Blogtexte2022_1-Halbjahr
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Wir verstehen die moderne Wartung am
Flugzeug. Diese sympathischen Schilfschnitter
hatten (aus ihrer Not heraus) die gegenteilige
Einstellung dazu: Wenn ein Flugzeug
auf Herz und Nieren geprüft wird, kann man
sicher sein, dass es schließlich fliegt. Die
Wartung der Einzelteile erfolgt nach einem
Plan, der dem extremen Anspruch an die
Sicherheit genügt, die der moderne Mensch
erwartet. Manche reden vom „learning by
doing“, und genau das wollen wir beim
Fliegen nicht. Die Zeiten nach dem Motto
„hoffentlich kommen wir an“ sind vorbei. Ein
Flugzeug wird geprüft, und dann fliegt es.
Stürzt es trotzdem ab, war es ein Pilotenfehler.
Konstruktive Mängel sind die absolute
Ausnahme, Wartungsfehler kommen fast
nie vor.
Anders diese Maschine, die vermutlich ein
Eigenbau gewesen ist, auf der Basis eines
anderen Fahrzeuges, das es so heute nicht
mehr gibt. Die Arbeit kann nur geschehen,
wenn Schilf geerntet werden kann. Es wäre
durchaus schilferntefreie Zeit für eine
gründliche Wartung. Ich kenne mich ein wenig
aus, zwar verstehe ich vom Reet nichts
als Dachdecker, aber ich kann schreiben und
zeichnen mit dem schönen Material. Von
meinem lieben Professor Martin Andersch
lernte ich: „Rohrfedern schneidet man von
November bis März.“ Das ist vermutlich die
Zeit, in der unerschrockene Mannen durch
das Matschland ackern, ihre Stängel zu
ernten. Die übrige Zeit steht der seltsame
Apparat im Schuppen. Da würde er auch
inspiziert, meinte der Schilfbauer fröhlich
und gegebenenfalls repariert.
„Maschine geht nur kaputt beim Fahren.“
Ein schöner Satz, aus dem Munde von einem,
der gerade sein Leben genauestens kennt.
Das andere Geschehen, das ich kürzlich sah,
diese Doku befasste sich mit dem Nutzen
von Atemtechniken. Ich möchte also etwas
erzählen, das so jedenfalls nicht zusammen
berichtet im Fernsehen kam. Dort hatte das
Eine mit dem Anderen nichts zu tun.
Das Apnoetauchen wurde gezeigt.
Hier weniger, um das Unterwassererlebnis
zu schildern. Es ging um die Gesundheit,
wie gesagt die menschliche Atmung, als ein
Lernfeld, Besserung für manches Leiden. Des
Weiteren wurde im Film eine Lungenklinik
und ein Sanatorium besucht, wo früher
einmal luftkurortliche Heilung durchgeführt
wurde und ähnliches an Therapie heute wieder
stattfindet, das dort schon im beginnenden
zwanzigsten Jahrhundert geübt wurde.
Es bedeutete unter anderem, Asthmatikern
das Alphornblasen beizubringen, weniger
die Musik; junge Menschen sollten spielerisch
zu atmen lernen (auf einer Almwiese).
Beim Unterwassergeschehen meinte eine
Frau, die es nun gut konnte mit dem Apnoetauchen,
die früher anderweitig in Behandlung
gewesen war:
„Wer depressiv ist, kann nicht tauchen.“
Mir fällt jetzt einiges dazu ein.
Das moderne U-Boot unserer Kriegsmarine
entspricht dem Flugzeug, was den Standard
der Wartung betrifft. Geschieht ein Unglück,
war es ein Fehler der Bedienung. Bevor wir
uns an Bord unserer hochtechnisierten Konstruktionen
der Luft oder dem Wasser anvertrauen,
sind Menschen in der Lage, Bedingungen
zu schaffen, in denen diese Reisen
sicher stattfinden. Eine Bewegung durch die
Luft oder unter dem Meer ist das Fahren im
besonderen Medium und speziellen Modus
der Apparatur wie auch eine zeitliche Vorwärtsbewegung.
Wir starten irgendwo, und
nach einiger Zeit kommen wir im Hafen oder
am Flugplatz an. Währenddessen müssen
wir uns auf eine Weise verhalten, die noch
zusätzlich dazu, dass wir ein funktionelles
Flug- oder Tauchgerät nutzen, Sicherheit
gewährleistet. Das bedeutet, nur mit einem
ausgebildeten Kapitän oder Piloten, der eine
ganze Reihe von Verhaltenspflichten befolgt,
kommt das (vor dem Start per Checkliste
geprüfte) Fortbewegungsmittel sicher an.
Zusammengefasst: Ein gewartetes und
deswegen funktionelles System wird nach
den Regeln dieser Kunst, es zu führen, in
eine teilweise planbare Zukunft geführt. So
sollte auch der Einzelne sein menschliches
Dasein begreifen und sich ins Morgen vor
die Haustür begeben. Dazu müsste gelehrt
werden oder mit der Muttermilch anerzogen,
wie das individuell funktioniert. Hier könnten
Menschen noch besser werden. Viele
verstehen sich gut genug, um als Mercedes
zu gelten, der kleinere Blessuren leicht korrigiert.
