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06.07.2022 Aufrufe

MaterialMrz 23, 2022Ein Befreiungsschlag abwärts in dunkleAbgründe der Menschheit oder das Abschüttelnvon Schmeißfliegen, eine Attacke mitdem Ziel der Verbesserung, ein endgültigerAbsturz; wer hat und behält Recht, Machtüber die Deutungshoheit?Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.Manchen ist alles egal: Das Ansehenvon Wladimir Putin als respektierter Staatsmannruiniert der russische Präsident geradeselbst. Die Bilder seines brutalen Angriffs,der zudem nur schleppend vorankommtund die bösartigen Ansprachen des Russenverursachen Fassungslosigkeit. Bislang galtder seit vielen Jahren an der Spitze seinesLandes stehende Putin als Machtpolitiker,aber rational im Handeln und zielorientiert.Der Präsident ließ andere gern warten?# Aus den Nachrichten zitiert: Dass WladimirPutin seine Macht gerne zur Schau stellt,ist längst bekannt. Nun hat das auch RecepTayyip Erdogan am eigenen Leib erfahren.Erdogan und seine Entourage musstenminutenlang vor Putins Tür warten. Imrussischen TV wurde das Psycho-Spielchenanschließend veröffentlicht / Angela Merkel:mehr als vier Stunden. Der Papst: eineStunde. Die Queen: 14 Minuten. WladimirPutin ist nicht für seine Pünktlichkeit berühmt- eine Übersicht über die Zeit, die derrussische Präsident Staats- und Regierungschefswarten ließ.(…). (Stern, 10.03.2020 /05.01.2017).Die Macht haben, ein Machthaber sein;wer wartet, nimmt Unfreiheit in Kauf, umetwas zu bekommen. Diese Frage als Linealangelegt, hilft auch, die andere Seite zuverstehen. Machtlosigkeit, Abhängigkeit,Beziehungen; wenn Menschen auf andereangewiesen sind: Ein Gefangener bekommtsein Essen zur vorgegebenenZeit. Ein freier Menschgeht einkaufen, um sicheine Mahlzeit zu beschaffenoder ins Restaurant. Einegewisse Geduld muss auchder Mächtigste aufbringen.Menschen stehen an für Eis,ein Tennismatch. Oder umgekehrt,jemanden wartenlassen: Wir sehen, wie BorisBecker mit anderen in einerSchlange vor dem Gerichtsteht. Aber nicht, um einenschönen Tag beim Tenniszu erleben. Der Ausnahmesportlermuss auf denEinlass zum eigenen Prozessals Beschuldigter warten, biser in das Gerichtsgebäude darf. Dort drohtihm sogar Haft, falls er im Verfahren um verschleierteSummen bei Insolvenz schuldiggesprochen wird.Staatsmacht können wir nicht ignorieren.„Mir doch egal, dafür steh’ ich nicht an“ zusagen, hilft nur dem, der sich das erlaubenkann. Einer Vorladung müssen wir nichtzwingend folgen, aber wenn uns der Prozessgemacht wird, gehen wir hin. Sonst würdendie Probleme größer. „Wird per Haftbefehlgesucht“, hieße es bald darauf. Davor läuftman nicht weg, und wie sollte ein Prominenterabhauen, ohne seine öffentliche Existenzaufzugeben? Boris Becker, das kann nur wieim Fall von Uli Hoeneß ablaufen. Der Tennisstarplädiert auf Freispruch. Erst einmalkommt der Moment, den Vorwürfen Redeund Antwort zu stehen. Die Gesellschaft wirdakzeptieren, dass ein Prominenter anschließendeiner Strafe wieder dort anknüpft, woseiner Existenz ein empfindlicher Dämpferbeigebracht worden ist, aber nur bei Aufrichtigkeitund Bereitschaft, sich dem Recht zubeugen.Im Falle von Putin undSelenskyj ist immer vonerhofften Ergebnissen inFriedensverhandlungen ohneGesichtsverlust die Rede,die ausgehandelt werdenmüssten für den jeweiligenPräsidenten. Das britischeGericht verliert sein Gesichtkaum einmal, es sei denn beieinem Urteil, das