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Theater KULTUR JOKER 7

Überschäumende Lebensfreude: die „Dragons“ von Eun-Me Ahn

© Sukmu Yun

Fragile Weiblichkeit bei Andrea Peña & Artists in „6.58: Manifesto“

© Lian Benoit

Eun-Me Ahn eröffnete mit ihren tanzenden „Dragons“ das Festival

Das Festival TANZ Bremen mit drei Schwerpunkten und höchst unterschiedlichen Leistungen

Das in der Hansestadt Bremen

Corona-bedingt mehrfach

verschobene und im Mai

dieses Jahres endlich durchgeführte

Festival für Zeitgenössischen

Tanz hatte drei

Schwerpunkte, die zusammen

einen Einblick in die aktuellen

Entwicklungen des Tanzes geben

sollten. Die im ersten Fokus

gezeigten Produktionen

aus Kanada beeindruckten

durch Intensität, Leichtigkeit

und eine unbedingte Hingabe

der Tänzer:innen an die

Ideen ihrer Choreograf:innen.

Die Rubberband aus Montréal

präsentierte in „Ever so

slightly“ eine Hybridform aus

Rockkonzert und Tanzperformance.

Dem Choreografen

Victor Quijada gelingt durch

die Einbindung urbaner, bodennaher

Tanztechniken in

ein szenisches Konzept ein

berührender Tanzabend:

„Vraiment doucement“ –

wirklich sanft kommt dieser

Hip Hop daher, zeigt sich

spielerisch und leicht. Doch

dahinter steckt harte Arbeit

und tägliches Training, das

aus den drei Elementen Hip

Hop, Ballett und Theaterspiel

besteht. Alles fließt und ist

leicht – trotz der verstörenden

Thematik einer instabilen

Gesellschaft – und deshalb

ist diese Choreografie gerade

auch heute aktuell.

Bei Andrea Peña & Artists –

ebenfalls aus Montréal – entstehen

magische Momente: sie

zeigt in drei großen Tableaus

eine Tanzsprache, die in ihrem

repetitiven Minimalismus

eine ungeheuere Faszination

ausübt: Tänzerkörper,

die in ihren transparenten

Kostümen gleichzeitig sinnlich

wie verletzlich wirken, in

einer Rave-Trance, sogartige

Zugewandtheit zu verfremdeten

Walzerklängen und

eine Multi-Emotionalität voller

getanzter Gefühlscluster.

Dabei entstehen Bilder von

ungeheuerer Dichte, ja fast

apokalyptischen Ausmaßes.

Diese und andere interessante

Handschriften aus Übersee

wurden in enger Kooperation

mit dem Canada Council of

the Arts teils zum ersten Mal

in Europa präsentiert.

Ein weiterer Schwerpunkt

war die künstlerische Perspektive

von Frauen auf die

aktuellen Themen. Einfach

wunderbar fröhlich, poppig

und dynamisch-federleicht:

die Koreanerin Eun-Me Ahn

mit ihren tanzenden „Dragons“

in der umjubelten Eröffnungsveranstaltung:

ihre

„Drachen“ – Tänzerinnen

und Tänzer allesamt im Jahr

des Drachen 2000 geboren –

speien nicht Feuer, sondern

Lebensfreude! Sie wirbeln

in langen, schillernden Röcken

über die Bühne, schlagen

Purzelbäume, springen

Salti oder gleiten schwebend

wie freundlich lächelnde asiatische

Engelwesen, denen

die Welt nichts anhaben kann,

durch den Raum. Eun-Me

Ahn ist in der Lage die Tristesse

der heutigen Zeit vergessen

zu machen und inspiriert

mit ihrer Lebensfreude

und Tanzlust!

Andere Choreografinnen,

wie Olivia Hyunsin Kim gehen

eher intellektuell an ihre

Arbeiten heran und riskieren

mit ihrem Anti-Populismus,

vom Publikum gänzlich missverstanden

zu werden. Doch:

wenn dieser Fokus auf die

künstlerische Tätigkeit der

Frauen eines gezeigt hat, dann

ist es das: Frauen können sehr

mutig und radikal sein, vor

allem aber können sie ihre

Mitstreiter:innen zu Höchstleistungen

motivieren, zu

einer physischen und emotionalen

Verausgabung, die das

Publikum restlos begeistert!

Und: tanzende Frauen sind

eleganter, klarer und ausdrucksvoller

als zeitgenössisch

tanzende Männer, denn

sie sind in den meisten Fällen

besser trainiert als ihre männlichen

Kollegen. Vielleicht

sollte den heutigen zeitgenössischen

Choreografen ins

Bewusstsein gerückt werden,

dass ein gewisses Maß an körperlicher

Ästhetik auch freie

Bewegungen hochwertiger

erscheinen lässt.

Die im dritten Schwerpunkt

– neben weiteren Arbeiten

der Bremer Freien Szene –

präsentierte Werkschau von

Bremens Hauschoreograf Samir

Akika und seinen Gästen

zeigte einmal mehr, dass der

Zeitgenössische Tanz zwar

mit durchweg intellektuell

hoch angesetzten Konzepten

aufwartet, wie am Beispiel

der Produktion „Futuralgia“

zu sehen war, es aber an der

künstlerischen Übersetzung

und Verständlichkeit für das

Publikum doch oft fehlen

lässt.

Insgesamt bot das Festival

zusammen mit dem – auch

in der Tanzsparte traditionsreichen

– Bremer Theater

Das Theaterfestival Basel

wird unterstützt durch

eine deutliche Verschiebung

in Richtung Urban Dance.

Zwar ist die Nähe zur tanzenden

Szene in der Stadt und

zum Publikum - wie der mit

Begeisterung aufgenommene

Dance-Battle gezeigt hat - lobenswert,

im Gesamtkontext

darf aber doch wohl gefragt

werden: ist das der Tanz der

Zukunft? Renate Killmann

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