Blogtexte2022_1-Halbjahr_korrigiert
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ich den Parkschein bereits teuer erworben,
das Auto verriegelt und abgestellt hatte,
zu Fuß am Schild vorüberging. Es wäre vor
einem Hotel noch was frei gewesen. Selbst
schuld?
Ich bin nicht klug. Das wird mir immer
wieder klar, jedenfalls nicht klug genug für
diese Welt. Unsere Bürgermeisterin ist es,
und einige hier im Dorf genauso. Sie lassen
sich nicht herumstoßen, sie stoßen selbst.
Das ist klug. Einige Schlaue möchten andere
manipulieren, bewegen, und das bedeutet,
manche gehen zum Staatsdienst, um andere
umzutreten. Elegant, versteht sich. Ich bin
selbst noch auf meine eigenen Füße angewiesen
und habe es ausprobiert. Ich kann
jemandem in das Gesicht treten, der bereits
am Boden liegt. So wütend war ich schon.
Das ist gefährliche Körperverletzung. Meine
Strafe ist längst erledigt. Das ist in Deutschland
nicht schlimm. Unter zweihundert Euro
war die Beteiligung an den Verfahrenskosten.
Die Gefängnisstrafe von acht Monaten
zur Bewährung blieb ohne Auflagen. Ich war
nicht im Knast. Ich bin einfach weiter zu
Hause gewesen, bewährte mich demzufolge
und bin nun vorbestraft wie so viele andere
auch, falls ich noch einmal dergleichen
mache. Ich hätte einen Umzug der Polizei
melden müssen? Ich ziehe doch nicht weg.
Zwei Jahre Bewährung sind längst vergessen,
und der Idiot läuft noch rum. Ich laufe
auch noch durch das Dorf, und nun darf der
Leser und die Leserin dieser Zeilen spekulieren,
wer als der Doofe von uns gemeint
ist? Eine Beleidigungsklage fehlt grad noch.
Zivilgerichtlich war es teuer. Na und? Ich bin
schuldig und zufrieden. Andere respektieren
mich heute sichtlich und die, die ich früher
mochte; wir gehen uns aus dem Weg.
Mit der Politik bin ich fertig, immerhin. In
einer Woche ist die Wahl zum Landtag von
Schleswig-Holstein. Da gehe ich wieder
nicht wählen. Meine Haltung ist die der
totalen Verweigerung. Steuern muss man
zahlen, sonst gibt es wirklich Ärger. Das
mache ich, ich zahle. Sogar Kirchensteuer
drücke ich gern ab.
# Mir ist da was aufgefallen
Egosurfen macht Spaß, schon wenn du
semi-bekannt bist. Meine Bilder sind mehr
als normal, sie lohnen die Aufmerksamkeit
angeschaut zu werden? Im Laufe der Zeit
ist einiges zusammengekommen. Aber
nicht alles erscheint gerade so, wie es vom
Algorithmus aus dem vorhandenen Angebot
gefiltert wird. Da wird nachgeschärft. Nicht
nur vom Bürger, der meldet, was seiner
Meinung nach nicht gezeigt werden sollte.
Es gibt Bürger wie mich, und sie finden ihre
Meisterinnen. Malen macht frei. Aber nur innerhalb
der Grenzen, die dir gesetzt werden.
Du darfst die Wände deiner Zelle bekritzeln.
