Ausgabe 203
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur: ab 2022 vier Mal jährlich mit bis zu 170 Seiten Österreich.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>203</strong> / 04. 07. 2022<br />
Österreich, Europa und die Welt<br />
107<br />
© Wikipedia / / CC-BY 4.0 / Foto: Nick Grapsy<br />
gen bestätigte, sondern auch die Leibeigenschaft<br />
in Galizien aufhob – eigenmächtig,<br />
nachdem auf seine diesbezügliche Anfrage<br />
nach Wien keine Antwort gekommen war.<br />
Erst vor kurzem hat man die Verdienste Stadions<br />
um die Ukrainer auch in der Westukraine<br />
erkannt, wäre nicht jener Krieg, der<br />
die ganze Ukraine in ihrer Existenz bedroht,<br />
so hätte man noch im Mai dieses Jahres eine<br />
Gedenktafel für diesen österreichischen<br />
Beamten in Iwano-Frankiwsk, dem damaligen<br />
Stanislau, wo Stadion zuerst Dienst tat,<br />
bevor er in Lemberg Gouverneur wurde, enthüllt.<br />
In ganz Galizien wurde<br />
Polnisch zur Amtssprache<br />
1867, kurz nachdem mit dem „Ausgleich“<br />
aus dem Kaiserreich die Doppelmonarchie<br />
geworden war, erhielt auch Galizien<br />
eine Art von Ausgleich im Sinn einer<br />
kulturellen und sprachlichen Autonomie, die<br />
aber vor allem dem polnischen Teil der Be -<br />
völ kerung zugutekam (sie wurde auch aufgrund<br />
einer Loyalitätserklärung der führenden<br />
polnischen Kreise an den Kaiser ge -<br />
währt). Nun wurde Polnisch in ganz Galizien<br />
zur Amtssprache, in der Verwaltung, bei Ge -<br />
richt und im Gymnasium. Die Ruthenen<br />
aber, die schon 1848 eine Gleichheit beider<br />
Landessprachen als Amtssprachen gefordert<br />
hatten, gingen leer aus. Um eine Tätigkeit in<br />
der Verwaltung Galiziens ausüben zu können,<br />
mußte man Polnisch können, was einer<br />
oben: Das Wydubyzkyj-Kloster ist das<br />
älteste Kloster der Ukraine<br />
links: Kosakendenkmal bei Berestetschko<br />
Bevorzugung des Polnischen gleichkam. Es<br />
steht außer Zweifel, daß auch dieser Um -<br />
stand den bereits bestehenden Konflikt zwischen<br />
den beiden größten Nationalitäten in<br />
Galizien nur noch vertiefte. Der Schriftsteller<br />
Iwan Franko (1856-1916), der heute als<br />
der wichtigste Autor der Westukraine gilt,<br />
thematisierte die Benachteiligung seiner<br />
Gruppe, der Ruthenen, in vielen seiner Wer -<br />
ke, so auch in seinen auf Deutsch verfaßten<br />
Beiträgen für die Wiener Zeitung „Die Zeit“,<br />
für die Franko regelmäßig Berichte über die<br />
Zustände in Galizien schrieb.<br />
Ukrainer und Polen kämpften<br />
auf beiden Seiten der Front<br />
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs<br />
wurde Galizien zum Kriegsschauplatz, Mil -<br />
lionen von Menschen, Soldaten und auch Zi -<br />
vilisten kamen dabei ums Leben. Ukrainer<br />
und Polen kämpften auf beiden Seiten der<br />
Front, in russischen wie auch österreichischen<br />
Uniformen, und beiden Gruppen verbanden<br />
mit einem Sieg der Mittelmächte die Hoffnung<br />
auf eine Wiedererstehung des eigenen<br />
Staates. In Österreich durften mit Erlaubnis<br />
des Oberkommandos eigene ukrainische und<br />
polnische Freiwilligeneinheiten aufgestellt<br />
wer den, die ukrainischen Sitsch-Schützen<br />
bzw. die polnischen Legionen, denen bei<br />
Kriegsende große Bedeutung für die Etablierung<br />
der neu gegründeten Staaten zukam.<br />
Zahlenmäßig nicht zu vergleichen mit den<br />
Hun dertausenden von Ruthenen, die in ge -<br />
wöhnlichen österreichischen Uniformen für<br />
Kaiser, Volk und Vaterland kämpften und<br />
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