01.07.2022 Aufrufe

flip-Joker_2022-07-8

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

THEATER KULTUR JOKER 5

Diamanda Dramm an der

Solovioline Foto: Ingo Höhn

Dauerschleife der Beliebigkeit

Susanne Kennedy inszeniert am Theater Basel Philip Glass‘ Oper „Einstein on the Beach“ als begehbare Installation/Souveränes

Dirigat des künftigen Freiburger Generalmusikdirektors André de Ridder

Der Opernabend hat noch nicht

begonnen, da wird man am Theater

Basel schon Teil des Geschehens.

Zur digitalen Soundkulisse

bewegen sich seltsam

gekleidete Menschen im Parkett

mit Pultlampen auf dem Kopf,

während die Zuschauerinnen

und Zuschauer Platz nehmen.

Die verstörenden Lotsen weisen

den Weg zur Bühne, suchen den

Kontakt und laden mit durchdringendem

Blick ein, die eigene

Komfortzone zu verlassen. Dass

man während der vierstündigen

Oper „Einstein on the Beach“ von

Philip Glass und Robert Wilson

auf die Toilette gehen oder einen

Drink im Foyer zu sich nehmen

kann, ist von den Autoren so gedacht.

Das Theater Basel geht

aber bei dieser Produktion, die

in Kooperation mit den Wiener

Festwochen und dem Haus der

Berliner Festspiele entstanden

ist, noch einen Schritt weiter.

Das Publikum kann sich frei im

Raum bewegen und die Bühne

bevölkern. Regisseurin Susanne

Kennedy und Bühnenbildner

Markus Selg haben eine begehbare

Installation geschaffen.

Was diese genau darstellt,

bleibt im Ungefähren. Ein erhöhter,

durchbrochener Strahlenkranz

(oder eine Tunnelröhre?)

dominiert einen Versammlungsort.

Auf dessen Rückseite

gibt es einen Wohnbereich mit

Höhle und Papp-Lagerfeuer

und eine Art Kultstätte mit

Stierkopf. Hier essen, beeten,

schlafen und tanzen diese gemusterten

Menschen (Kostüme:

Teresa Vergho), die sowohl in

der Vergangenheit als auch in

der Zukunft verortet werden

könnten. Nur zwei von ihnen

(Frank Willens, Ixchel Mendoza

Hernández) treten mit technisch

verzerrter Stimme ab und zu in

einen sinnfreien Dialog. Auch

die strenge Suzan Boogaerdt

spricht gelegentlich einen englischen

Satz. Die Basler Madrigalisten

gehören ebenfalls zu

diesem Stamm. Warum sie vor

ihrem Gesicht Schutzschilder

tragen, bleibt rätselhaft – wie

so vieles an diesem ausuferndenAbend,

zum Beispiel auch die

digitalen Bildwelten, die über

die beiden Großleinwände flimmern.

Die Fantasielandschaften

entstehen und zerfließen wieder,

ohne dass es Konsequenzen hätte.

Eine Dauerschleife der Beliebigkeit.

Nur das Basler Ensemble Phoenix

im Orchestergraben ist ein

Fixpunkt. Hier entstehen die

sich wiederholenden Tonleitern

und Dreiklangsbrechungen, die

die Minimal Music des amerikanischen

Komponisten kennzeichnen

(souverän an der E-

Orgel: Ludovic Van Hellemont

und Samuel Wettstein). Die

vorzüglichen Basler Madrigalisten

übernehmen die Patterns

mit instrumentaler Perfektion.

Ein Rädchen greift ins andere.

Der designierte Freiburger Generalmusikdirektor

André de

Ridder behält kühlen Kopf und

orientiert sich mit erstaunlicher

Gelassenheit in der Partitur. Die

rechte Hand gibt den Puls vor,

mit der linken zählt er für alle

sichtbar die Wiederholungen.

Die Präzision der musikalischen

Interpretation verblüfft, die heiklen

Übergänge und Schlüsse

gelingen traumwandlerisch sicher.

Vor allem schafft es de

Ridder, die Musik nicht mechanisch

ablaufen zu lassen,

sondern Phrasierungen zu entwickeln.

Diamanda Dramm an

der Solovioline ist ein Ereignis.

Die Sopranarie singt Alfheiour

Erla Guomundsdóttir kristallin

vom Bühnenrand, während ihre

Doppelgängerin Ixchel Mendoza

Hernández, auf Schultern

getragen von ihren Stammesbrüdern

und -schwestern, den

Gesang simuliert.

Es dauert ein wenig, bis das

Basler Publikum das revolutionäre

Raumkonzept annimmt.

Aber nach und nach verlassen

immer mehr ihre Sitzplätze und

verteilen sich auf und hinter der

Bühne, die sich fast unterunterbrochen

langsam dreht. Jeder

einzelne kann sich so seine eigene

Inszenierung von diesem

Abend machen und Details

fixieren oder, auf dem Boden

liegend, meditativ in den Klang

und die Bilderflut eintauchen.

Das theatralische Erlebnis, die

Basler Madrigalisten auf der

Drehbühne aus nächster Nähe

zu hören, sich mit einer hinzukommenden

Performerin einen

Felsen zu teilen und dabei die

langsam vorbeiziehende Theaterwelt

auf sich wirken zu lassen,

ist enorm. Aber das Konzept

von Susanne Kennedy und

Markus Selg verhindert auch

eine Fokussierung und bringt

Unruhe mit sich. Szenen werden

von Zuschauern störend kommentiert,

ständig latscht jemand

ins Blickfeld. Auch zwei herumstreunende

Zwergziegen sorgen

für Ablenkung. Die Musik

bräuchte aber diese szenische

Verdichtung, um ihre meditative,

trancehafte Wirkung entfalten

zu können und am Theater

Basel die Spannung über die

dreieinhalb Stunden zu halten.

Das gelang der Oper Genf vor

drei Jahren in der suggestiven,

bildstarken Inszenierung von

Daniele Finzi Pasca besser. Magie

entfaltet die Basler Produktion

keine. Ein ungewöhnliches

Musiktheatererlebnis bietet dieser

„Einstein on the Beach“ aber

auf jeden Fall.

Weitere Vorstellungen: 1.-3.

Juli 2022: Haus der Berliner

Festspiele.

Georg Rudiger

OPEN AIR

KINO

08.7

17 Uhr Spiel & Animationen

20 Uhr Saisonvorstellung 22/23

~22 Uhr Filmvorführung

Asterix & Obelix: Mission Kleopatra

von Alain Chabat

Auf Französisch, mit deutschen Untertiteln

09.7 Sputnik

von Markus Dietrich

Auf Deutsch, mit französischen Untertiteln

kostenlos - ab 22 Uhr

auf dem Vorplatz

weitere Infos auf

www.artrhena.eu

15.7 303

von Hans Weingartner

Auf Deutsch, mit französischen

Untertiteln

16.7 Unterwegs mit

16.7Jacqueline

von Mohamed Hamidi

Auf Französisch, mit deutschen

Untertiteln

in Vogelgrun - 25 min von Freiburg

neben Breisach am Rhein

22.7 Alles außergewöhnlich

von Olivier Nakache

& Éric Toledano

Auf Französisch, mit deutschen

Untertiteln

23.7 Amélie rennt

von Tobias Wiemann

Auf Deutsch, mit französischen

Untertiteln

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!