LERNEN MIT ZUKUNFT Juni 22
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ner Mistplatzes ohne Schwierigkeiten zu detektieren.<br />
So ein Wiener Müllplatz kann groß sein. Es gibt verschiedene<br />
Stationen, wo sie alle Arten von Müll deponieren<br />
können. Aber es gibt auch Bereiche, wo sie zum Beispiel<br />
Kompost für den Garten, torffreie Erde oder sogar gelesene<br />
Bücher – mitnehmen können. Wenn sie wollen. Weil<br />
ein Müllplatz umsichtig organisiert ist, muss auch darauf<br />
geachtet werden, dass alle Personen, die etwas auf den<br />
Mistplatz bringen oder von dort holen wollen, für sich und<br />
ihr Deponiervorhaben genug Platz haben und einander<br />
nicht in die Quere kommen.<br />
Die beste aller Ehefrauen (nicht nur gelernte, sondern<br />
auch geborene Österreicherin) fand den Platz der WÖLIs,<br />
gemäß der Unterweisung der Eingangskontrolle, auf<br />
Anhieb. Weil das Fahrzeug, mit dem die WÖLIs hingeführt<br />
wurden, nicht leichthin abzustellen war, parkte sie es<br />
direkt auf der markierten Fahrspur. Ich befürchtete schon<br />
das Schlimmste. Doch als der nächstanfahrende Lenker<br />
fraglichen Engpass erreichte, wich er hinderungsfrei über<br />
den Raum aus, der für das Einparken eines mittelgrossen<br />
Pkw zu klein bemessen war. Gelernt: Live and let live ist<br />
keine leere Parole. Am Mistplatz lässt jeder jeden leben.<br />
Kleinere Regelverstöße werden mit der gebotenen Toleranz<br />
großzügig übersehen. Das Abladen von Müll wird mit<br />
der gebotenen Ruhe und Sorgfalt erledigt. Dabei kommt<br />
es vor, dass an sich unbekannte Menschen, miteinander<br />
locker ins Gespräch finden. Ob sich daraus auch schon<br />
tiefergehende Freundschaften entwickelt haben, entzieht<br />
sich meiner Kenntnis. Ausschließen kann und will ich es<br />
nicht.<br />
Überhaupt macht die MA48 und ihre Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter nicht nur auf ihren 13 Mistplätzen in<br />
Wien einen hervorragenden Job. Die MA48 sorgt ebenfalls<br />
dafür, dass in ganz Wien jede Woche mindestens einmal<br />
der Hausmüll zur ordnungsgemäßen Entsorgung abgeholt<br />
wird. Im Sommer ebenfalls die Gartenabfälle, und<br />
dass wöchentlich die Sammelstationen für Papier, Plastik<br />
und Glas korrekt geleert werden. 450.000 Abfallbehälter<br />
bieten jedem Wiener und überhaut allen, die sich in<br />
Wien aufhalten, die Chance, dass kein Restmüll auf der<br />
Strasse landen muss. Nur Gedankenlosigkeit und/oder<br />
Faulheit stehen dem Projekt «korrekte Abfallentsorgung»<br />
im individuellen Fall entgegen. 40 Waste Watcher der<br />
MA48 überwachen täglich zu beliebigen Zeiten, die Verschmutzung<br />
des öffentlichen Raums. Wo es die Situation<br />
erfordert, ordnen sie die Beseitigung von Müll an. Um<br />
das im Einzelfall durchzusetzen, dürfen<br />
sie auch Organstrafen aussprechen. Auf<br />
diese Weise gelang es zwischen 2008<br />
und 2021, illegal deponierten Sperrmüll<br />
um 50% und illegal entsorgte Kühlgeräte<br />
um 60% zu reduzieren. Daneben<br />
galt und gilt es auch, 100.000 gefüllte<br />
Sackerl mit Hundekot pro Tag(!) und<br />
geschätzten jährlich 868 Millionen<br />
Zigarettenstummel auf Straßen, Kanälen<br />
und Grünflächen, Herr zu werden.<br />
Meine besondere Wertschätzung gilt<br />
den Müllmännern und Müllfrauen, die<br />
täglich überall und bei jedem Wetter in<br />
der Stadt unterwegs sind, um weggeworfenen<br />
Kleinmüll mit Schaufel und<br />
Besen der korrekten Entsorgung zuzuführen.<br />
Und worauf ich mich persönlich<br />
sehr freue, ist, dass «mein» Mistplatz<br />
demnächst mit einer Filiale des 48er-<br />
Tandlers aufgewertet wird. Dort können<br />
gebrauchte Gegenstände, die die MA48<br />
aus Abgaben an ihren Mistplätzen<br />
gewinnt, erworben und für ein<br />
second life genutzt werden.<br />
Aus einem Wiener<br />
Mistplatz kann man<br />
nicht allein<br />
schließen, wie<br />
Wien lebt<br />
und wie<br />
die Wiener<br />
miteinander<br />
umgehen.<br />
Er ist auf<br />
jeden Fall die<br />
Spitze des Eisbergs,<br />
der täglich und rund<br />
um die Uhr dafür<br />
sorgt, dass Wien<br />
eine saubere und vor<br />
allem lebenswerte<br />
Stadt ist. Und bleibt.<br />
Foto: © Darkmoon_Art | pixabay.com<br />
21 | JUNI 20<strong>22</strong>