sich späterals falsch herausstellt. BorisBecker ist sichtlich angeschlagen.Er nutzt Anwälte,um so viel wie möglich vonden Anschuldigungen zurückzuweisen. Derrussische Präsident präsentiert anderenMacht mit seiner Gewalt, einen Krieg vomZaun zu brechen, der britische Staat zeigtdem Sportler Boris eine Grenze auf. DieseBeispiele machen deutlich, wie unterschiedlichdie Auswirkungen von Verhaltenund Reaktion Ergebnisse schaffen. DerTennisstar unterliegt dem Gesetz und wirdes akzeptieren. Anwälte unterstützen denheutigen Sportkommentator und Trainer.Gegen die Attacken von Wladimir Putin fälltes der Weltgemeinschaft schwer, effektivvorzugehen. Die Sanktionen schaden auchdem Westen. Wir müssten eine gegenseitigeAbhängigkeit begreifen. Bei normalen Angeklagtenwirkt eine Beziehung, in der sichein Staat und beispielsweise Boris Beckerbefinden, auf moderate Weise. Beobachtergehen davon aus, dass ein zähes Ringen umverschiedene Anklagepunkte auf zivilisierteWeise ausgetragen wird. Der Beschuldigtewird im Falle einer Verurteilung eineGeldstrafe, Haft oder Bewährungsstrafeakzeptieren oder in einem weitern Verfahrenanfechten, Revision einfordern. Dergleichenan Wiedergutmachung können die Alliiertengegenüber Russland keinesfalls in vergleichbarerWeise zivilisiert einklagen.Es scheint, dass Boris Becker zielgerichtet inseine Verteidigung geht. Bei dem Weltverbrecheneines Krieges, den die AtommachtRussland führt, streiten die Verantwortlichendas Geschehen schon vom Namen her ab,nivellieren es auf eine nötige Militäroperation.Und wir können nichts tun, das unsnicht selbst in Bedrängnis bringt. Gibt es einerreichbares Ziel für Russland, für das sichdiese Attacke bald als lohnende Militäraktionherausstellen wird? Andere könnten denVerstand des Präsidenten anzweifeln unddie Sinnhaftigkeit der Aktion. Wenn genügendRussen in der Führung und auch in derausführenden Truppe, sogar im russischenVolk, der breiten Masse davon überzeugtsind, das Ganze sei nötig, wird dieser Kriegandauern. Ganz offensichtlich war diebisherige Wirklichkeit einer sich zunehmendin westliche Richtung bewegenden Ukrainenicht das Positive, was wir darin gesehenhaben für den Osten. Wen das noch wundert,sollte lernen, seinen Anteil daran zu haben,dass jetzt Krieg ist. Unsere Freiheit könnenwir einer andern kaum aufzwingen. China,Russland oder andere Staaten sind nicht perse Gefängnisse, weil wir ihnen vorgaukeln,es ginge noch (mal so eben) mit mehr anDiversität. Es ist insofern bedeutsam, weiles hilft, sich von idealisierten Vorstellungenzu verabschieden. Wir tun gut daran, dieRealität zu akzeptieren. Ich verstehe dieseso, dass wir das Böse nicht durch Schuldzuweisungbesiegen. Wir benötigen Macht,eine Grenze zu ziehen, die mehr ist als einerote Linie derFantasie.Unser Dorf imKleinen ist mirdas Modell undeigene Übungsfeld.Ich kennemein eigenesFehlverhalten,bin bereitwahrzunehmen,wo ich versagte.Das hilft wiederum,andereneine wirksameGrenze zu setzen, wenn diese mich mitihren Anschuldigungen angreifen. MeineKreativität besteht darin, eine farbige Linietatsächlich hinzumalen, nicht nur daran zuglauben, sondern etwas zu schaffen, dasmehr als Kritzeln bedeutet. Ich erlebe, wiemeine Ansichten, die ich gestalten lernte,wirksam sind. Mir nutzt zu malen und schreibenin vielerlei Hinsicht. Und sei es, daseigene Denken zu schleifen, nicht zuletzt anden Schenefeldern.Mrz 23, 2022 - Material 50 [Seite 50 bis 54 ]

