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Ausgabe 203

Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />

Österreich, Europa und die Welt<br />

Besuch aus Irland<br />

Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing den Präsidenten<br />

von Irland, Michael D. Higgins, zu einem offiziellen Besuch in Österreich<br />

Foto: Peter Lechner / HBF<br />

Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing den Präsidenten von Irland, Michael D.<br />

Higgins, mit militärischen Ehren im Inneren Burghof<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

Bundespräsident Alexander Van der Bellen<br />

und der irische Präsident Michael D.<br />

Higgins haben mutmaßliche Kriegsverbrechen<br />

in der Ukraine verurteilt. „Solche Verbrechen<br />

können nicht einfach hingenommen<br />

werden, sie müssen so rasch wie möglich un -<br />

tersucht“ werden; die Täter und Auftraggeber<br />

müßten zur Rechenschaft gezogen werden,<br />

sagte Alexander Van der Bellen nach<br />

einem Arbeitsgespräch mit Präsident Higgins<br />

am 6. April in der Präsidentschaftskanzlei<br />

in Wien. „Es kann keine Straflosigkeit ge -<br />

ben“, sagte auch Michael D. Higgins.<br />

Weltweit sorgten Bilder für Entsetzen,<br />

die Leichen auf den Straßen der unweit von<br />

Kiew gelegenen Stadt Butscha zeigten. Bis<br />

zum von Van der Bellen und Higgins waren-<br />

Berichten zufolge rund 330 getötete Menschen<br />

geborgen worden. Sie waren aus Sicht<br />

der ukrainischen Regierung Beweis für die<br />

gezielte Tötung von Zivilisten und damit für<br />

Kriegsverbrechen. Moskau bestritt das und<br />

sprach von „Fälschung“ – allerdings ohne Be -<br />

lege vorzulegen. Aus der ukrainischen Stadt<br />

Irpin waren bereits zuvor Gräueltaten gemeldet<br />

worden.<br />

„Wir werden uns daran nicht gewöhnen“,<br />

sagte Van der Bellen mit Blick auf den russischen<br />

Angriffskrieg in der Ukraine und die<br />

Flüchtlingsströme. Daher dürfe man auch<br />

„nicht klein beigeben“, bis das Blutvergiessen<br />

ein Ende habe. Bis dahin gelte es die<br />

Auswirkungen des Krieges zu mildern. Eine<br />

Friedenslösung für die Ukraine „kann nur auf<br />

völkerrechtlicher Grundlage fußen“, betonte<br />

der Bundespräsident.<br />

Präsident Higgins befürwortete Diplomatie,<br />

Multilateralismus und Abrüstung. Für<br />

den irischen Präsidenten muß das Töten von<br />

Zivilisten und die Zerstörungen in der Ukraine,<br />

„die alle internationalen Normen verletzt“,<br />

aufhören. „Das ist jetzt das Wichtigste.“<br />

Der russische Präsident Wladimir Putin<br />

müsse sich bewußt sein, daß er Rußland mit<br />

sich in den Abgrund reiße.<br />

Zu einem möglichen EU-Importembargo<br />

für russisches Gas sagte Van der Bellen:<br />

„Österreich ist bisher gegen ein solches Em -<br />

bargo.“ Die Formulierung von EU-Ratspräsident<br />

Charles Michel, dies könnte „früher<br />

oder später“ nötig werden, um den Angriffskrieg<br />

Moskaus gegen die Ukraine zu beenden,<br />

biete einen „riesigen Spielraum“. Man<br />

müsse darüber nachdenken, wo der Schaden<br />

größer wäre „in der EU oder in Rußland“,<br />

und es gebe unter den EU-Staaten nun einmal<br />

„völlig unterschiedliche Abhängigkeiten“<br />

von russischem Gas. Das bräuchten nicht nur<br />

Haushalte, sondern es sei „in vielen Industriebereichen<br />

ein zentraler Input. Da kann<br />

man nicht so einfach drübergehen“.<br />

Irland ist wie Österreich EU-, aber kein<br />

NATO-Mitglied. Befragt zu Debatten in beiden<br />

Ländern, angesichts des Ukraine-Krieges<br />

die nationale Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

neu auszurichten, sprach sich<br />

Präsident Higgins für eine Debatte in Irland<br />

über die Ausgestaltung der irischen Neutralität<br />

aus. Diese müsse aber „sachkundig“<br />

geführt werden. Positiv würde er auch sehen,<br />

wenn neutrale bzw. bündnisfreie Staaten in<br />

der EU – wie etwa auch Schweden oder Finn -<br />

land – einen dauerhaften Dialog in diesen<br />

Politikerfeldern führen und sich untereinander<br />

abstimmen. Der Bundespräsident verwies<br />

in seiner Antwort mit deutlichen Worten<br />

auf einen „riesigen Investitionsrückstau“<br />

beim Bundesheer, dem man nicht ausweichen<br />

könne, „wenn man die Landesverteidigung<br />

ernst nimmt“ und wenn man im Rahmen<br />

von UNO-Friedenseinsätzen mit Truppen<br />

anderer Länder kooperieren wolle.<br />

Was das nach wie vor rund um den Brexit<br />

nicht gelöste Problem des Nordirland-Protokolls<br />

betrifft, versicherte Alexander Van der<br />

Bellen seinem Gast die Solidarität Österreichs.<br />

Durch das Protokoll soll sichergestellt<br />

werden, daß EU-Regeln in Irland gelten,<br />

ohne daß dafür feste Grenzkontrollen<br />

zwischen dem EU-Mitglied und dem zu<br />

Großbritannien gehörenden Nordirland eingeführt<br />

werden müssen. In der Folge haben<br />

sich die Kontrollen des Warenverkehrs auf die<br />

Seegrenze zwischen der britischen Hauptinsel<br />

und Nordirland verlagert. Nordirische Pro -<br />

testanten laufen dagegen Sturm, sie sehen dar -<br />

in Anfänge einer Trennung vom Königreich.<br />

Großbritannien forderte daraufhin, das im<br />

Zuge des EU-Ausstiegs unterzeichnete Protokoll<br />

noch einmal zu ändern. Seit Monaten<br />

wird darüber zwischen London und Brüssel<br />

verhandelt. Van der Bellen sagte, es sei<br />

wichtig, daß in der EU gegenüber Großbritannien<br />

nach wie vor Einigkeit bestehe. n<br />

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