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ZÜRCHER STADTVERBAND FÜR SPORT<br />
#2 Juni <strong>2022</strong><br />
TanzRaum6<br />
Die Tanzcommunity im Kreis 6<br />
Urs Fischer<br />
Blickt zurück auf seine Zeit im<br />
Zürcher Juniorenfussball<br />
ZSS:<br />
100 Jahre<br />
stark für<br />
Vereine<br />
Seite 6
2<br />
Mehr als ein Lauf.<br />
zuerilaufcup.ch<br />
52101121001_ZKB_ZLC_Anzeige_<strong>Zuerisport</strong>_Imageflight-1_225x148_D_TZ.indd 1 01.02.22 13:37<br />
Schüler-Meisterschaften<br />
De schnällscht Zürifuchs<br />
Datum: 7. September <strong>2022</strong><br />
Anmeldeschluss: 5. September <strong>2022</strong><br />
Schülerinnen und Schüler, 1.– 9. Schuljahr<br />
De goldig Züri-Träffer<br />
Vorrunden: 3./7./10./11. September <strong>2022</strong><br />
Final: 3. Dezember <strong>2022</strong>, Probstei<br />
Kinder und Jugendliche, 8 bis 15 Jahre<br />
zuerisportkids.ch
Editorial/Inhalt 3<br />
Bleiben Sie in Bewegung!<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser<br />
Sport ist Ausgleich zum oft hektischen Alltag und hilft, auf fruchtbare<br />
Gedanken zu kommen. Darum öffnen verschiedene Stadtzürcher Sportvereine<br />
im Juni ihre Vereinstüren: Vom 1. bis zum 30. Juni sind Jung und<br />
Alt sowie Fitte und weniger Fitte eingeladen, unverbindlich neue Sportarten<br />
zu entdecken. Mit der Jubiläums-Aktion «Offene Vereinstüren»<br />
möchte der ZSS die Werbetrommel für die Vereine rühren, die in unserer<br />
Stadt für ein vielfältiges Sportangebot sorgen. Wir freuen uns, wenn Sie<br />
dabei sind! Entdecken Sie alle Schnupperangebote unter zss.ch.<br />
Im Alltag von jungen Menschen spielt Sport eine wichtige Rolle, und<br />
insbesondere der Verein bietet Raum für gelebte Partizipation und verschiedene<br />
Formen des persönlichen Engagements. Zürisport sprach mit<br />
Urs Fischer über seine Wurzeln im Zürcher Vereinssport. Das Interview<br />
mit dem erfolgreichen Bundesligatrainer finden Sie im Jubiläums-Special<br />
auf Seite 7.<br />
Viel Spass bei der Lektüre und beim Entdecken neuer Sportarten!<br />
Herzlich,<br />
Christoph Frei<br />
Reportagen<br />
4<br />
4 Lokaltermin<br />
Im TanzRaum6 geht’s ums Tanzen – aber<br />
auch darum, einfach mal abzuschalten und<br />
einen Ausgleich zu finden<br />
12 Erfolgreicher Nachwuchs<br />
Der Fechtclub Zürich leistet Grosses in<br />
Sachen Nachwuchsförderung. Nun hofft der<br />
Klub, bald zu einem nationalen Leistungszentrum<br />
aufgewertet zu werden<br />
14 Porträt<br />
Eine Frau, die boxt: Das irritiert.<br />
Giulia Gatti ist eine solche Frau<br />
Rubriken<br />
6 100 Jahre ZSS<br />
Spannende Geschichten rund um die<br />
Nachwuchsförderung und grosse Namen<br />
8 Jubiläums-Kolumne<br />
Aus dem Zürcher Stillstand in<br />
der Leichtathletik entwuchs 1951<br />
eine revolutionäre Idee<br />
12<br />
ZÜRCHER STADTVERBAND FÜR SPORT<br />
GRATIS<br />
SPORT<br />
SCHNUPPERN<br />
> Seite 16<br />
9 Sportamt<br />
Sport im Sommer<br />
10 Nachruf<br />
Ruhe in Frieden, Walter J. Scheibli<br />
11 Agenda<br />
Zürcher Sportevents auf einen Blick<br />
16 Gratis Sport schnuppern<br />
Verschiedene Stadtzürcher Sportvereine<br />
öffnen vom 1. bis zum 30. Juni ihre Türen<br />
und laden ein, Sportarten auszuprobieren<br />
14<br />
#2 Juni <strong>2022</strong><br />
TanzRaum6<br />
Die Tanzcommunity im Kreis 6<br />
Urs Fischer<br />
Blickt zurück auf seine Zeit im<br />
Zürcher Juniorenfussball<br />
ZSS:<br />
100 Jahre<br />
stark für<br />
Vereine<br />
Seite 6<br />
Cover: Sich von der Schwere der<br />
Dinge befreien und einfach tanzen:<br />
Das ist Programm im TanzRaum6<br />
in Zürich-Nord. Seite 4<br />
Foto: Reto Schlatter<br />
100<br />
1 9 2 2 – 2 0 2 2<br />
JAHRE<br />
Impressum Nr. 2/10. Juni <strong>2022</strong> Zürisport erscheint viermal jährlich Auflage: 37 126 (notariell beglaubigt)<br />
Geht an alle Mitglieder der Stadt zürcher Sportvereine, die über ihre Dachverbände dem ZSS angeschlossen sind.<br />
Herausgeber Zürcher Stadtverband für Sport, Postfach, 8000 Zürich, zss.ch<br />
Redaktion und Anzeigenverwaltung Jennifer Singer (js), Xess Marketing AG, jennifer.singer@xess.ch<br />
Adressänderungen Zürcher Stadtverband für Sport, 8000 Zürich, Tel. 044 396 25 55 (Di – Do, 8 –17 Uhr), info@zss.ch<br />
Konzept und Layout Xess Marketing AG, Zollikon Druck ZT Medien AG, 4800 Zofingen<br />
100<br />
1 9 2 2 – 2 0 2 2<br />
JAHRE
4 Lokaltermin<br />
Tanzcommunity<br />
mit Herz im Kreis 6<br />
Wummernde Bässe, Hip-Hop-Beats, verschwitzte, aber glückliche Gesichter:<br />
All das gibt es im TanzRaum6. Ein Trainingsbesuch vor Ort zeigt,<br />
was die Tanzschule an der Bucheggstrasse so besonders macht.<br />
Körperspannung, Disziplin<br />
und Präsenz sind von den<br />
Tänzerinnen gefordert,<br />
wenn Element für Element<br />
sich zu einem grossen<br />
Ganzen zusammenfügt.<br />
Ein warmer Dienstagabend Anfang Mai, vielleicht<br />
der erste Sommertag in diesem Jahr. Vor einer unscheinbaren<br />
Treppe an der Bucheggstrasse 144 in<br />
Zürich treffen die ersten Mädchen ein. Trotz drückender<br />
Temperaturen tragen hier alle lange, weite Jogginghosen<br />
mit passenden Sweatjacken. Am Ende werden es 19 Mädchen<br />
im Alter zwischen 11 und 17 Jahren sein, die sich hier<br />
heute Abend zum Tanzkurs einfinden. Und getanzt wird<br />
im TanzRaum6 – man kann es am Kleiderstyle erkennen –<br />
vorwiegend Hip-Hop.<br />
Am Ende der Treppe liegt der Proberaum von Daniela<br />
Quispe. Die 50-Jährige ist Inhaberin und Trainerin im<br />
TanzRaum6. Seit nunmehr fünf Jahren ist sie mit ihrer<br />
Schule am Milchbuck. Dass hier nicht nur getanzt und geprobt,<br />
sondern eine ganze Kultur gelebt wird, zeigt sich<br />
wohl daran, dass auch Quispe in weiter Joggingkleidung<br />
vor der Kursgruppe steht.<br />
Während aus den Lautsprecherboxen im Proberaum die<br />
schweren Bässe wummern, wärmen sich die jungen Tänzerinnen<br />
auf. «Ich möchte ein aktives Stretching sehen, und<br />
eins, und zwei, und go», treibt Quispe die Mädchen immer<br />
wieder an. Dann beginnt das eigentliche Training: Quispe<br />
will eine neue Choreografie einstudieren. Unterstützt wird<br />
sie bei ihren Trainings von Fabienne Kleger. Von der<br />
21-Jährigen, die im Alter von dreieinhalb Jahren zu ihr<br />
kam, sagt Quispe: «Sie wird wohl dereinst meine Schule<br />
übernehmen.»<br />
Während des Trainings und Einstudierens der neuen<br />
Choreo geht es Schlag auf Schlag: 38 Füsse gleiten übers<br />
Parkett, Takte werden gezählt, Schultern, Hüften und Beine<br />
gekreist, Arme in die Höhe gestreckt – alles noch ohne<br />
Musik. «Kreis, Ball change, post it», lautet das Kommando<br />