Die Macht, einenDespoten zustoppen, wirklichzu haben oder nurso zu tun, als hätteman begriffen, dassein Verbrecherirgendwo Böses tutund sich zu ereifern,findet ihre realeGrenze, wenn wirselbst in Gefahrgeraten und dieEinbildung, bei denGuten zu sein, nichthilft.Meine Kunst ist nicht erwünscht.Die Leute taten freundlich, waren es abernicht zu mir. Ich kam nicht weiter voran,nachdem es zunächst gut angelaufen istmit den Bildern. Erst cancel culture, woich probierte auszustellen, dann folgtedie persönliche Abgrenzung mancher, diestillschweigend auf Distanz gingen zu mir,durch penetranten Rufmord angeschoben?Das kann man nur vermuten. JahrelangeVorgänge, die ich nicht begreifen konnte,haben mich allmählich irritiert, schließlichneurotisch und psychotisch werden lassen.Ich wäre gefährlich, wurde gegen michvorgebracht. Es stimmt für Provokateure.Die Gefahren, in die ich selbst geriet, durchmeine Dummheit, Aggression und eigenesFehlverhalten, konnte ich meistern unddenen, die noch einen draufsetzen wollten,nachzutreten, biete ich nun auf bunte WeiseParoli.Ich gewöhne mich daran, dass die anderenüber meine Bilder nicht sprechen können.Sie sind unreif, weil sie normal sind. Siemöchten in einer Schublade leben, weil siedie eigenen Ängste nicht ertragen. Ich stehevor ihrer Kommode und ziehe nach BeliebenSchubladen raus. Sie sind Liliputaner, ich bingroß geworden. Ihre Ansichten binden michheute nicht mehr, ich gehe wohin ich willmit meinem Pinsel.# Das Steinerne Meer ist ein verkarsteter Gebirgsstockmit ausgeprägten Hochflächenbildungenin den Nördlichen Kalkalpen. Alseines der neun Teilgebirge der BerchtesgadenerAlpen gehört das Steinerne Meer teilszu Bayern teils zu Salzburg. Seine größtenHöhen erreicht es in seinen südlichen RandgipfelnSelbhorn, 2655 m und Schönfeldspitze,2653 m. (Wikipedia).Und das bringt mich weiter in diesen Texthinein, bei dem es nicht ums Wandern gehtund voran im Zorn, aus dem ich ein Bild mitWorten formen kann. Das habe ich gelernt.Im Steinernen Meer fängt der Angler keineFische. Steine beißen nicht an. Hier zuangeln, entspricht einen Polizisten am Feldrandzu treffen, der behauptet Kaufhausdiebeauszuspähen. Um Ladendiebe festzusetzen,geht die Polizei zum Laden hin, wie derAngler ans Wasser, wo die Fische sind.Ich habe ganz eigene Erfahrungen mitder Polizei gemacht und eine individuelleWut entwickelt, in erster Linie wohl aufmich selbst. Meine Naivität entsprach demGrundvertrauen eines Kindes, aber alsErwachsener ist das nicht angebracht. Einaktuelles Beispiel: Wir müssen begreifen,dass es auf die Schnelle nichts bedeutet, Putinals Kriegsverbrecheranzuklagen, wenn dasnur eine Phrase bedeutetund den Despoten nichtstoppt. Einfacher dürftees sein, dort voranzugehen,wo Menschendingfest gemacht werdenkönnen und ihnenStrafbares nachzuweisenist. Es geht nicht umdas Verbrechen. Es gehtdarum, einen Beweisgegen jemanden herbeizuschaffen,mit dem dieStaatsanwaltschaft bei Gericht gewinnenkann. Unser Glaube an die gute Polizei, dieuns schützt, ist pauschal naiv. Natürlich tutsie das insgesamt, aber wir sind ja nicht HerrInsgesamt oder so. Für den Einzelnen, derauf die spezielle Kommissarin trifft, läuft dieBegegnung auf den Sonderfall des Individuumshinaus.So interpretiere ich einen Bericht, den ichauf der Webseite der „Tagesschau“ gefundenhabe. Meiner Auffassung nach, probiertdie Polizei nicht vorrangig Verbrechen zubekämpfen, Kinder davor zu schützen missbrauchtzu werden. Die Beamten konzentrierensich auf ihre Möglichkeiten, strafbareHandlungen zu beweisen. Einige Zeilenmögen als Zitat genügen, in das Themaeinzuführen.