Man glaubt, die Macht habe derjenige, der
einen Brei nicht einfach isst, sondern selbst
zubereiten kann und anderen zum Genuss
anbietet? Der Weg von der Küche zum Teller
kann das Problem sein, wenn der Laden
nicht läuft. Der Ober kocht nicht selbst, will
ich sagen und genauso ist es auch bei uns in
der Kunst. Viele benötigen den Katalysator
zum Betrachter wie jeder Produzierende
einen Vertrieb der Ware auf die Beine stellen
muss. Aussteller sind keine Künstler, weil
sie Bilder auswählen. Das sind im Grunde
genommen Neider. Menschen, die vom Werk
anderer profitieren möchten. Eine Realität,
mit der wir Kreativen leben müssen. Manche
verkaufen besser, andere stellen Dinge her,
wie das überall gleich ist in der Wirtschaft
und unserer Gesellschaft überhaupt. Macher
und Dienstleister, Stürmer und Verteidiger
im Sport; welche bereiten die Tore vor,
und der ganz vorn schließt ab. Da ist kein
isoliertes Leben ohne Beziehungen, das
lohnend wäre. Dein Gönner stellt dich auf
einen Sockel, wohin du mit deinem Werk als
Künstler gehörst. Er stößt dich wieder runter,
wenn es ihm gefällt. Man muss nicht einmal
Galerist sein, um mit fremden Werken zu
renommieren oder Künstler rauszuwerfen,
kann von außen Einfluss auf den Anbieter
nehmen, der Bilder bereitstellt. Das ist die
Realität, wie wir sie immer wieder erleben,
nicht erst seit den Nationalsozialisten. Das
gibt es in den besten Gesellschaften.
Die digitale Wahrheit ist nicht einfach zu
überprüfen. Es ist anzunehmen, dass eine
Webseite überall gleich dargestellt wird?
Sicher sein sollte sich der produzierende
Künstler dessen nicht. Was zeigt die Suchmaschine
von denen, die im Netz aktiv sind?
Das bestimmt eine Firma, die für uns die
Suche organisiert. Diese Struktur unterliegt
dem Einfluss einiger. Das kann der Einzelne
noch weniger kontrollieren, der möchte, dass
ganz bestimmte Ergebnisse veröffentlicht
werden. Wir probieren, Missbrauch unserer
Darstellung zu begrenzen. Manche erleben,
dass umgekehrt auch dort manipuliert wird,
wo das Versprechen die Vielfalt unserer
Kreativität ist, aber das Ergebnis die Zensur
bedeutet, angeblich gemäß von Richtlinien,
welche nun jedoch von denen gebogen
werden, die dazu die Macht haben (und ein
persönliches Interesse).
Google ist auch ein Staat. Eine Macht, weil
alle das brauchen. Wie die katholische Kirche,
die Mafia oder Russland. Aber bei Google
arbeiten, wie gesagt, Menschen. Damit
ist das nicht die Suchmaschine, sondern ein
Ameisenhaufen von kleinen Arbeiterinnen,
die machen, was ihnen gesagt wird. Kommt
eine Königin in die Straße, werden die
kleinen Krabbeltiere parieren (unter ihren
Anweisungen). Man stelle sich die Sache
nicht isoliert vor. Netzwerke bilden sich
immer grenzüberschreitend. Da darf eine
gern aus einem anderen Haufen kommen.
Hauptsache, sie ist als die Obere kenntlich.
Dann spuren die blöden Mitläufer:innen und
löschen im Namen der guten Sache. Gut ist,
was man am Hofe will. Ich bin gern nicht
klug und schuldig sowieso. Aber ich wähle
doch nicht diese Arschlöcher selbst im Mai.
Schönen Tag auch!
Drei Euro für eine Stunde Altona. Als ich
so neben dem Parkscheinautomaten stehe,
finde ich zwei Zwei-Euro-Münzen in meinem
Portemonnaie. „Automat wechselt nicht“,
lese ich, bitte passend zahlen. Just in diesem
Moment, wie ich unschlüssig des vernünftigen
Handelns überlege, was nun zu tun sei
(Kartenzahlung scheint auch noch möglich),
erblicke ich die mögliche Lösung meines
Problems. Nicht die Beste? Hätte ich gewusst,
dass es nur kleine fünfzig Meter näher
zum Ziel einfach die blaue Parkscheibe
gebraucht hätte, die in meinem Handschuhfach
liegt, für die doppelte Parkzeit von zwei
Stunden – es zuzugeben, beweist, wie dumm
ich wirklich bin – nein, das war es nicht. Es
kommen gerade zwei Frauen den Gehweg
hinab und in meine unmittelbare Nähe, sie
leichthin anzusprechen. Das gelingt wie von
selbst. Ich zeige ihnen mein freundlichstes
Lächeln und die zwei Münzen in meiner
Hand. Wir treffen uns in diesem Moment
direkt am Parkscheinautomat, neben dem
mein Wagen mit geöffneter Tür steht, und
ich strahle diese Mädels an: „Man mag ja
gar nicht fragen“, beginne ich mit einer
Entschuldigung meines Hierseins, probiere,
zwei einzelne Euro zu bekommen.
