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Ausgabe 203

Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />

Österreich, Europa und die Welt<br />

37<br />

Treffen mit Präsident Putin in Moskau<br />

„Es war mir wichtig, mit Putin selbst über<br />

das zu reden, was tatsächlich jetzt notwendig<br />

ist: nämlich insbesondere die humanitären<br />

Korridore, die Hilfe für die Menschen vor<br />

Ort, vor allem unter dem Aspekt, daß demnächst<br />

in der Ostukraine eine große Offensive<br />

bevorstehen wird. Es war kein Freundschaftsbesuch,<br />

es war eine klare, direkte<br />

Aussprache, in aller Offenheit auch die Probleme<br />

und den Wahnsinn des Kriegs be -<br />

schreibend“, sagte Bundeskanzler Karl<br />

Nehammer am 12. April nach einem Treffen<br />

mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir<br />

Putin in Moskau.<br />

Der österreichische Regierungschef hielt<br />

fest, daß er ohne Erwartungen nach Moskau<br />

gefahren sei. Er sei nicht davon ausgegangen,<br />

daß Putin zu irgendwelchen Zugeständnissen<br />

bereit sein würde. Ziel sei es aber ge -<br />

wesen, Putin mit den Verbrechen und dem<br />

Leid zu konfrontieren, die er in der Ukraine<br />

gesehen habe und nichts unversucht zu lassen,<br />

um eine Einstellung der Kampfhandlungen<br />

oder zumindest humanitäre Fortschritte<br />

für die notleidende Zivilbevölkerung in der<br />

Ukraine zu bewirken. „Meine wichtigste Bot -<br />

schaft an Putin war, daß dieser Krieg endlich<br />

enden muß, denn in einem Krieg gibt es auf<br />

beiden Seiten nur Verlierer“, so Nehammer.<br />

Österreich wird Beitrag leisten,<br />

um Kriegsverbrechen aufzuklären<br />

Foto: BKA / Dragan Tatic<br />

Bundeskanzler Karl Nehammer bei der Pressekonferenz nach dem Treffen mit dem russischen<br />

Präsidenten Wladimir Putin, von dem kein gemeinsames Foto zur Verfügung stand<br />

