Leichtathletik INFORMationen 02/2022
Inhalt: Frühjahrssitzung des Vorstandes + Hallen WM in Belgrad + Rückblick Mehrkampfmeeting Ratingen + Sprung-Projekt auf der Zielgerade + Förderprojekt Hammerwurf-Camp + Was macht ein BSP-Leiter? + Interview: Marie-Sophie Macke + Olympische Spiele 1972
Inhalt: Frühjahrssitzung des Vorstandes + Hallen WM in Belgrad + Rückblick Mehrkampfmeeting Ratingen + Sprung-Projekt auf der Zielgerade + Förderprojekt Hammerwurf-Camp + Was macht ein BSP-Leiter? + Interview: Marie-Sophie Macke + Olympische Spiele 1972
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Heft <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>2<br />
<strong>Leichtathletik</strong><br />
<strong>INFORMationen</strong><br />
FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong> e. V. – Wir fördern die <strong>Leichtathletik</strong>-Jugend
Liebe FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong><br />
WordPress, Gutenberg-Editor oder SEO – schon mal was davon gehört? Nein? Kein<br />
Problem, ich nämlich auch nicht – zumindest bis vor etwa einem halben Jahr. All<br />
diesen Begriffen begegnete ich das erste Mal, als ich im September 2<strong>02</strong>1 die Nachfolge<br />
von Markus Schnorrenberg für die Betreuung der FREUNDE-Homepage antrat.<br />
Meine IT-Kenntnisse bis zu diesem Zeitpunkt bestanden aus einem gängigen Mix:<br />
Word, Excel, PowerPoint und die Fähigkeit, durch Googeln im Internet von A nach<br />
B zu kommen. Doch weder privat noch beruflich hatte ich bisher je hinter die Kulissen<br />
einer Website geschaut. Meiner Schwester Fabienne, die zeitgleich mit mir in<br />
den Vorstand gewählt wurde und die sich ebenfalls in diese neue Rolle einarbeiten<br />
würde, ging es ähnlich.<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
Förderverein FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong> e.V.<br />
Geschäftsstelle:<br />
Alfred Maasz<br />
Am Steinlein 2b, 97753 Karlstadt<br />
Telefon: 0 93 53 / 9 98 86, Fax / 99888<br />
E-Mail: geschaeftsstelle@fdlsport.de<br />
Internet: www.fdlsport.de<br />
FB: www.facebook.com/freundederleichtathletik<br />
Instagram: www.instagram.com/fdlsport<br />
Spenden und Anzeigen sind willkommen.<br />
Die Anzeigenpreisliste finden Sie online.<br />
Bankverbindung:<br />
Sparkasse Mainfranken<br />
IBAN: DE25 7905 0000 0047 4317 21<br />
Erscheint viermal jährlich. Der Bezug dieser<br />
Zeitung ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
Redaktion (V.i.S.d.P.):<br />
Peter Busse<br />
Dr.-Gemmert-Str. 24<br />
40882 Ratingen<br />
E-Mail: busse-ratingen@t-online.de<br />
Für mit Namen oder Initialen gekennzeichnete<br />
Beiträge sind die Verfasser verantwortlich.<br />
Die FREUNDE sind bemüht alle Artikel in einer<br />
gendergerechten Sprache zu verfassen. Trotzdem<br />
kann auch die Redaktion eine solche Textpassage<br />
übersehen. Sollte das geschehen, bitten<br />
wir dies zu entschuldigen. Wenn bei Artikeln<br />
keine gendergerechte Anpassung vorgenommen<br />
wurde, so geschah dies auf ausdrücklichen<br />
Wunsch des Autors.<br />
Gestaltung und Druck:<br />
color-offset-wälter GmbH & Co. KG<br />
Oberste-Wilms-Straße 18, 44309 Dortmund<br />
Telefon: <strong>02</strong> 31 / 97 67 64 - 0<br />
E-Mail: kontakt@color-offset-waelter.de<br />
Internet: www.color-offset-waelter.de<br />
Titelseite:<br />
Niklas Kaul in Ratingen nach dem dritten Fehlversuch<br />
über 1,98 m – ratlos. Mehr siehe Seite 6/7.<br />
Glücklicherweise fanden wir in Oliver Frenkel und Peter Busse geduldige und hilfsbereite<br />
Lehrer (auch an dieser Stelle nochmal: vielen Dank!). Oliver hat die FREUNDE-<br />
Website zu ihrem jetzigen Erscheinungsbild geführt und kümmert sich – vereinfacht<br />
ausgedrückt – um die technische Betreuung der Website. Peter, einer der Gründerväter<br />
der FREUNDE-Zeitung, hat den Überblick darüber, wann welche Inhalte oder<br />
Artikel veröffentlicht werden (sollten). Die Veröffentlichung besagter Inhalte fällt<br />
nun uns zu.<br />
Vergangenen Herbst starteten Fabienne und ich also unsere ersten Gehversuche<br />
auf einer Test-Website, die Oliver für uns angelegt hatte und die die exakte Kopie<br />
der FREUNDE-Website ist. Hier lernten wir WordPress kennen, die Software, mit der<br />
unsere Homepage erstellt ist. Wir lernten von Oliver, wie man in WordPress Beiträge<br />
erstellt, formatiert und veröffentlicht – das Programm, das man innerhalb von<br />
WordPress verwendet, heißt übrigens Gutenberg-Editor. Zum Üben erstellten wir<br />
erfundene Test-Beiträge, und richteten erfreulicherweise keinen größeren Schaden<br />
in unserer Test-Umgebung an. Ab etwa November/Dezember waren wir, zumindest<br />
in den Grundlagen, gerüstet für die „echte“ Welt des Internets.<br />
Auf den anfänglichen Schwung folgte die ernüchterte Feststellung, dass zum Veröffentlichen<br />
eines Beitrags sehr viel mehr gehört, als den Text der Autoren und Autorinnen<br />
zu kopieren und auf der Website einzufügen. Denn um sicherzustellen, dass<br />
die Artikel, die wir auf der FREUNDE-Website veröffentlichen, auch von den gängigen<br />
Suchmaschinen gefunden werden, muss eine Suchmaschinenoptimierung<br />
betrieben werden. Das bedeutet vor allem, Artikeln sinnvolle Schlagworte und<br />
Überschriften zu geben – bei mir dauert diese Optimierung meistens länger als das<br />
Erstellen des eigentlichen Beitrags. Der englische Begriff hierfür lautet übrigens<br />
„search engine optimization“, und wird mit „SEO“ abgekürzt. Somit wäre das Rätsel<br />
um die Begriffe zu Beginn des Artikels also gelöst.<br />
Auf der Website ist alles zu finden, was die Aktivitäten der FREUNDE betrifft: ein<br />
Überblick über aktuell laufende und abgeschlossene Förderprojekte, Informationen<br />
zu den Förderrichtlinien, Ticket-Angebote für Mitglieder und vieles, vieles mehr –<br />
sozusagen alle Inhalte, die ihr auch hier in der FREUNDE-Zeitschrift lesen könnt, nur<br />
in digitaler Form.<br />
Bisher macht die Betreuung der Website viel Spaß, auch wenn nicht immer alles<br />
reibungslos läuft (aber wann tut es das schon?). Ich freue mich auf die weitere Arbeit<br />
und bedanke mich bei Oliver Frenkel, Peter Busse, Joachim Höller und Fabienne<br />
Engels für die Unterstützung und die Geduld bei der gemeinsamen Zusammenarbeit.<br />
Corinne Kohlmann<br />
Zu finden sind wir übrigens unter www.fdlsport.de und freuen uns auf euren Besuch.<br />
Titelfoto:<br />
Torben Flatemersch<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 2
Die Aufgabenverteilung des im letzten Herbst gewählten<br />
Vorstands:<br />
Projektkoordination<br />
Fabienne Engels<br />
Vertretung: Roland Frey<br />
Veranstaltungen<br />
Thomas Kuntke<br />
Vertretung: Roland Frey<br />
Finanzen<br />
Paul Paszyna<br />
Vertretung: Alfred Maasz<br />
FdL-Infostand<br />
Christiane Offel<br />
Vertretung: Axel Offel<br />
Internationales<br />
Wilfried Walter<br />
Vertretung: Roland Frey<br />
Medien<br />
Joachim Höller<br />
Vertretung: Corinne Kohlmann<br />
Zeitung<br />
Joachim Höller<br />
(Peter Busse)<br />
Homepage<br />
Corinne Kohlmann<br />
(Fabienne Engels)<br />
Facebook<br />
Danny Schott<br />
(Wilfried Walter)<br />
Instagram<br />
Danny Schott<br />
(Fabienne Engels)<br />
Presse<br />
Peter Middel<br />
(Peter Busse)<br />
Fabienne Engels (geb. Kohlmann), die 2010 mit der deutschen<br />
4×400-m-Staffel Europameisterin war, und ihre fünf Jahre jüngere<br />
Schwester Corinne wollen insbesondere den Bekanntheitsgrad<br />
der FREUNDE bei jüngeren Athlet*innen sowie bei<br />
deren Trainer*innen erhöhen. Die beiden Schwestern wurden<br />
im September 2<strong>02</strong>1 in Stemwede in den Vorstand gewählt.<br />
Fabienne Engels will vor allem die Landesverbände des DLV<br />
mit ins Boot holen, um über die Aufgaben und Fördermöglichkeiten<br />
der FREUNDE zu informieren. Den ersten Schritt hat sie<br />
auf digitalem Wege bereits über den LV Schleswig-Holstein<br />
vollzogen. Weitere Landesverbände werden folgen.<br />
FREUNDE wollen größte Fan-Gruppe bei der EM stellen<br />
Die Vorfreude ist groß: Mehr als 200 FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong><br />
haben bisher Dauerkarten für die <strong>Leichtathletik</strong>-Europameisterschaften<br />
in München gebucht – und es werden noch weitere<br />
hinzukommen. „Ich gehe davon aus, dass wir mit 500 Freunden<br />
die Wettkämpfe im Olympiastadion verfolgen werden. Wir<br />
werden damit sicherlich die größte Fangruppe bei den Titelkämpfen<br />
stellen“, erklärte Roland Frey.<br />
Der Förderverein unterstützt auch das Jugendlager der Deutschen<br />
<strong>Leichtathletik</strong>-Jugend (DLJ), das anlässlich der Titelkämpfe<br />
in der bayerischen Metropole durchgeführt wird. „Die<br />
EM in München bietet wie die Titelkämpfe 2018 in Berlin wieder<br />
eine große Chance, weitere Fans für die <strong>Leichtathletik</strong> zu gewinnen.<br />
Daher müssen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden<br />
Mitteln für unsere Heim-EM werben“, betonte Wilfried Walter.<br />
In der Hoffnung, dass es im kommenden Jahr wieder weniger<br />
Reise-Einschränkungen geben wird, plant Wilfried Walter für die<br />
FREUNDE den Besuch der Hallen-Europameisterschaften vom<br />
2. bis 5. März 2<strong>02</strong>3 in Istanbul (Türkei) und der <strong>Leichtathletik</strong>-<br />
Weltmeisterschaften vom 19. bis 27. August 2<strong>02</strong>3 in Budapest<br />
(Ungarn). Walter präsentierte auch schon Pläne für die Olympischen<br />
Spiele vom 26. Juli bis 11. August 2<strong>02</strong>4 in Paris, für die<br />
13,4 Millionen Tickets zur Verfügung stehen (davon sind 3,4 Millionen<br />
für die Paralympics). Die Registrierung für die Verlosung<br />
zum Karten-Vorverkauf wird Ende dieses Jahres möglich sein.<br />
Text: Peter Middel<br />
Fotos: Wilfried Walter<br />
3 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Die Hallen-WM in Belgrad<br />
Nachdem die 18. Hallenweltmeisterschaften im chinesischen Nanjing 2<strong>02</strong>0 wegen der Corona-<br />
Pandemie zweimal verschoben werden mussten und jetzt – Ironie der Geschichte – nun im<br />
nächsten Jahr nach den 19. HWM in Belgrad stattfinden, mussten die <strong>Leichtathletik</strong>-Fans<br />
vier Jahre lang auf Welt-Titelkämpfe in der Halle warten.<br />
Ursprünglich hatten 22 FREUNDE Tickets bei der Geschäftsstelle<br />
bestellt und eine Reise nach Belgrad geplant. Aus Angst<br />
vor Corona hatten aber etliche Mitglieder ihre geplante Reise<br />
wieder storniert, und auch die geplante Fan-Reise von Teamsportreisen<br />
musste wegen Nicht-Erreichens der Mindestteilnehmerzahl<br />
abgesagt werden. Daher waren letztendlich nur<br />