von Quispe, «ich will Muskeln sehen!» Hier wird klar,<br />
worum es beim Tanzen geht: Körperspannung, Disziplin<br />
und Präsenz. Nicht wenigen laufen die ersten Schweissperlen<br />
über Gesicht und Arme.<br />
Fasziniert von der Hip-Hop-Kultur<br />
Sport hat vor langer Zeit auch Daniela Quispe betrieben.<br />
Als Teenagerin schaffte es die ehemalige Leichtathletin bis<br />
ins Schweizer Nationalteam, gehörte in den 1990er-Jahren<br />
zu den besten Sprinterinnen und Hürdenläuferinnen des
Lokaltermin 5<br />
Landes. Auch nachdem sie ihre Sportlerinnen-Karriere<br />
beendet hatte, liess der Bewegungsdrang sie nicht los.<br />
Fasziniert von der Hip-Hop-Kultur – zu der für sie auch<br />
Djing, Rap, Graffiti und Breaking gehören –, entdeckte sie<br />
während ihrer Ausbildung zur Gymnastikpädagogin die<br />
Leidenschaft fürs Tanzen. Neben Weiterbildungen in London,<br />
New York, San Diego und Los Angeles tanzte sich<br />
Quispe durchs Leben, arbeitete 25 Jahre lang für<br />
diverse Tanzschulen – bis sie am Milchbuck mit ihrer<br />
Tanzschule sesshaft wurde. Nebenbei arbeitet sie für das<br />
städtische und kantonale Sportamt und ist als Expertin für<br />
«Jugend+Sport» tätig.<br />
Zusammenhalt und Lebensschule<br />
Immer mehr fügen sich im Proberaum die einzelnen<br />
Elemente zu einem grossen Ganzen zusammen. Inzwischen<br />
dröhnt Musik aus den Lautsprechern. Noch fällt die<br />
Choreo nicht allen gleich leicht, doch wirken die Abläufe<br />
deutlich stimmiger und eleganter als noch vor einigen<br />
Minuten. Diejenigen, die gerade nicht tanzen, applaudieren<br />
ihren Mitstreiterinnen nach einem gelungenen<br />
Durchgang beinahe frenetisch. Zusammenhalt ist hier<br />
nicht nur Motto, sondern wird auch gelebt.<br />
Selma, die schon im Alter vor 4 Jahren mit Kindertanzen<br />
begonnen hat, spricht denn auch von der «Familie», die sie<br />
im TanzRaum6 antreffe. Die ebenfalls 15-jährige Rosa<br />
pflichtet ihr bei: «An diesem Ort fühle ich mich immer<br />
will kommen.» Zwar sei Daniela Quispe eine strenge, aber<br />
doch eine liebe Lehrerin, ergänzt eine weitere Schülerin.<br />
«Sie bringt dich weiter, nicht nur im Tanzen, sondern auch<br />
im Leben.»<br />
Im Austausch mit den Jugendlichen wird offenkundig,<br />
dass es beim Tanzen nicht nur um den Sport, sondern auch<br />
um einen Ausgleich vom bisweilen stressigen und belastenden<br />
Alltag gehen kann. Im TanzRaum6 können sie abschalten,<br />
aber auch Probleme ansprechen – und ihren<br />
Emotionen freien Lauf lassen.<br />
Text und Bilder: Erik Hasselberg<br />
«Eines der obersten<br />
Gebote ist Respekt»<br />
Mit Daniela Quispe sprach Erik Hasselberg<br />
Die 50-Jährige Daniela Quispe gibt seit<br />
30 Jahren Tanzstunden und hat seit fünf Jahren<br />
ihr eigenes Studio. Dort geht es nicht<br />
nur ums Tanzen, sondern auch um eine<br />
Lebensphilosophie.<br />
Wie sind Sie zum Hip-Hop gekommen?<br />
Ein Schlüsselmoment war sicher der Film<br />
«Flashdance», wo die Rock Steady Crew<br />
einen Breakdance aufführte. Diese kleine<br />
Szene hab ich gesehen und gewusst: Das<br />
will ich!<br />
Was bedeutet Hip-Hop für Sie?<br />
Für mich ist das eine Kultur, eine Lebensphilosophie,<br />
die ich auch in meiner Tanz -<br />
schule vermitteln und leben will. Meine<br />
Schülerinnen wissen das: Graffiti, DJ,<br />
Rap – das gehört alles dazu. Und eines<br />
der obersten Gebote im Hip-Hop ist<br />
Respekt. Deshalb nehme ich die Jugendlichen<br />
auch so, wie sie sind. Ich respektiere<br />
sie, und sie respektieren mich.<br />
Welches ist die grösste Herausforderung<br />
für Sie als Tanzlehrerin?<br />
Der Druck. Der gesellschaftliche Druck in<br />
Schule, Elternhaus, Betrieb, mit dem die<br />
Jugendlichen umgehen müssen. Ihnen bei-<br />
zustehen und für Sie da zu sein, ist<br />
Herausforderung und Aufgabe zugleich.<br />
Interview<br />
Ist dieser Druck während der Pandemie<br />
grösser geworden?<br />
Auf jeden Fall. Die psychischen Probleme<br />
bei Jugendlichen haben stark zugenommen.<br />
Das merke ich, ohne hier ins Detail<br />
gehen zu können.<br />
Warum sollten Kinder tanzen lernen?<br />
Es geht darum, in eine andere Kultur<br />
einzutauchen, diese zu leben, sich selbst<br />
kennenzulernen und zu spüren, Emotionen<br />
zu kanalisieren, Körpergefühl und<br />
-spannung zu entwickeln. Aber auch sich<br />
selbst zu akzeptieren und sagen zu<br />
können: Ich bin ein guter, schöner<br />
Mensch. Ohne dem Stildiktat von Tiktok<br />
und Co. zu verfallen.<br />
Ihr Herz schlägt für Hip-Hop und<br />
junge Menschen: Daniela Quispe (50)<br />
ist Inhaberin des TanzRaum6 und<br />
leidenschaftliche Lehrerin.<br />
Im TanzRaum6 gibt es für Tanzinteressierte<br />
von klein auf ein breites Angebot,<br />
sowohl für Mädchen als auch für Jungs:<br />
Kindertanzen:<br />
lebhafte, fantastische Tanzerfahrung ab 4 Jahren<br />
Hip-Hop-Dance:<br />
Grundschritte und Zusammenführen in kleine «Routines»<br />
Hip-Hop-Choreografie:<br />
Fortgeschrittene Tänzerinnen und Tänzer,<br />
komplexere Schritte/Choreos<br />
Breakdance:<br />
eine Mischung aus Akrobatik, Rhythmusgefühl und Körperbeherrschung<br />
– ab der 3. Primarklasse<br />
Graffiti-Workshops:<br />
Einblick in die Geschichte und Kultur des Graffitis sowie in die<br />
«Letters Foundation»<br />
Die Kurskosten belaufen sich pro Quartal auf 175 Franken.<br />
Kontakt:<br />
> tanzraum6.ch | danielaquispe@tanzraum6.ch
6<br />
EINE INVESTITION IN DIE ZUKUNFT<br />
Der ZSS bearbeitet die jährlichen Gesuche für den<br />
städtischen Jugendsportkredit. Eine Investition für die<br />
Zukunft, denn im Alltag von Kindern und Jugendlichen<br />
spielt das Sportangebot eine wichtige Rolle und ist die<br />
beste Lebensschule.<br />
Im Jahr 2021 haben 16 914 Kinder und Jugendliche<br />
Jugendsportgelder erhalten:<br />
Die beste<br />
Lebensschule<br />
Mit den Stadtzürcher Jugendsportveranstaltungen<br />
hat der ZSS schon so<br />
manchem Kind den Weg zum Sport<br />
geebnet. Und auch so manche erfolgreiche<br />
Karriere nahm an ebendiesen Events<br />
ihren Anfang.<br />
Foto: Archiv ZSS<br />
(Quelle: Städtische Jugendsportförderung 2021,<br />
Sportamt der Stadt Zürich)<br />
Nahezu alle Top-Sportlerinnen und -Sportler<br />
haben ihre Wurzeln im Verein. Er legt die Basis<br />
für erfolgreiche Karrieren und vermittelt<br />
wichtige Werte wie Respekt, Toleranz, Fairness,<br />
Teamgeist und Solidarität. Damit sportliche<br />
Zürcherinnen und Zürcher unter angemessenen<br />
Bedingungen ihrer Sportart frönen<br />
können, brauchen sie eine funktionelle Infrastruktur.<br />
Dafür setzt sich der Zürcher Stadtverband<br />
für Sport ZSS seit 100 Jahren ein und<br />