Putin werfe der Ukraine und der internationalen<br />

Gemeinschaft vor, das Kriegsgesche -<br />

hen nicht real darzustellen, berichtete der<br />

Kanzler weiter. So kooperiere laut Putin die<br />

russische Föderation sehr wohl mit dem In -<br />

ternationalen Roten Kreuz, was Fluchtkorridore<br />

betreffe, nicht aber die Ukraine. „Ich<br />

ha be Putin darauf hingewiesen, daß er mit<br />

seiner Armee die Verantwortung für die Si -<br />

cherheit der Korridore trägt“, hielt Nehammer<br />

fest.<br />

Auch Kriegsverbrechen wie jenes in Butscha<br />

würden abgestritten. Die Russische Fö -<br />

deration mißtraue der internationalen Begutachtung<br />

der Kriegsverbrechen und halte sie<br />

für einseitig. „Ich habe dem widersprochen<br />

und gesagt, Österreich wird – wenn notwendig<br />

und gewünscht – einen Beitrag dazu leisten,<br />

um bei der Aufklärung der Kriegsverbrechen<br />

genau diese Objektivität herzustellen.<br />

Es ist ein Gebot der Stunde, daß die Verantwortlichen<br />

identifiziert und dafür auch<br />

zur Rechenschaft gezogen werden. Und ge -<br />

nau deshalb, weil eine Parteienstellung in<br />

einem Krieg immer wieder auch das Thema<br />

wechselseitiger Vorwürfe und Unterstellungen<br />

ist, braucht es die internationale Aufklärung“,<br />

so der Bundeskanzler.<br />

Istanbuler Verhandlungen<br />

als Zeichen der Hoffnung<br />

Was einen möglichen Waffenstillstand<br />

beziehungsweise Frieden betreffe, habe der<br />

Kanzler den Eindruck, daß der russische<br />

Präsident offenbar auf die ins Stocken geratenen<br />

Verhandlungen in der Türkei setze:<br />

„Sie sind aus meiner Sicht ein wichtiges Format,<br />

um hier tatsächlich auch Fortschritte für<br />

den Frieden erzielen zu können. Wladimir<br />

Putin hat sie mehrfach ins Spiel gebracht. Er<br />

ist interessiert, trotz aller Kriegslogik, und<br />

das halte ich für ein Zeichen der Hoffnung,<br />

daß diese Verhandlungen weiter fortgesetzt<br />

werden und dann auch zu Ergebnissen führen.“<br />

Es sei wichtig, daß es neben all dem<br />

„Irrsinn der Gewalt“ einen Raum gibt, wo<br />

trotz allem Gespräche stattfinden können. Er<br />

werde in den nächsten Tagen auch mit dem<br />

türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan<br />

sprechen. „Präsident Erdogan hat hier<br />

eine federführende Rolle, er ist der Schirmherr<br />

dieser Verhandlungen“, so Nehammer.<br />

Zusammenfassend hielt der Bundeskanzler<br />

fest, daß er bei seinem Treffen mit dem<br />

russischen Präsidenten Wladimir Putin „ge -<br />

nerell keine positiven Eindrücke“ gewonnen<br />

hätte, es brauche aber die persönliche Konfrontation.<br />

„Ich halte es für wichtig, etwas zu<br />

tun, als gar nichts zu tun. Und deswegen war<br />

mir wichtig, Präsident Putin mit den Fakten<br />

des Krieges, mit dem Leid der Menschen in<br />

der Ukraine zu konfrontieren. Wenn Sie mich<br />

danach fragen, ob das eine unmittelbare Aus -<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

wirkung hat, dann: Nein. Es war wichtig, das<br />

anzusprechen und den Istanbuler Friedensgesprächen<br />

sozusagen wieder Energie zu<br />

geben, sodaß sie fortgeführt werden. Dann<br />

ist jede Mühe den Aufwand wert. Auch der<br />

kleinste Erfolg zählt, wenn es um Frieden<br />

geht“, so Nehammer abschließend. n<br />

»Konferenz zur Zukunft Europas«<br />

Europaministerin Karoline Edtstadler hat<br />

am 9. Mai, dem Europatag, anläßlich des<br />

offiziellen Abschlusses der „Konferenz zur<br />

Zukunft Europas“ den Aktivitätenbericht<br />

(2020-2022) zur EU-Zukunftskonferenz in<br />

Österreich präsentiert.<br />

„Seit dem Jahr 1986 begehen wir am 9.<br />

Mai den Europatag zur Erinnerung an die<br />

Schuman-Erklärung von 1950. Der französische<br />

Außenminister Robert Schuman schlug<br />

damals die Gründung einer Gemeinschaft<br />

für Kohle und Stahl vor, um Krieg nicht nur<br />

zu verhindern, sondern ihn unmöglich zu ma -<br />

chen, mangels des Zugriffs einzelner Staaten<br />

auf diese Rohstoffe. Das war der Grundstein<br />

der Europäischen Union. Sie hat uns in den<br />

letzten Jahren Freiheit, Frieden und Wohlstand<br />

gebracht“, sagte Edtstadler in ihrer An -<br />

sprache im Bundeskanzleramt.<br />

Nach den pandemiebedingten Einschränkungen<br />

in den letzten zwei Jahren und zahlreichen<br />

digitalen und hybriden Veranstaltungen<br />

zur Zukunftskonferenz, könne man nun<br />

endlich wieder „Hand in Hand“ an der<br />

Gestaltung der Zukunft arbeiten. „Aber wer<br />

hätte sich im letzten Jahr gedacht, daß wir<br />

2022 wieder Krieg auf europäischem Boden<br />

erleben müssen? Der Angriffskrieg Ruß-

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