# Das Bundeskriminalamt steht in der Kritik,weil es Aufnahmen von Kindesmissbrauchnicht aus dem Netz entfernen lässt. DieBundesregierung rechtfertigt das nun. Oppositionund Kinderschutzorganisationen sindempört.Wenn einErmittler (…)auf Bilder vonKindesmissbrauchstößt,darf er sienicht löschenlassen - selbstwenn dieseinfachund schnellmöglich wäre.Diese erstaunlicheAussagetrifft die Bundesregierung in einer Antwortauf eine Anfrage der Linksfraktion (…) Demnachhabe das BKA keine Rechtsgrundlagefür eine Löschung auf eigene Initiative.Mit der Stellungnahme verteidigt dieBundesregierung das BKA gegen Kritik,der sich die Polizeibehörde seit Monatenausgesetzt sieht. Auslöser waren Recherchen(…) die gezeigt hatten, dass im aktuellgrößten pädokriminellen Darknet-Forum derWelt riesige Mengen an Fotos und Videosentfernt werden könnten. Dazu müssen dieInhalte, die bei Speicherdiensten im Netzliegen, lediglich gemeldet werden, um sielöschen zu lassen. Das BKA jedoch unternimmtdiesen Schritt nicht. (…).Seehofer hielt Löschungen noch für „unverzichtbar“,dass das Bundesinnenministerium,welches die Kleine Anfrage der Linksfraktionbeantwortet hat, dem BKA so deutlich eineKompetenz abspricht beim Thema Löschungenvon „Kinderpornografie“, ist politischbemerkenswert. Noch im November hatteder damalige Innenminister Horst Seehoferauf der Herbsttagung des BKA gesagt, dieLöschung der Aufnahmen sei „unverzichtbar“:„Das Bild- und Videomaterial darf aufkeinen Fall dauerhaft online abrufbar sein.Die Betroffenen werden sonst immer wiederzum Opfer. Und zwar ein Leben lang.“Nachfolgerin Nancy Faeser hingegen äußertesich bisher noch nicht öffentlich wahrnehmbarzum Thema Kinderschutz. Aucheine Panorama-Anfrage, ob sie dem BKA diefehlende Rechtsgrundlage verschaffen wolle,ließ das Bundesinnenministerium bisherunbeantwortet.(Tagesschau 21. März 20022, Daniel Moßbrucker,NDR).Ende des Zitats. Ich bin Maler und möchteStellung beziehen. Unser früherer Innenministerwar – als ein alter und erfahrenerPolitiker – Dickbrettbohrer. Auch zumThema der Obergrenze von Flüchtlingen,die Deutschland bereit wäre aufzunehmen,hatte Seehofer seine Position. UnpopuläreThemen sind diese! Ich erinnere mich,die frühere Ministerin für Familie, Frauenund Kinder wechselte in das Ministeriumfür Arbeit etwa zu der Zeit, wo sie sich anerstgenannter Position für eine Löschung,beziehungsweise für den Einsatz einer ArtBremse, in Form des vorangestellten Stoppschildesder Skandinavischen Länder ausgesprochenhatte. Männer sollten begreifen,wohin sie am Surfen waren, wenn der Kursin die Abgründe vom Netz ginge. Das war,als der Begriff „Darknet“ dem Nutzer nochfremd gewesen ist und das Aufblitzen einerentsprechenden Webseite – die der Wichsendein seinem Rausch nichteinmal erwarten kann, nachdemer ein Vorschaubildchen klickte,ohne zu wissen, was genau dasergibt – bereits zu Verurteilungenführte. Davon schrieb unserTageblatt nicht selten in denJahren nach der Jahrtausendwende.Ein Lehrer in Hamburgwäre verurteilt worden, obwohler ein Bild nachweislich sofortweggeklickt hatte. Die digitaleSpur bewies, der Mann habe füreine Sekunde kinderpornografischesMaterial besessen. Mirkam es sogar einmal vor, alskönnte ich einen Schenefelder als Personherauslesen, im Artikel, dem zum Verhängniswurde, im Arbeitsumfeld mit Jugendlichenseine Neigung nicht in den Griff bekommenzu haben.# Mein eigener WegZu dieser Zeit begann ich bereits, mich kreativauszuleben und stellte das Bild „Fenster“in einem Café aus. Ich schrieb (im Suff)einen mehrseitigen Scheiß zusammen. Ichprobierte darauf hinzuweisen, was Frau vonder Leyen forderte, wäre richtig. Ich wollenicht alleingelassen vor dem Rechner dafürbestraft werden, das Falsche zu klicken,sondern erwartete vom Staat die Mitarbeit,nach dem Motto, in den Siebzigern hätteich einen verbotenen Porno allenfalls „unterdem Ladentisch gehandelt“ kaufen können.Das brachte ich so etwa zu Papier. DieMenschen hatten sich gerade erst an dasInternet gewöhnt, und das schien hell füralle zu sein. Der kreative Wichser: Ich hofftescheinbar, einen Untergrund zu erfinden,Mrz 23, 2022 - Material 51 [Seite 50 bis 54 ]