fördert gezielt den Jugendsport.<br />
Im Alltag von jungen Menschen spielt Sport eine wichtige Rolle, und insbesondere<br />
der Verein bietet Raum für niedrigschwellige Partizipation und Formen des<br />
Engagements. Bis heute ermöglichen Talentwettbewerbe wie «De schnällscht<br />
Zürihegel», «De schnällscht Zürifisch» oder «De schnällscht Zürischlifschue». Jahr<br />
für Jahr den Traum vom grossen Sieg schon bei den Kleinen. Den Nachwuchsprojekten<br />
des ZSS verdankte das ganze Land einige der populärsten Persönlichkeiten.<br />
Und sie alle verbindet etwas: die grosse Leidenschaft für den Sport und die Möglichkeit<br />
gehabt zu haben, ihr Hobby zum Lebensmittelpunkt zu machen. Der unvergessene<br />
Köbi Kuhn sagte: «Der Fussball hat mir viel mehr gegeben als Trophäen, Titel<br />
und Medaillen. Er ist die beste Lebensschule, die ich mir vorstellen kann.» Thomas<br />
Renggli<br />
«Der Nachwuchssport in Zürich<br />
schafft ideale Voraussetzungen,<br />
damit Kinder und Jugend liche<br />
im organisierten Rahmen<br />
Sport treiben können.»<br />
Heinz Haas, ZSS-Präsident von 2009 bis 2021<br />
1951<br />
Erstes Final<br />
«De schnällscht<br />
Zürihegel» im<br />
Letzigrund mit<br />
112 Knaben<br />
1972<br />
SZVL wird Anlaufstelle<br />
für Gesuche<br />
der Vereine zur<br />
Jugendförderung<br />
1991<br />
ZSS macht sich stark<br />
für Abstimmung<br />
über Erhöhung<br />
der Jugendsportbeiträge<br />
2001<br />
Gründung VERSA<br />
zur Verhinderung<br />
sexueller Ausbeutung<br />
von Kindern<br />
im Sport<br />
2006<br />
Erstes Jugendsportforum<br />
in der<br />
Saalporthalle mit<br />
Stadträtin Monika<br />
Weber<br />
2007<br />
Einheitlicher<br />
Auftritt für die<br />
12 städtischen<br />
Jugendsport-Events
7<br />
Achtung, fertig ...!<br />
Mädchen durften ab 1955 mittun.<br />
MÄDCHEN UND SPORT<br />
1955 fand die erste Meisterschaft<br />
im Rahmen von «De schnällscht<br />
Zürihegel» für Mädchen statt.<br />
Als erste Siegerin sprintete eine<br />
gewisse Pia Kälin aus dem Schulhaus<br />
Liguster in Oerlikon in die<br />
Chroniken. Damit war sie ihren<br />
schiessenden Kolleginnen um<br />
Längen voraus. Am Knabenschiessen<br />
durften Mädchen erst 1991<br />
teilnehmen.<br />
«Der Fussball<br />
baut Brücken»<br />
Mit Urs Fischer sprach Thomas Renggli<br />
Interview<br />
Meister und Cupsieger mit dem FC Basel. In der<br />
Bundesliga der Trainer der Stunde. Der Stadtzürcher<br />
Urs Fischer (56) schafft mit Union Berlin<br />
Sensationelles. Für uns blickt er auf seine Zeit im<br />
Zürcher Juniorenfussball zurück.<br />
DAS GOLDENE BUCH<br />
DES ZSS-JUGENDSPORTS<br />
An verschiedenen ZSS-Jugendsportveranstaltungen<br />
starteten grosse Karrieren: Fussball-Legende Köbi<br />
Kuhn, der auf der Fritschi-Wiese fürs Schüeli trainierte,<br />
Denise Biellmann, die auf dem Dolder im Eiskunstlaufen<br />
zu den grossen Sprüngen und noch grösseren<br />
Pirouetten ansetzte, Franco Marvulli, der auf der<br />
Offenen Rennbahn in Oerlikon zum Senkrechtstarter<br />
wurde, die Schwim merinnen Martina van Berkel und<br />
Lisa Mamié, die als Limmat Sharks ihren Konkurrentinnen<br />
auch international das Wasser abgruben,<br />
oder die Eisschnellläuferin Kaitlyn McGregor, die<br />
vor zehn Jahren die Schweizer Rekorde im Akkord<br />
pulverisierte und ihrem olympischen Traum mittlerweile<br />
mit dem Team entgegen gleitet. Alle Events<br />
unter zuerisportkids.ch<br />
2019<br />
ZSS wehrt sich gegen<br />
Budgetkürzungen<br />
zulasten des Jugendsports<br />
Trat mit 8 Jahren den Limmat Sharks bei:<br />
Lisa Mamié (23)<br />
Entdecken Sie weitere<br />
historische Ereignisse auf<br />
der Verbandswebsite:<br />
> zss.ch/jubilaeum/geschichte<br />
Urs Fischer, wie sind Sie als Kind<br />
zum Fussball gekommen?<br />
Das war auf dem Pausenplatz des<br />
Schulhauses Kügeliloo zu Hause in<br />
Affoltern. Wir spielten praktisch in<br />
jeder Pause und an jedem freien<br />
Nachmittag. Ein Kollege, der damals<br />
schon beim FCZ war, fragte mich, ob<br />
ich nicht ins Training kommen wolle.<br />
Ich ging – und wurde prompt aufgenommen.<br />
Allerdings durfte ich<br />
während eines Jahres nur trainieren.<br />
Denn um zu spielen, musste man acht<br />
Jahre alt sein.<br />
Wie hat der Fussball Ihre Jugend und<br />
Ihre Ausbildung geprägt?<br />
Sehr stark. Aber meine Eltern legten<br />
Wert darauf, dass die Schule zuerst<br />
kommt. Ich absolvierte Primarschule,<br />
Sekundarschule und dann eine<br />
kaufmännische Ausbildung bei der<br />
Volksbank. Die Noten mussten<br />
stimmen, damit mich meine Eltern zum<br />
Fussball liessen. Aber dann unterstützten<br />
sie mich fast bedingungslos.<br />
Wie gewichten Sie die integrative<br />
und soziale Bedeutung des Fussballs –<br />
gerade in einer Grossstadt?<br />
Sie ist eminent wichtig – aber nicht nur<br />
der Fussball erfüllt diese Aufgabe, jede<br />
Sportart tut das. Es gibt kaum etwas<br />
Vergleichbares, das so viele Kulturen<br />
und Gesellschaftsschichten zusammenbringt.<br />
So abgedroschen es klingt:<br />
Der Sport verbindet und baut Brücken.<br />
Und im Fussball ist das vielleicht noch<br />
einfacher, weil sich der Sport mit relativ<br />
wenig Aufwand und Kosten betreiben<br />
lässt.<br />
Welche Bedeutung haben die<br />
Vereine in der Jugendförderung und<br />
Erziehung?<br />
Eine riesige. Das war schon immer so.<br />
Vielleicht war der Fussball früher nicht<br />
so multikulturell – in meiner Jugendzeit<br />
kamen die ausländischen Junioren<br />
überwiegend aus Italien. Aber heute wie<br />
damals darf man sagen: Der Stellenwert<br />
des Fussballs als Integrationsfaktor und<br />
sozialer Brückenbauer kann nicht hoch<br />
genug eingestuft werden.<br />
Ihre Tochter ist als Fussballerin ebenfalls<br />
sehr erfolgreich. Wäre zu Ihrer Zeit<br />
eine solche Karriere für ein Mädchen<br />
auch möglich gewesen?<br />
Ich muss Sie korrigieren. Riana ist wesentlich<br />
erfolgreicher als ihr Vater (lacht).<br />
In meiner Jugend wusste ich, dass es<br />
beim FC Zürich ein Frauenteam gab;<br />
einen echten Stellenwert hatte diese<br />
Equipe damals aber nicht. Heute ist das<br />
glücklicherweise anders. Trotzdem gibt<br />
es noch eine grosse Diskrepanz zu den<br />
Männern. Ich würde mir wünschen, dass<br />
sich die Rahmenbedingungen im Frauenfussball<br />
dem gewachsenen Stellenwert<br />
angleichen.<br />
Wo sehen wir Urs Fischer in<br />
zehn Jahren?<br />
(lacht) Ich lebe zu stark im Moment, als<br />
dass ich mir darüber Gedanken machen<br />
würde. Bei Union habe ich noch ein Jahr<br />
Vertrag.<br />
Urs Fischer: «Die Noten mussten<br />
stimmen, damit mich meine Eltern<br />
zum Fussball liessen.»