13 FREUNDE vor Ort, um unsere Athleten anzufeuern. Die<br />
7-Tage-Corona-Inzidenz in Belgrad betrug während der Wettkämpfe<br />
rund 220 (in Deutschland zur gleichen Zeit über 1.700).<br />
Der Deutsche <strong>Leichtathletik</strong>-Verband nahm nach einigen krankheitsbedingten<br />
Absagen nur noch mit 16 Athletinnen und Athleten<br />
an den Titelkämpfen teil, einige Leistungsträger hatten<br />
bereits im Vorfeld zugunsten einer optimalen Vorbereitung<br />
auf die Sommer-Highlights WM und EM auf eine Teilnahme<br />
verzichtet.<br />
Nachdem angesichts der immer noch grassierenden Corona-<br />
Pandemie die Erwartungen an die Titelkämpfe eher niedrig<br />
waren, wurden die Fans von der Organisation, der Atmosphäre<br />
und den Leistungen im Verlauf der Wettkämpfe überaus positiv<br />
überrascht. Die Teilnehmer aus 129 Ländern verbesserten<br />
in den drei Wettkampftagen sieben Meisterschaftsrekorde,<br />
17 kontinentale Hallenrekorde und 72 Nationalrekorde. Zur<br />
Krönung gab es am Schlusstag auch noch drei Weltrekorde<br />
(Yulimar Rojas, Dreisprung, 15,74 m; „Mondo“ Duplantis, Stabhochsprung,<br />
6,20 m und Grant Holloway, 60 m Hürden, 7,29 sec)<br />
– wann hat es das in der jüngeren Vergangenheit bei (Hallen-)<br />
Weltmeisterschaften (an einem Tag) schon gegeben …<br />
Hinzu kamen erstaunlich viele Überraschungen und Favoritenstürze<br />
(z. B. 1.500 m Männer, 60 m Frauen, Kugelstoßen Männer),<br />
über die in den entsprechenden Fachmedien hinlänglich<br />
berichtet wurde. Zusätzlich „Gänsehaut-Feeling“: beim Sieg<br />
der jungen Ukrainerin Yaroslava Mahuchikh im Hochsprung<br />
der Frauen nach 60-stündiger Anfahrt mit dem Auto durch<br />
das Kriegsgebiet (!!) oder beim Sieg der Lokalmatadorin Ivana<br />
Vuleta im Weitsprung der Frauen mit bemerkenswerten 7,06 m.<br />
Enttäuschend hingegen der Auftritt des deutschen Teams, das<br />
im Medaillenspiegel überhaupt nicht vertreten war und mit<br />
dem achten Platz von Maximilian Thorwirth über 3.000 m das<br />
beste Ergebnis erzielte.<br />
Zur Organisation: Zwar wurden beim Betreten der Štark-Arena<br />
wie bei der EM 2017 alle Münzen und Kugelschreiber konfisziert<br />
(man könnte ja damit nach den Athleten werfen, was offenbar<br />
bei Eishockeyspielen in Serbien durchaus üblich ist), andererseits<br />
waren die Infos vor Ort über die Anzeigentafeln ausgesprochen<br />
zeitnah, detailliert und umfangreich. Noch nie wurde das Publikum<br />
bei internationalen Meisterschaften derart fachgerecht<br />
informiert. Die Stimmung in der Halle war prächtig und das ser-<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 4
ische Publikum ausgesprochen fair. Politische Aktionen oder<br />
Äußerungen angesichts des Krieges in der Ukraine blieben<br />
weitestgehend aus. 20.000 Zuschauer an den drei Wettkampftagen<br />
(die Corona-Auflagen verhinderten eine noch höhere<br />
Auslastung der 18.500 Zuschauer fassenden Štark-Arena) waren<br />
der verdiente Lohn für die Mühe des Ausrichtungsteams.<br />
Text: Wilfried Walter<br />
Fotos: W. Walter und Bernd Clauss<br />
Ein Zwischenruf: Respekt!<br />
Einer der 16 deutschen Starter in Belgrad hieß Aleksandar<br />
Askovic. Der bayrische Sprinter war lediglich Vierter bei der<br />
Hallen-DM geworden und hatte damit trotz erfüllter Norm das<br />
Ticket für Belgrad eigentlich verpasst. Doch er war der einzige<br />
Sprinter, der in Belgrad starten wollte. Und ob er wollte!<br />
Bei seinem internationalen Debüt stand er im Vorlauf ziemlich<br />
unbeeindruckt zwischen Aleksa Kijanovic, dem serbischen<br />
Lokalmatador, und Christian Coleman, dem Weltrekordhalter.<br />
Askovic kam mit PB als Zweiter ins Ziel und schaffte damit den<br />
Direkteinzug ins Halbfinale, wo er erneut in den Bereich seiner<br />
Saisonbestleistung kam, aber als Vierter das Finale verpasste.<br />
Gibt es da etwas zu meckern? Im Gegenteil – der Mann hat<br />
unseren Respekt verdient!<br />
1997 in Serbiens Hauptstadt geboren, zog Askovic mit vier<br />
Jahren nach Bayern, wo sein Vater eine Stelle als Softwareentwickler<br />
fand und seine Mutter als <strong>Leichtathletik</strong>trainerin einstieg.<br />
Aleksandar favorisierte zunächst Sprünge und die Hürden,<br />
aber die größten Fortschritte erzielte er im Sprint. Der Student<br />
der Materialwissenschaften und Werkstofftechnik wurde 2019<br />
Deutscher Hochschulmeister über 100 m und wechselte 2<strong>02</strong>0<br />
zum Top Team Thüringen, wo auch Julian Reus trainierte. Dieses<br />
Jahr kehrte er nach Bayern zurück und startet inzwischen<br />
für die LG Stadtwerke München. Dort trainiert er sechs Mal in<br />
der Woche unter der Regie von Sebastian Kneifel. Sein Studium<br />
findet überwiegend online statt und neigt sich inzwischen dem<br />
Examen zu.<br />
Während der Hallenweltmeisterschaften in Belgrad wurde<br />
er kräftig von der sportbegeisterten Familie und Freunden<br />
angefeuert, die in der Štark-Arena in Nachbarschaft des<br />
FREUNDE-Blocks saßen und dort umgehend weitere Unterstützung<br />
fanden. Mal schauen, wie es in der Freiluftsaison 2<strong>02</strong>2<br />
mit Aleksandar weiter läuft ... <br />
(PB)<br />
Bei den Deutschen <strong>Leichtathletik</strong>-Hallenmeisterschaften 2<strong>02</strong>2<br />
belegte Aleksandar Askovic lediglich den vierten Platz und konnte<br />
trotzdem bei der Hallen-WM starten. Foto: Torben Flatemersch<br />
Fans gleich mitgebracht – “Idemo” bedeutet “Auf geht‘s”, Sale ist<br />
der Spitzname von Alexandar.<br />
Foto: Bernd Clauss<br />
5 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Mein Name: Rudi Ratlos<br />
Der Redakteur der FREUNDE-Zeitung hat das Ziel, die Seiten jeden Heftes mit einem bunten<br />
Strauß an interessanten Themen für die Leserschaft zu füllen. Dankbar ist er da für jeden<br />
geeigneten Beitrag. Auch deshalb, weil selbst weder auf fundierte journalistische noch sporttheoretische<br />
Kenntnisse zurückgegriffen werden konnte, als bei Eintritt des Rentenalters<br />
von den FREUNDEN Mitarbeit erbeten wurde.<br />
Dieses Heft sollte auf jeden Fall rechtzeitig vor den Deutschen<br />
Meisterschaften Ende Juni erscheinen. Folglich musste es Ende<br />
Mai in die Druckerei. Bis dahin gab es im <strong>Leichtathletik</strong>jahr noch<br />
nicht viele Höhepunkte und auch unsere Förderprojekte liefen<br />
noch nicht richtig. Also wurden zwei Seiten zum Mehrkampfmeeting<br />
in Ratingen eingeplant. Die Plakate hingen längst. Sie<br />
zeigten Vanessa Grimm, Carolin Schäfer und ein Läuferduell von<br />
Niklas Kaul und Kai Kazmirek.<br />
Es ging um die begehrten Tickets für die WM und EM. Die<br />
„weltweite Elite“ war angekündigt, „hochklassige Leistungen<br />
... in jedem Fall garantiert“. Und nun? Vanessa Grimm konnte<br />
im Siebenkampf nicht antreten; Carolin Schäfer kämpfte<br />
bis zum Umfallen, erreichte aber trotz PB über 800 m lediglich<br />
6.170 Punkte – weit entfernt von jeder Qualifikationsnorm.<br />
Es siegte Sophie Weißenberg, die sich mit ordentlichen<br />
6.273 Punkten einen Startplatz für die EM in München sicherte.<br />
Als „internationale Top-Athletin“ muss auf dem dritten Platz die<br />
Französin Leonie Cambours (5.933 Pkt.) herhalten.<br />
Wie den Zehnkampf kommentieren? Höchst erfreulich in jeder<br />
Hinsicht der Auftritt des Schweizer Siegers Simon Ehammer<br />
(8.354 Pkt.). Das Ergebnis ebenso wie sein Weitsprung von<br />
8,30 m nationaler Rekord; damit hat er sogar die Wahl, in welcher<br />
Disziplin er bei der Weltmeisterschaft in Eugene starten<br />
möchte. Ein Auf und Ab war der Zehnkampf von Tim Nowak,<br />
dem Zweiten mit gehörigem Abstand; seine 8.160 Punkte dürften<br />
das Ticket für München bedeuten. Das FREUNDE-Mitglied<br />
wird in Götzis erneut antreten, um eventuell auch noch die WM-<br />
Norm zu packen – die Form dafür meint er zu haben.<br />
Niklas Kaul und Kai Kazmirek? Die Körpersprache – wie überwiegend<br />
bei deutschen Leichtathleten – alles andere als entspannt,<br />
von Elan oder gar Vorfreude nach Corona keine Spur.<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 6
Bereits die 100-m-Ergebnisse ernüchternd, zudem zog sich<br />
Mathias Brugger gleich eine Verletzung zu. Bei Nico Beckers<br />
und den jungen Wilden sah alles etwas anders aus. Sie werden<br />
übrigens vom Thorpe-Cup motiviert, dem jährlich stattfindenden<br />
Ländervergleich der Mehrkämpfer mit den USA, der<br />
abwechselnd in Deutschland und Nordamerika ausgetragen<br />
wird. Im Zehnkampf treten jeweils sieben Athleten aus der<br />
zweiten Reihe pro Nation an, fünf kommen in die Wertung; bei<br />
den Siebenkämpferinnen sind es fünf Athletinnen, von denen<br />
die besten drei gewertet werden.<br />
Warum die beiden besten deutschen Zehnkämpfer am<br />
Samstagnachmittag nur vier Schritte statt 400 Meter liefen?<br />
Rätselraten bei Livestream-Kommentator Frank Busemann<br />
und sämtlichen Zuschauern. Diverse Spekulationen und später<br />
bei Niklas Kaul sich widersprechende Meldungen; mal<br />
als Ursache Kopfschmerzen und ein Schwindelgefühl, mal<br />
ein eingeklemmter Nerv bzw. „eine kleinere Verletzung“. Bei<br />
Kai Kazmirek Funkstille; vermutlich, weil die schwachen Leistungen<br />
für sich sprechen sollten. Der Redakteur möchte das<br />
nicht bewerten, er stellt nur fest: Die deutsche <strong>Leichtathletik</strong><br />
hat trotz Heim-EM momentan keine Hochphase und zudem<br />
Kommunikationsprobleme.<br />
Mit einem Kreismeistertitel als sportliche Krönung traut sich<br />
der Redakteur nicht recht, einem Weltmeister Ratschläge zu<br />
erteilen. Ansonsten leidet er mit wie Hund, denn als <strong>Leichtathletik</strong>fan<br />
ist er mit Enthusiasmus dabei und wünscht allen<br />
Athleten und Athletinnen stets einen möglichst erfolgreichen<br />
Wettkampf. Zur Einordnung im Übrigen: Am selben Wochenende<br />
waren auch in den USA Mehrkampf-Meisterschaften<br />
mit WM-Qualifikation; im Zehnkampf siegte Garrett Scantling<br />
(8.867 Pkt.) vor Kyle Garland (8.720 Pkt.) und Zach Ziemek<br />
(8.573 Pkt.).<br />
Die Stimmung konnte kaum besser sein in Ratingen. Die<br />
Zuschauer blieben begeisterungsfähig und sind damit ebenso<br />
zu loben wie die Organisation, die 200 engagierten Ehrenamtlichen<br />
und nicht zuletzt das Wetter. Zudem gab es bei der<br />
25. Auflage in Ratingen immerhin drei Meetingrekorde und den<br />
erstaunlichen Optimismus vieler angereister FREUNDE: „Kann<br />
ja nur besser werden.“ Im Hinblick auf die Saison 2<strong>02</strong>2 und die<br />
Aussichten von Team Deutschland bleiben dennoch Fragen.<br />
Die Antworten werden wir im Wesentlichen in Berlin, Eugene<br />
und München erhalten.<br />
Fotos: Torben Flatemersch<br />
(PB)<br />
