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Ulrich H. J. Körtner: Theologische Exegese (Leseprobe)

Systematische Theologie und Bibelexegese gehen heute oftmals getrennte Wege. Einer der Gründe ist die Rehabilitierung des Historismus. In Teilen heutiger Systematischer Theologie spielen religionsphilosophische Reflexionen eine größere Rolle als die Texte der Bibel. Die Studien des vorliegenden Bandes begreifen Bibelexegese als theologisches Unterfangen, das historische und systematische Fragestellungen vereint, und Systematische Theologie als konsequenter Exegese. So vielstimmig, spannungsreich und bisweilen widersprüchlich die in den biblischen Schriften zu vernehmenden Stimmen auch klingen mögen, weisen sie doch über sich hinaus auf einen Konvergenzpunkt, der mit dem Wort „Gott“ benannt wird. Systematische Schriftauslegung versucht diesem Richtungspfeil der biblischen Texte zu folgen.

Systematische Theologie und Bibelexegese gehen heute oftmals getrennte Wege. Einer der Gründe ist die Rehabilitierung des Historismus. In Teilen heutiger Systematischer Theologie spielen religionsphilosophische Reflexionen eine größere Rolle als die Texte der Bibel. Die Studien des vorliegenden Bandes begreifen Bibelexegese als theologisches Unterfangen, das historische und systematische Fragestellungen vereint, und Systematische Theologie als konsequenter Exegese. So vielstimmig, spannungsreich und bisweilen widersprüchlich die in den biblischen Schriften zu vernehmenden Stimmen auch klingen mögen, weisen sie doch über sich hinaus auf einen Konvergenzpunkt, der mit dem Wort „Gott“ benannt wird. Systematische Schriftauslegung versucht diesem Richtungspfeil der biblischen Texte zu folgen.

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II <strong>Theologische</strong> Theologie des Neuen Testaments<br />

„den ethisch und religiös gläubigen Menschen“ kein Chaos, sondern<br />

„eine geordnete Folge, in der die zentrale Wahrheit und Tiefe des<br />

menschlichen Geisteslebens, aus dem transzendenten Grunde des Geistes<br />

unter allerhand Kampf und Irrung, aber auch mit der notwendigen<br />

Konsequenz einer normal begonnenen Entwicklung emporsteigt“ 5 .<br />

Eine der Folgen dieser Revolution theologischen Selbstverständnisses<br />

und theologischer Methoden ist die Umstellung von „Gott“ auf „Religion“<br />

als theologischen Leitbegriff. Mit ihm wird nicht nur ein Bruch<br />

gegenüber der Altprotestantischen Orthodoxie, sondern auch gegenüber<br />

der Reformation vollzogen. 6 In der Folge sind Konzepte Systematischer<br />

Theologie entstanden, welche dieses Fach wie die Theologie insgesamt<br />

als Teildisziplin der Kulturwissenschaft oder auch als eine spezifische<br />

Ausprägung der Religionswissenschaft begreifen, wobei die systematisch-theologische<br />

Bearbeitung der Geltungsfragen im An schluss an<br />

Paul Tillich auf den spannungsvollen Begriff einer normativen Religionswissenschaft<br />

oder Religionsphilosophie gebracht werden kann. 7<br />

Gegen den Historismus und seine systematisch-theologischen Folgen<br />

haben am Beginn des 20. Jahrhunderts die Protagonisten der Dialektischen<br />

Theologie Stellung bezogen. Rudolf Bultmann sieht in Troeltsch<br />

den „großen Aporetiker der liberalen Theologie“ 8 . Falk Wagner hingegen<br />

hat die Dialektische Theologie und die aus ihr hervorgegangene<br />

Wort-Gottes-Theologie als theologiegeschichtlichen Rückschritt kritisiert,<br />

der zur Stagnation in dem mit der Aufklärung eingeleitete Prozess<br />

der konsequenten Transformation des Protestantismus zur modernitätsaffinen<br />

Religion geführt habe. 9<br />

4 A. a. O., 747.<br />

5 Ebd..<br />

6 Vgl. Ingolf U. Dalferth, Theologie im Kontext der Religionswissenschaft.<br />

Selbstverständnis, Methoden und Aufgaben der Theologie und ihr Verhältnis zur<br />

Religionswissenschaft, ThLZ 126, 2001, 4–20.<br />

7 Vgl. Christian Danz (Hg.), Theologie als Religionsphilosophie. Studien zu den<br />

problemgeschichtlichen und systematischen Voraussetzungen der Theologie Paul<br />

Tillichs, Münster 2004.<br />

8 Rudolf, Bultmann, Die liberale Theologie und die jüngste theologische Bewegung,<br />

in: Ders., Glauben und Verstehen I, Tübingen 1933, 1–25, hier 2.<br />

9 Vgl. Falk Wagner, Zur gegenwärtigen Lage des Protestantismus, Gütersloh<br />

2 1995; Ders., Metamorphosen des modernen Protestantismus, Tübingen 1999;<br />

Ders., Christentum in der Moderne. Ausgewählte Aufsätze, hg. v. Jörg Dierken u.<br />

Christian Polke (DoMo 9), Tübingen 2014.

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