LERNEN MIT ZUKUNFT Juni 22
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information & gedanken<br />
In den folgenden<br />
Schilderungen sind die<br />
Namen erfunden.<br />
Auf die Nennung von<br />
Orten und Institutionen<br />
wird bewusst verzichtet.<br />
Sie bleiben zum Schutz<br />
von Leni und ihrer<br />
heutigen Lebensgemeinschaft<br />
im Ungefähren.<br />
Leni:<br />
Eine Überlebende ritueller Gewalt<br />
BITTE SEIEN SIE WACHSAM UND SCHÜTZEN SIE KINDER VOR JEGLICHER<br />
FORM DER GEWALT<br />
Leni ist heute 27 Jahre alt. Sie<br />
konnte einem Martyrium entkommen,<br />
dem sie in ihren ersten 21<br />
Lebensjahren ausgesetzt war. Leni<br />
wurde Opfer sexualisierter und organisierter<br />
ritueller Gewalt, wurde über viele<br />
Jahre psychisch und physisch gequält,<br />
missbraucht und grausamen Ritualen<br />
unterworfen - von ihren eigenen Eltern<br />
in einem Netzwerk von Täter*Innen. 1<br />
Leni führt als junges Mädchen nach<br />
außen hin ein fast normales Leben. Sie<br />
kommt aus einem angesehenen Elternhaus.<br />
Ihre Mutter ist Sozialpädagogin.<br />
Ihr Vater, ein Universitätsprofessor,<br />
nimmt sie oft mit auf Reisen. Lenis<br />
große Leidenschaft ist das Voltigieren.<br />
Alles sieht nach einer heilen Welt aus.<br />
Niemand ahnt zunächst, was sich hinter<br />
dieser Fassade verbirgt. Als Leni auffällig<br />
wird, sorgen die Eltern für eine gefälschte<br />
Diagnose: „Autismus“. Ihr Verhalten<br />
scheint erklärt. Sie besucht fortan als<br />
Inklusions-Schülerin ein privates Mädchengymnasium.<br />
Der wahre Grund für<br />
ihre Leiden bleibt verborgen.<br />
Nur Paula, ihre Voltigier-Trainerin ahnt<br />
nach einiger Zeit, dass etwas nicht<br />
stimmt mit der Diagnose. Während des<br />
Trainings hat Leni immer wieder einmal<br />
Aussetzer, kippt um und ist außer sich.<br />
Wie in einem anderen Bewusstseinszustand<br />
erzählt sie dann von Horrorerlebnissen.<br />
Paula wird klar, dass das keine<br />
erfundenen Geschichten eines autistischen<br />
Mädchens sein können, sondern<br />
Schilderungen und Zeugnisse von erlittenem<br />
Leid und einer bitteren Realität.<br />
Sie verschafft Leni kleine Einblicke in<br />
eine andere, normale Welt, ermutigt<br />
sie, sich Hilfe zu holen, um aus dem<br />
Täterkreis auszubrechen. Vor 10 Jahren<br />
beginnt damit für Leni ein beispielloser<br />
Irr- und Leidensweg. In nur drei Jahren<br />
durchläuft sie 14 unterschiedliche Stationen:<br />
Beratungsstellen, Mädchenhäuser,<br />
Wohngruppen, Kliniken, teils geschlossene<br />
psychiatrische Einrichtungen. Einer<br />
Diagnose folgt die nächste. Leni wird mit<br />
Psychopharmaka still gestellt. Niemand<br />
glaubt ihr. Viel schlimmer noch, Leni<br />
bleibt im Netz der organisierten rituellen<br />
Gewalt gefangen. Auch hinter<br />
den Kliniktoren ist sie im Zugriff von<br />
Täter*Innen. Mit 18 wird sie für ein Jahr<br />
in eine geschlossene Abteilung verlegt.<br />
Als sie entlassen wird, ist sie keineswegs<br />
„geheilt“. Sie sucht auf eigene Faust<br />
nach Hilfe und findet sie.<br />
DISSOZIATIVE PERSÖNLICHKEITS-<br />
STRUKTUR<br />
Die schweren traumatischen Erlebnisse<br />
haben tiefe Spuren hinterlassen. Manchmal<br />
reichen kleine Auslöser. So kann es<br />
beispielsweise sein, dass ein bestimmtes<br />
Geräusch, ein Geruch oder eine versehentlich<br />
verschlossene Autotür Leni in<br />
einen anderen Bewusstseinszustand<br />
versetzen. „Alles ist dann furchtbar“<br />
schildert Leni selbst. Manchmal schreit<br />
sie einfach oder schlägt um sich. Sie<br />
fühlt sich losgelöst von sich selbst, erlebt<br />
ihr Verhalten als nicht zu sich gehörend.<br />
Es kommt vor, dass sie sich danach an<br />
nichts erinnern kann.<br />
Die wiederholte Anwendung schwerer<br />
körperlicher und psychischer Gewalt hat<br />
multiple Traumata zur Folge, die zu einer<br />
14 | JUNI 20<strong>22</strong>