7 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Sprung-Projekt auf der Zielgerade<br />
Die FREUNDE begannen 2012 mit der Förderung des Dreisprungs, der seinerzeit als Sorgendisziplin<br />
der deutschen <strong>Leichtathletik</strong> galt. Seitdem wurden vornehmlich der jährlich<br />
durchgeführte Deutsche-Talent-Mehrsprung-Cup und anschließende Lehrgänge für die<br />
talentiertesten Springer von den FREUNDEN der <strong>Leichtathletik</strong> begleitet und finanziert.<br />
Organisiert und durchgeführt wurden die Veranstaltungen vom<br />
DLV-Dreisprung-Team, das damals als Instrument zur Talentidentifikation<br />
und -entwicklung ins Leben gerufen wurde. Dies<br />
hat sich in den letzten Jahren als sehr wertvolles, wenn nicht<br />
das wertvollste Instrument herausgestellt. Einige Landesverbände<br />
hatten schon vor dem Mehrsprung-Cup Sichtungsmaßnahmen<br />
installiert. Durch die Ausweitung der Maßnahme auf<br />
das gesamte Bundesgebiet kamen jedoch noch weitere Veranstaltungen<br />
in Sachsen, NRW und Hessen dazu. Der Trainerkontakt<br />
und -austausch wurde nebenbei verstärkt, was zu einer<br />
wesentlichen Klimaverbesserung führte.<br />
In den vergangenen Jahren haben sich einige Athleten*innen<br />
aus den Sichtungsmaßnahmen zur nationalen Spitze der U 18<br />
und U 20 entwickeln können. Diese Beobachtung gilt nicht<br />
nur für den Dreisprung, sondern auch für viele andere Disziplinen,<br />
wie den Weitsprung und den Mehrkampf. Mit dieser<br />
einen punktuellen Maßnahme hat sich speziell der Dreisprung<br />
im Nachwuchsbereich enorm entwickeln können. In den letzten<br />
vier Jahren wurden drei neue nationale Bestleistungen in<br />
der weiblichen U 16 und U 18 aufgestellt. Es hat sich gezeigt,<br />
dass eine frühere Auseinandersetzung mit dem Thema Sprung/<br />
Sprünge eine sehr positive Auswirkung auf die Leistungsentwicklung<br />
der jungen Nachwuchstalente hatte.<br />
Anders als im aktuellen Wettkampfsystem wurde durch den Cup<br />
ein Zugang zu den Mehrfachsprüngen geschaffen und damit<br />
auch ein Zugang zur Vorbereitung auf den Dreisprung. Es hat<br />
sich gezeigt, wie hoch das zu großen Teilen ungenutzte Potenzial<br />
durch eine fehlende Sprungausbildung bei unseren jungen<br />
Talenten noch ist. Daher ist es an der Zeit, das Projekt überall<br />
national auszurollen, um tatsächlich eine flächendeckende,<br />
disziplinübergreifende Talentsichtung und -entwicklung über<br />
Mehrfachsprünge zu unterstützen. Angestrebt ist der Projektstart<br />
im Jahr 2<strong>02</strong>3. Im Jahr 2<strong>02</strong>2 soll dafür die Basis geschaffen<br />
werden.<br />
Um die Ressource Sprung ganzheitlich in Deutschland zu nutzen,<br />
sollen – nach der langen coronabedingten Zwangspause<br />
– parallel zum Mehrsprung-Cup auch bereits in der Kinderleichtathletik<br />
gezielt die Weichen für eine flächendeckende<br />
Integration von Sprüngen in das Kinder- und Jugendtraining<br />
gestellt werden. Durch die Anpassung der Wettkampfdisziplinen<br />
in der Kinderleichtathletik sollen die Athleten und Athletinnen<br />
schon frühzeitig auf die Anforderungen in der <strong>Leichtathletik</strong><br />
vorbereitet werden und erste technische Fertigkeiten erlernen.<br />
Text: Massala Felski (DLV-Nachwuchsbundestrainer)<br />
Fotos: Peter Busse<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 8
Übersicht der geplanten Maßnahmen 2<strong>02</strong>2<br />
Nr. Maßnahme Ort<br />
Datum/<br />
Zeitraum<br />
1. Testwettkämpfe zur<br />
Anpassung der Kinderleichtathletik<br />
(KiLA)-<br />
Disziplinen im Bereich<br />
Dreisprung<br />
KiLA-Sportfest in Kombination<br />
mit Trainerfortbildung<br />
(Vorstellung<br />
der neuen Disziplinen<br />
und Schulung der<br />
aktiven Trainer in den<br />
Altersklassen)<br />
KiLA-Sportfest in Kombination<br />
mit Trainerfortbildung<br />
(Vorstellung<br />
der neuen Disziplinen<br />
und Schulung der<br />
aktiven Trainer in den<br />
Altersklassen)<br />
Chemnitz,<br />
Hannover,<br />
Nordhorn/<br />
Lingen<br />
BaWü;<br />
Rheinland-<br />
Pfalz<br />
Sommer/<br />
Frühherbst<br />
noch nicht<br />
terminiert<br />
2. Trainerfortbildungen<br />
Thema: Ressource Sprung Hannover September<br />
Thema: Ressource Sprung Hamburg Oktober<br />
3. Mehrfachsprung als<br />
Disziplin bei Landesmeisterschaften<br />
(LM)<br />
Niedersachsen LM September<br />
4. Mehrsprung-Cup-<br />
Veranstaltungen<br />
Sächsischer<br />
Mehrsprung-Cup<br />
Niedersächsischer<br />
Mehrsprung-Cup<br />
Chemnitz<br />
Hannover<br />
Dezember<br />
Dezember<br />
BaWÜ-Mehrsprung-Cup BaWü noch nicht<br />
terminiert<br />
NRW-Mehrsprung-Cup NRW noch nicht<br />
terminiert<br />
Deutscher<br />
Talent-Mehrsprung-Cup<br />
Hannover 16./17.12.<br />
Coronabedingt durfte ich das Mehrsprung-Projekt als<br />
FREUNDE-Betreuer nahezu ein Jahrzehnt begleiten. Anfangs<br />
mit Tamas Kiss als Bundestrainer und Charles Friedek sowie Ralf<br />
Jaros als DLV-Nachwuchstrainer. Inzwischen ist Charles Friedek<br />
Dreisprung-Bundestrainer, für den Nachwuchs sind jetzt beim<br />
DLV Massala Felski sowie Jens Hoyer verantwortlich. Von<br />
Anfang an habe ich es mit engagierten, für den Sport brennenden<br />
Menschen zu tun gehabt. Nicht alles lief sofort rund, viel<br />
Neues wurde probiert, aber das Ziel war klar definiert: Bereits<br />
in der Kinderleichtathletik den Mehrfachsprung etablieren, bei<br />
Cup-Wettbewerben Talente finden, durch Lehrgänge fördern<br />
und mehr qualifizierte Trainer vernetzen. Mein Eindruck: Das<br />
Projekt war höchst erfolgreich! Der Dreisprung steht gut da.<br />
Zwar können wir FREUNDE nicht ansatzweise behaupten, die<br />
beachtlichen Medaillenerfolge der Disziplin herbeigeführt zu<br />
haben. Aber die Hoffnung, dass dies künftig so bleibt, konnten<br />
wir nachhaltig fördern. Mein herzlicher Dank gilt allen,<br />
Athlet*innen und Trainer*innen, die dazu beigetragen haben.<br />
Peter Busse<br />
9 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Hammerwurf-Camp:<br />
Wurf-Talente begeistern<br />
Nachwuchs-Bundestrainer<br />
Nachwuchs-Bundestrainer Ron Hermann Hütcher war mit dem ersten Hammerwurf-Talentcamp<br />
des Jahres 2<strong>02</strong>2 rundum zufrieden. Es fand mit Unterstützung der FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong><br />
erneut im Olympischen und Paralympischen Trainingszentrum in Kienbaum statt.<br />
Ausgeschrieben war es für Athletinnen und Athleten der Altersklassen U 14 und U 16.<br />
Mal gab es mehr, mal weniger Anmerkungen. Ron Hermann<br />
Hütcher fielen selbst die kleinsten Bewegungen und Feinheiten<br />
ins Auge, wenn sie falsch ausgeführt wurden. Korrigiert<br />
wurde entweder per Zuruf oder direkt am Athleten. Beim dreitägigen<br />
„FREUNDE der <strong>Leichtathletik</strong>“-Hammerwurf-Talentcamp<br />
in Kienbaum nahm sich der Nachwuchs-Bundestrainer<br />
im Hammerwerfen viel Zeit für die jungen Talente.<br />
In diesen Wochen startet die Freiluftsaison: für den Werfer-<br />
Nachwuchs ist dies traditionell bei den Halleschen Werfertagen<br />
in Halle (21./22. Mai). „Ich hoffe, einen Großteil von euch dort<br />
wiederzusehen“, freute sich Ron Herrmann Hütcher auf ein baldiges<br />
Wiedersehen. Die Eindrücke aus dem dreitägigen Camp<br />
stimmen ihn mehr als hoffnungsvoll: „Ich bin optimistisch und<br />
freue mich auf die Saison. Wenn ich euch sehe, dann steht es<br />
gut um den deutschen Hammerwurf.“ Dieses schöne Kompliment<br />
richtete er an die jungen Sportler*innen, die in Begleitung<br />
ihrer Trainer*innen ins brandenburgische Grünheide angereist<br />
waren. Sie konnten sich zuvor über ein Auswahlverfahren, ausgeschrieben<br />
bei leichtathletik.de, für einen der acht Plätze<br />
bewerben. Gefordert waren ein Video und ein Steckbrief. „Die<br />
Sportler, die wir nach Kienbaum eingeladen haben, punkteten<br />
mit einer ausgezeichneten Bewerbung und entsprechend<br />
guten Leistungen im Vorfeld des Camps. Ausgelegt ist das<br />
Camp für Athletinnen und Athleten der Altersklassen U 14 und<br />
U 16. Ausgenommen sind Bundeskader“, erklärt der 37-Jährige<br />
das Verfahren. Mit dabei waren Clara Hegemann (LG Stadtwerke<br />
München), Friederike Heinichen (TuRa Braunschweig),<br />
Nova Kienast (SV Preußen Berlin), André Rommel (SC Berlin),<br />
Leni Sommerlade (ESV Jahn Treysa), Hendrik Wesser (LV<br />
Gera), Fabienne Schäfer (LG Nord Berlin) und Fridtjof Beuck (SV<br />
Preußen Berlin).<br />
Wohin der nächste Schritt mal führen könnte, dafür bot<br />
sich in diesen Tagen ein Austausch mit Lara Holzapfel (LG<br />
Aschaffenburg) und Johanna Marwitz (Eintracht Frankfurt) an.<br />
Beide gehören dem Nachwuchskader 2 an und weilten auf<br />
eigene Kosten in Kienbaum. „Sie wollten gern an dieser Maßnahme<br />
teilnehmen, um sich weiter fortzubilden. Ebenso war<br />
es für die jungen Sportler schön zu sehen, wenn sie weiter so<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 10
Kunst bestand hierbei, den Körper beisammenzuhalten und<br />
nicht links oder rechts von der Matte wegzurollen. Da muss man<br />
sich erst finden“, gab sie immer kleine Hinweise. Es folgten „Animal“-Übungen,<br />
bei denen die Sportler nach der ersten Runde<br />
das Tier richtig erraten sollten. Kamen sie nicht drauf, sollten<br />
sie es in einer zweiten Runde nochmals fühlen. Anfangs wieder<br />
leicht wie beispielsweise mit der Ente, zum Ende wurde es dann<br />
immer schwerer.<br />
ordentlich trainieren, wäre das der erste Kaderstatus, den sie<br />
anstreben“, berichtet Ron Hermann Hütcher. Für die zwei Kaderathletinnen<br />
stand bevorzugt das Wurftraining im Fokus, bei<br />
dem gemeinsam mit den Heimtrainern an Feinheiten gearbeitet<br />
wurde.<br />
Um gezielter mit den eingeladenen Sportlern arbeiten zu können,<br />
wurden diese in zwei Gruppen aufgeteilt. Während die<br />
eine Gruppe in der Halle an der Athletik arbeitete, durfte die<br />
andere draußen unter dem fachkundigen Auge des Nachwuchs-Bundestrainers<br />
werfen. „Die Inhalte richteten sich stark<br />
nach dem Alter. Mit den relativ jungen Athleten haben wir uns<br />
auf allgemein vielseitige Inhalte sowie technisch spezifische<br />
Elemente konzentriert. Darüber hinaus haben wir viel mit dem<br />
Wettkampfgerät und leichten Geräten geworfen“, benennt Ron<br />
Hermann Hütcher die Campinhalte.<br />
Derweil ging es in einer der Hallen mächtig zur Sache. Zur<br />
Erwärmung gab es Fußball und Tischtennis. Unterstützt wurde<br />
Ron Hermann Hütcher in diesen Tagen von Vanessa Pfeifer,<br />
Stützpunkttrainerin beim Wurfteam Berlin. Ihr Augenmerk galt<br />
den allgemeinen athletischen Inhalten wie Turnen, Stabilität,<br />
