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nachhaltig KULTUR JOKER 41

Feier-Abend! Die letzten 3 AKW werden abgeschaltet

Wenn Politik und Medien Nebelkerzen werfen, wenn Ahnungslosigkeit nur vorgetäuscht wird, lohnt ein Blick hinter die Kulissen.

Als Stromkonzernchef muss

man doch verzweifeln, ständig

werden die Geschäftsmodelle

infrage gestellt, bei denen die

lästigen, kleinteiligen Bürger-

Projekte außen vor bleiben und

nur einige wenige viel Geld verdienen

können. Zentralistische

Großkraftwerke, also Kohle,

Atom und Gas-Infrastruktur, die

einem nicht von Bürgerinitiativen

streitig gemacht werden. So

hockt man als Spinne im Netz,

akkumuliert Geld und Macht, um

mit Geld und Macht wiederum die

Bedingungen zu kontrollieren, die

mehr Geld in die eigenen Kassen

spülen und weitere Marktmacht

sichern. Der Atomausstiegsbeschluss

im Fukushima-Jahr 2011

war schon ein harter Schlag für

alle, die in diesen Strukturen

denken. Er wurde mit holperigen

Ausstiegs-Stufen so konstruiert,

dass in den letzten beiden

Abschaltjahren, 2021 und 2022,

steile Klippen Ausstiegsprobleme

vorprogrammieren. Und es wurde

auf dem Weg zum Ausstiegsjahr

2022 mithilfe der Verbündeten in

Politik und Behörden der Ausbau

der Erneuerbaren nach Strich und

Faden behindert, um nun lauthals

die Versorgungsprobleme zu

bejammern. Mit einer schwarzgelben

Regierung hätte man den

Rollback organisieren können,

wie damals, vor Fukushima, aber

es ist im September 2021 bekanntlich

anders gekommen.

Nachdem dann auch noch ein

Kohleausstiegspfad beschlossen

wurde – übrigens ebenso holprig

konstruiert und mit den gleichen

Fallhöhen am Ende der Stufen,

wie beim Atomausstieg – blieb

als zentralistisches Geschäftsmodell

nur noch das Erdgas. Der

breiten Öffentlichkeit blieben die

Vorbereitungen für eine Erdgas-

PR-Offensive verborgen, doch

in diesen Kontext gehört sowohl

Peter Altmaiers Kapriole, sich

als „Sexy-Erdgas-Botschafter“

zu inszenieren – in seiner Eigenschaft

als Wirtschaftsminister

– als auch die Strompreis-alarmistischen

Presse-Offensiven

im Herbst 2019. Man wollte es

mal wieder den Erneuerbaren in

die Schuhe schieben. Dumm für

die Gas-Lobby, dass zeitgleich

und auf der Grundlage derselben

Daten (!) die Strompreisstudie

der Uni Nürnberg/Erlangen belegte,

dass die Erneuerbaren den

Verbraucher:innen Milliardenbeträge

erspart haben. Ohne Solarund

Wind-Strom wäre man auf

– schon damals teure – Gaskraftwerke

angewiesen gewesen, das

hätte die Strompreise tatsächlich

getrieben.

Nun also jammern nur noch

einige dienstbeflissene Atom-

Lautsprecher wie Merz, Lindner,

Söder oder Kretschmer, während

die drei Betreiber der letzten

drei AKW den Ausstieg zum

31.12.2022 im Detail durchgeplant

haben.

Brennstäbe können nicht einfach

irgendwo gekauft werden

Der RWE-Chef Markus Krebber

wundert sich über die „rückwärtsgewandte

Debatte“ und „vor

allem über den Zeitpunkt“, es sei

zu spät. Die Personalplanung ist

auf den Abschalttag zugeschnitten,

den Brennstoff kann man

nicht bei Aldi kaufen, die Brennelemente

werden speziell für das

AKW konfektioniert und auch

eine Abkehr von russischen Lieferanten

innerhalb der Lieferkette

vom Uran bis zum Brennelement

ist mit Genehmigungsaufwand

verbunden. Eons Atomtochter

PreussenElektra bekannte noch

im März, sich in russische Abhängigkeiten

begeben zu haben. Das

2007 vom Ex-Geheimdienstler

Putin gegründete, staatliche Konzern-Konglomerat

Rosatom verfolgt

genau diesen Zweck, nämlich

sich wie eine Krake in der

internationalen Atomwirtschaft

auszubreiten und so sensible Abhängigkeiten

zu organisieren. Die

360 Rosatom-Firmen decken die

gesamte Palette vom Uran-Bergbau

über Kernbrennstoff-Produktion,

Forschung, AKW-Bau

und Betrieb, Atomwaffen und

Atomantriebe für U-Boote und

andere Kriegsschiffe ab. Kein

Wunder also, dass auch russische

Atom-Lobbyisten in Brüssel die

Strippen für ein grünes EU-Label

für Atomkraft ziehen. Wer begriffen

hat, wie Moskau Europa

am nuklearen Gängelband hält,

möchte die Laufzeit-Prediger

einfach nur schütteln, egal ob ihre

Ahnungslosigkeit echt oder nur

vorgetäuscht ist. Die strategische

Ahnungslosigkeit all der Landesfürsten

und Partei-Kaiser soll

darüber hinwegtäuschen, dass

sie nackt sind und gerne davon

ablenken möchten, dass sie keinerlei

Lösungsvorschläge parat

haben, für all die Krisen, in die

sie uns hineinmanövriert haben.