Material

Mrz 23, 2022

Ein Befreiungsschlag abwärts in dunkle

Abgründe der Menschheit oder das Abschütteln

von Schmeißfliegen, eine Attacke mit

dem Ziel der Verbesserung, ein endgültiger

Absturz; wer hat und behält Recht, Macht

über die Deutungshoheit?

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.

Manchen ist alles egal: Das Ansehen

von Wladimir Putin als respektierter Staatsmann

ruiniert der russische Präsident gerade

selbst. Die Bilder seines brutalen Angriffs,

der zudem nur schleppend vorankommt

und die bösartigen Ansprachen des Russen

verursachen Fassungslosigkeit. Bislang galt

der seit vielen Jahren an der Spitze seines

Landes stehende Putin als Machtpolitiker,

aber rational im Handeln und zielorientiert.

Der Präsident ließ andere gern warten?

# Aus den Nachrichten zitiert: Dass Wladimir

Putin seine Macht gerne zur Schau stellt,

ist längst bekannt. Nun hat das auch Recep

Tayyip Erdogan am eigenen Leib erfahren.

Erdogan und seine Entourage mussten

minutenlang vor Putins Tür warten. Im

russischen TV wurde das Psycho-Spielchen

anschließend veröffentlicht / Angela Merkel:

mehr als vier Stunden. Der Papst: eine

Stunde. Die Queen: 14 Minuten. Wladimir

Putin ist nicht für seine Pünktlichkeit berühmt

- eine Übersicht über die Zeit, die der

russische Präsident Staats- und Regierungschefs

warten ließ.(…). (Stern, 10.03.2020 /

05.01.2017).

Die Macht haben, ein Machthaber sein;

wer wartet, nimmt Unfreiheit in Kauf, um

etwas zu bekommen. Diese Frage als Lineal

angelegt, hilft auch, die andere Seite zu

verstehen. Machtlosigkeit, Abhängigkeit,

Beziehungen; wenn Menschen auf andere

angewiesen sind: Ein Gefangener bekommt

sein Essen zur vorgegebenen

Zeit. Ein freier Mensch

geht einkaufen, um sich

eine Mahlzeit zu beschaffen

oder ins Restaurant. Eine

gewisse Geduld muss auch

der Mächtigste aufbringen.

Menschen stehen an für Eis,

ein Tennismatch. Oder umgekehrt,

jemanden warten

lassen: Wir sehen, wie Boris

Becker mit anderen in einer

Schlange vor dem Gericht

steht. Aber nicht, um einen

schönen Tag beim Tennis

zu erleben. Der Ausnahmesportler

muss auf den

Einlass zum eigenen Prozess

als Beschuldigter warten, bis

er in das Gerichtsgebäude darf. Dort droht

ihm sogar Haft, falls er im Verfahren um verschleierte

Summen bei Insolvenz schuldig

gesprochen wird.

Staatsmacht können wir nicht ignorieren.

„Mir doch egal, dafür steh’ ich nicht an“ zu

sagen, hilft nur dem, der sich das erlauben

kann. Einer Vorladung müssen wir nicht

zwingend folgen, aber wenn uns der Prozess

gemacht wird, gehen wir hin. Sonst würden

die Probleme größer. „Wird per Haftbefehl

gesucht“, hieße es bald darauf. Davor läuft

man nicht weg, und wie sollte ein Prominenter

abhauen, ohne seine öffentliche Existenz

aufzugeben? Boris Becker, das kann nur wie

im Fall von Uli Hoeneß ablaufen. Der Tennisstar

plädiert auf Freispruch. Erst einmal

kommt der Moment, den Vorwürfen Rede

und Antwort zu stehen. Die Gesellschaft wird

akzeptieren, dass ein Prominenter anschließend

einer Strafe wieder dort anknüpft, wo

seiner Existenz ein empfindlicher Dämpfer

beigebracht worden ist, aber nur bei Aufrichtigkeit

und Bereitschaft, sich dem Recht zu

beugen.

Im Falle von Putin und

Selenskyj ist immer von

erhofften Ergebnissen in

Friedensverhandlungen ohne

Gesichtsverlust die Rede,

die ausgehandelt werden

müssten für den jeweiligen

Präsidenten. Das britische

Gericht verliert sein Gesicht

kaum einmal, es sei denn bei

einem Urteil, das sich später

als falsch herausstellt. Boris

Becker ist sichtlich angeschlagen.