Technikkreis, Imitation, Hürden-ABC und Kraft. „Beim Turnen<br />
sieht man durch die zahlreichen Drehungen um die Quer- und<br />
Längsachse sowie der Kombination aus beiden, inwiefern das<br />
Drehgleichgewicht ausgebildet ist“, sagt Vanessa Pfeifer.<br />
Nachmittags hatte das Trainerteam einen Technikkreis mit vier<br />
hammerwurfspezifischen Stationen vorbereitet. Die Heimtrainer<br />
unterstützen, während immer zwei Athlet*innen pro Station<br />
arbeiteten. „Wir binden die Heimtrainer stark in den Betrieb<br />
mit ein, wodurch es zu einem ‚Lernen durch Lehren‘ kommt.<br />
Wir bilden Trainer und Athleten fort. Gleichzeitig geben wir den<br />
Trainern die Möglichkeit, ihr erworbenes Wissen, an ihren und<br />
anderen Athleten anzuwenden“, macht Ron Hermann Hütcher<br />
deutlich. Am Abschlusstag des Camps wurde vormittags erneut<br />
in Gruppen gearbeitet – eine beim Wurf, die andere in der<br />
Halle. Abgerundet wurde das Camp mit einem gemütlichen<br />
Grillabend.<br />
Gefördert und finanziert wird das Talentcamp für den Hammerwurf-Nachwuchs<br />
durch die FREUNDE. Es wird jeweils im Frühjahr<br />
und Herbst durchgeführt. „Ein großer Dank an den Förderverein,<br />
ohne den eine solche Maßnahme nicht möglich wäre“,<br />
freut sich Ron Hermann Hütcher über die Unterstützung. Nach<br />
drei Tagen fiel sein Fazit durchweg positiv aus: „Es hat alles super<br />
funktioniert, so wie wir uns das vorgestellt hatten. Ich habe<br />
hochmotivierte und sehr engagierte Athleten gesehen. In ihnen<br />
steckt großes Potenzial, was sich entwickeln kann. Wir haben<br />
viel geworfen. Ich denke, wir sind alle auf einem guten Weg, und<br />
ich habe da richtig tolle Ansätze gesehen.“ Gleichzeitig richtete<br />
er ein großes Dankeschön an die Trainerkolleg*innen , die ihn<br />
tatkräftig unterstützt haben. „Es hat richtig viel Spaß mit ihnen<br />
gemacht. Es war ein sehr angenehmes Miteinander.“<br />
Text und Fotos: Sandra Arm<br />
Recht locker der Einstieg mit Rolle vorwärts und Rolle rückwärts.<br />
Immer zwei Durchgänge. Mit jeder Übung wurde der<br />
Schwierigkeitsgrad erhöht. Schon hieß es Rolle rückwärts mit<br />
anschließender Liegestützposition. Es folgten Drehungen um<br />
die Längsachse mit Greifen der Hände um die Knöchel. „Die<br />
11 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Was macht ein BSP-Leiter?<br />
FREUNDE-Mitglied Dietmar Günther ist seit dem vergangenen Jahr Bundesstützpunktleiter<br />
(BSP) für den Bundesstützpunkt <strong>Leichtathletik</strong> Bochum/Dortmund im Deutschen<br />
<strong>Leichtathletik</strong>-Verband. Peter Middel sprach mit ihm am Rande des Grundschulwettbewerbs<br />
NRW-YoungStars im Wattenscheider Lohrheidestadion.<br />
Was hat Dich bewogen, 2<strong>02</strong>1 diese Aufgabe zu übernehmen?<br />
Ich wollte meine über die Jahre in der Administration und<br />
Koordinierung des Leistungs- und Spitzensports sowie im Bildungs-<br />
und Personalmanagement erworbenen Kompetenzen<br />
und Expertisen in „meiner Sportart <strong>Leichtathletik</strong>“ nützlich<br />
und sinngebend einbringen. In der Rolle eines hauptamtlichen<br />
Stützpunktleiters sehe ich die Chance, unter ganzheitlicher<br />
Betrachtung von der Talentsichtung bis zur Teilnahme an Olympischen<br />
Spielen die <strong>Leichtathletik</strong> in einem Kooperationsverbund<br />
mit vielen Partnern weiterzuentwickeln sowie konkurrenz-<br />
und leistungsfähig zu halten. Mein Wunsch und Wille für<br />
eine Beteiligung an Gestaltungs-, Kommunikations-, Verbesserungs-<br />
und Steuerungsprozessen ist ungebrochen.<br />
Bochum und Dortmund zählen zu den ersten <strong>Leichtathletik</strong>-<br />
Adressen im DLV. Was kannst Du da noch verbessern?<br />
An beiden Standorten engagieren sich viele Menschen auf verschiedenen<br />
Ebenen mit hohem Einsatz und Aufwand für den<br />
Nachwuchs- und den Hochleistungssport. Deren Zusammenwirken<br />
möchte ich durch eine strukturierte und moderierte<br />
Netzwerkarbeit weiter optimieren, so dass am Ende die Athletinnen<br />
und Athleten davon profitieren und noch effizienter trainiert,<br />
betreut und in ihrer individuellen Lebensgestaltung und<br />
-führung begleitet werden können, um bestmöglichste Ergebnisse<br />
zu erzielen.<br />
Du bist tagtäglich mit Athletinnen und Athleten im<br />
Gespräch. Wo drückt bei ihnen der Schuh?<br />
Mehrheitlich geht es um eine Verbesserung der sogenannten<br />
Rahmenbedingungen. Das Handlungsfeld Training ist mit qualifizierten<br />
und hochmotivierten Trainer*innen gut abgedeckt.<br />
Bedarfe gibt es häufig im Bereich des Regenerationsmanagements<br />
wie bspw. in einer professionellen Verfügbar-<br />
und Abrufbarkeit physiotherapeutischer Betreuung oder<br />
der Bereithaltung spezieller Methoden und Maßnahmen zur<br />
Erholung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit (z.B.<br />
Eisbad, Kältekammer). Daneben gibt es Anfragen für sportpsychologische<br />
Betreuung, Ernährungsberatung, Karrierebegleitung<br />
und Umfeldmanagement sowie einen kontinuierlichen<br />
Bedarf an sportmedizinischer Grundversorgung sowohl<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 12
im internistisch-kardiologischen wie auch im orthopädischen<br />
Bereich.<br />
Für die Entwicklung eines Athleten spielen der Trainer bzw.<br />
die Trainerin eine wichtige Rolle. Wie kann man sie besser<br />
unterstützen?<br />
Indem man ihnen zuhört, sie versucht zu verstehen und<br />
deren Belange ernst nimmt, um dann Verbesserungen für<br />
deren „Aktionsradius“ einzuleiten. Eine Unterstützung zur<br />
Absicherung des eigenen Berufsstandes ist ebenso erforderlich,<br />
wie die Optimierung der Trainings- und bereits erwähnten<br />
Rahmenbedingungen. Um in ihrem eigenen Metier, dem Trainings-<br />
und Wettkampfbetrieb, wirkungsvoll zur Entfaltung zu<br />
kommen, wollen Trainer*innen auch Erfolge außerhalb der<br />
Laufbahn, des Stadions erleben. Hier versuche ich durch Kommunikation,<br />
Vernetzung und Kooperation etwas zu bewegen.<br />
Zudem sind Trainer*innen auf allen Ebenen des Sports unentwegt<br />
zu qualifizieren, um ihr Handeln den ständig verändernden<br />
Bedingungen anpassen zu können.<br />
Heute fand mit dem NRW YoungStars-Event ein leichtathletischer<br />
Grundschulwettbewerb statt. Sind solche Veranstaltungen<br />
geeignet, um die <strong>Leichtathletik</strong> in den Schulen<br />
wieder attraktiver zu machen?<br />
Absolut, solche Aktivitäten sind nicht nur geeignet, sondern<br />
notwendiger denn je, um die olympische Kernsportart <strong>Leichtathletik</strong><br />
sowohl im Bewusstsein als auch am Fortbestand zu halten.<br />
Dafür benötigt es aufgeschlossene und engagierte Partner,<br />
wie wir sie im Schulsystem finden können. Die unermüdliche<br />
Unterstützung durch die Lehrkräfte an Grund- und weiterführenden<br />
Schulen bildet das Fundament einer verlässlichen<br />
und zukunftsfähigen Zusammenarbeit, auf die der Sport in<br />
Vereinen und Verbänden angewiesen ist.<br />
Was könnte sonst noch im Nachwuchsbereich gemacht<br />
werden?<br />
Die früh- bzw. rechtzeitige Beteiligung der Nachwuchsathletinnen<br />
und -athleten an deren eigener dualen Karriere<br />
halte ich für wichtig. Mit der Aufnahme in das Kadersystem<br />
wird die im Verein begonnene sportliche Sozialisierung sowie<br />
die noch bedeutsamere Persönlichkeitsentwicklung der jungen<br />
Menschen fortgeführt. Diese sind neben den schulischen<br />
Anforderungen nicht nur mit Trainingsbelastungen zu konfrontieren,<br />
sondern auch für die gute und gesunde Gestaltung<br />
des eigenen Lebens zu befähigen. Hierzu zählen bspw. altersgerechte<br />
Module zum Erwerb von Grundkenntnissen in der<br />
Sportpsychologie, Ernährung, Anatomie und Kommunikation.<br />
Manche Jugendliche steigen zu früh in Leistungstraining<br />
ein und vernachlässigen das Grundlagentraining. In welchem<br />
Alter sollte man sich spezialisieren?<br />
Eine schwierige Frage, weil nur individuell zu beantworten.<br />
Dadurch ergeben sich weitere Fragen, um mehr Hintergrundwissen<br />
im Einzelfall zu erhalten. Hier sind vorrangig die Trainer*innen<br />
gefordert, um im offenen Dialog mit dem jeweiligen<br />
Talent die richtigen Trainingsmittel, -inhalte und -methoden<br />
zur richtigen Zeit anzuwenden. Ungeachtet individueller Entwicklungsverläufe<br />
wird laut DLV-Rahmentrainingsplan empfohlen,<br />
das Grundlagentraining im Altersbereich von 11 bis 15 Jah-<br />
ren zu absolvieren, um eine stabile Basis für das anschließende<br />
Aufbautraining im Jugendalter zu schaffen.<br />
Die Lücke zwischen der Spitze und der Breite wird bei den<br />
Schülern und Jugendlichen immer größer. Wie kann man<br />
die zweite Reihe besser fördern, damit sie den Spaß an der<br />
<strong>Leichtathletik</strong> nicht verliert?<br />
Vielleicht ist der Weg vom disziplinspezifischen Einzel-Wettkampf<br />
zum vielseitigen Team-Wettbewerb eine von mehreren<br />
möglichen Lösungen. Zudem spielt die Bildung und der<br />
Erhalt von gemischten Trainingsgruppen mit talentierten<br />
und anstrengungsbereiten, leistungswilligen sowie sportlich<br />
begeisterten Jugendlichen m. E. eine nicht zu unterschätzende<br />
Rolle. Hierbei sind wiederum die Trainer*innen besonders<br />
gefordert. Denn bei dieser „Problematik“ sind die „Betroffenen“<br />
einzubeziehen, um deren Motive, Meinungen, Bedürfnisse<br />
und Wünsche kennenzulernen. Im direkten Austausch mit<br />
ihnen kann adäquat reagiert und die zunehmende Entfernung<br />
zwischen „Breite und Spitze“ verringert werden.<br />
Was wünscht Du Dir beruflich für die Zukunft?<br />
Offenheit, Dialogbereitschaft, Wertschätzung, Glaubwürdigkeit,<br />
Toleranz und Vertrauen wünsche ich mir. Das Verlangen<br />
nach einer wertebasierten Zusammenarbeit und einer wertschätzenden<br />
Kommunikation mit allen Partnern im Leistungssportsystem<br />
mag anspruchsvoll klingen, mein dahingehender<br />
Optimismus trägt mich jedoch weiterhin. Im Zusammenwirken<br />
mit diesen Partnern und Verbündeten wünsche ich mir, dass<br />
wir uns alle immer wieder darauf besinnen, wofür, besser für<br />
wen wir uns einsetzen und „hingeben“: für die Talente und<br />
Athlet*innen! Diese selbst und deren Belange sollten nicht nur<br />
im Mittelpunkt unser aller Engagement stehen, sondern stets<br />
ins vordergründige Bewusstsein gerückt werden.<br />
Und im Eigeninteresse wünsche ich mir Absicherung und<br />
Rückendeckung, um meine verantwortungs- wie auch freudvolle<br />
berufliche Tätigkeit als Bundesstützpunktleiter so lange<br />
wie möglich ausüben zu können.<br />
Du bist seit Jahren Mitglied bei den FREUNDEN. Welches<br />
sind die Beweggründe für Deine Mitgliedschaft?<br />
