Blogtexte2022_1-Halbjahr

22.06.2022 Aufrufe

Neue Weltordnung27 Feb, 2022Unsere Leben sind endlich, auch die Präsidentschaftvon Wladimir Putin wird nichtewig dauern. Von einer neuen Weltordnungist die Rede nach dem Angriff auf dieUkraine. Plötzlich glauben einige, dass derrussische Präsident am Ende ist. Das ist neu.Jeder, den es angeht und wer wichtig genugist, konsultierte den aktuell Gefährlichsten,um das Schlimmste zu verhindern. Putin tratimmer stark auf. Gute Haltung, Festigkeitund Vitalität sind sein Markenzeichengewesen. Vorbei ist es mit seiner souveränenAnsprache. Wirre Rhetorik voller Hass.Züge, die manche bereits früher bemerkthaben wollen, treten offen zutage. Fachleuterätseln, und alle fragen sich, waskommt, wo geht das hin? Das machtAngst. Wir begreifen, da fühlt sichjemand nicht ernst genommen und istbereit, seinen Machtapparat gegen einganzes Land loszulassen, tut das tatsächlich.Der unvorstellbare Krieg istwieder da. Was für ein blöder Grundanzufangen für einen Intelligenten,als den man den mächtigen Russengekannt hat, und nur für Narzisstennachvollziehbar. Immer mehr rückenab vom Präsidenten. Was tun seineOligarchen?Man darf sich fragen, ob WladimirPutin im pathologischen Sinn krankist, kann darüber nachsinnen, ob die Natound der Westen besser auf die BefindlichkeitenRusslands geachtet hätten. Was jetztgeschieht, ist eine Katastrophe für alle. Eswerden Helden geboren, das ist die guteNachricht. Russland wird ein weiteres Malwie nach dem Zerfall der Sowjetunion vonder Wahrheit heimgesucht. Die russischenSoldaten stoßen in der Ukraine nicht aufein Naziregime, da sind keine Menschen zubefreien. Die Armee sei mit erbittertem Widerstandkonfrontiert, heißt es. Da kämpfenwelche, die, da hatte Putin nicht Unrecht,wie Brüder der Russen sind, gegen dieSoldaten, denen ihr Präsident ein Feindbildgeschaffen hat, das nicht real ist. Wieder einKrieg, der nicht gewonnen werden kann. DerLichtstreifen am Horizont ist das Einsickernder Wirklichkeit in ganz Russland, kann nochder furchtbare Blitz einer großen Bombesein, die schließlich zündet. Jede auch füreine Zeit unangefochten scheinende Machtkommt schließlich zum Ende.:)Feb 27, 2022 - Neue Weltordnung 26 [Seite 26 bis 26 ]