Nicht wenige gehen durch ihr Leben,
ohne zu wissen wie und sind zufrieden. Ein
Teil aber kommt nicht klar. Im Sinne der
undurchführbaren Wartung an der ominösen
Erntemaschine leben viele nach dem Motto
„geht nur kaputt
beim Fahren“ und
das heißt wohl in
etwa: „Wer sich
selbst nicht kennt,
hat die Vorsorge
verpennt.“
Wenn ein Flugzeug
damit fertig
ist zu fliegen,
die Passagiere
an den Bestimmungsort
brachte,
verlassen auch
der Pilot und das
Personal die Maschine. Danach steht der
Flieger aber nicht einfach rum bis nächste
Woche Dienstag, um dann wieder von den
Menschen benutzt zu werden für einen Flug
nach Denver oder so. Unser Auto sind wir
gewohnt abzustellen, und vergessen den
Wagen einige Zeit in der Garage oder dort,
wo das Fahrzeug eben parkt. Manchmal ist
der TÜV dran, und eine Inspektion sollten
wir gelegentlich durchführen. Beim Fliegen
sind die Anforderungen höher. Ist das
Fluggerät am Boden, kommen die kleinen
Heinzelmännchen der Wartung, bildlich
anzuschauen ähnlich den Liliputanern, die
rund um den am Boden liegenden Gulliver
krabbeln und auf den gefangenen Riesen
mittels Leitern steigen, nachdem sie ihn
angebunden haben. Werden Flugzeuge
festgebunden, damit sie nicht von selbst zu
starten beginnen und davonfliegen, wenn
sie eigentlich schlafen sollten wie andere
Leute? Boote im Hafen binden wir Segler an.
Gulliver wurde von den kleinen Bewohnern
der seltsamen Welt gefesselt. Manchen
Menschen würde gut tun, festgehalten zu
sein, wenn sie des Nachts oder sonst, wenn
eigentlich gar nichts zu tun ist, keine Ruhe
finden.
Eigentlich eine gute Zeit, sich mit dem
Nichtstun zu beschäftigen.
Manche können sich nicht entspannen.
Muskel- und überhaupt Körpermasse zu
Boden sinken lassen, wenn wir still auf dem
Rücken liegen und eigentlich alles, was für
diese Nichttätigkeit des Liegens unnötig ist,
der Schwerkraft noch entgegenzustemmen,
kann man üben. Menschen könnten lernen,
darauf zu achten wie die Luft in die Bronchien
ein- und wieder hinausströmt, wenn
gerade nichts Wichtigeres zu tun ist. Unser
Apparat fliegt zwar nicht, aber das System
bleibt auch in Ruhepausen aktiv und wartet
sich quasi selbst. Die Liliputaner sind nicht
außen dran und binden uns. Wir können
aber behaupten, dass weiter Tätigkeiten im
Leib, den Gliedern und im Gehirn vorgehen,
wenn wir gerade keiner Aktion das Ziel
vorgegeben haben. Insofern rennen kleinste
Mannen durch innere Kanäle und sind mit
dauerhafter Pflege beschäftigt. Alles was
nützt, nehmen wir gern hin.
Raumgewinnende Zellveränderung erkennen
wir hingegen als Krankheit und nennen sie
Krebs. Die entzündlichen Vorgänge der Multiplen
Sklerose sind wie schubweise aufbrechende
Brandherde, innere Kriege, die totes
Terrain zurücklassen. Dann merken welche,
dass etwas nicht stimmt. Das meiste im System
sind erwünschte Arbeiten, die unauffällig
und autonom ablaufen. Wir schlucken das
Essen runter und achten kaum darauf, was
rund um die Speiseröhre geschieht dafür.
Wir verdauen, und das macht der Mensch so
nebenbei. Wir merken es erst, wenn wir auf
das Klo müssen. Manche nehmen sich kaum
die nötige Zeit, genüsslich abzudrücken und
den Hintern zu säubern. Vieles läuft immer
weiter: Die Atmung schalten wir nicht ab.
Unser Herz schlägt, und noch viel mehr
geschieht, wovon wir wenig Ahnung haben.
Es wird von Vorsorge geredet, man ginge
zum Arzt wegen dem Krebs oder so. Das
meine ich gar nicht. Was vielen zu lernen
nützte, wäre ihr ganz individuelles
Seelenkostüm als Haut des Apparats zu
begreifen, dessen Ausbuchtungen sehr wohl
im persönlichen Einflussbereich liegen. Die
Muskulatur in der alltäglichen Bewegung
bewusst zu gebrauchen, könnte helfen, sich
besser zu verstehen. Darum ging es ja auch
in der Atemdoku.
Ein weiteres Beispiel: Mit ganz einfachen
Mitteln kann ein Mensch ohne große Hilfsmittel
fliegen oder tauchen. Es gibt Gleiter,
die Geübte wie Ikarus zu Tal segeln lassen.
Kaum mehr als dünne Flügel, denen man
sich bedient, beinahe wie ein Vogel durch
die Luft zu sausen. Tauchen und lange die
Luft anzuhalten, ist eine Technik, die ein
Mensch mit sich selbst benutzt. Insofern
fliegt und taucht er wie sein eigener Apparat
(wenn auch zeitlich begrenzt) in einem Medium,
das dem Gewöhnlichen fremd bleibt.
Bevor ein Schüler das wagt, wird man ihm
eine Ausbildung geben. Vor dem Tauchgang
ist es nötig, die Atmung korrekt einzustellen,
sich selbst in mancher Hinsicht einzuüben,
um lange die Luft anhalten zu können oder
eben die vorgeschriebenen Dinge zu tun, damit
wir sicher einen ultraleichten Gleitflug
hinbekommen. Das entspricht der Wartung
des Systems Mensch wie sonst bei einem U-
Boot oder Flugzeug als größerem Konstrukt.
Einfach mal so, kann keiner sicher tauchen
Mrz 17, 2022 - Rad ab? 46 [Seite 45 bis 47 ]