Meine Verbundenheit mit den FREUNDEN seit Anfang der<br />
90er Jahre gründet auf meiner identitäts- und sinnstiftenden<br />
FREUDE, Leidenschaft und Faszination für unsere wunderbare<br />
vielseitige Sportart. Die FREUNDE sind seit jeher ein zuverlässiger<br />
und beständiger Förderer der Nachwuchsleichtathletik.<br />
Diese Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Treue sind auch für<br />
mich ein Garant eines gelingenden Zusammenlebens.<br />
13 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Marie-Sophie Macke<br />
Jahrgang 2004<br />
Disziplin: Diskuswurf<br />
Erfolge:<br />
2019 Deutsche Meisterin U16<br />
2<strong>02</strong>1 Deutsche Vizemeisterin U18<br />
PB: 51,61 m<br />
Interview: Marie-Sophie Macke<br />
Sie ist jung, talentiert und hoch motiviert. Marie-Sophie Macke (TV Angermund) bringt alles<br />
mit, um in der <strong>Leichtathletik</strong> Karriere zu machen. Die 18-Jährige aus dem westfälischen<br />
Sprockhövel ist auf dem besten Wege, im Diskuswurf für Furore zu sorgen. Gerade erst hat sie<br />
ein Ausrufezeichen in Richtung U20-WM (vom 1. bis 6. August im kolumbianischen Cali) mit<br />
ihrer persönlichen Bestleistung von 51,61 m gesetzt.<br />
Marie-Sophie, du gehörst zu den größten weiblichen Talenten<br />
im Diskuswurf. Deine sportliche Entwicklung hat in den<br />
vergangenen Monaten einen steilen Aufstieg genommen.<br />
Wie kannst du diesen rasanten Trend erklären?<br />
Vielen Dank für dieses Lob, das nicht allein mein Werk ist. Für<br />
eine Sportlerin wie mich ist das Umfeld unheimlich wichtig.<br />
Hier zahlt sich die langjährige und vertraute Zusammenarbeit<br />
mit meinem Trainerteam Uwe und Maike Schmidt aus, die mich<br />
begleitet und gefördert haben. Zu vergessen sind nicht zuletzt<br />
Familie und Freunde oder auch eine gute physiotherapeutische<br />
Betreuung. Ich bin ja erst vor kurzem volljährig geworden und<br />
musste oft zu den Wettkämpfen gefahren werden, die nicht<br />
unbedingt um die Ecke lagen. Dafür bin ich unglaublich dankbar,<br />
denn alle diese Punkte sind für mich die Basis meines<br />
heutigen Erfolgs.<br />
Der Diskuswurf gehört nicht unbedingt zu den Disziplinen,<br />
die eine junge Leichtathletin auf den ersten Blick auf<br />
der Prioritätenliste ganz nach oben setzen würde. Woher<br />
kommt dein Faible für diese doch sehr anspruchsvolle, von<br />
Technik und Schnellkraft geprägte Disziplin?<br />
Ich war ja nicht immer nur Diskuswerferin. Bis 2019 habe ich in<br />
zwei Gruppen trainiert: Mehrkampf und Diskuswerfen. Damals<br />
musste ich die für mich schwere Entscheidung treffen, ob ich<br />
eher Mehrkämpferin oder Diskuswerferin werden möchte. Ich<br />
habe mich dann dem Wurfteam angeschlossen und bisher<br />
keine Sekunde davon bereut. Ich glaube aber auch, dass mich<br />
die vielseitige Ausbildung aus dem Mehrkampf geprägt hat.<br />
Den Diskus heute auf die Weite zu bringen, setzt eine Menge<br />
von koordinativen und konditionellen Fähigkeiten voraus, die<br />
ich damals gelernt habe.<br />
Kannst du einmal beschreiben, wie eine normale Trainingswoche<br />
bei dir aussieht?<br />
Morgens stehe ich in der Regel recht früh auf und konzentriere<br />
mich auf mein Fernstudium. Dann am frühen Nachmittag<br />
beginnt der sportliche Arbeitstag, der sich oftmals bis in den<br />
Abend hineinzieht. Hier legen meine Trainer und ich je nach<br />
Trainingsphase den Fokus auf Technik, Kraft, Koordination,<br />
Beweglichkeit oder auch manchmal Ausdauer. Dann heißt es<br />
ab in den Kraftraum, die Geräte quälen, oder auch in den Ring<br />
für das spezielle Diskuswurftraining. Da ich beim Training zu<br />
Hause viele Imitationen mache, sind zum Beispiel lockere Würfe<br />
mit Stöcken oder auch Tannenzapfen eine sehr gute Möglichkeit,<br />
sich noch einmal genau auf die Technik zu fokussieren.<br />
Unbeliebt sind eher die Dauerläufe.<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 14
Große Talente gab es in Deutschland immer wieder einmal.<br />
Hast du Angst davor, dass es irgendwann auf der Erfolgsleiter<br />
nicht mehr weiter nach oben geht und dann möglicherweise<br />
ein Karriereknick drohen könnte?<br />
Ehrlicherweise mache ich mir darüber aktuell gar keine<br />
Gedanken. Ich habe ein Fernstudium begonnen und bereite<br />
mich sportlich auf die vor mir liegende Saison vor. Letztendlich<br />
soll man ja auch immer positiv denken und das tue ich auf jeden<br />
Fall. Alles Weitere wird man dann in Zukunft sehen.<br />
Du machst ein Fernstudium als Fitnesskauffrau, wirkst<br />
selbstbewusst und nach außen gefestigt. Woher kommen<br />
dieses doch sehr starke Ego und der Glaube an die eigenen<br />
Stärken?<br />
Mir war schon relativ früh klar, dass mir der Sport so wichtig ist,<br />
dass ich ihn ins Zentrum meines Lebens stellen möchte. Das<br />
bedeutete für mich neben der Fokussierung auf den Leistungssport<br />
auch eine Umorientierung hinsichtlich meiner sonstigen<br />
beruflichen Karriere. Am Ende des Tages ist es aber so, dass mir<br />
eine neue PB zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Natürlich<br />
besteht das Leben nicht immer aus solchen Hochs. Aber ich<br />
glaube fest an meine Stärken.<br />
Du hast früh in der Saison die Qualifikationsnorm für die<br />
U 20-WM in Cali deutlich übertroffen. Was war das für ein<br />
Gefühl, diesen bedeutsamen Meilenstein schon geschafft<br />
und die nationale Konkurrenz unter Druck gesetzt zu<br />
haben?<br />
Es war natürlich für mich wichtig, so kurz nach einem harten<br />
Trainingslager schon zu sehen, wo ich stehe und dass sich das<br />
Training ausgezahlt hat. Gleich mit so einer Weite zu starten tut<br />
da unheimlich gut. Allerdings muss man wissen, dass das Regelwerk<br />
des DLV recht umfangreich ist, was die Nominierung zur<br />
WM angeht. Zunächst einmal zählen hier nicht die größte Weite,<br />
sondern vielmehr vorrangige und nachrangige Nominierungskriterien.<br />
So werden vorrangig die Erst- und Zweitplatzierten<br />
der DM mit nach Cali genommen. Danach zählen die Ergebnisse<br />
der BAUHAUS Junioren-Gala in Mannheim und dann gibt<br />
es ja noch sogenannte Nominierungswettkämpfe, bei welchen<br />
die WM-Norm geworfen werden muss. Also gibt es noch viele<br />
Möglichkeiten, bei denen meine nationalen Mitstreiterinnen<br />
ebenfalls punkten können.<br />
Wo sieht sich eine Marie-Sophie Macke in zwei, vier und<br />
sechs Jahren? Der Traum von Olympia könnte bei weiterer<br />
progressiver sportlicher Entwicklung irgendwann Realität<br />
werden. Wie siehst du das?<br />
Meine Trainer und ich setzen uns jedes Jahr zusammen und<br />
entwickeln Saisonziele, die aber auch im Bereich des Möglichen<br />
sind. Klar ist Olympia das Ziel aller Sportler, aber der Weg bis<br />
dahin ist viel wichtiger. Ich habe mir immer gesagt, dass ich<br />
auf dem Boden der Tatsachen arbeiten möchte und mir keine<br />
zu großen Ziele setze, die ich vielleicht nie erreichen werde.<br />
Ich persönlich finde es viel schöner, wenn ich weiß, dass ich<br />
meine Ziele erreichen kann und auch wirklich die Möglichkeit<br />
bekomme, international starten zu dürfen. Sei es die Teilnahme<br />
an einer EM oder WM. Wenn ich es schaffe, mich in zwei bis<br />
sechs Jahren so zu entwickeln, dass ich oben in der deutschen<br />
Spitze mitwerfe, dann werde ich sehen, bis wo es gehen kann.<br />
Ich bin auf jeden Fall bereit, diesen Weg zu gehen!<br />
Dein Tagesablauf ist vom Sport geprägt. Verrate uns<br />
FREUNDEN doch, was du in deiner Freizeit machst.<br />
Man hat im Leistungssport natürlich ein enges Zeitfenster für<br />
die Freizeit. Mir ist diese begrenzte Zeit aber heilig, denn hier<br />
versuche ich dann, mit meiner Familie oder auch meinen Freunden<br />
schöne gemeinsame Stunden zu verbringen und Energie<br />
zu tanken für den Sport. Da bin ich aber recht genügsam, denn<br />
die meiste Zeit reden wir halt viel oder schauen uns gemeinsam<br />
einen Film an. Wenn ich Zeit für mich selbst brauche, schnappe<br />
ich mir meine Kopfhörer und höre Musik.<br />
Das Interview führte Jörg Valentin.<br />
Fotos: privat<br />
Technisch siehst du noch einiges an Verbesserungspotenzial.<br />
Wo sollen die Hebel jetzt speziell angesetzt<br />
werden?<br />
Wenn man sich auf eine Einzeldisziplin konzentriert, dann ist<br />
man immer bestrebt, den perfekten Moment zu erfahren. Und<br />
da gibt es natürlich immer wieder individuelle Verbesserungspotenziale.<br />
Wir arbeiten gerade an kleinen Punkten, die allerdings<br />
auch ein paar Meter ausmachen. Das ist beispielsweise<br />
die Schnelligkeit des Anfangs. Stimmt der Anfang nicht, passt<br />
der Rest auch nicht. Zudem habe ich erst in diesem Winter<br />
angefangen, mein Ende umzugestalten. Ich bin vom Stützabwurf<br />
zum Umsprung gewechselt. Dieser muss sich einfach<br />
noch etwas besser festigen, damit dem perfekten Abwurfmoment<br />
auch nichts mehr im Wege steht.<br />
15 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
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<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 16
Meldungen<br />
Hartmut Weber als SHLV-Präsident bestätigt<br />
Als der vormalige FREUNDE-Schatzmeister Hartmut Weber 2017<br />
aus beruflichen Gründen von Kamen nach Garding zog, war das ein<br />
Glücksfall für die <strong>Leichtathletik</strong> in Schleswig-Holstein. Der frühere<br />
400-m-Europameister zauderte nicht lange, als er von Wolfgang Delfs,<br />
dem <strong>Leichtathletik</strong>-Chef im Land zwischen den Meeren, angesprochen<br />
wurde, ob er nicht sein Nachfolger werden möchte.<br />
Inzwischen ist der frühere Viertelmeiler des VFL Kamen (400-m-Bestzeit<br />
44,72 s) in seine zweite Legislaturperiode gestartet. Auf dem<br />
59. Verbandstag des Schleswig-Holsteinischen <strong>Leichtathletik</strong>-Verbands<br />
(SHLV) in Kiel erhielt er nun wiederum das Vertrauen der<br />
Delegierten – dieses Mal in Präsenz. Vor zwei Jahren wurde der<br />
gebürtige Kamener coronabedingt per Briefwahl zum SHLV-Präsidenten<br />
gewählt.<br />
Auf Hartmut Webers Vita stehen neben den zwei Europameistertiteln<br />
von 1982 (400 m und 4×400 m) unter anderem ein Vize-Weltmeistertitel<br />
mit der 400-m-Staffel (1983), die Verbesserung des Hallenweltrekords<br />
über 400 m auf 45,96 s (1981), mehrere deutsche Meistertitel sowie die<br />
zweimalige Qualifikation für die Olympischen Spiele, zu deren Teilnahme<br />
es aufgrund des deutschen Boykotts 1980 sowie einer Verletzung<br />
1984 zu seinem Bedauern nie kam.<br />
Nach seiner sportlichen Karriere engagierte sich der Diplom-Verwaltungsfachwirt<br />
in vielfältigen Bereichen des Sports – so u. a. als<br />
