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Blogtexte2022_1-Halbjahr_korrigiert

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Es nützt nichts, zurück zu

wollen. Das geht ja nicht.

Den eigenen Frieden mit

früher machen, ist besser,

als in die Zukunft zu rennen

und nicht zurückzusehen.

Den Schmerz wahrnehmen

hilft, wenn auf dem Gipfel

umzukehren ist und zudem nichts gefunden

wurde zum Mitnehmen, als nur die

Erinnerung, die anderen müde applaudieren

oder sogar noch spotten, sind so meine

Erfahrungen. Eine Abrechnung mit damals

macht nicht froh. Nur, dass etwas vorbei

ist, das furchtbar anstrengend gewesen

ist, erleichtert. Mir geht es am Ziel meiner

„Doktorarbeit“ (darüber habe ich bereits

geschrieben) nicht weniger seltsam, weil ich

begreifen muss, die früheren Überlegungen

verlieren an Bedeutung. Texte zu ersinnen,

hat geholfen. Eine wissenschaftliche Abhandlung

ist das aber nicht. Eine Studie über

menschliches Verhalten zu schreiben, wäre

möglich, könnte bislang so vermutlich nicht

publizierte Zusammenhänge von Körper,

Geist und Umgebung beleuchten, die mehr

sind als kreative Skizzen. Mein Interesse

daran ist gering. In unregelmäßigen Abständen

Gedanken festzuhalten, macht weiter

Spaß. Ich amüsiere mich zunehmend über

einige und habe Wege gefunden, das kreativ

auszudrücken.

Was das zu Erreichende für jemanden ist,

mag anderen nicht klar werden, die dazu

neigen, abfällig zu denken. Während nicht

wenige Menschen ihre Schadenfreude als

Selbstbefriedigung nutzen, durchblicken

lassen, über was weiß ich Bescheid zu wissen,

verfolge ich anderes. Ich kann mich für

Jazz begeistern. Als Amy Winehouse bekannt

wurde, hat sie mich fasziniert. Chet Baker

war ein wunderbarer Musiker, und wie Amy,

hat Chet sein Leben nicht entsprechend

der Regeln gelebt, die uns der Doktor rät,

warum? Es hat mir einiges gegeben, darüber

nachzudenken

und

schließlich

zu bemerken,

wie

ich nicht

leben

möchte

und darüber

hinaus

zu begreifen,

worin

meine Entscheidungsfreiheit in dieser Sache

besteht und was ich auf der anderen Seite

nicht bestimmen kann bei bester Vorsorge.

Gesundheit wie ich sie definiere, heißt

nicht in einer Schlange anzustehen und

die Befreiung von beispielsweise Corona

durch einen Test zu belegen. Ich möchte

wirklich merken, nicht nur einen Beleg für

die Berechtigung erlangen, ins Restaurant

oder arbeiten gehen zu dürfen. Ich habe

mich nicht mit eingebildeter Krankheit oder

einem schnöden Blutkrebs rumschlagen

müssen wie viele. Für meine Sorgen gab es

keine allgemeine Hilfe, die mich zufrieden

machte. Mein Problem ist auch nicht

die kriminalistische Lösung eines Rätsels

gewesen, einen Täter, der gegen mich aktiv

ist, draußen irgendwo zu finden, möglicherweise

auszuschalten. Selbst wenn das den

persönlichen Frieden bedeutete, einen Arsch

loszuwerden. Der interessiert mich wenig,

da ich Menschen

kenne, die mir

zur Seite stehen

konnten und es

nicht getan haben.

Sie genügen

als Mauer zum

Gegenanrennen.

Ich möchte mich nicht einfach als Opfer

darstellen, sondern diese Rolle mit Leben

füllen, dass es mir, ohne Gewissensbisse zu

haben, leicht fällt. Ich weiß, dass die Weiche

in die verkehrte Richtung stand, als ich

nur auf Schienen rollte wie alle Kinder, die

abhängig sind aufgrund ihres Alters. Nur

dumme Menschen glauben daran, alles wäre

allen möglich wenn man nur wolle, und die

Verantwortung läge bei uns selbst allein.

Natürlich können nur wir selbst uns wirklich

ändern. Aber wir

müssen die Mittel

dazu nicht nur

kennen, sondern

auch die Fähigkeit

erlernen, sie

anzuwenden.

# Einer Person

zu begegnen, die

alles ändert ist

möglich

Wer anderen die

Schuld erfolgreich

zuweisen kann, wird respektiert. Nicht selten

bedeutet das, einen Patt anzustreben, beiderseitig

das Gesicht zu wahren. Aufzufallen,

ruft Neid auf den Plan und wird schmutzige

Saubermänner heranzüchten. Aber gezielt

mit Dreck zu werfen, kann bedeuten, reflexive

von einem Stein getroffen zu werden.

Niemand darf lange Polizist sein, wenn es

für ihn nötig ist zu provozieren. Das ist wie

beim Feuerwehrmann, der den Brand legt,

als Retter glänzen möchte. Die Deutungshoheit

behält man, wenn es gelingt, den

Fokus zu korrigieren und vor allem den

Scheinwerfer der anderen neu zu justieren.

