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Ulrich H. J. Körtner: Theologische Exegese (Leseprobe)

Systematische Theologie und Bibelexegese gehen heute oftmals getrennte Wege. Einer der Gründe ist die Rehabilitierung des Historismus. In Teilen heutiger Systematischer Theologie spielen religionsphilosophische Reflexionen eine größere Rolle als die Texte der Bibel. Die Studien des vorliegenden Bandes begreifen Bibelexegese als theologisches Unterfangen, das historische und systematische Fragestellungen vereint, und Systematische Theologie als konsequenter Exegese. So vielstimmig, spannungsreich und bisweilen widersprüchlich die in den biblischen Schriften zu vernehmenden Stimmen auch klingen mögen, weisen sie doch über sich hinaus auf einen Konvergenzpunkt, der mit dem Wort „Gott“ benannt wird. Systematische Schriftauslegung versucht diesem Richtungspfeil der biblischen Texte zu folgen.

Systematische Theologie und Bibelexegese gehen heute oftmals getrennte Wege. Einer der Gründe ist die Rehabilitierung des Historismus. In Teilen heutiger Systematischer Theologie spielen religionsphilosophische Reflexionen eine größere Rolle als die Texte der Bibel. Die Studien des vorliegenden Bandes begreifen Bibelexegese als theologisches Unterfangen, das historische und systematische Fragestellungen vereint, und Systematische Theologie als konsequenter Exegese. So vielstimmig, spannungsreich und bisweilen widersprüchlich die in den biblischen Schriften zu vernehmenden Stimmen auch klingen mögen, weisen sie doch über sich hinaus auf einen Konvergenzpunkt, der mit dem Wort „Gott“ benannt wird. Systematische Schriftauslegung versucht diesem Richtungspfeil der biblischen Texte zu folgen.

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III<br />

Vergebung und Versöhnung<br />

Das Verhältnis von Liebe und Gerechtigkeit<br />

aus rechtfertigungstheologischer Sicht<br />

1 Sein und Sprache<br />

Wenn Gott Liebe ist – wovon in Kapitel 6 noch ausführlich die Rede sein<br />

wird –, kann er dann gerecht sein? Wenn er aber gerecht ist, wie kann er<br />

dann Liebe sein? Um diese Frage soll es in Folgenden gehen. Genauer<br />

gesagt, soll das Verhältnis von Liebe und Gerechtigkeit in der Perspektive<br />

der paulinischen und reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung<br />

bestimmt werden. Wir wählen damit einen dezidiert theologischen<br />

Zugang zum interdisziplinären Diskurs über das Verhältnis von Liebe<br />

und Gerechtigkeit. Hierbei ist nicht vorausgesetzt, dass es sich bei Liebe<br />

und Gerechtigkeit um feststehende Größen oder Begriffe handelt, deren<br />

Verhältnis gegenüber philosophischen Theorien lediglich neu be -<br />

stimmt oder anders akzentuiert wird. Vielmehr wird sich zeigen, dass<br />

schon die in Rede stehenden Begriffe selbst eine andere Bedeutung<br />

annehmen, wenn sie im Kontext der paulinischen Rechtfertigungslehre<br />

verwendet werden.<br />

Wie Ludwig Wittgenstein erklärt hat, ist die Bedeutung eines Wortes<br />

sein Gebrauch in der Sprache. 1 Sprache aber beschränkt sich nicht<br />

auf die Beschreibung einer unabhängig von ihr bestehenden Wirklichkeit.<br />

Sie deutet nicht etwa nur Wirklichkeit, sondern sie schafft Wirklichkeit,<br />

wie sie auch Wirklichkeit und das Leben beschädigen oder gar<br />

zerstören kann. Sprache lotet nicht nur bereits vorhandene Möglichkeiten<br />

aus, sondern sie kann neue Möglichkeiten eröffnen – oder auch verbauen<br />

und verhindern. Wenn Wittgenstein vom Gebrauch in der Sprache<br />

redet, beschreibt er die Einbettung der Sprache in eine Lebensform,<br />

die ihrerseits ganz von Sprache durchdrungen und strukturiert ist.<br />

1 Vgl. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (stw 203), Frankfurt<br />

a. M. 1977, 41 (Nr. 43).

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