Bundestrainer Nachwuchs der Langsprinter, als Schatzmeister der<br />
FREUNDE, als Botschafter des Fußball- und <strong>Leichtathletik</strong>-Verbandes<br />
Westfalen (FLVW) sowie hauptberuflich 14 Jahre als Referatsleiter<br />
Finanzen, Personal und Verwaltung im Deutschen Handballbund mit<br />
Sitz in Dortmund.<br />
Im Mittelpunkt des Kieler Verbandstages standen auch einige Ehrungen.<br />
So wurde der frühere Weitspringer Wolfgang Delfs, der als<br />
SHLV-Präsident 37 Jahre lang im Bereich der <strong>Leichtathletik</strong> sehr viel<br />
bewegte, zum Ehrenpräsidenten ernannt. Zu den Gratulanten zählten<br />
u. a. Peter Westermann, der in Personalunion als Vize-Präsident den<br />
DLV und den Fußball- und <strong>Leichtathletik</strong>-Verband Westfalen vertrat,<br />
und FLVW-Ehrenmitglied Hans Schulz, der als Ehrenvorsitzender der<br />
FREUNDE gleichzeitig auch die Glückwünsche unseres Fördervereins<br />
übermittelte.<br />
Text: Peter Middel<br />
Foto: Kornelia Schulz<br />
Internationales<br />
Die Corona-Pandemie ebbt ab, die meisten Einschränkungen wurden<br />
aufgehoben, die Zuschauer dürfen wieder ins Stadion. Einer<br />
FREUNDE-Reise auch zu internationalen Veranstaltungen steht endlich<br />
nichts mehr im Wege.<br />
EM München: Neben zwei Veranstaltungen, die vom Vorstand organisiert<br />
und wahrgenommen werden, soll es auch – wie in Berlin – wieder<br />
ein „Meet & Greet“ geben. Dieses wird am 17. oder 19. August zwischen<br />
Vor- und Nachmittags-Veranstaltung stattfinden, Einzelheiten sind<br />
noch nicht bekannt. Voraussichtlich 40 FREUNDE-Mitglieder können<br />
teilnehmen, Näheres wird rechtzeitig per E-Mail und auf den sozialen<br />
Plattformen bekannt gegeben.<br />
Hallen-EM in Istanbul (<strong>02</strong>. – 05.03.2<strong>02</strong>3): Die 37. <strong>Leichtathletik</strong>-<br />
Halleneuropameisterschaften werden 2<strong>02</strong>3 in der türkischen Stadt<br />
Istanbul in der Ataköy Athletics Arena, die 7.450 Plätze bietet, stattfinden.<br />
Es ist das erste Mal, dass eine Europameisterschaft in der Türkei<br />
ausgetragen wird und nach den Hallenweltmeisterschaften 2012<br />
die zweite leichtathletische Großveranstaltung in Istanbul. Eine Reise<br />
nach Istanbul ist derzeit besonders attraktiv, weil die türkische Lira in<br />
den letzten 12 Monaten rund 50 Prozent an Wert verloren hat und eine<br />
Reise dorthin für Touristen „günstig“ ist. Auch gibt es in Istanbul viele<br />
Sehenswürdigkeiten. Unser Reise-Partner TR Germany wird hierzu<br />
demnächst eine „FREUNDE-Reise“ anbieten.<br />
Im Rahmen der EM in München werden Roland und Wilfried an einer<br />
Präsentation durch den Chef des LOC von Istanbul, Serkan Baltaci,<br />
teilnehmen, wobei auch die Konditionen für den Ticketerwerb ausgehandelt<br />
und weitere Informationen ausgetauscht werden. Erste<br />
Informationen sind bereits jetzt auf der entsprechenden Webseite<br />
abrufbar: https://www.istanbul2<strong>02</strong>3.org/<br />
Team-EM 2<strong>02</strong>3 in Chorzow/Polen: Nach einem neuen Konzept wird<br />
die Team-EM aller Ligen in die European Games 2<strong>02</strong>3 (3. Europäische<br />
Spiele in Krakau und Malopolska) integriert und vom 20. bis 25. Juni<br />
2<strong>02</strong>3 in Schlesien (Chorzow-Stadion) stattfinden. Das Konzept hierfür<br />
befindet sich in der Endabstimmung und wird Roland und Wilfried<br />
ebenfalls in München im Rahmen eines Briefings präsentiert werden.<br />
Auch Polen ist immer eine Reise wert – sowohl preislich, als auch touristisch.<br />
Die Besucher von Bydgoszcz in den vergangenen Jahren können<br />
ein Lied hiervon singen. Und Krakau ist nur 80 Kilometer entfernt…<br />
Die 19. <strong>Leichtathletik</strong>-WM wird vom 18. – 27.08.2<strong>02</strong>3 in Budapest<br />
ausgetragen. Hierfür wird zurzeit extra ein neues National Athletics<br />
Centre am Ostufer der Donau im Süden der Stadt gebaut, das eine<br />
Zuschauerkapazität von 34.000 Besuchern haben wird. Nach der WM<br />
wird das Stadion auf 15.000 Plätze zurückgebaut. Zwei Wettbewerbe,<br />
Marathon und Gehen, werden im Herzen der Stadt vorbei an historischen<br />
Sehenswürdigkeiten ausgetragen. Erste Informationen siehe<br />
Webseite wabudapest23.com.<br />
<br />
Text: Wilfried Walter<br />
Hans Schulz (links) gratulierte dem früheren Westfalen Hartmut<br />
Weber zur Wiederwahl und Wolfgang Delfs zur Ernennung zum<br />
SHLV-Ehrenpräsidenten<br />
17 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Buchbesprechung<br />
Die <strong>Leichtathletik</strong> in Nachkriegsdeutschland<br />
Den Mitgliedern der Deutschen<br />
Gesellschaft für<br />
<strong>Leichtathletik</strong> Dokumentation<br />
(DGLD) gebührt<br />
der Verdienst, in mehr als<br />
100 Bänden die inzwischen<br />
mehr als 120-jährige<br />
Geschichte der <strong>Leichtathletik</strong><br />
in Dokumenten<br />
und Statistiken aufzuhellen.<br />
An weiterführenden<br />
Werken herrscht hingegen<br />
Mangelware. Weder die<br />
Zeit der <strong>Leichtathletik</strong><br />
im Nationalsozialismus<br />
noch die Geschichte des<br />
Deutschen <strong>Leichtathletik</strong>-Verbandes ist bisher gebührend aufgearbeitet<br />
worden.<br />
Im Herbst 2<strong>02</strong>1 ist jetzt allerdings ein umfangreiches Buch<br />
erschienen, das der emeritierte Sportwissenschaftler Winfried<br />
Joch und Wilhelm Köster, der drei Jahrzehnte lang in verschiedenen<br />
Funktionen beim Deutschen <strong>Leichtathletik</strong>-Verband<br />
(DLV) tätig war, zur Nachkriegsleichtathletik herausgegeben<br />
haben. „Sie sind gewissermaßen gleichzeitig Zeitzeugen und<br />
Autoren, Macher und Reflektierende mit einem erstaunlichen<br />
Archiv und lebendigen Gedächtnis“, so Hans-Jürgen Schulke in<br />
einer Rezension im DOSB-Newsletter.<br />
Schulke weiter: „In den Unterabschnitten wird dem Leser klar,<br />
dass er keine stringent-analytische Forschungsarbeit vor sich hat,<br />
sondern kenntnisreiche Insider, die eher locker-journalistisch<br />
Fakten, Erlebnisse und Ergebnisse aus ganz unterschiedlichen<br />
Feldern zusammengetragen haben. … Der ganze Titel des<br />
Buches macht den eher biografischen Grund des Bandes sichtbar,<br />
es geht um die Ära des 1989 verstorbenen Generalsekretärs<br />
Karl Beuermann. Er prägte als Person fast 25 Jahre die nationale<br />
und teilweise auch die europäische <strong>Leichtathletik</strong>. Das ist<br />
eine zufällige individuell-biologische Periodisierung, die daraus<br />
abgeleitete ‚Ära‘ wird aus Beuermanns Amtszeit chronologisch<br />
definiert.“<br />
Dieser Ansatz ist nachvollziehbar und man kann ihm auch<br />
folgen. Leider konnten Joch und Köster der Versuchung nicht<br />
widerstehen, längst entschiedene Schlachten erneut schlagen<br />
zu wollen. Dem DLV wird die 2001 erfolgte Umbenennung<br />
der Auszeichnung „Carl-Diem-Schild“ in „DLV-Ehrenschild“<br />
als „unhistorischer Akt“ vorgeworfen. Zwar wird die unrühmliche<br />
Nazi-Vergangenheit der führenden <strong>Leichtathletik</strong>-<br />
Repräsentanten durchaus dargestellt, aber entschuldigt durch<br />
die ungeheuerliche Behauptung, „dass in der unmittelbaren<br />
Nachkriegszeit eine Mehrheit der Deutschen der Auffassung<br />
war, der Nationalsozialismus sei insgesamt eine ‚gute Sache‘<br />
gewesen, eben ‚nur schlecht umgesetzt‘“ (Seite 29). Ebenso<br />
überholt ist die Klage der Buchverfasser, dass die Stadt Kassel es<br />
aufgrund seiner NS-Vergangenheit abgelehnt hatte, einen Platz<br />
nach Max Danz zu benennen.<br />
Auch Beuermann war (wie die Mehrheit im DLV-Vorstand)<br />
Mitglied der NSDAP und während des Krieges Soldat bei der<br />
Luftwaffe, wo er hohe Verdienstorden (mit Schwertern) erhielt.<br />
Auch das halten Joch und Köster wie auch seinen Einsatzbereich<br />
Moskau für berichtenswert. Weit weniger präzise sind die Autoren<br />
bei ihren Kurzbiografien. Hans-Braun-Preisträger Hermann<br />
Seiffert war z. B. nicht nur von 1947 bis 1957 Funktionär und<br />
Vorsitzender des Hamburger <strong>Leichtathletik</strong>verbandes, sondern<br />
bis 1967 und zuvor bereits von 1934 bis 1945; er war damals<br />
auch Bürgerschafts-Kandidat der NSDAP. Der Speerwurf-<br />
Olympiasieger von 1936, Gerhard Stöck, wird von den Autoren<br />
wieder ein Jahr älter gemacht. Bereits in Heft 2 aus 2011 der<br />
<strong>Leichtathletik</strong><strong>INFORMationen</strong> war der Nachweis geführt worden,<br />
dass der Chef de Mission der Deutschen Olympiamannschaft<br />
von 1956 und 1960 nach Kriegsende seinen Lebenslauf<br />
in wesentlichen Punkten gefälscht hatte, um u.a. seine siebenmalige<br />
Beförderung in der SA zu verschleiern. Das gelang ihm<br />
bis zu seinem Lebensende, obwohl vermutlich die Hälfte der<br />
geladenen Gäste beim 60. Geburtstag des Hamburger Sportamt-Leiters<br />
genau wusste, dass Stöck erst 59 Jahre alt wurde.<br />
Paul Busse<br />
Winfried Joch und Wilhelm Köster: Die deutsche Nachkriegsleichtathletik<br />
in der Ära ihres Generalsekretärs Karl Beuermann.<br />
Hildesheim 2<strong>02</strong>1 (Arete-Verlag) 348 S., 26,00 Euro.<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 18
Wir über uns – Geburtstage<br />
19 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Olympische Spiele 1972<br />
Die Bitte der Redaktion um Beiträge von FREUNDE-Mitgliedern über ihre Erinnerungen von<br />
vor 50 Jahren hat ein lebhaftes Echo gefunden. Jede der übermittelten Geschichten hat einen<br />
völlig anderen persönlichen Aufhänger. Allen Einsendern gemeinsam ist die große Vorfreude<br />
auf ein Wiedersehen in München 2<strong>02</strong>2.<br />
Der Tag danach<br />
Die innere Uhr eines Menschen kann ja durchaus ein kleines<br />
Wunderwerk sein. Nicht jeder hat sie, und wer sie hat, kann sich<br />
nicht immer sicher sein, dass sie auch funktioniert. Ich besitze<br />
einen solchen Chronometer, er läuft präzis wie eine Schweizer<br />
Uhr, ich kann mich auf ihn verlassen. Einen richtigen Wecker<br />
benötigte ich deshalb am Morgen des 5. September 1972 nicht.<br />
Ich hatte mich am Abend zuvor programmiert auf: sieben<br />
Uhr aufstehen! Ein Maximum an Zeit wollte ich zur Verfügung<br />
haben, um ein Maximum an Informationen zu sammeln, die<br />
zusammengesetzt eine Aufklärung über ein Ereignis ergeben<br />
sollten, das, obwohl gut ausgeleuchtet vom grellen Stadionlicht,<br />
in der hereinbrechenden Nacht des 4. September noch<br />
nicht zu erklären war: Der Sprung des 16-jährigen Schulkinds<br />
Ulrike Meyfarth zum Gold im Hochsprung bei den Olympischen<br />
Spielen in München. Die unfassbarste sportliche Leistung der<br />
bis dahin „heiteren Spiele“, selbst vom wirklich sensationellen<br />
