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Ausgabe 203

Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />

Österreich, Europa und die Welt<br />

35<br />

Aber die Schmerzen, die die österreichische<br />

Wirtschaft im Moment erleidet sind nichts<br />

gegen die Schmerzen, die die Ukrainerinnen<br />

und Ukrainer derzeit erleiden müssen. Daher<br />

ein klares Bekenntnis zu den Sanktionen,<br />

wenn sie sinnvoll und richtig sind“, so Ne -<br />

hammer. Die Sanktionen müßten so hart wie<br />

möglich sein, dürfen aber gleichzeitig den,<br />

der sie verhängt hat, nicht so schwächen, daß<br />

er sie nicht mehr fortführen könne.<br />

Daher sei auch die Frage der Unabhängigkeit<br />

von fossilen Brennstoffen ein Gebot<br />

der Stunde. „Der Krieg in der Ukraine und<br />

die Politik der Russischen Föderation haben<br />

klargemacht, daß wir grundsächlich auf dem<br />

richtigen Weg sind“, so Nehammer. Diese In -<br />

teressen seien mit den europäischen Partnern<br />

gemeinsam zu verwirklichen. Denn das kla -<br />

re Ziel für die Zukunft sei es, sich noch<br />

schneller von der Lieferung fossiler Energieträger<br />

aus der Russischen Föderation unabhängig<br />

zu machen und sich diversifizierter<br />

aufzustellen. Eine solche Umstellung sei<br />

aber nur mittel- und langfristig möglich. Die -<br />

ser Prozeß brauche seine Zeit und müsse mit<br />

aller zu Gebote stehenden Ehrlichkeit angesprochen<br />

werden. „Es ist ein furchtbares Ge -<br />

fühl, von russischem Gas abhängig zu sein.<br />

Aber Gefühle dürfen uns nicht dabei beeinflussen,<br />

wenn es um die Energieversorgungs -<br />

sicherheit geht. Denn das Gas wird nicht nur<br />

für private Haushalte eingesetzt, sondern<br />

auch in der Industrie benötigt. Da geht es um<br />

Arbeitsplätze und um die Erhaltung des<br />

Wohlstandes, so Nehammer.<br />

Menschen auf dem Westbalkan<br />

eine Perspektive bieten<br />

In manchen Balkanstaaten fürchtet man<br />

aufgrund der Einflußmöglichkeiten der Russischen<br />

Föderation ein Übergreifen des<br />

Ukraine-Konfliktes auf den Balkan. Im Hinblick<br />

auf ganz konkrete Zukunftsschritte<br />

versicherte Nehammer, daß Österreich gerne<br />

an der Seite der Bundesrepublik Deutschland<br />

den Prozeß des Brückenbauens begleitet,<br />

um den Beitrittsprozeß der Westbalkanstaaten<br />

in die Europäische Union positiv zu<br />

beeinflussen. „Wir müssen einen Gang zu -<br />

schalten und den Menschen in diesen Ländern<br />

tatsächlich eine fruchtbringende Perspektive<br />

bieten. Der Westbalkan ist seit langem<br />

ein wichtiger geostrategischer Raum für<br />

Österreich. Wir haben eine lange Tradition<br />

und Geschichte mit den Ländern des Westbalkans.<br />

Auch hier gilt es, das zu verstärken,<br />

was schon oft angesprochen wurde: Wir brau -<br />

chen nicht nur das Reden, sondern auch das<br />

Tun“, so Nehammer.<br />

Foto: BKA / Dragan Tatic<br />

Der Bundeskanzler nach seinem Gespräch mit Finanzminister Wolfgang Lindner<br />

Auf der einen Seite müsse man innerhalb<br />

der Europäischen Union dafür werben, den<br />

Beitrittsprozeß der Staaten des Westbalkans<br />

zuzulassen. Gleichzeit müsse man auch den<br />

bisher geleisteten Anstrengungen einzelner<br />

Staaten Rechnung tragen, die sich bisher sehr<br />

bei der Umsetzung europäischer Maßstäbe<br />

bemüht haben. Daneben gebe es auch Staaten<br />

wie Bosnien-Herzegowina, die weiterhin<br />

Unterstützung benötigen.<br />

Österreich wird dazu seinen Beitrag leisten<br />

„Unsere Aufgabe ist es, in den wichtigsten<br />

Punkten Kommunikationsscharniere zu<br />

bilden und dort zu helfen, wo politische Prozesse<br />

beschleunigt werden müssen. Es ist eine<br />

Verpflichtung für uns, daß ein Raum, der so<br />

viel Gewalt und Schrecken erlebt hat, gerade<br />

jetzt in der Phase der politischen Bewährung<br />

nicht alleine gelassen wird. Österreich wird<br />

dazu seinen Beitrag leisten“, so der österreichische<br />

Bundeskanzler, der dafür plädierte,<br />

auch einen proaktiven und konstruktiven Dia -<br />

log mit Serbien, dem vermutlich „wesentlichsten<br />

Player“ auf dem Westbalkan, zu füh -<br />

ren.<br />

„Was liegt, das pickt“ – Energieembargo<br />

faktisch nicht durchführbar<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

Zu der von Präsident Putin geforderten<br />

Bezahlung der russischen Gaslieferungen in<br />

Rubel hielt Bundeskanzler Nehammer nach<br />

einem Treffen mit dem deutschen Vizekanzler<br />

Habeck fest, daß es sich um eine „politische<br />

Ankündigung“ handle. Noch sei es zu<br />

keinen Vertragsveränderungen gekommen,<br />

das Gas werde nach wie vor in vollem Um -<br />

fang geliefert. Falls es zu der entsprechenden<br />

Modifikation in den privatwirtschaftli–<br />

chen Verträgen komme, werde überprüft, ob<br />

es den Sanktionen entspreche oder nicht. Bis<br />

dahin gelte: „Was liegt, das pickt“, so Ne -<br />

hammer.<br />

Erneut bekräftigte er, daß er ein russisches<br />

Energieembargo ablehne: „Diese Fra -<br />

ge stellt sich für uns als Industrienationen<br />

nicht. Eine Energiekrise würde nicht nur Ar -<br />

beitsplätze und die Industrie, sondern auch<br />

die Energiewende gefährden“, so Nehammer.<br />

Daher gehe er davon aus, daß die Gaslieferverträge<br />

mit der OMV bis zum Jahr<br />

2040 unverändert aufrecht bleiben. Das billige<br />

russische Gas ermögliche Österreichs<br />

Wohlstand. Die Energiewende würde Zeit,<br />

massive Investitionen und eine Vereinfachung<br />

der Genehmigungsverfahren benötigen.<br />

Daher sei ein Energieembargo keine<br />

politische, sondern eine faktische Frage.<br />

Hohe Inflation durch<br />

Entlastungspakete abfedern<br />

Die Inflation sei „derzeit hoch“, hielt<br />

Kanzler Nehammer des Weiteren fest. Die<br />

österreichische Bundesregierung setze Maßnahmen,<br />

um etwa die hohen Energiepreise<br />

abzufedern. Österreich sei wie Deutschland<br />

betroffen und wolle mittel- bis langfristig die<br />

Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren.<br />

Bei ihrem gemeinsamen Gespräch sei<br />

man übereingekommen, daß die beiden Länder<br />

„eng abgestimmt“ vorgehen werden:<br />

„Glei che Interessenslagen, gleiche Herausforderungen“,<br />

so Nehammer.<br />

Zum Abschluß des Arbeitsbesuchs in Ber -<br />

lin stand noch ein Treffen mit Finanzminister<br />

Christian Lindner auf dem Programm. n

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