Hornblower27 Feb, 2022Wieder kommt mir Hornblower in den Sinn.Schon einmal habe ich diesen Bezug zurGegenwart gesehen, und zwar als DonaldTrump zum Präsidenten der VereinigtenStaaten von Amerika gewählt wurde. Schnellkam die Frage auf, was mit dem los sei? Soetwas „hatten wir noch nicht“ und „der Mannspinnt“, waren bekanntlich die ersten Reaktionen.Bald kamen Psychiater zusammen, denAmerikaner – ohne ihn zu treffen verstehtsich – allein aus der Beobachtung der Medien,analytisch zu bewerten. VerschiedeneGeisteskrankheiten und Verhaltensauffälligkeitenattestierte man dem Populisten.Exponiert ist Trump allemal, und auffallenmuss man als Präsident. Andernfalls wirdman keiner.So absurd sich dieser Mann an der Spitzeder USA auch gegeben hat, klar ist, dass dieseextrovertierte Persönlichkeit genügendVerstand besitzt, weiter mitzumischen, auchwenn er die Wiederwahl vermasselte, wasdrüben selten ist. Eine der faszinierendstenRegeln der amerikanischen Demokratielautet, dass man nur zwei Mal Präsident seindarf. So etwas wie den langjährigen KanzlerHelmut Kohl bei uns oder das ihm nachfolgende,von den Deutschen so geliebte„Mädchen Angela“ mit ihren überlangenKanzlerschaften, kann es in den VereinigtenStaaten nicht geben, weil nach zwei gewonnenenund durchregierten Perioden einanderer aufgestellt werden muss. WladimirPutin könnte sich dort nicht wie ein Zareinnisten und bleiben. Dass es in Russlandmöglich geworden ist, besorgt manche nichterst seit der Eskalation in der Ukraine. Wirhaben uns gern täuschen lassen, wenn wirden starken Politiker in den Medien gesehenhaben. Immerhin sei der frühere BundeskanzlerGerhard Schröder mit ihm befreundet,heißt es.Wladimir Putin äußerte sich angeblichüber Trump, der sei „in echt“ ganz andersals im Fernsehen. Zwei, die sich mögen?Der französische Obelix ist ja auch so einer,der gern den Russen besucht hat, und mitSchröder finden wir noch einen extrovertiertenFreund im Bund. Passt doch, mögeneinige gedacht haben. Ich jedenfalls gehörezu denen, die Gefallen dran finden, wennlaute, kraftvolleund authentischeMenschensich gegenseitigRespekt erweisen.Das schien mir hierder Fall zu sein. Ichblieb gern blind aufeinem Auge, wenndie Demokratie inRussland missachtetwurde, sogar dieAnnexion der Krimhat mich kalt gelassen.Das „war immerunser“, meinte eineliebe Bekannte zumir. Natascha istaus der Gegendvon Omsk oderso (kaltes Sibirienjedenfalls), und sie ist wirklich klug. Einestarke Frau. Viele Russen vertrauen ihremPräsidenten mit dieser ihnen eigenen Blindheit,über manches hinwegzusehen, das beiuns undenkbar funktionierte. Jetzt hat sichdaran etwas geändert. Während ich nachwie vor an den Verstand von Donald Trumpglaube, der ganz offensichtlich den menschenverachtendenSturm auf das Kapitolanschob, teile ich die Befürchtungen einiger,die bemerkt haben wollen, dass mit Putinetwas nicht stimme.# Das macht AngstIch denke an Adolf Hitler, seinen sogenanntenNero-Befehl, verbrannte Erdezurückzulassen. Das beschreibt diesen Wahn,wenn der erhoffte und anvisierte Endsiegnicht hinzubekommen sei, hinterlasse mandem Feind nur Schutt und Asche. War derdeutsche Diktator, schlimmer als Napoleonoder Mussolini, krankhaft bösartig? Dasdeuten Fachleute an. Neulich kam etwas imFernsehen. Eine Doku ging der Überlegungnach, inwieweit Hitler eine vorbelastete Persönlichkeitgewesen ist. Man führte Inzuchtin der Familie an, und es ließen sich Belegedafür finden. Der Vater war jähzornig undtrank, so dass man annehmen könne, SohnAdolf hätte eine traumatische Vorgeschichtegehabt, hieß es. Dann gab es als ein weiteresDetail, was sich gut in eine verstörendeBiografie einreihen ließ, die wenigen Belegedafür, dass der junge Hitler sexuell gedemütigtworden wäre. Und zwar von seinenKameraden zur Zeit des Ersten Weltkrieges,den der spätere Führer als einfacher Soldaterlebte. Die Doku probierte aufzuzeigen, derFührer habe ein operativ nicht verschließbaresLeck „untenrum“ gehabt, sei inkontinentgewesen. Das, und die frustrierende Zurückweisungan einer Kunstschule, auf die derjunge Mann gern gegangen wäre, zusammenmit der Familiengeschichte, mochte demHistoriker eine These geben, Hitler hättegute Gründe gehabt, die Welt als nichtnormal anzusehen und berechtigten Hasspflegen können. Die Unabänderlichkeit dererfahrenen Kränkungen nagten am Führerund nährten narzisstische Ideen.Mir hat das gefallen zu hören: Zeigt es doch,dass Wahnsinn nicht von ungefähr kommt.Ich empfinde meine Mitmenschen nur zu oftals verletzend. Als noch schlimmer nehmeich wahr, dass nicht wenige sich selbstgerecht,geradezu unbeeindruckt stumpf undunbewusst ihrer Gemeinheiten breit machen.Das stützt meine Ansicht, die Umgebungkränkt nicht wenige,begünstigt traumatischeLebensläufe.Andere mögenähnlich empfinden.Das lässt als Schlussnur zu, dass wir allenicht selten fies undherzlos über unsereNächsten hinweggehen.Mit demUnterschied, dassmanche sich selbstweniger verletzenlassen und andereextrem vulnerabelreagieren. Der Ansatzzu helfen muss alsosein, Menschen davonabzubringen, demRat zur Nächstenliebeauf eine Weise zu folgen, die sie krankmacht. Andernfalls wird der Wunsch, sichschließlich einmal zur Wehr zu setzen, aufzerstörende Weise frei. Gedemütigte müsstenlernen, ihre Kräfte in motivische Bahnenzu lenken, die ihrem Umfeld nützen wieihnen selbst.Man muss kein Facharzt sein, um diesefurchtbare Zeit des Zweiten Weltkrieges unddas Gebaren des Führers als bösartig undkrank zu bewerten. Vor Ort und damals wardie Masse jedoch kollektiv davon überzeugt.Viele geschichtliche Dokumente und Filmmaterialzeigen, dass der deutsche Führerdie Menschen begeistert hat. Selbst welche,die Hitler als Person infrage stellten, warenüberzeugt, dass Deutschland nach dem verlorenenersten Krieg mit einem zweiten zuverdienter Größe zurückfinden müsse. Auchnachdem dieser zweite Krieg verloren war,blieben nicht wenige dem bösen Denkentreu. Sie sahen ihre Zeit keinesfalls aus derPerspektive, die wir gewohnt sind. Heute erstauntdie Einschätzung nicht weniger, die inihrer zertrümmerten Heimat Berlin von denAmerikanern und Briten gefragt wurden, wiedas mit Hitler gewesen wäre? Als es wiederaufwärts ging und der Schuttberg kleinerwurde, es guten Kaffee gab, amerikanischeFeb 27, 2022 - Hornblower 27 [Seite 27 bis 29 ]