8 Jubiläums-Kolumne<br />
Der Zürihegel und<br />
das grösste Luftschloss<br />
Ein historisch<br />
witziger Exkurs<br />
zur Zürcher<br />
Wiege der<br />
Leichtathletik<br />
Das Jahr 1950 war ein düsteres für den Zürcher Sport. Schweizer<br />
Fussballmeister wurde Servette. Der FCZ landete abgeschlagen<br />
auf dem 6. Platz, und die Grasshoppers vegetierten<br />
gar in der Zweitklassigkeit. Im Eishockey entriss der HC Davos dem<br />
Zürcher Schlittschuh Club den im Vorjahr gewonnenen Titel.<br />
Noch schlimmer präsentierte sich die Lage in der Leichtathletik:<br />
Kein einziger Zürcher vermochte sich an den Schweizer Meisterschaften<br />
für den Final über 100 Meter zu qualifizieren. Für Silvio Nido,<br />
damals Landesrekordhalter im Hammerwerfen und verdienstvolles<br />
Mitglied des LCZ, war dies des Schlechten definitiv zu viel. Er analysierte<br />
den Zürcher Stillstand und kam zur ernüchternden Erkenntnis,<br />
dass der Laufsport im Turnunterricht praktisch keine Rolle spielte.<br />
Dies veranlasste ihn zu einer revolutionären Idee – der Lancierung des<br />
Nachwuchswettbewerbs «De schnällscht Zürihegel».<br />
Doch das Projekt stiess nicht überall auf Begeisterung. Aufgrund der<br />
Skepsis der Schulbehörden durfte weder in den Schulen noch auf den<br />
Pausenplätzen für den Wettbewerb geworben werden. So verbreitete<br />
sich die Kunde quasi auf dem Latrinenweg – über Lehrerinnen und<br />
Lehrer, die sich für die Idee begeisterten – und über Schülerinnen und<br />
Schüler, die sich die Neuigkeit im Verborgenen zuflüsterten. Flankierend<br />
erschienen zwei kleine Zeitungsinserate – was die Premiere zu einem<br />
erstaunlichen Erfolg werden liess: 112 Buben der Jahrgänge 1937 und<br />
1938 nahmen an der ersten Zürihegel-Ausscheidung teil. Als erster<br />
Sieger ( Jahrgang 1937) ging der gebürtige Italiener Guido Da Rugna in<br />
die Annalen ein.<br />
Während die Buben um die Wette sprinteten, mussten sich die Nachwuchssportlerinnen<br />
ihr Teilnahmerecht erst erkämpfen. Mädchensport<br />
galt damals in konservativen Kreisen als Tabu. Die modernen Zürcher<br />
liessen sich davon aber nicht beeindrucken – und wiesen die Mädchen<br />
ab 1955 ebenfalls in die Startblöcke. Als erste Siegerin sprintete<br />
Pia Kälin aus dem Schulhaus Liguster in Oerlikon in die Chroniken.<br />
Die Aufbruchstimmung war damals im ganzen Schweizer Sport zu<br />
spüren – das Wunder von Bern (1954) warf sozusagen seine Schatten<br />
voraus. Ein Mann war ob des neuen Nachwuchswettbewerbs in der<br />
Zürcher Leichtathletik besonders begeistert: der legendäre Sportjournalist<br />
Arnold Wehrle, damals auch Präsident des Stadtzürcherischen Verbands<br />
für Leibesübungen (SZVL). Auf dem kurzen Dienstweg entschied<br />
er, das «ewige Patronat» für den «Zürihegel» zu übernehmen.<br />
Wehrle war ein Mann mit grossem historischen Gewissen und<br />
Gedächtnis. Das «Zürcher Sportnachrichten-Bureau Arnold Wehrle»<br />
wurde im selben Jahr (1922) gegründet wie der SZVL. Mit dem<br />
Verband (heute der ZSS) aber konnte es nicht mithalten. 1925 wurde es<br />
in «Sportinformation» unbenannt und 2016 in die SDA integriert.<br />
«Ewigkeit» dauert länger.<br />
Doch zurück auf die Zürcher Sportplätze. Anfang der 1950er-Jahre<br />
versenkte das gestrenge Stimmvolk eines der spektakulärsten Stadionprojekte<br />
seit dem Rütlischwur – jenes einer «sportlichen Grosskampfanlage»<br />
für die Fussball-WM 1954. Schon in den 1930er-Jahren hatten<br />
die Behörden – ganz im Sinne des damaligen Zeitgeists – für ein<br />
«Gross-Stadion» für «Gross-Zürich» plädiert; erfolglos. Es war der<br />
Anfang einer städtischen Provinzposse, die uns bis heute beschäftigt.<br />
In den 1970er-Jahren geisterte das Projekt eines Olympiastadions an<br />
den Hängen des Üetlibergs für 100 000 Zuschauerinnen und Zuschauer<br />
durch die Köpfe. 2009 schliesslich entdeckte die Quartierbevölkerung<br />
in Zürich-West den «Schattenwurf» und stoppte die (zuvor mit<br />
deutlicher Mehrheit angenommene) Fünfeck-Arena.<br />
Mittlerweile ist über ein Jahrzehnt vergangen – und das Zürcher<br />
Stimmvolk sagte erneut zweimal Ja zum Fussballstadion. Doch<br />
die zwinglianische Rekurskultur (in Verbindung mit der grenzenlosen<br />
Motivation einer Einzelperson) verhindert den Bau. Gemäss zuverlässigen<br />
Hochrechnungen sollen aber der FCZ und GC dennoch künftig<br />
in einem neuen Stadion spielen – spätestens ab Juli 2055.<br />
Thomas Renggli
Sportamt 9<br />
100 Jahre Badi Mythenquai Länger baden im Sommer<br />
Am 17. Juni 1922 wurde das «Sonnen-, Luft- und Schwimmbad»<br />
als zehntes Stadtzürcher Bad am linken Seeufer zwischen der<br />
heutigen Landiwiese und der Sukkulentensammlung eröffnet.<br />
Dieser runde Geburtstag des Strandbads Mythenquai wird<br />
gefeiert! Am 17. Juni warten gleich mehrere Angebote auf die<br />
Badegäste. Sie bezahlen den Eintrittspreis wie vor 100 Jahren,<br />
können beim Glücksrad verschiedene Preise gewinnen oder an<br />
einer Stand-up-Paddel-Tour teilnehmen. Noch bis im August gibt<br />
es verschiedene Veranstaltungen und Angebote für Gross und<br />
Klein – zum Beispiel eine Ausstellung, regelmässiges Yoga am<br />
Strand oder einen Zirkus in der Badi.<br />
> Mehr Informationen: sportamt.ch/mythenquai100<br />
Seit Mitte Mai sind alle Stadtzürcher Sommerbäder geöffnet.<br />
Die Badegäste dürfen sich in diesem Jahr über längere wetterunabhängige<br />
Öffnungszeiten und eine verlängerte Saisondauer<br />
freuen. Sämtliche Sommerbäder haben täglich mindestens von<br />
9 bis 14 Uhr geöffnet, danach wird wie bisher je nach Wetter<br />
entschieden, ob das Bad offen bleibt oder schliesst. Die Bäder<br />
Utoquai, Seebach und Letzigraben sind bei jedem Wetter von<br />
7 bis 20 Uhr geöffnet.<br />
> Mehr Informationen: sportamt.ch/badi-aktuell<br />
100 Jahre<br />
Badi<br />
Mythenquai<br />
Jubiläumswochen<br />
17. Juni bis 31. August<br />
J+S-Jubiläum feiern<br />
Jugend+Sport wird 50 Jahre alt und hat sich seit der Gründung<br />
zum grössten Sportförderprogramm des Bundes entwickelt.<br />
Heute zählt es über 600'000 aktive Kinder und Jugendliche.<br />
Vereine können den 50. Geburtstag von Jugend+Sport<br />
mit feiern, indem sie sich am Samstag, 17. September, am nationalen<br />
J+S-Jubiläum mit einem Schnupperangebot für Kinder<br />
und Jugendliche beteiligen. Ziel ist, dass der Nachwuchs neue<br />
Sportarten kennenlernt. Alle Schnupperangebote werden auf<br />
der Website von J+S aufgeschaltet. Weiter können<br />
J+S-Leitende als Dank für ihr Engagement Tickets<br />
für diverse Sportevents im Kanton Zürich gewinnen.<br />
> Weitere Informationen:<br />
Ferienplausch in der<br />
Stadt Zürich<br />
