Ausgabe 203
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />
Kultur<br />
Halbmond über dem Nil<br />
Wie aus dem byzantinischen das arabische Ägypten wurde – Sonderausstellung<br />
im Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek bis 7. Mai 2023<br />
162<br />
© Österreichische Nationalbibliothek<br />
Empfangsbestätigung über 65 Schafe für die arabische Armee / Griechisch und Arabisch – Herakleopolis, 25. April 643 n. Chr., Papyrus<br />
Im siebten Jahrhundert n. Chr. wird Ägypten<br />
von arabischen Armeen erobert. In den<br />
folgenden Jahrzehnten dehnen die Kalifen<br />
ihren Machtbereich bis Persien und Südspanien<br />
aus. Die arabische Besetzung des Landes<br />
am Nil und die Ausbreitung des Islam<br />
stellen einen entscheidenden Wendepunkt in<br />
der Weltgeschichte dar. Die Papyrussammlung<br />
der Österreichischen Nationalbibliothek<br />
beherbergt die umfangreichste und bedeutendste<br />
Sammlung von Originaltexten in<br />
Griechisch, Koptisch und Arabisch aus dieser<br />
Zeit. Unter dem Titel „Halbmond über<br />
dem Nil“ präsentiert das Papyrusmuseum<br />
110 bis zu 1.400 Jahre alte, faszinierende Pa -<br />
pyri zu diesem tiefgreifenden Wandel, von<br />
denen die meisten das erste Mal öffentlich<br />
gezeigt werden; darunter etwa den ältesten,<br />
datierten Papyrus mit arabischem Text weltweit.<br />
Politische Erlässe und Anweisungen, re -<br />
präsentative Schreiben mit kunstvollem De -<br />
kor, Quittungen mit original erhaltenen Siegeln,<br />
Verträge sowie ein Papyrus über Baumaterialien<br />
für die Stadt, die als Vorläufer<br />
für die heutige Hauptstadt Kairo gebaut wur -<br />
de, gewähren einen einzigartigen Einblick in<br />
die neue politische und gesellschaftliche<br />
Ordnung sowie in die Versorgung der arabischen<br />
Armeen. Besonders bemerkenswert ist<br />
eine Abbildung eines arabischen Reiterkriegers,<br />
die belegt, daß figurative Darstellungen<br />
im frühen Islam nicht verpönt waren.<br />
Vom Kaiser zum Kalifen<br />
30 v. Chr. besiegte der spätere Kaiser Au -<br />
gustus seinen Rivalen Marcus Antonius und<br />
Kleopatra und verleibte das Land am Nil dem<br />
Imperium Romanum ein. In den darauffolgenden<br />
nahezu 700 Jahren erlebte Ägypten<br />
eine lange Periode fast ungestörten Friedens,<br />
unterbrochen von einem Bürgerkrieg 608–<br />
610 n. Chr. und einer 10jährigen Besetzung<br />
des persischen Sassaniden-Reiches. 629 n.<br />
Chr. wurde die kaiserliche, römische Herrschaft<br />
für kurze Zeit wiederhergestellt.<br />
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />
Zwischen 639 und 642 n. Chr. eroberte<br />
der arabische General ʿAmr ibn al-ʿĀs das<br />
Delta, Alexandria und schließlich das ganze<br />
Reich. Damit war die lange Phase, in der das<br />
Land am Nil den Kaisern in Rom und später<br />
in Konstantinopel unterstand, zu Ende. Die<br />
Herrschaft über Ägypten ging vom Kaiser<br />
auf den Kalifen, den „Nachfolger des Ge -<br />
sandten Gottes“, über. In Ägypten, das in<br />
wirtschaftlicher, kultureller und religiöser<br />
Hin sicht bis dahin eines der Kernländer des<br />
byzantinischen Reiches war, läßt sich dieser<br />
Wechsel der Herrscher und politischen Eliten,<br />
die Etablierung des Islam und der arabischen<br />
Sprache anhand zehntausender Schriftstücke<br />
auf Papyrus, Pergament und Papier genauer<br />
und detailreicher nachvollziehen als irgendwo<br />
sonst.<br />
Viele Generationen<br />
andauernder Prozeß<br />
Mehrere wissenschaftliche Projekte, un -<br />
ter stützt von der US-amerikanischen Andrew