Finalsieg der sowjetischen Basketballer über die Jahrzehnte<br />
ungeschlagenen Amerikaner nicht übertrumpft.<br />
Meine Zeitung hatte während der Spiele für ihre Sportreporter<br />
eine Vier-Zimmer-Wohnung in der Olympia-Pressestadt<br />
gemietet, von ihr nur die Weite des goldenen Wurfs von Klaus<br />
Wolfermann oder ein knappes Drittel Fernsehturmhöhe entfernt<br />
vom Pressezentrum, wo die Recherche in Sachen Meyfarth<br />
beginnen sollte. Kaum dort angelangt, erfasste mich sofort<br />
eine seltsame, bis dahin nicht erlebte, schwer zu deutende<br />
Stimmung. Dumpf und unheimlich die Stille im halbleeren<br />
Arbeitssaal der Journalisten. Der erste Dämpfer für meinen<br />
Tatendrang. Frage an die nächststehende Olympiahostess:<br />
„Was ist hier los?“ Gegenfrage der in pastellfarbenem Hellblau<br />
Gekleideten: „Ja, wissen Sie nicht, was am frühen Morgen im<br />
Olympiadorf passiert ist?“ Wie sollte ich? Unser spartanisch<br />
eingerichtetes Olympiaquartier besaß weder TV-Gerät noch<br />
Telefon, ein kleines Transistorradio hatte ich nicht anstellen<br />
wollen, die lieben Herrn Kollegen pennten noch.<br />
Die komplette Auskunft der Hellblauen verwandelte dann<br />
meine Hochstimmung vom Morgen um sieben jäh: in blankes<br />
Entsetzen.<br />
Weil am frühen Vormittag die Nachrichten aus der<br />
Connollystraße 31 noch relativ dürftig waren, galten meine<br />
ersten Gedanken nicht den in ihrem Olympiaquartier überfallenen<br />
israelischen Sportlern und Sportlerinnen und ihren<br />
Trainern – sondern tatsächlich Ulrike Meyfarth. (Die Information<br />
von der Geiselnahme hatte auch sie morgens in ihrem Zimmer<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 20
im Frauendorf nicht erreicht, erst später beim Frühstück in der<br />
Mensa). Schon zu diesem Zeitpunkt war mir klar: Der Terroranschlag<br />
der Palästinenser wird die Glanztat des Teenagers vom<br />
Rhein jetzt in den Hintergrund rücken und die Leserschaft unserer<br />
Zeitung morgen kein Interesse mehr aufbringen können für<br />
eine große Analyse des meyfarthschen Sensationssiegs. Dass<br />
ein umfangreicher Text von mir anderntags im Blatt überhaupt<br />
keinen Platz finden würde, erfuhr ich allerdings erst am Mittag<br />
des 5. September, als ich erstmals nach 14 Tagen die Redaktion in<br />
der Innenstadt aufsuchte. Diverse Krisensitzungen hatten nachvollziehbar<br />
ergeben: vom Olympiasport nur das Notwendigste.<br />
Natürlich brachte ich dafür Verständnis auf, wenngleich ich im<br />
Stillen den „Kollateralschaden“ für Ulrike bedauerte.<br />
Ich muss an diesem fünften Neunten unter langanhaltendem<br />
Schock gestanden haben. Als ich jetzt an diesen Text fürs zweite<br />
FREUNDE-Heft 2<strong>02</strong>2 heranging, erschrak ich: Die Geschehnisse<br />
des Nachmittags jenes schrecklichen Septembertags hatte<br />
mein Gedächtnis nicht gespeichert. Ein Blick ins Archiv frischte<br />
meine Erinnerung jedoch auf. Zum Vorschein kamen, auf<br />
SZ-Seite 26 vom sechsten Neunten, zwei Texte, einer vom<br />
Düsseldorfer Kollegen Gustav Schwenk („Erfinder der <strong>Leichtathletik</strong>“)<br />
und ein zweiter von mir: beide über die Olympiasiegerin<br />
Ulrike Meyfarth. Zumindest der meine war knapp, frei<br />
von neuen Informationen, nicht der, den ich geplant hatte, mit<br />
„heißer Nadel gestrickt“, also hastig verfasst – und dann offenbar<br />
in den Untiefen des Bewusstseins versenkt.<br />
Wieder ungetrübt ist indes die Sicht auf den späten Abend<br />
des Terrortags vor 50 Jahren. Wir sitzen zu viert im Freien am<br />
Rand des Olympiadorfs beim Bier und diskutieren den Überfall<br />
auf die Israelis, als dicht hinter uns zwei Hubschrauber laut lärmend<br />
aufsteigen, das grelle Licht ihrer Scheinwerfer wischt für<br />
Sekundenbruchteile über unsere verschreckten Gesichter. Wir<br />
sind sicher: An Bord müssen die Palästinenser und ihre neun<br />
israelischen Geiseln sein, auf dem Flug nach Fürstenfeldbruck,<br />
wo sie befreit werden sollten. Kurz vor Mitternacht heißt es:<br />
Rettungsversuch geglückt. Erleichtert verabschieden wir uns in<br />
die Quartiere. Dass die Welt einer Falschmeldung aufgesessen<br />
ist und der Flug über unsere Köpfe hinweg ein Flug in den Tod<br />
war, erfahre ich am nächsten Morgen. Dieses Mal hatte ich das<br />
Radio angestellt – ein Tipp von der inneren Uhr.<br />
Michael Gernandt (München)<br />
Der Autor war 1972 mit 33 Jahren Reporter der Süddeutschen<br />
Zeitung bei den Olympischen Spielen in München. Mit Erinnerungstexten<br />
beendet er nach elf Jahren seine Mitarbeit am FREUNDE-Heft.<br />
Doppelte deutsche Freude<br />
Die Spiele von München erlebte ich per TV im Heimatdorf Bülzig<br />
bei Lutherstadt Wittenberg, wo der Bronzemedaillengewinner<br />
von Montreal, Frank Wartenberg, den Weitsprung erlernte.<br />
Damals, mit 25 Jahren, soeben das Studium als Fremdsprachenlehrer<br />
beendet. Davon ein Jahr im Land der Sprache<br />
von Alexander Puschkin. Ins Land der Zweitsprache Englisch<br />
zu gelangen, war allerdings ebenso undenkbar wie<br />
in den Olympiaort von 1972, obwohl wir DDR-Bürger von<br />
einem heißen Wunsch beseelt waren. Nun galt mein TV-Interesse<br />
als 800-m-Bezirksmeister von Halle den Leichtathleten<br />
aus Ost und West. So war es bereits während der EM 1966 in<br />
Budapest, wo ich viele FREUNDE kennenlernte, nicht zuletzt das<br />
langjährige Vorstandsmitglied Sepp Anthofer. Diese feste<br />
Freundschaft brachte mir zunächst eine Stasi-Beobachtung ein,<br />
da mir der spannende Zehnkampf um den Sieger Werner von<br />
Moltke wichtiger war als die abendliche DDR-Gruppendisziplin.<br />
Nun blicke ich in die Olympiawerke 72 des ND-Journalisten<br />
Klaus Ullrich und Mister Sportschau Ernst Huberty, damals das<br />
Buch von der Großmutter aus Herford unter Angstschweiß an<br />
den Grenzkontrollen vorbeigebracht.<br />
Natürlich waren die Wettkämpfe in München immer ein<br />
innerdeutsches Prestigeduell, aber weniger unter den Fans,<br />
besonders aus dem Osten. Wir freuten uns gleichermaßen<br />
über die Siegessprünge von Ulrike Meyfahrth und Wolfgang<br />
Nordwig oder die Goldwürfe von Ruth Fuchs und Klaus<br />
Wolfermann. Selbst beim dramatischen Finale der Sprintstaffeln<br />
fand ich Trost für die unterlegene Sprintdoppelsiegerin Renate<br />
Stecher gegenüber der unwiderstehlichen Heide Rosendahl.<br />
Ebenso versöhnlich teilten sich die Geher Peter Frenkel und<br />
Bernd Kannenberg die Geher-Titel.<br />
Selbst von den vorherigen gemeinsamen deutschen Mannschaften<br />
und ab Mexiko 1968 getrennten Teams zu berichten,<br />
ist für die jüngere Generation tiefe Geschichte in den Standardwerken<br />
und in unserem Gedächtnis. Die Spiele von München<br />
mit der Krone <strong>Leichtathletik</strong> haben wesentlich den Wunsch<br />
nach der Einheit Deutschlands hochgehalten. Auch heute zeigt<br />
der Sport mit seiner völkerverbindenden Idee vielen Menschen<br />
den Weg, sich aus ihren unwirklichen Verhältnissen zu lösen.<br />
Dr. Heinz Wehmeier (Zahna-Elster, Landkreis Lutherstadt<br />
Wittenberg)<br />
Freude – Frust – Begeisterung<br />
Freude – Was war ich erleichtert, als Every Brundage seinen<br />
berühmten Satz sagte: „The games must go on!“ Schließlich<br />
hatte uns unser Trainer Walter Oberste getrimmt und wir hatten<br />
wirklich viel gearbeitet, um eine gute 4×100-m-Staffel laufen<br />
zu können. Die Staffelrennen hatten aber noch gar nicht<br />
begonnen und so war die Freude, trotz der Tragödie, die das<br />
Attentat von München darstellte, groß, dass es weitergehen<br />
sollte und wir noch zu unserem Einsatz kämen.<br />
Frust – Aber meine Erleichterung sollte nicht lange anhalten.<br />
Bei der Trauerfeier im Stadion, bei der Brundage diese Worte<br />
sagte, saß Manfred Ommer neben mir. Er sollte die zweite Kurve<br />
laufen und er war sicher ein wichtiges Element der Staffel. An<br />
Ort und Stelle teilte er mir aber mit, dass er sich entschlossen<br />
habe, nicht mehr anzutreten! Auf meine ungläubige Nachfrage<br />
hatte er zwei Antworten parat. Erstens könne er aus „Gewissensgründen“<br />
nicht mehr starten und zweitens hätten wir ohnehin<br />
keine vernünftige Chance, auch nur den Endlauf zu erreichen.<br />
21 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
Mit dem zweiten Punkt hatte er wohl Recht, schien es mir zu<br />
diesem Zeitpunkt. Besonders dann, wenn er nicht mitlaufen<br />
würde. Frust machte sich bei mir breit.<br />
Was den ersten Punkt angeht, war er wohl der einzige Leichtathlet,<br />
der noch im Wettbewerb war, der so handelte, und<br />
immerhin hat er dafür auch die gewünschte mediale Aufmerksamkeit<br />
bekommen!<br />
Begeisterung – Gerd Wucherer ist dann eingesprungen und wir<br />
haben uns alle gedacht: Jetzt erst recht! Im Vorlauf klappte es<br />
mit der Wechselmarke zwischen Gerd auf Position 3 und mir<br />
als Schlussläufer nur bedingt. Mit dem „letzten Hemd“ konnte<br />
Gerd mir schon im Fallen den Stab übergeben und der Endlauf<br />
wurde erreicht. Alle waren wir glücklich und an sich schon fast<br />
zufrieden mit dem Erreichten.<br />
Mit den neuen Erfahrungen klappten die Wechsel im Endlauf<br />
besser und mit Können und Glück kamen wir hinter den Staffeln<br />
der USA, die sich für die ungewohnten Sprint-Niederlagen über<br />
100 m und 200 m gegen Borsow mit neuem Weltrekord schadlos<br />
hielten, und der UdSSR zu meinem namenlosen Erstaunen<br />
als Dritte ins Ziel. Stolz, Freude und Begeisterung!<br />
Noch am gleichen Abend haben wir eine Postkarte verschickt:<br />
Als Medaillengewinner grüßen: Jobst Hirscht, Karlheinz Klotz,<br />
Gerd Wucherer, Klaus Ehl <br />
Klaus Ehl (Bochum)<br />
Fotos: Peter Busse<br />
Examen statt olympischer Kongress<br />
Meine damaligen Bestzeiten von 32:48 min über 10.000 m und<br />
2:38 h im Marathon haben 1972 nicht für die Teilnahme an den<br />
Olympischen Spielen in München gereicht. Dennoch habe ich<br />
mich für München qualifiziert – nicht für die sportlichen Wettbewerbe,<br />
sondern für den wissenschaftlichen Kongress, der<br />
anlässlich der Spiele in der bayerischen Metropole stattfand.<br />
Der Einladung zu diesem Symposium waren viele Fachleute<br />
aus der ganzen Welt gefolgt. Auch 50 Student*innen aus<br />
Deutschland konnten an dem Kongress teilnehmen. Es gab ein<br />
umfangreiches Auswahlverfahren, bei dem es um sportwissenschaftliche<br />
Fragen, um sportliche Leistungen und um den<br />
Nachweis eines Engagements in einem Verband oder Verein<br />
ging.<br />
Ich habe mich riesig gefreut, als ich eine Einladung zu diesem<br />
Kongress erhielt. Die Enttäuschung kam jedoch einige<br />