In der ersten und fünften Sommerferienwoche findet der Ferienplausch<br />
wieder statt. Auf den Sportanlagen Im Birch und Utogrund<br />
steht Kindern und Jugendlichen täglich ein kostenloses Spiel- und<br />
Sportangebot zur Verfügung. Unter fachkundiger Leitung springen<br />
sie auf dem Trampolin, fahren Spezialzweiräder, erklimmen die<br />
Kletterwand oder nehmen an Turnieren und vielen weiteren<br />
Aktivitäten teil. Dank der Unterstützung der Zürcher Kantonalbank<br />
gibt es zudem tolle Tages- und Wochenpreise zu gewinnen.<br />
18. bis 22. Juli und 15. bis 19. August <strong>2022</strong>, täglich von 10 bis 13 Uhr<br />
> Mehr Informationen: sportamt.ch/ferienplausch<br />
Sportamt der Stadt Zürich<br />
sportamt.ch<br />
> sportamt.ch/newsletter<br />
> sportamt.ch
10 Nachruf<br />
Walter J. Scheibli †<br />
Foto:<br />
z. V. g.<br />
Freitag, der 13. Mai. Bei der Lektüre des «Tages-Anzeigers» stockte<br />
mir der Atem. Unter den Traueranzeigen stand ein Name, den<br />
ich nie an dieser Stelle sehen wollte – der mit so viel Leben<br />
gefüllt war, dass die Nachricht des Ablebens schon fast surreal tönte:<br />
«Walter J. Scheibli – 5. März 1959 – 10. Mai <strong>2022</strong>». 63 Jahre – nur.<br />
Wir wussten, dass es ihm nicht gut geht. Und trotzdem macht sein Tod<br />
sprachlos.<br />
Als ich «Walti» vor rund 30 Jahren kennenlernte, begegneten wir<br />
uns vor allem an zwei Orten – an zwei Orten, die für sein Leben eine<br />
prägende Bedeutung besassen: auf den Pressetribünen von Hardturm,<br />
Schluefweg, Hallenstadion und Letzigrund – und jeweils am Mittwochnachmittag<br />
in der Turnhalle Sihlhölzli. Dort rannten jene Sportjournalisten<br />
ihrer verlorenen Jugend nach, die für sich eigentlich einen<br />
Platz in der Fussball-Nationalmannschaft einforderten, aber statt des<br />
Tors vor allem die Schienbeine der Gegner oder die Sprossenwand trafen.<br />
Walti besass diesen Anspruch nicht. Dafür war er zu bescheiden und<br />
bodenständig – und auch zu anständig und zu realistisch. Obwohl mit<br />
gewissen technischen Fähigkeiten gesegnet und quasi der Zico von der<br />
Steinkluppe, kannte er seine fussballerischen Grenzen ganz genau. Und<br />
die lagen bei der letzten Runde im Konditionstest oder bei der höchsten<br />
Intensitätsstufe des Mittelfeld-Pressings. Walti war ein Fussballer mit<br />
Herzblut und Leidenschaft, aber die dritte Halbzeit fand für ihn neben<br />
dem Platz statt – dort, wo es gesellig wird und die verbalen Ausführungen<br />
grösser sind als die Taten im Spiel davor.<br />
Als Radioreporter gehörte Walter J. Scheibli zu den besten des<br />
Landes. Wie sein Vater war er stets einer der Ersten im Stadion und<br />
akribisch vorbereitet. Gab es Kollegen, die sich erst an der Presse konferenz<br />
vor dem Spiel über die Personalsituation erkundigten, wusste<br />
Walti immer Bescheid. Und er kommentierte punktgenau und ohne<br />
Versprecher. Ich fragte mich immer wieder, weshalb er nie den Schritt<br />
zur SRG machte. Auf einen Fachmann wie Walter J. Scheibli darf<br />
eigentlich kein nationaler Sender verzichten. Aber auch in diesem Fall<br />
gilt: Walti nahm sich nie zu wichtig. Radio 24 war der perfekte Ort für<br />
ihn. Dort konnte er sein Hobby als Beruf ausleben, gleichzeitig noch für<br />
den «Unterländer» schreiben – und so viel Unabhängigkeit bewahren,<br />
dass er nicht jeden Morgen um 8.30 Uhr einem Chef rapportieren musste.<br />
Walti war ein Mann der sportlichen Underdogs. Den FC Unterstrass<br />
gab es für ihn auch im Ausland. In Deutschland schlug sein Herz für<br />
1860 München, in England kokettierte er mit Millwall – jenem Klub<br />
aus den Londoner Docklands, der die Arbeiterklasse wie kein anderer<br />
Verein symbolisiert und schon die Qualifikation für einen Sechzehntel-<br />
Final des Liga-Cups wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern zusammen<br />
feiert.<br />
Walter J. Scheibli war ein Zürcher durch und durch. Dazu gehörte,<br />
dass er sich (im Gegensatz zu seinem Vater) nie auf einen Klub fixieren<br />
wollte. Er freute sich für den FCZ wie für GC – bejubelte die Siege von<br />
Kloten ebenso wie jene des ZSC. Und er war auch bereit, wenn es einen<br />
Fachmann für Handball oder die 100-Kilometer-Américain am Sechstagerennen<br />
brauchte. Walter J. Scheibli gehörte der immer rareren<br />
Spezies der journalistischen Generalisten an. Und sein Revier war die<br />
Allenmoos-Badi. Schon ihn ans Züri-Horn zu locken, erforderte<br />
gewisse Überzeugungskraft. Und so wären Ferien auf den Malediven<br />
oder in Malibu für ihn kaum infrage gekommen.<br />
Vor allem aber war Walti ein wunderbarer Kollege und ein guter<br />
Freund – mit einem herrlichen Sinn für (englischen) Humor. Mit kaum<br />
einem konnte man herzhafter lachen und die Spiele an der Theke<br />
genüsslicher Revue passieren lassen. Spätestens nach dem zweiten Bier<br />
war man sich wieder sicher: Der Sport ist die schönste Nebensache –<br />
aber er ist eben doch nur eine Nebensache. Das änderte sich höchstens,<br />
wenn die englische Nationalmannschaft ein Penalty-Schiessen gegen<br />
Deutschland verlor.<br />
Walter J. Scheibli liebte das Leben und seine lockeren Seiten – und er<br />
war immer ein geselliger und unterhaltsamer Gesprächspartner. Doch<br />
er war auch eine ernsthafte und sehr sensible Persönlichkeit. Das realisierten<br />
wir vielleicht zu spät. Als sich kurz nach Weihnachten 2018<br />
seine Mutter Margrit in die Ewigkeit verabschiedete, ging auch ein Teil<br />
von ihm. Sein Familiengefühl war so gross, dass er den Tod seiner Mutter<br />
nie verkraftete. Immer seltener kam er in die Stadien, sein Lächeln<br />
schien wie eingefroren. Die Fröhlichkeit, die seinen Vater Walter<br />
Scheibli bis heute umgibt, kehrte beim Junior nie mehr zurück.<br />
Am 10. Mai endete sein irdisches Dasein – auch weil es Walti<br />
vermutlich so wollte. Er hinterlässt tief betroffene Freundinnen und<br />
Freunde und eine grosse Lücke im Sportjournalismus – aber auch die<br />
Hoffnung, dass es ihm jetzt besser geht: dort, wo die Engel zwischen<br />
den Sternen einem Ball oder einem Puck nachjagen; dort wo auch seine<br />
Mutter einen Tribünenplatz hat.<br />
Lieber Walti – wir werden dich nie nie vergessen. Und wir sehen uns<br />
wieder! Ruhe in Frieden.<br />
Thomas Renggli
Juni<br />
18. Juni<br />
ZKB Züri-Lauf-Cup: Wylandlauf<br />
> zuerilaufcup.ch<br />
25. Juni<br />
Zürcher Sommernachtsball<br />
Tanzfest im Zürcher HB<br />
> sommernachts-ball.ch<br />
26. Juni<br />
Hakoah-Jubiläumsfest<br />
Sportanlage Utogrund<br />
> hakoah.ch<br />
Juli<br />
2. Juli<br />
Fussball-Schüeli<br />
Vorrunde, Hardhof und Neudorf<br />