Mein Zorn gilt falschen Freunden,

nicht meinen Feinden (falls ich anonyme

habe). Mir gelingt, auf Freundschaften

und Anerkennung zu verzichten. Das ist

mir extrem schwer gefallen. Ich möchte

die Erkenntnis ertragen, dass Existenz

ohne Anfeindungen unmöglich ist.

Angekommen sein bedeutet für mich, in

dauerhafter Enttäuschung zu leben.

Falls dies verfehlt klingt, eine Definition

mag helfen: Das Ziel mancher scheint darin

zu bestehen, grundsätzlich keine Angst mehr

zu haben, glücklich zu sein und mehr davon.

Das ist ein nicht erreichbares und schlimm

für diejenigen, die das unangenehme Gefühl

nicht selektiv wahrnehmen. Ein diffuses

Unwohlsein, das so in Fleisch und Blut

übergegangen ist, dass Betroffene daran

gewöhnt sind und das all ihre Aktivitäten

beeinflusst, scheint nicht ungewöhnlich.

Viele halten es einfach aus und gehen

gelegentlich zu verschiedenen Ärzten mit

unterschiedlichen Befunden. Sie sind zufrieden,

wenn man ihnen sagt, was sie „haben“.

Diese Menschen müssen nicht suchen, um

Besserung zu erlangen, sie erdulden ihre

Probleme, weil ihnen nicht bekannt ist, dass

diese selbstverursacht sind und nehmen

das Übel hin. Ein Großteil der Bevölkerung

läuft so mit und scheint zufrieden zu sein, es

ginge wie’s sei.

Meine Erfahrung ist grundsätzlich anders.

Mir hilft nicht, danach zu streben, was ich

habe oder nicht, eine bunte Jacke, dickes

Auto oder attraktive Freundin. Welche

Krankheit auf der anderen Seite mein Problem

sei, wie Krebs, Corona oder Diabetes,

sondern das Verstehen wer ich bin, war und

sein könnte. Ein Mensch ist viel mehr als ein

Stuhl, über dessen Lehne jemand eine Weste

hängt. Wir sind bestenfalls eine Sammlung

von Möglichkeiten unter kreativer Leitung.

Das ist etwas ganz anderes und für einen

Künstler unbedingter Kram, sich genau zu

erforschen auf den nackten Leib hinunter

ohne Schickimicki drumherum. Der Theaterdonner

ist nur für die anderen.

Gegen undifferenzierte Schwierigkeiten

anzurennen, in der Hoffnung, den Punkt zu

finden an dem alles gut ist, verkennt die

Dynamik des Lebens, die als feststehender

Halt mit dem Tod endet. Das Näherkommen

unseres Endes beflügelt die absurde Vorstellung,

wie mit der Bahn unterwegs, möglichst

noch rechtzeitig eine Haltestelle vor dem

Zielbahnhof zu erreichen, einen bestimmten

Ort, ab dem das Glück mitfährt. Das wird mit

der statischen Idee vom Ichsein genährt, die

es erlaubt, an einen gleichermaßen fixen

Raum zu denken, eine Ewigkeit voller Zufriedenheit

und ohne jegliche Entwicklung oder

Ungewissheit mit neuen Risiken, die unsere

Leben in Wirklichkeit kennzeichnet. Der

Denkfehler findet sich in der Vereinfachung

des Ganzen, wir bewegten uns, erreichten

eine Marke wie einen Dorfplatz oder einen

Hügel, Bahnhof was weiß ich, aber uns

selbst sehen wir als ein klar definiertes und

unveränderliches Element. Ein schnelles

Auto ohne Eigenleben, fast nur ein Ding,

gekennzeichnet durch das modische ich bin

ich. So heißt es wohl.

Kein flüchtendes oder etwa gar vergängliches

Pferd steht dabei Modell, zu denken,

wir, der Mensch mit all seinen Verhaltensmustern

und Unwägbarkeiten der Zukunft,

kämen wohin zum Glück. Ein egoistischer

und materialistischer Gedanke ist hinter

dem käuflichen Glück der Optimisten, die

vor allem schnell entscheiden. So soll der

eigentlich rasende Waggon eines Zuges

uns allein gehören und eine feste Insel des

Glücks werden. Wir schauen nach draußen in

die vorbeisausende Landschaft. Das bekannte

„suche Frieden und jage ihm nach“ nährt

diese Idee noch. Damit bekommt die Sache

einen ganz netten Anstrich. Farbe für Hobbymaler,

geboren aus der Ratgeberliteratur.

Heimwerker zimmern sich eine handfeste

Esoterik mit Erfolgsgarantie: Wir rennen

hinterher, springen auf, und dann werden wir

so mitgenommen, dass umgekehrt nun das

Drumherum vorbeizufliegen scheint.

Mein Bild, für das ich lange arbeiten musste

und das mich immerhin zufrieden stellt, ist

ein wenig abweichend: Ich stehe wie nackt

neben diesem Zug der anderen und laufe

dem Frieden nicht nach.

Apr 3, 2022 - Die Windmühle am Weinberg des Herrn 58 [Seite 57 bis 59 ]

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