Sie lachen. Wir mögen uns. Während wir
fröhlich plaudern, suchen die beiden
jeweils in ihrem Portemonnaie nach dem
Geld. Das bekomme ich, und meine neuen
Freundinnen gehen scherzend ihres Weges,
während ich das Parkticket gut sichtbar
über das Lenkrad meines Wagens hinter die
Frontscheibe lege. Ich ziehe noch meine
Socken aus, lasse die Jeansjacke im Auto,
weil es doch recht warm ist und gehe hoch
zum Bahnhof. Ich schreibe alles detailliert
auf, damit meine Leserinnen verstehen, wie
diese gefährlichen Straftäter wirklich sind.
Im Gebäude begreife ich, dass mein Zug
pünktlich kommen wird und noch gut zwanzig
Minuten zu verdatteln sind.
Ich kann alles, was ich erlebt habe, ganz
genau wiedergeben. Das habe ich gelernt.
Malen, zeichnen, schreiben; ich muss nie lügen,
um einem Beamten was weiszumachen.
Diese Attacke hatte ihren Grund. Ich stehe
dazu und weiß, was es war, dass ich Rache
nahm. Reue empfinde ich nicht. Ich könnte
mich artikulieren und habe doch geschwiegen.
„Er sprang über eine Hecke aus dem
Nichts“, würde ich nie zu Protokoll zu geben,
um meine Opferrolle zu betonen. Warum
lügen? Ich lebe nicht im Nichts und kann
Schenefeld ein Gesicht geben. Ich habe auch
noch nie jemanden angezeigt. Würde ich mit
dem, was ich in den vergangenen Jahren innerlich
meines Denkapparates protokollierte
und an Schriftstücken zusammengefunden
habe, losmarschieren, dürfte es einige Male
empfindlich rumpeln im Schenefelder Filz.
Das schreibe ich hier, damit deutlich wird,
was für ein in Wirklichkeit wunderbarer,
guter Mensch ich bin – mit den eigentlich
besten Absichten.
Wenn man mich nicht provoziert.
Ich schlendere also durch den Bahnhof,
in genau diesen besten Absichten, die
mein friedliches Wesen so kennzeichnen
und staune, wie schön sonnig und normal
der Vorplatz am Mercado daliegt. Corona
scheint vorbei. Die Menschen sind gelassen
unterwegs und wuseln so herum. Gelegentlich
rollt ganz langsam ein Bus heran. Mit
einer freundlichen Geste werden Fußgänger
durchgewunken vom Fahrer. Die kleine
Straße ist extra schmal, damit niemand auf
die Idee kommen kann, Passanten, die hier
reichlich quer zum Bahnhof oder umgekehrt
in die Fußgängerzone möchten, in Gefahr zu
bringen. Die nutzen das aus. Der Busfahrer
stoppt ein zweites Mal. Eine kleine Familie
kommt. Der Mann gebietet per Handzeichen,
man habe Vorrang als Mensch vor der Maschine.
Geduldig wartet der lange Gelenkbus
wieder, und der Busfahrer setzt ein betont
höfliches Gesicht auf. Der kennt sich aus,
denke ich. Militante Radfahrer sausen durch,
so scheint es mir, und der Fahrer vom Linienbus
wird seine Meinung dazu haben. Ein
buntes Treiben. Die Sonne scheint bereits
warm. Das war vor wenigen Tagen.
Mai 1, 2022 - Durch die Blume geschaut 70 [Seite 69 bis 71 ]