> zuerisportkids.ch<br />
1.– 30. JUNI<br />
GRATIS<br />
SPORT<br />
SCHNUPPERN<br />
> zss.ch<br />
6. Juli<br />
Stadtzürcher Seeüberquerung<br />
Ersatzdaten: 13. Juli oder 24. August<br />
> seeueberquerung.ch<br />
9. Juli<br />
Fussball-Schüeli Finals<br />
FIFA und angrenzende Sportanlagen<br />
> zuerisportkids.ch<br />
9. Juli<br />
ZKB Züri-Lauf-Cup: Renn de Uetliberg<br />
> zuerilaufcup.ch<br />
17. Juli<br />
Rock’n’Run Fitness Challenge<br />
> rockandrun.ch<br />
18.–22. Juli<br />
Ferienplausch des Sportamts<br />
Sportanlagen Im Birch und Utogrund<br />
> sportamt.ch<br />
August<br />
15.–19. August<br />
Ferienplausch des Sportamts<br />
Sportanlagen Im Birch und Utogrund<br />
> sportamt.ch<br />
20. August<br />
Limmatschwimmen<br />
> limmatschwimmen.ch<br />
September<br />
3.+7. September<br />
De goldig Züriträffer<br />
Qualifikationen in der Probstei<br />
> zuerisportkids.ch<br />
7. September<br />
De schnällscht Zürifuchs<br />
> zuerisportkids.ch<br />
7./8. September<br />
Weltklasse Zürich<br />
> zurich.diamondleague.com<br />
10./11. September<br />
De goldig Züriträffer<br />
Qualifikationen im Albisgüetli<br />
> zuerisportkids.ch<br />
25. September<br />
Zürcher Sportfest Uster<br />
> zuerchersportfest.ch<br />
25. September<br />
Pink Ribbon Charity Walk<br />
> pink-ribbon.ch<br />
Agenda 11<br />
GROSSES HAKOAH-JUBILÄUMSFEST MIT FCZ-BETEILIGUNG<br />
Es gibt nicht allzu viele Stadtzürcher Fussballclubs, die 100 Jahre oder mehr auf dem Vereinsbuckel<br />
haben. Heuer wird mit dem FC Hakoah der grösste jüdische Fussballclub der Schweiz<br />
in diesen erlauchten Kreis aufgenommen. Das soll entsprechend gefeiert werden. Am 26. Juni<br />
lädt der FC Hakoah von 10 bis 16 Uhr zum offiziellen 100-Jahr-Jubiläumsfest auf den Utogrund.<br />
Nach einem morgendlichen Juniorenturnier steht am Nachmittag das grosse Highlight<br />
an: Gespielt wird eine Partie mit Beteiligung aktiver und ehemaliger Spieler sowie Funktionäre<br />
des FC Hakoah und des frischgekürten Schweizer Meisters FC Zürich. Auch FCZ-Präsident<br />
Ancillo Canepa hat zugesagt, nochmals die Fussballschuhe schnüren zu wollen, nachdem er<br />
sich dies auch vor acht Jahren nicht hatte nehmen lassen, als sich der FCZ bereits einmal zu<br />
einem historischen Spiel mit dem FC Hakoah angetreten ist. Für beste Unterhaltung auf und<br />
neben dem Platz im Utogrund ist gesorgt, selbstverständlich auch für ausreichende Verpflegungsmöglichkeiten.<br />
Zudem gibt es bei der Tombola tolle Preise zu gewinnen.<br />
FCZ-Präsi Ancillo Canepa hat sein erneutes<br />
Mitwirken auf dem Spielfeld angekündigt.<br />
Foto: z. V. g. FC Hakoah<br />
Wettbewerb<br />
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für Weltklasse Zürich am 8. September<br />
im Stadion Letzigrund.<br />
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Coupon einsenden bis zum 11. Juli <strong>2022</strong> an: Zürisport, Wettbewerb, Postfach, 8702 Zollikon. Oder E-Mail an wettbewerb@zss.ch mit Vermerk<br />
«Weltklasse Zürich» sowie Ihrer Postadresse. Die Preise werden per Post zugestellt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
12 Nachwuchsförderung<br />
Mit entwaffnender Eleganz<br />
En Garde! In der Saalsporthalle wird eine der elegantesten und komplexesten<br />
Sportarten zelebriert. Der Zürcher Fechtclub ist der mitgliederstärkste Verein der<br />
Schweiz – auch im Nachwuchs. Juniorinnen und Junioren aus allen Kulturkreisen<br />
und Gesellschaftsschichten üben hier den noblen Zweikampf.<br />
Die Bewegungen sind von tänzerischer Eleganz,<br />
die Finten von atemberaubender Geschwindigkeit.<br />
Die Reflexe überfordern selbst wache<br />
Augen. Die Treffer sitzen mit messerscharfer Präzision.<br />
Touché! In der Halle des Zürcher Fechtclubs herrscht konzentrierte<br />
Stille – und doch eine Akustik, die ihresgleichen<br />
sucht. Das metallische Klingen der Waffen, das sanfte Aufschlagen<br />
der Schuhsolen und die Reibungen der Kleider<br />
ergeben einen Ton-Mix, der die Eleganz und Leichtigkeit,<br />
aber auch die Kraft und Explosivität dieses Kampfsports<br />
perfekt ausdrückt – quasi das Echo des noblen Duells.<br />
«Fechten ist die permanente Suche nach der Einheit<br />
zwischen physischer und mentaler Stärke.» Dies sagt<br />
Guillaume Adam Le Gouare. Der 38-jährige Franzose<br />
aus Orléans ist als «Maître» die sportlich wichtigste<br />
Ansprechperson im Klub. Auf die Frage, wie er zum Fechten<br />
gekommen sei, weckt der Mann mit dem adligen Namen<br />
mit seiner Antwort romantisch-historische Gefühle: «Ich<br />
habe als Kind ‹König Arthur› gelesen – und dann natürlich<br />
die Geschichten der ‹Drei Musketiere›.» So sei er vom<br />
Fechtvirus befallen worden. Man müsse aber gar nicht so<br />
weit in die Vergangenheit zurückblicken, um das Fechten<br />
als zentrales Element in der Unterhaltungskultur zu finden:<br />
«Auch in ‹Star Wars› ist Fechten eine der häufigsten<br />
Kampfformen.»<br />
In der Zürcher Saalsporthalle duellieren sich aber<br />
weder Jedi-Ritter noch Raumfahrende oder Ausserirdische.<br />
Es sind junge Sportlerinnen und Sportler aus allen<br />
Gesellschaftsschichten und Kulturkreisen. Das Vorurteil,<br />
dass Fechten vor allem ein Vergnügen für akademisch<br />
Gebildete und Gutsituierte ist, entkräftet sich schnell.<br />
Co-Präsident Ivo Moeschlin sagt: «Wir sind sehr breit<br />
aufgestellt und haben Fechterinnen und Fechter mit unterschiedlichstem<br />
kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrund.»<br />
Allein der personelle Zuspruch gibt Moeschlin<br />
recht: Mit 280 Mitgliedern – rund die Hälfte davon<br />
im Nachwuchs – ist der Zürcher Fechtclub der grösste<br />
Schweizer Verein in dieser Sportart.<br />
Maître Le Gouare führt aus: «Wenn wir auf der Piste<br />
stehen, geben wir alles: physisch, mental, technisch.» Fechten<br />
sei die perfekte Kombination aus Kraft, Schnelligkeit<br />
und Koordination. Und doch mache am Schluss oft das<br />
Mentale den Unterschied aus. Das gehe so weit, dass die<br />
Technik so gut eingeübt werde, dass sie im Wettkampf wie<br />
automatisch abgerufen werde: «Wir wollen keine Energie<br />
damit verschwenden, an die Technik denken zu müssen»,<br />
sagt Le Gouare.<br />
Noemi Moeschlin (rechts)<br />
vom Zürcher Fechtclub ist<br />
die bestplatzierte Schweizer<br />
Fechterin.<br />
Einem Gegner auf der Piste gegenüberzustehen<br />
ist sehr anstrengend<br />
und technisch anspruchsvoll zugleich –<br />
einige nennen es körperliches Schach,<br />
andere wettkampfmässiges Ballett.<br />
Mit 280 Mitgliedern – rund die Hälfte davon im Nachwuchs –<br />
ist der Zürcher Fechtclub der grösste Schweizer Verein in dieser Sportart.