Das Atomgesetz wird nicht

geändert

Der Kraftwerksleiter vom

bayrischen AKW Isar2 drängte

jüngst mit Vorschlägen in die

Medien, wie man den Ausstieg

in Bayern doch noch rückgängig

machen könne. Man müsste

halt das Atomgesetz ändern

und alles über den Haufen werfen

– natürlich auf Kosten der

Steuerzahler:innen. Ende Juni

meldete sich dann sein Chef,

der Eon-Vorstandsvorsitzende

Leonard Birnbaum zu Wort. In

einem Brief an die Belegschaft

der Atomkraft-Tochter PreussenElektra

stellte er klar, dass

die Entscheidung der Bundesregierung

respektiert wird. „Ich

kann mir vorstellen, dass sich der

eine oder andere von Ihnen Hoffnungen

gemacht hatte, dass es

für die Kernenergie für eine Zeit

lang als Übergangslösung doch

noch etwas weitergeht“, aber das

AKW Isar 2 geht im Dezember

vom Netz.

Die Atomtraumtänzer werden

also noch eine Weile strampeln,

um mediale Aufmerksamkeit

buhlen, das tote Atompferd durch

die Manege zerren, bis wirklich

der letzte Depp begriffen hat, dass

unter den gegebenen Vorzeichen

keine Änderung des Atomgesetzes

ihren Traum von der ewigen

Laufzeit erfüllen wird. Nicht

nur das bayrische AKW Isar 2,

auch die AKW von RWE in Lingen

(Niedersachsen) und EnBW

in Neckarwestheim (BW) werden

am 31.12.2022 abgeschaltet, wie

die beiden Konzerne mehrfach

bestätigten. Beide haben jüngst

wieder mit Lecks für schlechte

Presse gesorgt.

Atomausstieg by design oder

by desaster?

Schon jetzt zeichnet sich im

Die Abbildung zeigt, dass die Fehler im Atomausstiegs-Fahrplan

vorsätzlich eingebaut wurden, um die Basis für Laufzeitverlängerungen

zu schaffen. Bemerkenswerter Weise ist der

Kohleausstiegs-Pfad exakt so unstetig geplant, mit großen Klippen

am dicken Ende.

Abb.: Eva Stegen

Atom-Nachbarland Frankreich

ein Debakel für den kommenden

Winter ab, das bestätigen

wird, wie richtig es ist, sich mit

Erneuerbaren unabhängig von

fossil-nuklearen Brennstoffen

zu machen. Der jahrelange, kreative,

facettenreiche, beharrliche

Widerstand gegen die Atomkraft

zahlt sich aus. Jeder und jede, die

ihren Teil dazu beigetragen hat,

soll bei einer Ausstiegsradtour

mit anschließendem Abschaltfest

gewürdigt werden. Es war nicht

die Heldentat eines einzelnen,

sondern das erfrischend chaotische

Zusammenspiel aller, die

irgendwo einen Hebel in die richtige

Richtung geschoben haben.

Wer die ausgestrahlt.de-Radtour

vom 13. August bis zum 3.

September, von Kahl/Main nach

Freiburg, entlang der neuralgischen

Punkte des atomaren

Südens in und um Deutschland

ganz oder stückchenweise begleiten

möchte, findet das Programm

unter https://www.ausgestrahlt.

de/aktiv-werden/anti-atom-radtour-2022/anti-atom-radtoursued.

Auf der letzten Etappe, von

der Wiege des Atom-Protestes in

Wyhl nach Freiburg, freuen sich

die Radler:innen auf der 35 km

langen Strecke auf freundliche

Begleiterscheinungen auf Rädern.

Sie alle werden in Freiburg

ab 14 Uhr auf dem Platz der alten

Synagoge zu einem familienfreundlichen

Anti-Atom-Fest, mit

Musik, Kultur, Getränken und

Snacks empfangen.

Ab 18 Uhr wird in der Fabrik

an der Habsburgerstraße weiter

gefeiert. Bei Abendessen und Getränken

gibt es im Hof ein kleines

Kulturprogramm, im Vorderheus

spielen Bands, die Fahrradwerkstatt

wird zur Disko und im Kinoraum

werden Kur z filme ge zeig t.

Eva Stegen

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