Ausgabe 203
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />
Kultur<br />
163<br />
Dies ist der älteste arabisch geschriebene,<br />
exakt datierte Papyrus, der bislang identifiziert<br />
werden konnte und zugleich das älteste<br />
erhaltene griechisch-arabische Schriftstück.<br />
Nur wenige Monate nach der arabischen Er -<br />
oberung Ägyptens verfaßt, ist das amtliche<br />
Schriftstück ein wichtiges Dokument für den<br />
Übergang von der byzantinischen zur arabischen<br />
Herrschaft. Der Emir ‘Abd-Allâh ibn<br />
Jâbir, Kommandant der arabischen Truppen<br />
in Oberägypten, bestätigt den Distriktvorstehern<br />
(pagarchoi) Christophoros und Theodorakios<br />
den Erhalt von 65 Schafen für die Versorgung<br />
seiner Soldaten (Matrosen, Kavalleristen<br />
und schwerbewaffnete Infanteristen)<br />
im Herakleopolites. Die Abgabe soll zu gleich<br />
als Steuerleistung für das laufende Jahr gelten.<br />
Der griechische Teil des Textes wurde<br />
von dem Notar und Diakon Johannes verfaßt,<br />
der arabische von Ibn Hadid.<br />
Auf der Rückseite findet sich in griechischer<br />
Sprache der Vermerk, daß die Schafe<br />
an den moagarites (Araber) übergeben worden<br />
sind. Ob wohl die griechische und die<br />
arabische Version dieselbe Information enthalten,<br />
handelt es sich nicht um eine wörtliche<br />
Übersetzung.<br />
© Österreichische Nationalbibliothek<br />
Galoppierender, arabischer Reiterkrieger / Arabisch – Ägypten, 10. Jh. n. Chr., Papier<br />
W. Mellon Foundation und dem österreichischen<br />
Wissenschaftsfonds (FWF) haben die<br />
Erschließung dieser Dokumente, die sich im<br />
Bestand der Papyrussammlung der Österreichischen<br />
Nationalbibliothek befinden, er -<br />
möglicht bzw. gefördert. Verfaßt in Griechisch,<br />
Koptisch und Arabisch, sind sie wertvolle<br />
Zeitzeugen für den Übergang vom<br />
christlich-byzantinischen zum islamischarabischen<br />
Ägypten.In diesen dokumentarischen<br />
Texten des Alltags, der Verwaltung,<br />
des Rechtswesens, der privaten und offiziellen<br />
Korrespondenz eröffnen sich höchst<br />
spannende Perspektiven auf die Jahrzehnte<br />
vor und nach diesem hi storischen Wechsel<br />
vom Kaiser zum Kalifen. Das Gesamtbild,<br />
das sich aus hunderten Do kumenten ergibt,<br />
läßt erkennen, daß es sich bei dem Übergang<br />
vom byzantinischen zum arabischen Ägypten<br />
nicht um einen abrupten Bruch gehandelt<br />
hat, sondern um einen langsamen, viele Gene -<br />
rationen andauernden Prozeß der Transformation,<br />
der viele Elemente der antiken Welt<br />
in das arabische Mittelalter überführte.<br />
Höhepunkte der Ausstellung<br />
Empfangsbestätigung über 65 Schafe für die<br />
arabische Armee / Griechisch und Arabisch –<br />
Herakleopolis, 25. April 643 n. Chr., Papyrus<br />
Galoppierender, arabischer Reiterkrieger<br />
Arabisch – Ägypten, 10. Jh. n. Chr., Papier<br />
Die Zeichnung eines leichten, arabischen<br />
Kavalleristen im gestreckten Galopp, mit<br />
Lanze und Rundschild, ist ein außergewöhnliches<br />
Dokument auf Papier. Unter dem Bild<br />
steht die Unterschrift: „das Pferd mit dem<br />
heftig Angreifenden“. Die Darstellung be -<br />
sticht durch die gleichermaßen sichere wie<br />
energische Strichführung mit der Rohrfeder.<br />
Auf der Rückseite befindet sich die Künstlersignatur<br />
(„von Abū Tamīm Haydara“) und<br />
ein kurzer Lobpreis Gottes. Kulturgeschichtliche<br />
Bedeutung erhält die unvollständig<br />
erhaltene Zeichnung vor allem als Hinweis<br />
darauf, daß figürliche Darstellungen im frühen<br />
Islam durchaus nicht verpönt waren. Der<br />
Koran enthält – entgegen weit verbreiteter<br />
Ansicht – keine Andeutung eines Bilderverbotes.<br />
Quittung für Kopfsteuer eines christlichen<br />
Bäckers / Arabisch - Arsinoiton Polis,<br />
Mai-Juni 812 n. Chr., Papyrus, Tonsiegel<br />
Dem christlichen Bäcker Abba Kire wird<br />
auf diesem vollständig erhaltenen Papyrusblatt<br />
bestätigt, die Kopfsteuer des Jahres 811<br />
bezahlt zu haben. Um sicher zu gehen, daß<br />
der Steuerzahler nicht von einem anderen<br />
Erhebungsbeamten noch einmal zur Kassa<br />
gebeten wird, enthält die Quittung auch seine<br />
Personalbeschreibung. Außergewöhnlich ist,<br />
daß auch das Siegel erhalten ist, denn fast<br />
immer gingen die aus Ton gefertigten Siegel<br />
verloren. Dieses gibt zu erkennen, daß es<br />
dem Steuerverwalter des Bezirkes Fayum,<br />
Yūnus ibn ‘Abd ar-Raḥmān, gehörte.<br />
Order zur Beschlagnahmung von<br />
4,5 Tonnen Weizen / Griechisch –<br />
Arsinoites, 20. Aug. 698 n. Chr., Papyrus<br />
Zu den herausragenden Quellen des späten<br />
7. Jh. gehört das Dossier eines Mannes, der in<br />
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at