Nachwuchsförderung 13<br />
Diana Romagnoli, mit Olympia-Silber im Team wettkampf von Sidney<br />
2000, zwei WM-Medaillen und EM-Gold die erfolgreichste Zürcher<br />
Fechterin der Geschichte, bestätigt dies: «Fechten ist unberechenbar<br />
und das Leistungsvermögen oft schwer einzuschätzen. Der Schnellste<br />
ist nicht zwingend der Beste – und der Kräftigste nicht der Stärkste.»<br />
Die Unwägbarkeiten auf der Planche werden auch in der Fachliteratur<br />
schnell ersichtlich. Da heisst es beispielsweise: «Einem Gegner<br />
auf der Piste gegenüberzustehen ist sehr anstrengend und technisch<br />
anspruchsvoll zugleich – einige nennen es körperliches Schach,<br />
andere wettkampfmässiges Ballett.» Auch in vielen Stücken Shakespeares<br />
wird gefochten. Der Poet nahm sein Wissen dabei aus der eigenen<br />
Erfahrung und unzähligen Trainingsübungen, die ihm zwei italienische<br />
Fechtmeister vermittelten.<br />
Ohne wirtschaftliche Schützenhilfe durch die öffentliche Hand<br />
läuft aber auch im Zürcher Fechtsport wenig. Zwar steht der Klub<br />
auf gesunder Basis. Doch die angestrebte Erweiterung der Infrastruktur<br />
in der Saalsporthalle sei von grosser Bedeutung, so Co-Präsident<br />
Moeschlin, und sie würde sich auch auf das Sportangebot positiv auswirken.<br />
Vor allem im Bereich der Garderoben könne man derzeit kaum<br />
einem Mindestanspruch gerecht werden. So hoffen die Zürcher, im<br />
Rahmen des Nationalen Sportanlagenkonzepts (NASK) Finanzhilfe<br />
für eine Aufwertung des Standorts zu einem nationalen Leistungszentrum<br />
zu erhalten. Damit würde sich auch die Situation der besten<br />
nationalen Nachwuchsathletinnen und -athleten merklich entspannen.<br />
Bisher müssen die grössten Talente zwischen Bern, Basel und Zürich<br />
pendeln. «Ein schwieriger Zustand», wie die frühere Spitzenfechterin<br />
Diana Romagnoli sagt. Umso mehr, als mit der «Challenge de Zurich»<br />
das renommierte Weltcup-Turnier vor 18 Jahren aus dem internationalen<br />
Kalender gestrichen wurde. So gehört es gemäss Ivo Moeschlin zu<br />
den wichtigsten Zielen des Zürcher Fechtclubs, künftig zumindest auf<br />
national höchster Stufe wieder regelmässig Turniere durchzuführen. Ob<br />
aus der Idee Wirklichkeit wird, bleibt abzuwarten. Eins aber steht fest:<br />
Harte Kämpfe finden im Fechten nicht nur auf der Piste statt, sondern<br />
auch auf dem Parkett des sportpolitischen Mehrkampfs.<br />
Text: Thomas Renggli<br />
Fotos: ©Bizzi/SwissFencing, Zürcher Fechtclub<br />
«Olympia 2028 ist mein Traum»<br />
Interview<br />
Mit Andrina Lusti sprach Thomas Renggli<br />
Andrina Lusti (16) gehört zu den grössten<br />
Schweizer Fecht-Hoffnungen. Die Wiedikerin<br />
steht im nationalen Kader und träumt von einer<br />
Weltkarriere in ihrem Sport.<br />
Andrina, wie bist du zum Fechten<br />
gekommen?<br />
Meine älteren Brüder begannen mit diesem<br />
Sport, als ich noch ein Baby war. So wuchs<br />
ich mit dem Fechten auf und lernte auch die<br />
Geräusche dieser Sportart lieben. Als Kind<br />
konnte ich am besten in der Halle schlafen –<br />
beim Klang der Klingen und beim Alarmsignal<br />
nach einem Treffer. Diese Tonkulisse<br />
vermittelte mir immer ein Gefühl der<br />
Geborgenheit.<br />
Welche Rolle spielen deine Eltern?<br />
Selbst haben sie nicht gefochten. Sie<br />
unterstützen mich aber, wo sie nur können –<br />
materiell und organisatorisch. Meine Mutter<br />
Beatrice ist mittlerweile auch im Vorstand<br />
des Zürcher Fechtclubs.<br />
Geld verdienen lässt sich mit Fechten<br />
wohl nicht?<br />
Es sei denn, man hat Top-Sponsorenverträge.<br />
Sonst wird es schwierig. Aber deshalb<br />
absolviere ich neben dem Sport an der<br />
United School of Sports eine kaufmännische<br />
Lehre. Die ersten zwei Jahre sind Theorie –<br />
nun folgt die eigentliche Aus bildung. Am<br />
liebsten würde ich sie auf dem Sportamt<br />
machen.<br />
Wie gross ist dein Trainingsaufwand?<br />
Ich trainiere sechs- bis siebenmal pro Woche,<br />
fünfmal im Klub und ein- bis zweimal im<br />
Letzigrund im Rahmen meiner Ausbildung<br />
an der United School of Sports – mit zwei<br />
Trainerinnen, die uns zur Verfügung stehen.<br />
Dort konzentriere ich mich vor allem auf das<br />
Krafttraining. Dazu kommt eine Yoga-Lektion –<br />
abhängig davon, wie ich mich gerade fühle.<br />
Hier stehen die Regeneration und das<br />
mentale Gleichgewicht im Vordergrund.<br />
Es heisst, im Fechten sei das Mentale<br />
enorm wichtig …<br />
Definitiv. Wer stark im Kopf ist, kommt<br />
weiter. Das spürt man schon in den Trainings.<br />
Wer mental bereit ist, erreicht bessere Resultate<br />
und wird den eigenen Ansprüchen eher<br />
gerecht.<br />
Sind die Olympischen Spiele in Paris in<br />
zwei Jahren für dich schon ein Thema?<br />
(lacht) Ja, aber nur am Fernseher. Als<br />
Sportlerin kommen die für mich noch zu<br />
früh. Man sagt, im Fechten beginne das<br />
beste Alter erst ab 30 – mir bleibt also noch<br />
Zeit. Mein Traum sind aber die Olympischen<br />
Spiele 2028 in Los Angeles.<br />
Drückt die Schulbank in der United School<br />
of Sports und hat auf der Piste nie Angst,<br />
aber Respekt: Andrina Lusti<br />
Gibt es im Fechten das Gefühl von Angst?<br />
Angst nicht, aber Respekt. Oft werde ich<br />
gefragt, ob die Stiche und Schläge schmerzhaft<br />
sind. Da sage ich immer: Fechten ist ein<br />
Kampfsport, aber wir prügeln nicht aufeinander<br />
ein. Natürlich kann man blaue Flecken<br />
davontragen, aber schlimme Verletzungen<br />
sind selten.<br />
Hast du ein Vorbild?<br />
Vom Stil her sind die Franzosen Yannick<br />
Borel und Romaine Cannone mein Massstab.<br />
Ich fechte ebenfalls mehr mit Genauigkeit als<br />
mit Kraft. Meine bevorzugten Treffziele sind<br />
die Füsse und Hände der Gegnerinnen.<br />
Wo sehen wir dich in zehn Jahren?<br />
(lacht) In der Elite. Ich will dorthin, wo Max<br />
Heinzer ist.
14 Porträt<br />
Auf den Geschmack<br />
gekommen<br />
Giulia Gatti ist eine sportbegeisterte Frau, die sich in verschiedenen Sportarten<br />
zu Hause fühlt. Ihre Passion gefunden hat sie aber im Boxen.<br />
Sie sagt: «Da komme ich zu unbeschreiblichen und grossen Gefühlen.»<br />
Eine Frau, die boxt: Das irritiert. Giulia Gatti ist eine<br />
solche Frau, und sie erlebt diese schwer einzuordnenden<br />
Reaktionen zur Genüge. Unterschiedlichster<br />
Art sind sie. Sie wird beispielsweise dann damit<br />
konfrontiert, wenn sie von ihrem Sport erzählt. Doch – und<br />
um diese Stärke und Sicherheit ist sie froh – Giulia Gatti<br />
weiss mit dieser Skepsis oder gar Ablehnung umzugehen.<br />
Und sie hält dagegen: «Ich liebe diesen Sport, liebe das<br />
Boxen.» Von ihrer Begeisterung fühlt sie sich getragen und<br />
bestärkt. Sie sagt: «An meiner Box-Affinität lässt sich nicht<br />
rütteln.» Besonders faszinierend findet sie die Kombination<br />
zwischen dem Technischen, dem Physischen und dem<br />
Mentalen. Letzteres streicht sie explizit hervor.<br />
Boxen ist komplex. Präzision ist gefragt, Kraft, Variabilität,<br />
Schnelligkeit, Cleverness und vieles mehr. Jede<br />
Bewegung geschieht explosiv, mit voller Konzentration,<br />
fein getimt. Gatti betont: «Boxen hat nichts zu tun mit<br />
Gewaltausspielen, Aggressivität und wildem Aufeinander-<br />
Eindreschen.» Vielmehr sieht sie «Boxen als etwas Intuitives,<br />
das stark ans Tanzen erinnert». Und besonders faszinierend<br />
für sie ist die eminent wichtige mentale Komponente:<br />
«Du solltest überzeugt sein von dir, gleichzeitig aber deine<br />
Widersacherin lesen.» Von «einer spannenden und immer<br />
wieder neuen Herausforderung» spricht sie.<br />
Die verschiedenen Komponenten müssen harmonieren.<br />
Die 31-Jährige betont: «Du kannst noch so gut trainiert und<br />
alles eingeübt haben; wenn du mental nicht bereit bist,<br />
kommst du nicht weit.» Dieses Umfassende fasziniert: «Beim<br />
Boxen lernst du dich von unterschiedlichen Seiten kennen.»<br />
Bei ihren Worten strahlt Gatti eine gewaltige Energie aus.<br />
Zum Boxen gefunden hat Giulia Gatti auf verschlungenem<br />
Weg. Viele Sportarten probierte sie aus, und etliche<br />
«Ich staune über das Gemeinschaftsgefühl<br />
und die Offenheit<br />
im Klub und unter uns Boxerinnen<br />
und Boxern.»<br />
Giulia Gatti (32):<br />
«Boxen hat nichts mit Gewalt zu tun.»