Neue Weltordnung

27 Feb, 2022

Unsere Leben sind endlich, auch die Präsidentschaft

von Wladimir Putin wird nicht

ewig dauern. Von einer neuen Weltordnung

ist die Rede nach dem Angriff auf die

Ukraine. Plötzlich glauben einige, dass der

russische Präsident am Ende ist. Das ist neu.

Jeder, den es angeht und wer wichtig genug

ist, konsultierte den aktuell Gefährlichsten,

um das Schlimmste zu verhindern. Putin trat

immer stark auf. Gute Haltung, Festigkeit

und Vitalität sind sein Markenzeichen

gewesen. Vorbei ist es mit seiner souveränen

Ansprache. Wirre Rhetorik voller Hass.

Züge, die manche bereits früher bemerkt

haben wollen, treten offen zutage. Fachleute

rätseln, und alle fragen sich, was

kommt, wo geht das hin? Das macht

Angst. Wir begreifen, da fühlt sich

jemand nicht ernst genommen und ist

bereit, seinen Machtapparat gegen ein

ganzes Land loszulassen, tut das tatsächlich.

Der unvorstellbare Krieg ist

wieder da. Was für ein blöder Grund

anzufangen für einen Intelligenten,

als den man den mächtigen Russen

gekannt hat, und nur für Narzissten

nachvollziehbar. Immer mehr rücken

ab vom Präsidenten. Was tun seine

Oligarchen?

Man darf sich fragen, ob Wladimir

Putin im pathologischen Sinn krank

ist, kann darüber nachsinnen, ob die Nato

und der Westen besser auf die Befindlichkeiten

Russlands geachtet hätten. Was jetzt

geschieht, ist eine Katastrophe für alle. Es

werden Helden geboren, das ist die gute

Nachricht. Russland wird ein weiteres Mal

wie nach dem Zerfall der Sowjetunion von

der Wahrheit heimgesucht. Die russischen

Soldaten stoßen in der Ukraine nicht auf

ein Naziregime, da sind keine Menschen zu

befreien. Die Armee sei mit erbittertem Widerstand

konfrontiert, heißt es. Da kämpfen

welche, die, da hatte Putin nicht Unrecht,

wie Brüder der Russen sind, gegen die

Soldaten, denen ihr Präsident ein Feindbild

geschaffen hat, das nicht real ist. Wieder ein

Krieg, der nicht gewonnen werden kann. Der

Lichtstreifen am Horizont ist das Einsickern

der Wirklichkeit in ganz Russland, kann noch

der furchtbare Blitz einer großen Bombe

sein, die schließlich zündet. Jede auch für

eine Zeit unangefochten scheinende Macht

kommt schließlich zum Ende.

:)

Feb 27, 2022 - Neue Weltordnung 26 [Seite 26 bis 26 ]

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