Ausgabe 203
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />
Österreich, Europa und die Welt<br />
Deutschland und Österreich<br />
brauchen Planungsrahmen<br />
94<br />
Deutsche Handelskammer in Österreich und WIFO-Direktor Felbermayr:<br />
»Näher Zusammenrücken für gemeinsame Lösung der Probleme«<br />
Im vergangenen Jahr hat sich der Handel<br />
zwischen Deutschland und Österreich mas -<br />
siv von den Auswirkungen der Pandemie er -<br />
holt. „Ging im Jahr 2020 das deutsch-österreichische<br />
Handelsvolumen noch um ca. 9<br />
Prozent zurück, konnte im Jahr 2021 wieder<br />
an die alte Stärke angeknüpft werden. Das<br />
gemeinsame Handelsvolumen stieg um fast<br />
19 Prozent und erzielte ein neues All-Time-<br />
High“, sagte Hans Dieter Pötsch, Präsident<br />
der Deutschen Handelskammer in Österreich<br />
(DHK), Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen<br />
AG und Vorstandsvorsitzender der<br />
Porsche SE bei der DHK Jahrespressekonferenz<br />
am 27. April in Wien. Laut den Zahlen<br />
des deutschen Statistischen Bundesamtes<br />
stiegen österreichische Exporte um 17,9 Prozent<br />
auf 47,7 Mrd. Euro. Deutsche Exporte<br />
nach Österreich erhöhten sich um 19,7 Prozent<br />
auf 71,7 Mrd. Euro. Mit einem Gesamthandelsvolumen<br />
von 119,4 Mrd. Euro wurde<br />
sogar ein Rekordwert erzielt. Österreich ist<br />
mit dieser Entwicklung wieder zum siebtwichtigsten<br />
deutschen Außenhandelspartner<br />
aufgerückt.<br />
Anfang 2022 waren die Perspektiven für<br />
das gesamte Jahr sehr optimistisch. Die Auswirkungen<br />
des Krieges in der Ukraine werden<br />
die deutsch-österreichische Wachs -<br />
tumsdynamik jedoch deutlich einbremsen.<br />
„Wir stellen eine starke Verunsicherung bei<br />
unseren Unternehmen fest, wie sie mit den ge -<br />
stiegenen Rohstoff- und Energiepreisen um -<br />
gehen sollen. Die aktuellen Energiepreise ge -<br />
fährden zudem langfristig die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Industriestandorte Deutschland<br />
und Österreich“, stellte der Hauptgeschäftsführer<br />
der Deutschen Handelskammer in<br />
Österreich, Thomas Gindele, fest.<br />
Als weitere Folge der aktuellen Energiepreise<br />
wird den Menschen ihre Kaufkraft ent -<br />
zogen, mit den entsprechenden Folgen für<br />
den Konsum. Das läßt den deutschen aber<br />
auch den österreichischen Exportmotor stottern.<br />
„Die Deutsche Handelskammer in Österreich<br />
unterstützt die Entscheidung der deutschen<br />
und österreichischen Bundesregierung,<br />
einem Energieembargo für Gas nicht<br />
Foto: DHK / Guenther Peroutka<br />
v.l.: WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr, Hans Dieter Pötsch, Präsident der DHK in Österreich,<br />
und Hauptgeschäftsführer der DHK in ÖsterreichThomas Gindele<br />
zuzustimmen. Für die deutsche Wirtschaft<br />
wäre es zusätzlich sehr schwierig, wenn auch<br />
Österreich Probleme mit der Energieversorgung<br />
bekäme“, so DHK-Präsident Pötsch.<br />
„Deswegen werden wir uns auch weiterhin<br />
gezielt für die Interessen der österreichischen<br />
Wirtschaft in Deutschland einsetzen.“<br />
Pötsch ist davon überzeugt, daß der Energiekostendruck<br />
Produktivitätsschübe auslösen<br />
und damit unsere Innovationsfähigkeit<br />
noch mehr herausfordern wird. Sowohl<br />
Deutschland als auch Österreich sind aufgrund<br />
ihres hohen Entwicklungsstandes und<br />
ihrer erfolgreichen Industriebasis dafür prädestiniert.<br />
Wenn wir noch stärker zusammen -<br />
arbeiten, bekommen wir die Lösungen noch<br />
schneller. Diese Erkenntnis teilt auch der<br />
Direktor des Österreichischen Institutes für<br />
Wirtschaftsforschung (WIFO), Gabriel Felbermayr.<br />
Weitere wirtschaftspolitische<br />
Maßnahmen nötig<br />
„Die Wertschöpfungsnetzwerke zwischen<br />
Deutschland und Österreich sind so verfloch -<br />
ten wie jene weniger anderer Wirtschaftsräume.<br />
Daher ist es entscheidend, abgestimmte<br />
Antworten auf die großen Herausforderungen<br />
unserer Zeit zu finden – auf die sich<br />
anbahnende Deglobalisierung und die erforderliche<br />
Dekarbonisierung der Energiesysteme“,<br />
so Felbermayr. „Es gilt, die Wertschöpfungsnetzwerke<br />
resilienter zu machen. Dazu<br />
ist ein Ausbau der bilateralen Infrastrukturen<br />
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />
notwendig, ein Abbau von Handelsbarrieren<br />
im europäischen Binnenmarkt, und ein ge -<br />
meinsames Eintreten für Freihandel zwischen<br />
verbündeten Staaten. So lassen sich die<br />
wirtschaftlichen Schäden aus dem drohenden<br />
Decoupling des Westens mit dem Osten<br />
eindämmen“, Felbermayr weiter.<br />
Appell an die Politik<br />
DHK-Präsident Hans Dieter Pötsch und<br />
WIFO Direktor Felbermayr appellieren an<br />
die Politik. Die aktuelle Krise zieht Konsequenzen<br />
und Aufgaben nach sich, die schnell<br />
umgesetzt werden müssen. Das gilt für den<br />
Auf- und Ausbau einer neuen Energieinfrastruktur,<br />
aber auch für die beschleunigte<br />
Weiterentwicklung der digitalen Infrastruktur.<br />
Dafür brauchen wir in Deutschland und<br />
Österreich einen verlässlichen Planungsrahmen,<br />
der sich auch als technologieoffen er -<br />
weist. Vor allem brauchen wir aber schnellere<br />
Planungs- und Genehmigungsverfahren.<br />
Auch die internationalen Rahmenbedingungen<br />
müssen schneller und entschlossener<br />
gesetzt werden. Deutschland, Österreich und<br />
Europa müssen sich mehr für freien und fairen<br />
Handel einsetzen. Handels- und Investitionsabkommen<br />
sind nicht nur ein Beitrag für<br />
Wachstum und Wohlstand, sondern un ter stüt -<br />
zen gemeinsame Bemühungen für Klimaschutz,<br />
soziale Standards und Menschenrechte.<br />
n<br />
https://oesterreich.ahk.de/<br />
https://www.wifo.ac.at/