Porträt 15<br />
lernte sie lieben. Zum Boxen kam sie 2016 in China: Nach<br />
dem Studium in Wirtschaftsmanagement und Chinesisch<br />
in Grossbritannien zog es sie 2013 ins Reich der Mitte.<br />
Der Weg zur Arbeit führte stets an einem Boxclub vorbei,<br />
und sie fühlte sich eigenartig angezogen. In einem Probetraining<br />
kam sie zu prägenden Gefühlen: «Ich war so was<br />
von schlecht, ohne Schnelligkeit, ohne entsprechende<br />
Agilität, ohne Antizipation.» Doch liess sie dieser Sport<br />
nicht mehr los. Regelmässig nutzte sie fortan diese<br />
Trainingsmöglichkeit.<br />
Das Gefühl beim Boxen war es, das sie nach dem Weggang<br />
aus China und nach einer neunmonatigen Weltreise<br />
in ihrer neuen Umgebung in der Schweiz vermisste. In<br />
St. Gallen begann sie erneut zu boxen – neben ihrem<br />
Master-Studium. Vor zwei Jahren wechselte sie zum Box<br />
Club Zürich. Schnell zeigte sich eine vertiefte Verbundenheit:<br />
«Ich staunte und staune über das Gemeinschaftsgefühl<br />
und die Offenheit im Klub und unter uns Boxerinnen<br />
und Boxern.» Wohl fühlt sie sich in «dieser neuen<br />
Familie». Auch Corona und das zwischenzeitliche Verbot<br />
des Klubtrainings vermochten dies nicht zu gefährden.<br />
«Ich tue alles für meinen ersten Sieg»<br />
Viermal pro Woche während jeweils rund anderthalb<br />
Stunden trainiert Giula Gatti im Klub. Dass sie dies als<br />
Morgenmensch am Abend nach harten Arbeitstagen auf<br />
sich nimmt, unterstreicht ihre Begeisterung. Für sie<br />
stimmt’s. Sie schätzt die Klubkultur und die Bezugspersonen.<br />
Zu Trainer Benjamin Grage hat sie ein besonderes<br />
Vertrauensverhältnis aufgebaut. Von ihm fühlt sie sich<br />
ernst genommen und verstanden. Er hat in ihr den Stolz<br />
geweckt – nicht zuletzt deshalb, weil er anfänglich seine<br />
Skepsis zu äussern wagte. Ein direkter Draht zwischen der<br />
Boxerin und dem Trainer hat sich dadurch entwickelt. Und<br />
wohl fühlt sie sich auch mit den Boxerinnen und Boxern<br />
im Klub. Sie sagt: «Der Austausch mit ihnen ist unglaublich<br />
konstruktiv und lehrreich.»<br />
Neben den Klubtrainings arbeitet Gatti individuell an<br />
sich: Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Mentaltraining. Und<br />
das alles neben ihrer Vollzeit-Anstellung bei einem Sportartikel-Hersteller.<br />
Es fordert, Sport und Beruf unter einen<br />
Hut zu bringen. Doch den Enthusiasmus bremst auch ein<br />
eher schwieriger Einstieg nicht: Vier Mal ist sie bis jetzt<br />
angetreten zu einem Fight Frau gegen Frau, vier Mal hat<br />
sie verloren. «Das schmerzt zwar, aber du lernst, wieder aufzustehen<br />
und weiterzumachen», sagt sie. «Und dabei entdeckst<br />
du, was du besser machen kannst, lernst dich immer<br />
besser kennen.» Und ganz klar umreisst sie ihre sportliche<br />
Ambition: «Ich tue alles für meinen ersten Sieg.»<br />
«Es gibt kein<br />
besseres Rundum-<br />
Training»<br />
Mit Matthias Luchsinger sprach Jörg Greb<br />
Matthias Luchsinger, Sie sind Sportchef<br />
des Box Club Zürich, und Boxen<br />
hat ein schlechtes Image …<br />
Sie zielen auf Schläger, Brutalität, krumme<br />
Geschäfte ab. Und Sie denken an<br />
Gehirnverletzungen, das gemeinhin<br />
Gefährliche beim Boxen. Ich entgegne:<br />
Da hat sich vieles verändert. Wir haben<br />
klare Regeln. Stopp heisst beim Boxen<br />
immer Stopp. Das ist das A und O.<br />
Und Sie haben ein Paradebeispiel<br />
dafür, dass Zürcher Boxer weit<br />
kommen können …<br />
Genau: Thomas Marthaler, unser Klubmitglied,<br />
war zehnfacher Schweizer<br />
Meister, hängte an die Box-Karriere ein<br />
Jura-Studium und hat sich als Berufsmann<br />
wie als Politiker einen Namen gemacht.<br />
Marthaler verteidigt nun Klienten,<br />
früher lernte er bei Ihnen das Verteidigen<br />
und den Angriff.<br />
Eine schöne Parallele. Verteidigen kommt<br />
beim Boxen immer vor dem Schlagen.<br />
Was ich auch betonen will: Für mich gibt<br />
es kein besseres Rundum-Training als<br />
Boxen. Und zwar für beide Geschlechter<br />
und (fast) jedes Alter. Wir haben 70-Jährige<br />
bei uns. Wir fördern Kondition,<br />
Interview<br />
Ausdauer, Schnelligkeit, wir schulen das<br />
Auge, die Koordination. Boxen ist ein<br />
hochklassiges Ganzkörpertraining.<br />
Wir porträtieren in dieser Zeitung<br />
Giulia Gatti. Ist sie als Frau im Boxen<br />
die grosse Ausnahme?<br />
Keinesfalls. Rund ein Drittel unserer<br />
Klubmitglieder sind Frauen. Sie schätzen<br />
vor allem unser Fitness- und Konditionstraining.<br />
Unser Ziel ist es, noch mehr<br />
Frauen und auch Jugendliche zu begeistern.<br />
Sie propagieren unter anderem<br />
das Light Contact Boxing. Was ist<br />
darunter zu verstehen?<br />
Light Contact Boxing ist der Einstieg<br />
ins Wettkampfboxen. 10- bis 12-Jährige<br />
sollten noch nicht boxen, bei ihnen geht<br />
es um Grundschläge, Laufschritte,<br />
Verteidigungsverhalten – ohne Durchschlagen.<br />
Will noch mehr Frauen und Jugendliche fürs<br />
Boxen begeistern: Matthias Luchsinger,<br />
Leiter Sport im Box Club Zürich<br />
Text: Jörg Greb<br />
Foto: z. V. g. Box Club Zürich<br />
Probetrainings in Box-Kondition werden regelmässig<br />
angeboten. Infos und Anmeldeformular:<br />
> boxclubzuerich.ch/probetraining
16 Offene Vereinstüren<br />
Offene Vereinstüren<br />
Aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums will der ZSS die Stadtzürcher Sportvereine<br />
in den Fokus der Öffentlichkeit stellen: Das Jubiläum bietet eine wunderbare<br />
Gelegenheit, allen Vereinen und deren Mitgliedern Danke zu sagen! Das tut der<br />
der Dachverband mit der Aktion «Offene Vereinstüren».<br />
Der Monat Juni soll eine Ode an den Sportverein in unserer Stadt sein.<br />
Jung und Alt sowie Fitte und weniger Fitte sind eingeladen, unverbindlich<br />
zu schnuppern. Vom 1. bis zum 30. Juni können über 40 verschiedene<br />
Sportarten kostenlos ausprobiert werden – von Aikido über Rugby hin zu<br />
Unihockey.<br />
Von der positiven Wirkung des Sports, auch bezüglich der sozialen Erfahrungen,<br />
profitieren besonders auch Kinder und Jugendliche. So leisten<br />
Sportvereine in gesellschaftspolitischen Belangen Grossartiges: Respekt,<br />
Toleranz, Fairness, Teamgeist und Solidarität. All das kann der Sportverein<br />
vermitteln und trägt so zum sozialen Zusammenhalt in unserer<br />
Gesellschaft bei. Die kostenlosen Schnupperangebote richten sich jeweils<br />
gezielt an Kinder, Jugendliche und/oder Erwachsene.<br />
GRATIS<br />
SPORT<br />
SCHNUPPERN<br />
> zss.ch<br />
DIE STADTZÜRCHER SPORTVEREINE LADEN EIN!<br />
Unter der Leitung erfahrener Coaches können vom 1. bis zum 30. Juni verschiedene<br />
Sportarten kostenlos ausprobiert werden. Jetzt alle Angebote entdecken! >