Er nutzt Anwälte,

um so viel wie möglich von

den Anschuldigungen zurückzuweisen. Der

russische Präsident präsentiert anderen

Macht mit seiner Gewalt, einen Krieg vom

Zaun zu brechen, der britische Staat zeigt

dem Sportler Boris eine Grenze auf. Diese

Beispiele machen deutlich, wie unterschiedlich

die Auswirkungen von Verhalten

und Reaktion Ergebnisse schaffen. Der

Tennisstar unterliegt dem Gesetz und wird

es akzeptieren. Anwälte unterstützen den

heutigen Sportkommentator und Trainer.

Gegen die Attacken von Wladimir Putin fällt

es der Weltgemeinschaft schwer, effektiv

vorzugehen. Die Sanktionen schaden auch

dem Westen. Wir müssten eine gegenseitige

Abhängigkeit begreifen. Bei normalen Angeklagten

wirkt eine Beziehung, in der sich

ein Staat und beispielsweise Boris Becker

befinden, auf moderate Weise. Beobachter

gehen davon aus, dass ein zähes Ringen um

verschiedene Anklagepunkte auf zivilisierte

Weise ausgetragen wird. Der Beschuldigte

wird im Falle einer Verurteilung eine

Geldstrafe, Haft oder Bewährungsstrafe

akzeptieren oder in einem weitern Verfahren

anfechten, Revision einfordern. Dergleichen

an Wiedergutmachung können die Alliierten

gegenüber Russland keinesfalls in vergleichbarer

Weise zivilisiert einklagen.

Es scheint, dass Boris Becker zielgerichtet in

seine Verteidigung geht. Bei dem Weltverbrechen

eines Krieges, den die Atommacht

Russland führt, streiten die Verantwortlichen

das Geschehen schon vom Namen her ab,

nivellieren es auf eine nötige Militäroperation.

Und wir können nichts tun, das uns

nicht selbst in Bedrängnis bringt. Gibt es ein

erreichbares Ziel für Russland, für das sich

diese Attacke bald als lohnende Militäraktion

herausstellen wird? Andere könnten den

Verstand des Präsidenten anzweifeln und

die Sinnhaftigkeit der Aktion. Wenn genügend

Russen in der Führung und auch in der

ausführenden Truppe, sogar im russischen

Volk, der breiten Masse davon überzeugt

sind, das Ganze sei nötig, wird dieser Krieg

andauern. Ganz offensichtlich war die

bisherige Wirklichkeit einer sich zunehmend

in westliche Richtung bewegenden Ukraine

nicht das Positive, was wir darin gesehen

haben für den Osten. Wen das noch wundert,

sollte lernen, seinen Anteil daran zu haben,

dass jetzt Krieg ist. Unsere Freiheit können

wir einer andern kaum aufzwingen. China,

Russland oder andere Staaten sind nicht per

se Gefängnisse, weil wir ihnen vorgaukeln,

es ginge noch (mal so eben) mit mehr an

Diversität. Es ist insofern bedeutsam, weil

es hilft, sich von idealisierten Vorstellungen

zu verabschieden. Wir tun gut daran, die

Realität zu akzeptieren. Ich verstehe diese

so, dass wir das Böse nicht durch Schuldzuweisung

besiegen. Wir benötigen Macht,

eine Grenze zu ziehen, die mehr ist als eine

rote Linie der

Fantasie.

Unser Dorf im

Kleinen ist mir

das Modell und

eigene Übungsfeld.

Ich kenne

mein eigenes

Fehlverhalten,

bin bereit

wahrzunehmen,

wo ich versagte.

Das hilft wiederum,

anderen

eine wirksame

Grenze zu setzen, wenn diese mich mit

ihren Anschuldigungen angreifen. Meine

Kreativität besteht darin, eine farbige Linie

tatsächlich hinzumalen, nicht nur daran zu

glauben, sondern etwas zu schaffen, das

mehr als Kritzeln bedeutet. Ich erlebe, wie

meine Ansichten, die ich gestalten lernte,

wirksam sind. Mir nutzt zu malen und schreiben

in vielerlei Hinsicht. Und sei es, das

eigene Denken zu schleifen, nicht zuletzt an

den Schenefeldern.

Mrz 23, 2022 - Material 50 [Seite 50 bis 54 ]

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