Wochen später, als ich von der Pädagogischen Hochschule,<br />
wo ich damals die Fächer Mathematik, Sport und Sozialwissenschaften<br />
studierte, die Prüfungstermine für mein Erstes<br />
Staatsexamen mitgeteilt bekam. Die Daten fielen genau in die<br />
Zeitdauer der Olympischen Spiele. Ich stand vor der Qual der<br />
Wahl: Kongress in München oder Staatsexamen. Ich entschied<br />
mich schweren Herzens für die Prüfungen an der Pädagogischen<br />
Hochschule. Im Nachhinein war das für mich die einzig richtige<br />
Entscheidung. Wenn ich nämlich meine Prüfungstermine<br />
verschoben hätte, wäre ich ein Jahr später voll in die 1973 beginnende<br />
Lehrerarbeitslosigkeit gekommen. Erst 20 Jahre später,<br />
als die Lehrerschaft total überaltert war, wurden wieder junge<br />
Pädagogen eingestellt.<br />
Trotz meines Verzichts auf den Kongress habe ich damals<br />
noch ein wenig Olympia-Atmosphäre schnuppern können,<br />
denn die 72. Deutschen <strong>Leichtathletik</strong>-Meisterschaften wurden<br />
vom 20. bis zum 23. Juli 1972 in München ausgetragen.<br />
Hauptveranstaltungsort war das Olympiastadion, in dem fünf<br />
Wochen später die Olympischen <strong>Leichtathletik</strong>-Wettbewerbe<br />
stattfanden.<br />
Da ich damals schon Pressewart im Fußball- und <strong>Leichtathletik</strong>-<br />
Verband Westfalen (FLVW) war, durfte ich über die Deutschen<br />
Meisterschaften, die als Probelauf für die Olympischen Spiele<br />
galten, berichten. Den Journalisten wurde in München jeglicher<br />
Komfort geboten, einschließlich der Unterbringung im<br />
Olympischen Dorf. Dort durften wir auch die Mensa nutzen, in<br />
der wir als Testesser*innen mit den gleichen Speisen verwöhnt<br />
wurden wie kurze Zeit später die Olympiateilnehmer*innen.<br />
Das war bereits im Vorfeld eine kleine Entschädigung für den<br />
verpassten Olympia-Kongress.<br />
Peter Middel (Dortmund, auch 50 Jahre später noch Pressewart des<br />
FLVW)<br />
Als Senegalese bei den Olympischen Spielen<br />
Vom <strong>Leichtathletik</strong>virus infiziert wurde ich 1960, als die Spiele<br />
von Rom bei meinen Großeltern im Fernsehen liefen. Wir spielten<br />
die Wettkämpfe der Spiele auf der Straße nach und von da<br />
an war Laufen mein Metier. Ich trat dem örtlichen TV Friesen bei<br />
und wir nahmen 1967 mit der Olympischen Staffel an den Deutschen<br />
Jugendmeisterschaften in Oldenburg teil – der eigentliche<br />
Beginn meines <strong>Leichtathletik</strong>lebens.<br />
Im Jahr 1971 begann ich in Münster ein Studium Französisch/<br />
Sport für das Lehramt an Gymnasien. Dort kam ich in Kontakt<br />
mit Franz-Josef Kemper, der <strong>Leichtathletik</strong> als wissenschaftliche<br />
Hilfskraft lehrte. Für die Semesterferien 1972 hatte ich mich bei<br />
der Bundespost angemeldet, um für 6 Wochen den für Studenten<br />
sehr lukrativen Job eines Briefträgers anzunehmen.<br />
Als ich eines Nachmittags zum Training ins Nattenbergstadion<br />
kam, lief mir der aufgeregte Platzwart über den Weg und fragte,<br />
ob ich ihm helfen könne. Da seien plötzlich Afrikaner im Stadion<br />
aufgetaucht, die er nicht verstehe. Es stellte sich heraus,<br />
dass es französisch sprechende Mitglieder der senegalesischen<br />
Olympiamannschaft waren, die zur Vorbereitung auf die Spiele<br />
für vier Wochen nach Lüdenscheid gekommen waren.<br />
Am nächsten Tag, als ich wieder im Stadion war, kam der Sportamtsleiter<br />
der Stadt Lüdenscheid auf mich zu, und fragte, ob<br />
ich Interesse hätte, die Senegalesen sowohl als Dolmetscher<br />
als auch organisatorisch zu betreuen. Dieses Angebot konnte<br />
ich nicht ausschlagen. Die nächsten vier Wochen war ich vollauf<br />
beschäftigt. So starteten „meine“ schnellen 400-m-Läufer<br />
in Fröndenberg über 200 m. Dort hatten die Kurven einen so<br />
engen Radius, dass die Afrikaner bis auf einen alle aus der Kurve<br />
getragen wurden und ihre Bahn verließen. Disqualifiziert wurde<br />
aber niemand.<br />
<strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong> 22
Am Ende des Aufenthaltes in Lüdenscheid organisierten mein<br />
Bruder und ich eine große Abschiedsparty, bevor die gesamte<br />
Mannschaft am nächsten Tag offiziell nach München verabschiedet<br />
wurde. Am folgenden Montag begann ich meine<br />
Tätigkeit bei der Post; dort hatte man die Möglichkeit, umsonst<br />
zu telefonieren. So rief ich täglich meine neuen Freunde im<br />
olympischen Dorf in München an, um Neuigkeiten zu erfahren.<br />
Nach drei Tagen war dann der senegalesische Delegationsleiter<br />
am Telefon und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, nach München<br />
zu kommen, er würde mich mit Begleitung einladen. Sie<br />
würden dafür sorgen, dass wir im Dorf in ihrem Haus unterkommen<br />
könnten. Da habe ich natürlich nicht gezögert und<br />
dafür auch Sonderurlaub von der Post bekommen.<br />
Am Eingang des olympischen Dorfes kam mir als Erstes<br />
Franz-Josef Kemper entgegen, der völlig verwundert war, mich<br />
dort zu sehen. Die Senegalesen hatten für alles gesorgt. Essen<br />
gab es in der Olympiakantine: soviel man wollte und was man<br />
wollte. Es war alles im Überfluss da. Ein Paar Spikes aus dem<br />
olympischen Dorf besitze ich heute noch, denn die zwei großen<br />
Sportartikelhersteller aus Deutschland hatten je einen Laden,<br />
wo man sich bedienen konnte. Bepackt wie die Maulesel kamen<br />
wir in unser Zimmer zurück.<br />
Ein Problem gab es natürlich mit Karten für das Olympiastadion.<br />
Wir hatten keine, woher auch. Da kam ein Senegalese auf die<br />
Idee, uns mit ihren Olympiaausweisen auszustatten. Das waren<br />
ähnliche Karten, auf denen oben das entsprechende Land, in<br />
der Mitte der Name des Athleten und unten ein Foto war. Um<br />
jetzt Einlass in den Teilnehmerblock zu bekommen, musste man<br />
diese Karte vorzeigen. Der Trick war, dass man mit dem Daumen<br />
das Foto abdeckte. So kamen wir in den Teilnehmerblock<br />
des Stadions und konnten dort die Wettkämpfe verfolgen. Es<br />
war unvergesslich! Besonders am Schlusstag der <strong>Leichtathletik</strong>,<br />
als Heide Rosendahl den Staffelstab vor Renate Stecher ins Ziel<br />
brachte und ein einziger Aufschrei folgte. Für mich war damit<br />
der Traum eines jeden Sportlers in Erfüllung gegangen: einmal<br />
Olympische Spiele mitzuerleben. Da mir eine Teilnahme als<br />
mittelmäßigem Mittelstreckler natürlich nie gelingen konnte,<br />
war dies die Gelegenheit, den Traum zu verwirklichen. Noch<br />
heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich den Staffeleinlauf der<br />
Frauen irgendwo sehe.<br />
Eins hat sich bis heute gehalten, die Freundschaft zu den senegalesischen<br />
Sportlern; mit einem bin ich noch regelmäßig in<br />
Kontakt und von den anderen höre ich über diesen Freund.<br />
Zwei Jahre nach den Spielen haben mich die Senegalesen dann<br />
in ihr Land eingeladen und ich habe die afrikanische Gastfreundschaft<br />
kennenlernen dürfen. Jetzt freue ich mich auf<br />
den Sommer und die Europameisterschaften in München; eine<br />
Rückkehr, die viele Erinnerungen wachrufen wird.<br />
Johannes Riedel (Lüdenscheid)<br />
einreichen. Damals galten noch andere Spielregeln. Härtere<br />
Spielregeln. Jüngere hatten sich hinten anzustellen. Familienväter,<br />
Verheiratete, Firmenzugehörigkeit – solche Dinge spielten<br />
eine Rolle bei der Urlaubsvergabe. Aber ich war kein Familienvorstand<br />
und auch nicht verheiratet. Schlechte Karten, kurzum:<br />
Ich war zweiter Sieger und musste fremden Leuten meine<br />
Karten abgeben. Das tat weh!<br />
Mein Arbeitgeber war der größte VW-Händler Deutschlands<br />
in Essen. In der City gab es verschiedene Autosalons, die in der<br />
Urlaubszeit von den jüngeren Verkäufern besetzt werden mussten.<br />
So von mir. Im Laden im Deutschlandhaus residierte „Laden<br />
Willi“. Laden Willi war eine Institution. Weltgewand, mehrsprachig<br />
und er hatte Urlaub bekommen; ich hatte ihn auch am<br />
4. September zu vertreten. Bevor er in den Urlaub ging, nahm<br />
er mich noch an die Seite und sagte: „Also, Herr Stegmann, ich<br />
weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll, aber man spricht schon<br />
über Sie – bevor Sie mich vertreten, gehen Sie bitte doch noch<br />
einmal zum Frisör.“<br />
Nun saß ich im Laden. Die Leute zu Hause, oft auch in in den<br />
Firmen, konnten genüsslich die Wettkämpfe verfolgen –<br />
unerträglich für mich. Meine Kollegen im Hauptbetrieb sahen<br />
fern und hielten mich auf dem Laufenden. Es kribbelte in mir.<br />
Im Schaufenster 100 Meter die Straße runter stand ein Fernseher<br />
für die Passanten. Alle konnten gucken und ich nicht.<br />
Im Laden war nichts los. Es war ein kleiner und feiner Salon,<br />
mehr ein Showroom mit nur 6 Neufahrzeugen. Ich war jung,<br />
spontan, risikobereit und hielt es nicht mehr aus. Da bin ich<br />
mehrmals während des Hochsprungfinales der Frauen hin und<br />
her gerannt – den Laden ließ ich offen. Im vollen Bewusstsein,<br />
dass es große Probleme geben könnte. Um 18:30 Uhr schloss ich<br />
den Laden ab und konnte die finalen Sprünge mit klopfendem<br />
Herzen, aber nicht mehr mit schlechtem Gewissen, live vor dem<br />
Schaufenster erleben. Laden Willi hat nie davon erfahren - ich<br />
glaube, das hätte er mir auch nicht verziehen.<br />
Das Hochsprungfinale war ein wie von Hollywood inszeniertes<br />
Märchen. Ein 16-jähriger Teenager und dann auch noch aus dem<br />
Gastgeberland, stiehlt der über Jahre entwickelten, etablierten<br />
Weltklasse die Show und springt auch noch Weltrekord. Fast zu<br />
kitschig, um wahr zu sein, aber es war wahr ... – unfassbar.<br />
Wie meistens im Leben kam nach dem Rausch der Kater. Ulrike<br />
Meyfarth schied vier Jahre später in der Qualifikation aus. Lange<br />
Zeit musste sie leiden, um dann 12 Jahre später wieder Olympiasiegerin<br />
zu werden. Ihre größte Leistung.<br />
Uli Stegmann (Essen)<br />
Der Sprinter von der Lindenallee<br />
Wir sprachen über Olympia 72. „Den meisten fällt ja spontan die<br />
Meyfarth ein, wie ist das denn bei Dir?“ Ohne zu überlegen, fiel<br />
mir sofort die Antwort ein: auch Meyfarth! Und wieso?<br />
Mein ganzes Umfeld wurde damals aktiviert, um an Karten zu<br />
kommen. Ich hatte mir keine großen Hoffnungen gemacht,<br />
bei der Verlosung geeignete Karte zu ergattern. Aber meine<br />
Bemühungen wurden belohnt. Ich bekam einige Karten und<br />
war total happy. Da ich schon zur arbeitenden Bevölkerung<br />
gehörte, musste ich allerdings zunächst einen Urlaubsantrag<br />
23 <strong>Leichtathletik</strong> <strong>INFORMationen</strong>
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