ersetzen. Die primäre Zivilschutz- und Verteidigungsaufgabe

des Staates liegt jedem anlagenspezifischen

Sicherungs- und Schutzkonzept

notwendig voraus.

IV. SEWD-Schutz als Basisschutz

Der Schutz gegen SEWD-Ereignisse, den kerntechnische

Einrichtungen aufweisen müssen,

gewährleistet gleichwohl einen Basisschutz in

Bezug auch auf vergleichbare kriegerische

Einwirkungen. Denn kerntechnische Anlagen

sind von vornherein besonders robust ausgelegt,

d.h. nicht nur gegen „Ereignisse von Außen“

(EVA), wie z. B. Erdbeben, Explosionsdruckwellen,

Flugzeugabsturz, etc., sondern eben auch

gegen gezielte Stör-Einwirkungen Dritter

(SEWD), die z. B. unter Verwendung unterschiedlichster,

für Terroristen möglicherweise

erreichbarer Tatmittel erfolgen könnten. Insoweit

wird der erforderliche Umfang der SEWD-

Anforderungen und Maßnahmen behördlicherseits

unter Berücksichtigung der anlagenspezifischen

Gegebenheiten bestimmt. Die dabei

konkret geltenden Maßgaben sind durch das

untergesetzliche Regelwerk, insbesondere durch

die sog. SEWD-Richtlinien, festgelegt. Welche

„Lastannahmen“ i. S. v. § 44 Abs. 1 AtG konkret

zu unterstellen sind, bestimmt die Behörde, der

insoweit ein gesetzlich eingeräumter Beurteilungsspielraum

(„Einschätzungsprärogative“)

zusteht (§ 44 Abs. 3 AtG). Für kerntechnische

Einrichtungen existiert ein zwischen Staat und

Betreiber eng abgestimmtes sog. integriertes

Sicherungs- und Schutzkonzept. Es sieht

anlagenspezifisch definierte betreiberseitige und

staatliche Maßnahmen vor, die ein effektives

Zusammenwirken von technischen, baulichen,

organisatorischen und personellen Anforderungen

und Schutzmechanismen sicherstellen.

Im Ergebnis ist dadurch der erforderliche Schutz

gegen Einwirkungen Dritter gewährleistet. Das

gilt dann gleichermaßen, wenn vergleichbare

Einwirkungen nicht als terroristische Akte,

sondern als Kriegshandlungen einzustufen sind,

weil sie im Rahmen bewaffneter Konflikte

zwischen Staaten erfolgen. Rein faktisch nicht

abgedeckt werden allerdings Angriffe unter

Einsatz schwerer (Kriegs-)Waffen, die letztlich

nur einer Armee zur Verfügung stehen.

V. Fazit

Kerntechnische Einrichtungen genießen besonderen

Schutz durch das Völkerrecht. Kriegerische

Angriffe auf solche Anlagen werden sogar als

Kriegsverbrechen geahndet. Die Aufgabe der

Landes- und Bündnisverteidigung obliegt allein

dem Staat, da nur er – und nicht der Betreiber

einer konventionellen oder nuklearen Anlage –

den Schutz der Zivilgesellschaft insgesamt

gewährleisten kann. Folgerichtig sind kerntechnische

Anlagen gegen konkrete Störmaßnahmen

Dritter, also z. B. terroristische Einwirkungen

geschützt, nicht aber können sie gegen kriegerische

Ereignisse ausgelegt sein, die dem Staat als

Ganzes gelten und Teil eines bewaffneten

Konflikts sind. Aufgrund des gegebenen SEWD-

Schutzes gehören kerntechnische Einrichtungen

gleichwohl zu den bestgeschützten Anlagen in

Deutschland; dieser Schutz wirkt auch gegen

Ereignisse kriegerischer Art, sofern sie in ihrem

Ausmaß mit Terroranschlägen vergleichbar sind.

Autor

Prof. Dr. Tobias Leidinger

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf

tobias.leidinger@luther-lawfirm.com

Prof. Dr. Tobias Leidinger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht,

ist Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Vor dem Hintergrund seiner

langjährigen Beratungstätigkeit in der Industrie und besonderen Projekt- und

Rechtsexpertise berät er private und öffentliche Unternehmen im Öffentlichen

Wirtschaftsrecht (einschl. Projektsteuerung), insbes. im Atom- und

Strahlenschutzrecht sowie im Anlagen-, Umwelt-, Bau- und Planungsrecht

(Rückbau von Nuklearanlagen, Errichtung und Genehmigung von nuklearen

Lagereinrichtungen, komplexe Infrastrukturvorhaben, etc.). Er ist zugleich

Direktor am Institut für Berg- und Energierecht der Ruhr-Universität Bochum und

als Fachbuchautor ausgewiesen.

SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW 39

Spotlight on Nuclear Law

Kriegerische Ereignisse und nukleare Anlagensicherung – Welche Maßgaben gelten? ı Prof. Dr. Tobias Leidinger

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!